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Nachdem Faucitt in den ersten Dezembertagen 1775 den Vertragsentwurf in Braunschweig abgeschlossen und an Suffolk eingesandt hatte, war er seinem Auftrag gemäß sofort in das benachbarte Kassel abgereist, wo er am 10. Dezember ankam.
Kassel war zu jener Zeit und überhaupt während des ganzen 18. Jahrhunderts eine der schönsten und glänzendsten Städte Deutschlands; es verdankte seine Pracht gerade dem Geschäft, wegen dem es Faucitt jetzt besuchte: dem Soldatenhandel.
Das Blut und die Kraft des Landes wurden in der Residenz in Marmor und in Prachtbauten umgemünzt. Seit hundert Jahren war dort ein Fürst auf den anderen gefolgt, der seinen Vorgänger in teils geschmackvollem, teils geschmacklosem Luxus, in großen Palästen und Gartenanlagen, Kunstsammlungen und Bildergalerien überbot. Hand in Hand mit dieser täglich reicher und kostspieliger auftretenden Baulust und Verschwendung gingen natürlich auf der anderen Seite der Menschenhandel und die Verarmung des Landes an Einwohnern. Die hessischen Landgrafen trieben die Unterhaltung eines teuren stehenden Heeres, die bei dem einen ihrer Kollegen oft ein kindisches Spiel war oder beim anderen ein ernstes Ziel bedeutete, lediglich als ein regelmäßiges kaufmännisches Geschäft. Ihre Soldaten, aus einem kräftigen, unverdorbenen und tapferen Volksstamm hervorgegangen, wurden durch Disziplin und Übung bald die besten und zuverlässigsten, darum auch gesuchtesten Truppen in Europa, und von England bis Griechenland gab es vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts kaum ein Schlachtfeld, auf dem sich die hessische Infanterie nicht rühmlich ausgezeichnet hätte.
Landgraf Karl I. (1677-1730), der Kasernen- und Kirchenerbauer, der zuerst die Wasserwerke auf dem Weißenstein (der späteren Wilhelmshöhe) anlegte und dort den Herkules aufstellte, fing den Soldatenhandel mit dem Ausland an. 1687 überließ er 1000 Mann an Venedig zum Krieg gegen die Türken in Morea, 1702 gab er 9000 Hessen an die Seemächte, 1706 dienten deren 11 500 Mann in Italien, und nach dem Utrechter Frieden vermietete er wieder 12 000 Hessen an Georg I. Seit der Thronbesteigung Georgs II. zahlte England jährlich 240 000 Pfund Sterling Subsidien an den Landgrafen, eine für jene Zeit sehr bedeutende Summe.
Sein Nachfolger Friedrich I. (1730-51), der als Gemahl der Schwester Karls XII. zugleich König von Schweden war und deshalb wenig in Hessen lebte, vermehrte gleichwohl sein Heer auf 24 000 Mann. Sein Bruder Wilhelm VIII., der zuerst als sein Statthalter und dann selbständig von 1751 bis 1760 regierte, betrieb das Soldatengeschäft in noch größerer Ausdehnung, ja er versah sogar im Österreichischen Erbfolgekrieg beide kriegführenden Mächte mit Truppen, indem er 1743 6000 Hessen an Georg II., den Bundesgenossen Maria Theresias, und ebenso viele Landeskinder an Karl VII., den ephemeren deutschen Kaiser, vermietete. Es stand also Hesse gegen Hesse; es war ein Bruderkrieg auf fremde Bestellung, auf höheren Befehl und aus keinem anderen Motiv als zum Besten des landesväterlichen Säckels! Einige Jahre später bildeten die Hessen den Kern der holländischen Hilfstruppen, mit denen der Herzog von Cumberland die Schlacht bei Culloden gewann, und im Siebenjährigen Krieg kämpften wieder 12 000 Hessen für englische Interessen gegen die Franzosen in Deutschland.
Landgraf Friedrich II. (1760-85), mit dem wir es zunächst zu tun haben, gehörte durch seinen Reichtum, seine Familienverbindungen und die günstige Lage seines Landes trotz dessen verhältnismäßig geringen Umfangs (156 Quadratmeilen mit nicht ganz 300 000 Einwohnern) zu den mächtigsten und angesehensten Reichsfürsten. Er hatte mit seinen Vorgängern einen gewissen nüchternen Blick, geschäftsmäßigen Ordnungssinn, rücksichtslosen Egoismus, grobe Sinnlichkeit und hartnäckigen Eigensinn gemein. Er war katholisch geworden, weil ihm der Protestantismus zu wenig vornehm erschien, verhielt sich im übrigen aber nicht nur gleichgültig gegen die Religion, sondern gefiel sich darin, den Aufgeklärten, den Beschützer der Künste und Wissenschaften zu spielen und mit Voltaire zu korrespondieren. Er gründete sogar höhere Lehranstalten und Museen, ja er trug in einzelnen Gesetzen eine gewisse Humanität und den Firnis der Bildung zur Schau. Wie wenig aber hinter diesem Schein steckte, beweist die Anekdote, wonach er den Verskünstler Casparson für ein Lobgedicht, das ihm dieser, auf Seidenpapier gedruckt, auf dem Abtritt hatte überreichen lassen, zum ordentlichen Professor am Carolinum ernannte.
So sehr der Landgraf als Gemahl der englischen Prinzessin Marie, der Tochter Georgs II., das englische Geld liebte, so sehr bewunderte er auf der anderen Seite französische Sitte und Unsitte. Das offizielle Kassel war unter ihm eigentlich nur eine französische Kolonie. Französische Theater und Oper, französische Tänzerinnen und Huren, französische Weichlichkeit und Üppigkeit, französische, von Voltaire empfohlene Abenteurer – wie de Luchet und Trestondam in verantwortlichen Stellungen – gaben dort den guten Ton an. Eine vom Herzog von Bouillon in Paris abgedankte Mätresse wurde nach Kassel verschrieben und erhielt außer 2000 Taler Gold Reisegeld jährlich 10 000 Taler Gold Gehalt. Außer dieser Oberhure erfreute sich noch ein ganzer Harem der landesväterlichen Gunstbezeugungen. Die Zahl der unehelichen Kinder des Landgrafen läßt sich gar nicht bestimmen; es sollen deren über hundert gewesen sein. Seine rechtmäßigen Kinder, die in Hanau von ihrer Mutter erzogen wurden, sah er, ohne daß sie ihm etwas zuleide getan hätten, volle neunundzwanzig Jahre nicht; ihre Mutter hatte aber das Verbrechen begangen, sich von ihrem Mann zu trennen, nachdem er katholisch geworden war.
Trotz all dieser Ausgaben und besonders trotz seiner kostspieligen Bauten – wie Opernhaus, katholische Kirche, Museum und Paradeplatz – hinterließ Friedrich bei seinem Tod nahezu sechzig Millionen Taler bares Vermögen; es war – mit Ausnahme jenes Betrages, der durch das von dem Mailänder Sinistrario 1777 gegründete italienische Lotto eingenommen worden war – hauptsächlich durch den Soldatenhandel erworben. Der Landgraf hatte, indem er zuerst System und Methode in dieses Geschäft brachte, schon im Jahre 1762 das freiwillige Werbesystem in Hessen aufgehoben und nach dem Vorbild Preußens das Land in Kantone eingeteilt, deren jeder eine gewisse Anzahl Rekruten für ein bestimmtes Regiment liefern mußte. Sein Heer belief sich in Friedenszeiten auf etwa 16 000 Mann. Nur Kassel blieb nach wie vor frei von der Aushebung; bloß diejenigen jungen Leute der Hauptstadt, die sich freiwillig meldeten, wurden Soldaten. Wenn die Eltern der weggenommenen Söhne klagten, so kam der Vater in die Eisenarbeit, die Mutter ins Zuchthaus. Wer desertierte, mußte zwei Tage hintereinander Spießruten laufen, jeden Tag zwölf mal, zuweilen bis zum Tode! »Nie«, sagt Karl Julius Weber in seinen »Briefen eines in Deutschland reisenden Deutschen«, »sah ich mehr arme Teufel durch die Gassen jagen als einst in Kassel; die Trauermusik hörte ich in meiner Wohnung, und die Offiziere belehrten mich, daß Gassenlaufen der Gesundheit weniger nachteilig sei als die alten Stockprügel.«
Den Reisenden jener Zeit fällt immer das traurige, gedrückte Wesen der Hessen auf; namentlich bemerken sie über den Gesichtern der Frauen eine tiefe Trauer, eine schmerzliche Resignation ausgebreitet. Die Hessen, die, um den ständigen Aushebungen zu entgehen, haufenweise nach Ungarn und Polen auswanderten, pflegten sich sehr bezeichnend selbst »Herrenmänner« zu nennen. »Sind wir tot, so sind wir davon«, war eine gewöhnliche Redensart der armen Leute im Lande. Nach dem Siebenjährigen Krieg war ganz Hessen von aller jungen Mannschaft entblößt, und kaum war wieder welche nachgewachsen, so mußte sie – ein Zwanzigstel der Bevölkerung des ganzen Landes! – nach Amerika ziehen. Bei dieser Gelegenheit griff man natürlich auch zu Werbungen im deutschen Ausland; namentlich Frankfurt war eine Hauptrekrutenstation für die hessischen Werber.
Der Minister dieses Fürsten nun, Ernst Martin von Schlieffen, ein geborener Pommer, war einer der geistreichsten, sonderbarsten, unter dem Anschein der Sentimentalität nüchternsten und der Maske des Biedermannes berechnendsten Männer aus der Aufklärungszeit des vorigen Jahrhunderts. Natürlich verehrte auch er Voltaire und die französischen Enzyklopädisten als eine Art höheren Wesen. Als Jüngling durch eine Laune des großen Königs aus dem preußischen Dienst getrieben, hatte er in Hessen unter Wilhelm VIII. freundliche Aufnahme gefunden, den Siebenjährigen Krieg unter dem Herzog von Braunschweig mitgemacht und es bis zum Jahre 1772 zum Generalleutnant gebracht. Zur Zeit der Ankunft Faucitts war er zugleich Minister und die rechte Hand des Landgrafen, dessen Vorteil er nie außer Augen ließ. Dieser hätte in der Tat nirgends einen aufmerksameren, umsichtigeren und gewissenhafteren Unterhändler als Schlieffen finden können. Faucitt war seiner Überlegenheit, seiner Weltkenntnis und Feinheit im Verkehr durchaus nicht gewachsen, wie sich denn Schlieffen überhaupt ebenbürtig an die Seite der besten Diplomaten seiner Zeit stellt. Später trat er wieder in preußische Dienste, wurde Kommandant von Wesel und Generalleutnant. Die Franzosen wollten ihn 1792 zum Befehlshaber unter Dumouriez machen. Schlieffen lehnte das Anerbieten ab, diente aber auch nicht gegen die von ihm so hoch bewunderte Nation und zog sich auf sein Gut Windhausen bei Kassel zurück, wo er ein beschauliches, den Wissenschaften gewidmetes Leben führte, sich selbst ein Grab mit sonderbarer Inschrift setzte und erst 1825, dreiundneunzig Jahre alt, starb.
Seine Familiengeschichte der von Schlieben oder Schlieffen enthält einen der besten Essays über die Entstehungsgeschichte des deutschen Adels; seine Ansichten sind immer originell und geistreich, wenn sie oft auch den Autodidakten verraten; nur werden sie leider durch einen bis zur Komik getriebenen Purismus oft ungenießbar. So nennt er sich als General und Minister einen Feldherrn-Geschäftsführer; ein Adjudant heißt bei ihm Feldhandbieter, die Musen sind Wissensgöttinnen, und der Staatssekretär ist ein Reichsschriftenverweser.
Mit diesem Mann nun hatte Faucitt bei seiner Ankunft in Kassel zu tun. Vom Siebenjährigen Krieg her noch oberflächlich mit ihm bekannt, hielt er sich an die weltmännische Außenseite, an die glatten und gewinnenden Formen des Ministers und wünschte sich schon Glück, daß er weit besser mit ihm als mit dem pedantischen Feronce zum Ziel kommen werde. Er sollte aber bald zu seinem Schaden herausfinden, daß er mit dem braunschweigischen Minister ein viel leichteres Spiel gehabt hatte. Faucitt überbrachte Schlieffen ein Einführungsschreiben des Erbprinzen von Braunschweig, der darin den Abschluß eines Trappenlieferungsvertrages mit England anzeigte, »da man doch aus Rücksichten der Freundschaft und Verwandtschaft dem Wunsch des Königs von England habe Folge leisten müssen«, und der zugleich den Besuch Faucitts in Kassel zu demselben Zwecke ankündigte. Siehe Anhang sub XI.
Schlieffen erklärte, daß der Landgraf unwohl sei und zur Zeit niemanden empfangen könne, zeigte sich im übrigen aber geneigt, auf den Vorschlag einzugehen und seinen Herrn dafür zu gewinnen. Dieser sei, fügte er hinzu, sehr verstimmt und leicht reizbar; man müsse deshalb vorsichtig mit ihm umgehen und ihn schrittweise auf die Absichten Faucitts vorbereiten. Ganz so schlimm muß es in Wirklichkeit mit der üblen Laune des Landgrafen nicht gestanden haben, denn schon zwei Tage nach dem ersten Empfang des englischen Gesandten erklärte Schlieffen diesem, daß Serenissimus nicht nur keine Einwendungen mache, sondern den Vorschlag des Königs von England mit Vergnügen annehme und ihm so viele Truppen überlassen wolle, als er nur entbehren könne.
»Der General«, schreibt Faucitt am 12. Dezember 1775 an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 101 »fragte mich, wie viele Soldaten wir brauchen würden, worauf ich erwiderte, 10 000-12 000 Mann, mir nicht einbildend, daß der Landgraf eine so große Zahl zu liefern imstande sei. Der General versprach sie mir aber sofort, da sich die Kriegseinrichtungen Hessens seit dem letzten Krieg auf einem ausgezeichneten Fuß befänden, und sagte zugleich zu, daß die Truppen bis spätestens April marschfertig sein sollten. Am Schluß unserer Unterredung erwähnte Schlieffen noch eine Forderung für Hospitalausgaben, die Hessen angeblich im letzten Krieg für uns gemacht und deren Bezahlung er bisher vergeblich gefordert habe. Ich erklärte, von der Sache gar nichts zu wissen, und hoffe, die Verhandlungen schließen zu können, ohne daß mir deshalb Bedingungen auferlegt werden. Ich benachrichtige Sie sofort von diesem Anspruch, weil der Minister des Landgrafen leicht aus unserer gegenwärtigen Verlegenheit Nutzen ziehen und auf Befriedigung dieses angeblichen Anspruchs bestehen könnte.«
Schlieffen las aus der Eile und Hast, mit der Faucit die Verhandlungen betrieb, sehr schnell seinen Vorteil heraus und fand darin nur eine Aufforderung mehr für sich, den Gunst bewilligenden Gönner zu spielen und sich langsam und anscheinend widerwillig ein Zugeständnis nach dem anderen entreißen zu lassen. Die Bedingungen, die er aber in der Tat vorschrieb, gingen so weit, daß sie das eigentliche Verhältnis zwischen beiden Kontrahenten auf den Kopf stellten und den englischen Gesandten und den Minister des Auswärtigen zu Bittstellern herabsetzten, die froh sein mußten, daß ihnen nur ein Teil ihrer Wünsche gewährt wurde. Die Situation war einfach: Der Landgraf hatte Geld und konnte warten; der König von England aber hatte keine Truppen und konnte nicht warten. Der verschuldete Herzog von Braunschweig hatte wie ein hungriger Klient mit seinem reichen Patron verhandeln müssen und würde, wenn Faucitt seinen Vorteil verstanden hätte, auf jedes Gebot, auf jede Bedingung eingegangen sein. Schlieffen aber wußte, daß er unentbehrlich war, und konnte deshalb durch Zurückhaltung nur gewinnen.
Der Vertrag, dessen definitiver Abschluß die Zeit vom 12. Dezember 1775 bis zum 31. Januar 1776 in Anspruch nahm, stimmt in seinen Zwecken und wesentlichen Grundzügen mit der Braunschweiger Konvention überein und mag seinem Wortlaut nach im Anhang nachgelesen werden; Siehe Anhang sub XII. es genügt deshalb, hier nur diejenigen formellen und materiellen Bedingungen hervorzuheben, durch die sich beide voneinander unterscheiden.
Zunächst schloß also der winzige Landgraf von Hessen mit dem mächtigen König von England keinen Truppenlieferungsvertrag wie Braunschweig, sondern eine Allianz, ein Schutz- und-Trutz-Bündnis, in dem der eine Teil (§ 1) dem anderen treue Freundschaft und die Förderung seiner Interessen wie seiner eigenen verspricht und sich verpflichtet, alle Verluste und Nachteile vom anderen abzuwenden. Ja England ging in den Paragraphen 10 und 11 so weit, dem Landgrafen den ungeschmälerten Besitz seines Gebietes zu verbürgen, falls er angegriffen werden sollte, und natürlich verpflichtete sich auf der anderen Seite der Landgraf, dem König von England im Falle eines Angriffs zu Hilfe zu kommen. Wir werden später sehen, wie heftig diese Bestimmung, als der englischen Krone unwürdig, vom Parlament angegriffen wurde.
Über dieser Wahrung seiner politischen Gleichberechtigung übersah Schlieffen durchaus nicht die materiellen Vorteile. Zunächst setzte er durch, daß aus allen früheren mit England abgeschlossenen Verträgen die für Hessen günstigsten Bestimmungen in den neuen Vertrag aufgenommen wurden, wie dies auch aus seiner Einleitung hervorgeht. Natürlich hütete sich Schlieffen wohl, irgendwelche nachteilige Klauseln aus der Vergangenheit hervorzuziehen; dagegen war er, wo es seinem Interesse entsprach, in einzelnen Fällen um so geschickter, eine Übereinstimmung zwischen der Gegenwart und längst obsolet gewordenen Paragraphen der früheren Verträge zu entdecken.
»Schlieffen wollte es zuerst als einen unsere Verhandlungen leitenden Grundsatz anerkannt sehen«, schreibt Faucitt am 20. Dezember 1775 an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 101. »daß die Verträge, die früher zwischen beiden Höfen abgeschlossen wurden, als die Basis gelten sollten, auf der auch der gegenwärtige Vertrag abzuschließen sei, und daß wir im Laufe unseres Geschäftes nur dann davon abgehen dürften, wenn die veränderten Umstände es unbedingt verlangten. Eine Zustimmung zu diesem Vorschlag meinerseits würde mich, wie ich fürchtete, einer unangenehmen Beschränkung ausgesetzt haben. Ich widersprach also, indem ich einwandte, daß augenblicklich kein allgemeiner Krieg herrsche; daß ferner Hessen nicht in Gefahr schwebe, von einem fremden Feind überfallen zu werden; daß demnach die Verhältnisse, die die Mehrzahl der alten Verträge hervorgerufen hatten, nicht existierten, weshalb es ratsamer sein und unsere Arbeit bedeutend abkürzen würde, wenn wir unsere Beratungen hauptsächlich auf diejenigen Punkte beschränkten, die der vorliegende Fall erheische. Der General bestand aber darauf, daß den früheren Verträgen anhängen auf geebneten Wegen gehen heiße und daß dadurch der Abschluß unserer Verhandlungen eher gefördert als gehemmt werde. Außerdem, sagte er, sei es der bestimmte Befehl seines Herrn, nur auf der alten Grundlage zu verhandeln und weiterzugehen. Der Landgraf verlange also, daß seine Verbindung mit England nur im Einklang mit den früher befolgten Prinzipien erneuert und keine ungünstigere als irgendeine der ihm bei früheren Gelegenheiten bewilligten Bedingungen angenommen werde, um so mehr, da seine Truppen zum Dienst in einem so entfernten Land verwendet werden sollten. Ich mußte also notgedrungen nachgeben. Der Vertrag ist in der gewöhnlichen Form entworfen; viele seiner Artikel sind den früheren Verträgen, namentlich denjenigen von 1775, entnommen.« (Das heißt, dem vom Herzog von Newcastle abgeschlossenen, gegen den Pitt damals auftrat.)
Suffolk behandelte übrigens diese Frage sehr oberflächlich und leichtsinnig und meinte, es sei nichts als eine Pedanterie, ein Spielen mit inhaltsleeren Worten, in denen man sich an kleinen Höfen gefalle, wo es keine wirklichen Geschäfte gebe; er hatte deshalb auch nichts gegen Faucitts Nachgiebigkeit einzuwenden. Schlieffen zeigte diesem aber bald, welche praktische Folgerungen sich aus dieser vermeintlichen Prinzipienreiterei ziehen ließen.
Zuerst also setzte er durch, daß das Werbegeld auch für die Offiziere bewilligt wurde, während es der Herzog von Braunschweig nur für die Soldaten verlangt und erhalten hatte. Indessen war es im Vertrag von 1775 als eine Art Geschenk, damit sie sofort ausrücken könnten, auch für die Offiziere bezahlt worden; es mußte mithin auch jetzt obwohl unter gänzlich veränderten Umständen – auf Schlieffens Verlangen bezahlt werden. Der Mehrbetrag, der auf diese Weise in die Tasche des Landgrafen floß, war um zwanzig Prozent höher, als wenn das Werbegeld nur für die Gemeinen in Ansatz gekommen wäre. Dann wurde die Subsidie nicht wie bei Braunschweig in deutschen Talern, sondern in Kronentalern Banko Eine Banko-Krone war in englischer Münze 4 Shilling 9¾ Pence, eine deutsche Krone 3 Shilling 6 6/7 Pence. (à 1 Taler 21½ Silbergroschen) festgesetzt und zur Erzwingung dieses Anspruchs auch wieder der Präzedenzfall aus dem Jahre 1755 geltend gemacht. Die Subsidie war doppelt während der ganzen Dauer des Krieges, d. h. 450 000 Kronen (gleich 772 600 Taler Pr. Ct.) für 12 000 Mann, also 37½ Kronen per Kopf, und der König von England mußte sie ein volles Jahr vor ihrem Ablauf kündigen, doch durfte er diese Kündigung erst nach der Rückkehr und Ankunft der Truppen in Hessen geben.
Diese Bedingung erwies sich in der Folge als die härteste und lästigste von allen. Faucitt und mit ihm Suffolk gingen von der Voraussetzung aus, daß der Krieg nur ein, höchstens zwei Jahre dauern werde; beide arbeiteten deshalb von Anfang an darauf bin, daß die Subsidie nicht noch jahrelang nach dessen Beendigung bezahlt zu werden brauchte. In früheren Fällen war sie gewöhnlich nach dem Friedensschluß noch zwei, einige Male sogar noch vier Jahre, und zwar zum doppelten Betrag der während des Krieges bezahlten Summe, in Kraft geblieben. Auch Braunschweig erhielt im Einklang mit dieser Praxis während des Krieges eine einfache und nach dessen Beendigung noch zwei Jahre lang eine doppelte Subsidie. Schlieffen dagegen sah weiter und glaubte von vornherein nicht an einen baldigen Friedensschluß, sondern hielt einen langjährigen Krieg für wahrscheinlich und schlug deshalb für dessen Dauer eine doppelte Subsidie vor. Im ungünstigsten Fall verlor er im Verhältnis zu Braunschweig nur ein Jahr, da die Subsidie selbst nach Beendigung des Krieges noch ein Jahr nach der Ankunft der Truppen in Hessen bezahlt werden mußte. Dauerte dagegen der Krieg länger als ein Jahr, so war aller Vorteil auf Seiten Schlieffens. Dieser tat, als bringe er dadurch ein Opfer, daß er außer der einjährigen auf jede Subsidie nach dem Friedensschluß verzichte, und erklärte Faucitt, es sei ihm eigentlich das alte Verfahren lieber; indessen wolle er in Anbetracht anderer Vorteile im vorliegenden Fall gern nachgeben. Dagegen behielt er sich zum Schein die Wahl vor, die Truppen nach vier Jahren zurückzurufen oder dann einen neuen, und zwar besseren Vertrag abschließen zu dürfen. Natürlich war das nur eine Spiegelfechterei, an deren Geltendmachung Schlieffen auch in der Folge niemals dachte; doch Faucitt biß an, Suffolk ließ sich auch fangen, und der Landgraf von Hessen steckte einen Mehrgewinn ein, der sich während der zehnjährigen Dauer des Vertrages auf ungefähr 600 000 Pfund Sterling oder vier Millionen Taler belief.
Sodann durften die hessischen Truppen im Dienst Englands nur auf dem Kontinent von Nordamerika verwendet werden; sie hatten ihre eigenen Ärzte und Spitalseinrichtungen, die ebenfalls vom König von England unterhalten werden mußten, und erhielten ihre Löhnung nicht vom englischen Zahlmeister, sondern direkt vom Landgrafen, in dessen Kriegskasse die zu diesem Zweck bestimmte Summe eingezahlt werden mußte.
»Ich bestand«, schreibt Faucitt in demselben Brief vom 20. Dezember 1775 an Suffolk, »mit aller Energie darauf, daß die hessischen Truppen ihre Löhnung so reichlich und ungeschmälert erhalten müßten als die englischen. Der General erkannte ohne weiteres die schmachvollen Gaunereien an, unter denen die Hessen während des letzten Krieges in Deutschland gelitten hatten, und versicherte mir, daß er zwar, um nicht das Mißvergnügen des Landgrafen zu erregen, keinen besonderen Artikel über diesen Punkt in den Vertrag bringen dürfe, daß ich mich aber darauf verlassen könne, daß sie diesmal auf einem ebenso guten, wenn nicht besseren Fuß gehalten werden sollten als zur Zeit, wo sie in England gewesen waren [1745].«
Der Landgraf willigte also nicht ein, daß seine Soldaten direkt von England bezahlt wurden, noch gab er die bestimmte Erklärung, daß sie auf demselben Fuß mit den englischen Truppen stehen sollten, sondern er stellte nur in Aussicht, daß sie diesmal besser als früher behandelt werden sollten. Der Grund für die Erzwingung dieser Bedingung war kein anderer, als daß sich auf diese Weise mehr Leute in Anrechnung bringen ließen, als wirklich im Dienst waren. Daß der Landgraf dieses ehrlose Mittel, einen unerlaubten Gewinn zu machen, nicht verschmähte, ergibt sich aus den ständigen Klagen und Berichten der englischen Musterungsoffiziere und Generalkriegskommissäre, die in den Zahlungslisten stets mehr Soldaten aufgeführt fanden, als wirklich bei den Fahnen standen. Nur aus diesem Gesichtspunkt läßt sich erklären, daß Schlieffen nicht wie Braunschweig dreißig Kronen Banko für jeden Toten oder für je drei Verwundete verlangte, sondern daß er bei den Verhandlungen das Hauptgewicht auf die Auszahlung der hessischen Löhnung durch den Landgrafen legte. Ein Hesse, der nur drei Monate länger auf den Präsenzlisten geführt wurde, brachte schon mehr ein als ein braunschweigischer Verwundeter.
Obgleich der Vertrag erst am 31. Januar abgeschlossen wurde, mußte er auf Wunsch des Landgrafen, der für die eingetretene Verzögerung dem englischen Ministerium die Schuld gab, doch auf den 15. Januar vordatiert und von diesem Tag an auch die doppelte Subsidie bezahlt werden. Die Löhnung für die erste Division, die am 16. Februar marschieren sollte, begann ebenfalls schon zwei Wochen früher, nämlich am 1. Februar, während die zweite Division sie sieben Tage vor ihrem wirklichen Abmarsch erhielt, um sie für die mit der schnellen Ausrüstung verursachten außerordentlichen Ausgaben zu entschädigen. Außerdem wurde den Truppen die englische Löhnung noch bis zum Ende des Monats zugesichert, in dessen Laufe sie in ihre Heimat zurückgekehrt sein würden.
Wohl hatte Schlieffen Ursache, sich später dieses Meisterstücks seiner Diplomarie zu rühmen und zu sagen, daß keiner der Verträge, deren Hessens Landesherren früher mehrere mit England geschlossen hatten, je für sie so vorteilhaft gewesen sei als der von ihm eingegangene. Nachricht von einigen Häusern des Geschlechts der von Schlieffen oder Schlieben. Berlin bei G. Reimer, 1830, II, p. 184,4 °. Der einzige Punkt, in dem er nachgab, war das Verlangen, daß das ganze Korps noch ein ganzes Jahr nach seiner Rückkehr in englischem Sold stehen sollte. Er stützte sich für diese Forderung auf den fünften Artikel des Londoner Vertrages vom 1. April 1760, mußte sie aber bei näherer Prüfung des Originals fallen lassen, weil die damals überlassenen beiden Truppenabteilungen nur aus Humanität von England bezahlt waren, um dem Landgrafen in seiner eigenen Hauptstadt die Residenz zu ermöglichen.
»Der Vertrag mit Braunschweig«, schreibt Suffolk am 2. Januar 1776 an Faucitt, S. P. O. German States, Vol. 102, Nr. 1. »mag Ihnen als Muster für den mit Hessen abzuschließenden dienen. Der König wünscht, daß womöglich ein Vertrag dem anderen gleiche. Können Sie daher den Schlieffenschen Entwurf dem braunschweigischen Vertrag näher bringen, so ist es desto besser. Sollte Schlieffen dagegen auf seiner Parade mit Redensarten bestehen, so beharren Sie nicht auf ihrer Verwerfung, sondern behalten Sie sich wesentliche Punkte vor. Eine Ersparnis würde uns zwar sehr erwünscht sein, indessen darf sie nicht unserem großen Zweck im Weg sein, und der ist, so schnell als tunlich möglichst viele Soldaten zu erhalten. Wenn deren 10 000 Mann zu erlangen sind, so wird hoffentlich ein Teil davon früher als zur festgesetzten Zeit zu marschieren imstande sein. Sie wissen selbst, von welch ungeheurer Wichtigkeit eine frühzeitige Einschiffung ist.
Der erste Gegenstand, der Ihre ernste Aufmerksamkeit verdient, ist die Währung, in der das Werbegeld und die Subsidien bezahlt werden sollen. Der Vorteil von fast fünfzig Prozent, den der Kasseler Hof auf diese Weise über den Braunschweiger gewinnt, sollte eigentlich durch die außerordentliche Schnelligkeit in der Beförderung der Truppen ausgeglichen werden. Darauf kommt alles an; diesen Vorzug müssen wir wenigstens vom Landgrafen erlangen. Gehen Sie schlimmstenfalls aber auf alle seine Bedingungen ein, wenn Sie keine besseren festsetzen können. Das Verlangen der Werbegelder für die Offiziere ist neu, sollte also nicht zugegeben werden. Die von Ihnen angenommene Art der Subsidienzahlung ist vom König gebilligt. Hoffentlich wird der Landgraf nicht darauf bestehen, daß die doppelte Subsidie noch ein ganzes Jahr nach der Rückkehr seiner Truppen in ihre Heimat bezahlt wird; geben Sie höchstens sechs Monate zu. Die Löhnung der Truppen sollte eigentlich mit ihrer Rückkehr aufhören, jedenfalls aber muß sie mit dem Monat ihrer Rückkehr enden.
Der Separatartikel, der der Desertion der Truppen im Kurfürstentum Hannover vorbeugen soll, kann keinen Teil eines Vertrags mit dem König von England bilden. Der Landgraf wird sich am besten gegen Desertion und die Abneigung der deutschen Soldaten gegen eine Seereise schützen, wenn er ihnen alle Vorteile der englischen Löhnung sichert. Sie dürfen diese Löhnung nur im Einschiffungshafen oder da anfangen lassen, wo die Truppen das Gebiet des Landgrafen verlassen. Richten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, daß die Einschiffung ohne Zeitverlust erfolgt, da die schnelle Beförderung der Hessen auf den Kriegsschauplatz von höchster Wichtigkeit ist. Wir müssen vor allem jede Art Verzögerung verhüten, da diese den Hauptvorteil der erwarteten Hilfe zunichte machen würde.«
Die Vorschriften und guten Lehren, die Suffolk hier gab, kamen zu spät. Schlieffen bestand auf seinen Forderungen, und Faucitt mußte wohl oder übel nachgeben, weil sonst das ganze Geschäft gescheitert wäre. »Der Landgraf«, schreibt der letztere am 1. Februar 1776 an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 102, Nr. 6. »der keine Schulden, sondern sehr gute Finanzen hat, ist in diesen Dingen schwer zu behandeln; er hätte einfach sein Korps nicht marschieren lassen. Er hält den Krieg von nur kurzer Dauer und will sich sicherstellen.«
Jetzt fand denn endlich Suffolk auch heraus, warum Schlieffen immer auf die alten Verträge zurückgegangen war. »Seine Vorliebe für Präzedenzfälle«, meint er bei Übersendung der Ratifikation am 12. Februar 1776, »hat sich hier nicht auf bloße Formalitäten beschränkt, sondern mit besonderem Geschick alle ihm günstigen zufälligen Bestimmungen aus früheren Verträgen zusammengesucht. In Anbetracht der Tüchtigkeit und Zahl der Truppen aber und der Schnelligkeit, mit der sie marschfertig gemacht sind, sowie der Unbestimmtheit der Zeit, für die sie in unseren Dienst treten, billigt der König die gegenwärtige Fassung der Artikel.«
Trotz all dieser Zugeständnisse waren übrigens die Forderungen des Landgrafen noch nicht erschöpft. Er verlangte noch die Erledigung seiner angeblichen Rechnungen für Hospitalauslagen, die noch aus dem Siebenjährigen Krieg her rückständig waren und 41 820/14/5 £Stg betragen sollten. Alles, was Faucitt erreichen konnte, war die Einwilligung, daß diese Ansprüche keine Paragraphen des neuen Vertrags bildeten, wogegen er deren sofortige Prüfung und eventuelle Erledigung versprechen mußte. Auch Suffolk beeilte sich, dem Landgrafen die beruhigendsten Zusicherungen zu geben, verzögerte aber die endliche Entscheidung und wagte, durch den zu diesem Zweck eigens nach London gekommenen Schlieffen gedrängt, erst im Mai 1777 gegen Ende der Sitzung die Sache dem Haus vorzulegen.
Die Opposition führte den Beweis, daß der Anspruch schon vor vierzehn Jahren erhoben und als ungerecht verworfen worden sei. Parliamentary Register, VII, 152 ff. Die Minister waren nicht imstande, das Gegenteil zu beweisen, behaupteten dagegen, daß der Anspruch nur geruht habe und in Ermangelung erschöpfender Beweise bloß vorläufig abgewiesen sei. Obgleich seitdem keine neuen Beweise beigebracht waren, erschien er ihnen jetzt doch in jeder Weise gerecht und billig, da es galt, einen so eigensinnigen und zugleich unentbehrlichen Kunden wie den Landgrafen nicht vor den Kopf zu stoßen. Thomas Bishop, der zur Zeit des Siebenjährigen Krieges mit diesem Zweig der Verwaltung der verbündeten Armee beauftragt gewesen war, wurde jetzt vom Ministerium aufs neue angewiesen, die vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Beim besten Willen, sich Lord Suffolk und dessen Kollegen gefällig zu zeigen und unbewiesene Belege für erwiesen anzunehmen, konnte er als höchste Summe doch nur 29 321/16/8 £Stg zusammenrechnen, so daß also der Landgraf selbst im günstigsten Fall 12 498/17/9 £Stg zuviel verlangte. Bishop gesteht aber selbst zu, daß er die Versicherung des Herzogs oder des Erbprinzen von Braunschweig und anderer hochgestellter Personen, daß eine Rechnung richtig sei, stets als genügenden Beweis angenommen habe. Die Einzelheiten sowie sämtliche Rechnungen finden sich im Journal of the House of Commons, Vol. XXXVI, 420 ff.
Bei den Verhandlungen im Haus selbst meinte Oberst Barre, man können sich zu den kleinen deutschen Fürsten jeder Schandtat versehen; sie wären froh gewesen, wenn sie für manche ihrer Forderungen aus dem Siebenjährigen Krieg einen Penny für den Shilling erhalten hätten; auch der gegenwärtige Anspruch sei nichts als versuchter Schwindel. Baldwin wandte ein, daß der hessische Landgraf, wenn er eine gerechte Forderung gehabt hätte, nicht vierzehn Jahre auf ihre Bezahlung gewartet haben würde; er, der Redner, wisse aber, daß sie, weil unbegründet, ihrerzeit unbedingt verworfen worden sei. J. Townshend betrachtete die geforderte Summe als eine Subsidie, als einen jeden Engländer beschimpfenden Tribut. Burke erklärte die Ehre der Nation dafür verpfändet, daß der Anspruch nicht bezahlt werde. Booth erschien die ganze Sache deshalb verdächtig, weil sie so spät gegen Ende der Sitzung, wo die meisten Mitglieder vom Lande schon nach Hause zurückgekehrt seien, vorgebracht werde. Die Abstimmung erfolgt am 8. Mai 1777 und ergab eine Majorität von nur fünfzig Stimmen gegen zweiundvierzig zugunsten des Ministeriums. So wurden denn dem Landgrafen von Hessen unter dem Titel eines bisher unbefriedigten Anspruchs für Hospitalrechnungen aus dem Siebenjährigen Krieg noch 41 820/14/5 £Stg (gleich 268 804 Taler 15 Silbergroschen) bezahlt. Parliamentary Register, VII, 163. Auf die inzwischen angelaufenen Zinsen verzichtete der Empfänger. Ob er es wohl getan haben würde, wenn er seine Forderungen als richtig hätte nachweisen können?
Der Landgraf bot übrigens, nachdem das gegenseitige Verhältnis einmal vertragsmäßig festgesetzt war, alles auf, um seinen Verbindlichkeiten aufs gewissenhafteste nachzukommen. Bei seiner übermäßigen Geldgier, wie Faucitt seine Plusmacherei bezeichnet, hinderte ihn diese Gewissenhaftigkeit jedoch nicht, überall seinen Vorteil zu erspähen und, wo sich nur eine Gelegenheit bot, die Ausgaben höher zu treiben. So benützte er den im Vertrag gebrauchten unbestimmten französischen Ausdruck »attirail« der Artillerie (Zurüstung und Gerät) zur Berechnung aller möglichen Posten und Nebenforderungen, so daß Suffolk, ganz erschrocken ob der angeschwollenen Rechnung, Faucitt eiligst bat, doch ja in Zukunft unbestimmte französische Ausdrücke zu vermeiden. Außerdem wurde für Fuhren und Fuhrdienst, Transportwagen und Lederzeug besonders liquidiert; allein das englische Ministerium mußte, wenn auch widerwillig, alles bezahlen, da es vorher auf die schleunigste Mobilmachung der hessischen Truppen gedrungen hatte.
Diese waren zur ursprünglich bestimmten Zeit, d. h. Mitte Februar, marschfertig, konnten aber so wenig wie die Braunschweiger ausrücken, weil seitens des englischen Marineministeriums die Vorkehrungen für die Beförderung der fremden Soldaten so liederlich und verspätet getroffen waren, daß die Transportschiffe erst Anfang März von England nach Bremerlehe abfahren konnten. So blieben die Hessen denn noch vierzehn Tage länger in ihren Quartieren. Die erste Division marschierte erst am 2. März zum Einschiffungshafen ab, wo sie zwischen 15. und 20. März eintraf. Faucitt musterte sie am 20. März in den englischen Dienst ein.
Er war ganz entzückt von den prächtigen Regimentern und schrieb in diesem Sinne am 25. März 1776 an Suffolk wie folgt: S. P. O. German States, Vol. 103, Nr. 21.
»Die mit guten Büchsen bewaffneten Jäger sind kräftige und schöne Leute und von Jugend an gelernte tüchtige Schützen. Das Grenadierbataillon Linsing ist ein prachtvolles Korps, ein herrlicher Menschenschlag; die Mannschaften stehen sämtlich noch in ihrer ersten Jugend und besten Kraft. Die Regimenter Garde du Corps (Oberst Wurmb), Prinz Karl (Oberst Schreiber), General Ditfurth (Oberst Bose), General Trümbach (Oberst Bischhausen) sind gleichfalls ausgezeichnet und für jede Art Dienst geeignet. Es ist schwer zu sagen, welches von ihnen das beste ist. Alle zusammen haben nur sechs Kranke und sechs Deserteure. Vier Regimenter sind schon eingeschifft, die Grenadiere werden morgen eingeschifft und die Jäger, sobald ein anderer Transport ankommt. Die Disziplin der Soldaten ist ausgezeichnet. – Fünf andere Korps«, fährt Faucitt am 2. April fort, Ibidem, Nr. 22. »sind vor diesen Tagen eingemustert: ein Grenadierbataillon (Oberst Block); die Füsilierregimenter Erbprinz (Oberst Hachenberg), Knyphausen (Oberstleutnant Borck), Mirbach (Oberst Loos) und Donop (Oberst Gosen). Alle fünf sind ungewöhnlich schöne Regimenter, vollständig uniformiert und bewaffnet und für diesen Dienst in der ganzen Welt tauglich. Ich erwähne die alten Leute nicht, weil ihrer kaum zehn bis zwölf sind, die älter als vierzig bis fünfundvierzig Jahre waren. Nur in der Höhe der Mannschaften herrscht ein kleiner Unterschied vor; das erste Glied ist vielleicht einen halben bis einen Zoll größer als die übrigen, allein kein Mann war unter fünf Fuß acht Zoll, und alle Glieder waren einander gleich. Das Zentrum war ein wenig kleiner, aber auch dieses besteht aus jungen, gesunden und gutaussehenden Burschen. Nur sieben Mann sind von diesen letzten fünf Regimentern desertiert, einer gestorben und drei krank. Die drei letzten Korps dieser Division«, so schließt Faucitt seinen Bericht vom 12. April, S. P. O. German States, Vol. 101, Nr. 25. »sind das Grenadierbataillon Oberstleutnant Minnigerode, das Füsilierregiment Losberg (Oberst Heringen) und das Rallsche Regiment. Die ersten beiden sind ausgezeichnet und in jeder Beziehung tüchtig, sie sehen aus wie Veteranen; Ralls Regiment ist das schlechteste von allen, die ich gesehen habe, sowohl was Größe als körperliche Stärke der Mannschaften betrifft. Es war bisher eines der Friedens- und Garnisonsregimenter, das schnell vollständig rekrutiert werden mußte. Der tätige und ausgezeichnete Oberst wird sie aber schnell einexerzieren.«
Die Zahl der hier spezifizierten, die erste hessische Division bildenden und von Generalleutnant Heister kommandierten Truppen belief sich im ganzen auf 8397 Mann, nämlich Generalstab 25; drei Bataillone Grenadiere mit Stab, jedes 529, also 1587; zehn Regimenter Infanterie mit Stab, jedes 663, also 6630; und die Jägerkompanie mit 150 Mann. Dazu kommt noch die Artillerie, die aus 38 Geschützen und 557 Mann bestand, wovon 13 Stücke und eine Kompanie mit dieser ersten Division eingeschifft wurden. Ihr letzter Mann wurde am 14. April in den englischen Dienst gemustert. Gegen Ende des Monats kam sie nach Spitehead und Portsmouth, mußte hier aber wieder einige Zeit liegen bleiben, weil auf den bisher benützten Schiffen nicht genug Raum vorhanden war und erst einige neue beschafft werden mußten, und trafen, denselben Leiden und Beschwerden wie die Braunschweiger ausgesetzt, erst Anfang August in Staten Island ein.
Die zweite Division Hessen konnte von Faucitt erst am 2. Juni in Ritzebüttel in den englischen Dienst gemustert werden, weil früher keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung zum Kriegsschauplatz vorhanden waren. Sie waren nach seiner Beschreibung nicht so kräftige und schöne Leute wie die erste Division, indessen übertrafen sie doch seine Erwartungen. S. P. O. German States, Vol. 104, Nr. 45. Das Zentrum hatte viele kleine Leute, doch waren sie jung und kräftig. Kaum ein einziger Soldat schien älter als siebzehn bis achtzehn Jahre alt zu sein. Die ganze zweite Division bestand mit Ausnahme des Wuttgenauschen Regiments aus lauter Garnisonsregimentern, die besonders für den amerikanischen Dienst ausgehoben und komplettiert wurden und deshalb in jeder Beziehung schlechter als die erste Division, aber alle noch geborene Hessen waren. Diese zweite Division bildeten die Regimenter Huyne, Stein, Knyphausen, Wuttgenau, Bünau und Wissenbach sowie das Grenadierbataillon Köhler, und sie zählte nebst entsprechender Artillerie im ganzen 3997 Mann. Divisionsgeneral war Generalleutnant von Knyphausen, während Generalmajor Schmidt und Oberst Loßberg die beiden Brigaden kommandierten. Beide Divisionen zählten somit im ganzen 12 394 Mann. Die zweite kam erst Mitte Oktober in Amerika an und landete am 18. Oktober in der Nähe von New Rochelle am Long Island Sund, so daß sie noch einen rühmlichen Anteil an den militärischen Bewegungen des Herbstes 1776 nehmen konnte. –
Übrigens begegnete der Landgraf schon bei der Aushebung und Vervollständigung dieser zweiten Division nicht unbedeutenden Schwierigkeiten, deren bedeutendste in der Desertion seiner eigenen Untertanen bestand. Diese entliefen nämlich, um die Einreihung in eines der nach Amerika bestimmten Regimenter zu vermeiden, in hellen Haufen nach Hannover und in die benachbarten Staaten. Obgleich in § 13 des Vertrags mit England versprochen war, daß die Flüchtlinge von den hannoverschen Behörden ausgeliefert werden sollten, trat doch der aktive und passive Vorschub, den das Volk diesen Flüchtlingen überall leistete, der Ausführung dieser Bestimmung hindernd in den Weg. Das hannoversche Ministerium verhielt sich den Beschwerden des Landgrafen gegenüber ebenfalls ablehnend, indem es die Entlaufenen auf dessen bloße Angabe hin nicht einfangen und sich nicht zum Jäger und Büttel eines fremden Fürsten hergeben wollte. Der hessische Landesvater wandte sich deshalb durch Faucitt direkt an Suffolk und ließ ihm bedeuten, daß dieser haufenweisen Flucht ein Ende gemacht werden müsse, wenn er in die Lage versetzt werden solle, die erforderlichen Mannschaften und Rekruten zu stellen. S. P. O. German States, Vol. 105, Nr. 57.
Während einige Monate vorher jede Einmischung in diese Angelegenheit als unverträglich mit der Würde Englands kategorisch abgewiesen worden war, wurde jetzt im Interesse des Dienstes dem hannoverschen Ministerium befohlen, daß zur Verhinderung fernerer Desertion eine Art Kartell oder zeitweilige Übereinkunft mit Hessen-Kassel geschlossen werden müsse. Gleichwohl hörte aber die Flucht dienstpflichtiger und tüchtiger Hessen nicht auf, so daß der Landgraf vergebens selbst zu außerordentlichen Mitteln seine Zuflucht nahm. Das Mittel, von dem er sich den meisten Erfolg versprach, war der Erlaß der halben Kontribution und des »Schreckenbergers Ein Schreckenberger beträgt 6 Albus und 6 Heller; 32 Albus, deren jeder 12 Heller hat, sind 1 Taler Pr.; ein Schreckenberger ist also etwa 6 Sgr. Pr. Ct., und von jedem Hundert Gulden der zu bezahlenden Steuern wurde ein solcher Schreckenberger bezahlt (Schlözers »Briefwechsel«, VIII, 388).«.
»Es gereicht Uns allemal zur beruhigenden Zufriedenheit«, heißt es in der Verordnung vom 30. Juni 1776, »wenn Wir Unseren getreuen Untertanen Merkmale von Unserer Landessväterlichen Zuneigung geben und ihnen, sooft es die Bedürfnisse des Staates nur immer erlauben wollen, die auf sich habende öffentliche Lasten erleichtern oder gar vermindern können.
In dieser gnädigsten Gesinnung, und damit erwänte Unsere getreue Untertanen von dem noch nicht überall verschmerzten letzteren Kriege und darauf erfolgten Mißjaren und Teuerung sich desto eher wieder erholen, haben Wir aus eigener Bewegung gnädigst beschlossen, daß dem ganzen Lande vom 1. Juli dieses Jares an, und so lange das der Krone England überlassene Auxiliaire-Corps abwesend sein wird, die Hälfte der ersten monatlichen ordinairen Contribution, wie sie in den Etats Unseres Kriegs Zal Amts dermalen festgesetzt ist, oder durch die Ratifikation nach Publication der neuen Katastern anderweit requirirt wird, nicht nur gänzlich erlassen, sondern auch die Erhebung der zu Unserer Kriegs Kasse fließenden Schreckenberger bis zur Zurückkunft des Corps sistirt werden soll: jedoch also und dergestalt, daß unter der Contribution, die statt der Naturalleistung zu entrichtende Fourage und Militär Bau Fuhr Gelder, keineswegs, unter dem Schreckenberger aber weder der zur Tilgung derer vom letzteren Kriege her noch unbezalten Gemeinde Schulden, im Jahre 1773 von Unsrer hessischen Landschaft verwilligte halbe Schreckenberger, noch auch die von Unsrer Grafschaft Schaumberg zu einigem Abtrage die Stadt Rinteln und Oldendorfischen Kriegs Schulden ausgeworfene halbe Fräulein-Steuer zu verstehen, sondern so ein als andre, nach wie vor, zu erheben und beizutreiben ist.«
Diese landesväterliche Huld klingt wie ein Hohn auf das unglückliche Land. Serenissimus streicht für jeden der 13 000 an England verhandelten Untertanen zuerst 30 Kronen Werbegeld, dann noch einmal 37½ Kronen jährlicher Subsidie ein; England bezahlt und verpflegt außerdem seine Armee, die ihn also für die Dauer des Vertrages gar nichts kostet, und er ist so gnädig, die halbe Kriegskontribution und den Schreckenberger zu erlassen! Noch blutete Hessen an den Wunden, die der Siebenjährige Krieg ihm geschlagen hatte, an den Kontributionen und Lasten, die Freund und Feind ihm volle sieben Jahre lang auferlegt hatten; Gemeinden, Dörfer und Städte waren infolgedessen tief verschuldet. Hier also wäre zu retten, zu lindern und zu helfen so leicht und lohnend gewesen – aber da hätte ja Serenissimus von seinem Profit zuviel abgeben müssen.
»Was von dem Blutgeld«, sagt ein konservativer Geschichtsschreiber, W. Wachsmuth »Zeitalter der Revolution«, Leipzig 1846, 1, 70., »zur Verschönerung der Hauptstadt, Stiftung des Karolinums, einer Akademie etc. verwandt wurde, war wie wenn einem Hungernden Bonbons statt Brot gereicht werden. Der Schatz füllte sich vom Blut und von den Tränen des Volkes, das bloß den Trost hatte, von den Kriegskontributionen einstweilen nur die Hälfte bezahlen zu müssen.«
Ein Familienvater, der nur zwei Söhne als Soldaten stellte und etwa 50 Taler jährlicher Steuer zahlte – in dieser Situation wird sich die Mehrzahl der Bauern befinden haben –, erhielt davon einen halben Schreckenberger (also 3 Sgr.) und vielleicht ein paar Gulden halber Kriegskontribution geschenkt; dagegen bereicherte er seinen Landesvater ein für allemal um 60 Kronen Werbegeld und um 75 Kronen jährlicher Subsidien. Das Volk scheint in der Tat so undankbar gewesen zu sein, die Sache von diesem nüchternen Zahlenverhältnis aus betrachtet und dementsprechend die landesväterliche Gnade in ihrer ganzen Schäbigkeit gewürdigt zu haben, denn es entzog sich nach wie vor dem Dienst durch die Flucht, trotzdem die ganze hessische Grenze Tag und Nacht von berittenen Landjägern bewacht wurde.
Diese wohlbegründete Abneigung der Hessen gegen den Eintritt in das nach Amerika bestimmte Heer erschwerte dem Landgrafen sein Geschäft um so mehr, als die Anforderungen Englands täglich wuchsen, und drohte seinem Säckel sogar sehr gefährlich zu werden. Zunächst wurden gegen Ende 1776 noch hessische Jäger verlangt. General Heister hatte ihre Bedeutung in den Long-Island-Gefechten vom 27. bis zum 29. August 1776 erkannt und in einem aus Brooklyn am 3. September 1776 an Lord Suffolk datierten Brief ihrer 800 Mann zur Vermehrung der englischen Armee für unbedingt notwendig erklärt. Er wollte in ihnen einen den amerikanischen Rifle-Men ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Gegner schaffen. Der englische Oberbefehlshaber stimmte dem deutschen General bei, dessen leichte, von Donop geführte Truppen soeben die Siege bei Flatbush und Brooklyn entschieden hatten, und Suffolk bat sich infolge dieser Gesuche sofort von Schlieffen die geforderte Anzahl sowie 100 unberittene Husaren aus. Um sich den hessischen Minister geneigt zu machen, erklärte er ihm in einer Zuschrift vom 15. November 1776, S. P. O. German States, Vol. 105. daß der König von England den damals noch schwebenden Streit wegen der an die Artillerie zu zahlenden Subsidien auf sich beruhen lassen und sich an den Geist des abgeschlossenen Vertrages halten wolle, daß Seine Majestät demnach, obgleich darin nichts über die Artillerie gesagt sei, die Subsidie für das Korps von 12 000 Mann im Verhältnis der drei Kompanien Artillerie vermehren werde.
Für Schlieffen war dieses eine Zugeständnis nur eine Aufforderung, ihrer noch mehr zu verlangen. »Der Landgraf freut sich«, antwortet er am 25. November 1776, »daß die Schwierigkeiten wegen der Subsidien der Artillerie endlich behoben sind, und hofft, daß seine Hospitalforderungen jetzt auch bald geordnet werden. [Es geschah, wie oben berichtet, im folgenden Mai.] Er wird sein Möglichstes tun, die 800 Jäger zu liefern. Sein eigenes Land hat deren allerdings nicht genug, allein Deutschland wimmelt davon. Wir werden sie in den benachbarten Staaten anwerben, falls nicht die Furcht vor der Seereise hindernd dazwischentritt. Wir wollen übrigens gleich mit der Werbung anfangen, um zu sehen, wie schnell wir Erfolg haben werden. Der Landgraf will nur Freiwillige; das dauert etwas länger. Wir müssen also möglichst viel Zeit haben.«
Als Faucitt Anfang Dezember 1776 zum Abschluß des Vertrages wegen der Jäger in Kassel ankam, war der Landgraf bereits nach Italien abgereist; indessen hatte Schlieffen Vollmacht, in seinem Namen zu handeln und abzuschließen. »Es ist ein Glück für Sie«, sagte er dem gläubigen englischen Kommissar bei dessen erstem Besuch, »daß Sie nur mit mir zu tun haben, denn der Landgraf ist äußerst übel gelaunt und in einer sehr veränderlichen Gemütsstimmung [most exceedingly whimsical and uncertain in his humours and dispositions]; es ist daher schwer, mit ihm fertigzuwerden.« Diese Eröffnung bedeutete natürlich nichts als neue außerordentliche Forderungen, die der gute Faucitt, wie wir gleich sehen weiden, ebenso natürlich bewilligte.
»Ich habe«, schreibt Faucitt am 16. Dezember 1776 aus Kassel an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 105, Nr. 1. »mit Schlieffen abgeschlossen und lege den Vertrag bei. Heister und Donop wollen keine Husaren, sondern berittene Jäger, wie sie im letzten Krieg hier verwendet wurden; ich habe sie deshalb statt der Husaren engagiert. Für jeden Mann werden (außer dem gewöhnlichen Werbegeld von dreißig Kronen) noch fünfzehn Kronen Extra-Werbegeld bezahlt, da Sättel, Säbel, Pistolen, Sporen, Schuhe etc. außerdem geliefert werden müssen. Die Löhnung beginnt mit dem Tage der Aushebung. Ich wollte sie sieben oder fünfzehn Tage vor dem Abmarsch festsetzen, mußte aber nachgeben, weil das Korps vorher noch gar nicht bestanden hatte und die Kosten seiner Aushebung ganz ausschließlich auf den Landgrafen fallen. Die Jäger werden hier erst geprüft werden, ob sie tauglich sind, und Anfang Februar marschfertig sein. Ich werde sie die Weser hinunterschicken.«
Übrigens war kaum die erste Hälfte dieser Jäger Mitte März 1777 marschfertig. »Wir tun, was in unseren Kräften steht«, schreibt Schlieffen am 24. März 1777 an Faucitt S. P. O. German States, Vol. 107., »für die Aushebung und Ausrüstung der Truppen, namentlich der Jäger; ein Mann kostet uns jetzt mehr als Ihre dreißig Kronen. Angesichts der großen Zahl, die wir marschieren lassen, tut man uns in London Unrecht, wenn man nicht mit uns zufrieden ist. Man legt uns fast überall Hindernisse in den Weg. Die Hannoveraner behandeln uns, als ob wir zugunsten der Amerikaner aushöben; wir haben deshalb unsere Rekrutendepots so weit als möglich von der hannoverschen Grenze weg verlegen müssen. Die Jäger kommen äußerst langsam und werden nur sehr allmählich vollzählig. Die gleichzeitige Aushebung in Hanau und die ›catastrophe choquante‹ bei Trenton, die hier mit den größten Übertreibungen bekannt wird, verzögern unsere Operationen sehr. Viele von diesen Schurken verschwinden wieder, nachdem sie eben eingekleidet sind; die Nachbarschaft von Hannover sichert ihnen alle nur denkbaren Vorteile.«
Faucitt musterte diese ersten Kompanien erst am 26. März in den englischen Dienst ein, worauf sie sofort eingeschifft wurden. »Die Jäger«, sagt er, S. P. O. German States, Vol. 107, Nr. 21. »sehen gut aus. Es sind kräftige Leute; einige von ihnen zwar sehr alt, allein, da sie im Wald aufgewachsen sind, äußerst gewandt; andere dagegen sehr jung, und sie wissen als Söhne von Förstern ausgezeichnet mit dem Gewehr umzugehen. Ihre Waffen und ganze Equipierung fand ich sehr gut. Eine Kompanie darunter waren berittene Jäger.«
Die Beschaffung des Restes nahm noch längere Zeit in Anspruch. Der Landgraf bot deshalb, um die Rekrutierung zu beschleunigen, am 20. März 1777 statt des bisher gezahlten einen Friedrichsdors für jeden fremden Jäger, der sich vor dem 15. April anwerben ließ, vier Friedrichsdor und für jeden geborenen Hessen drei Friedrichsdor Handgeld. Auf diese Weise setzte er sich in den Stand, die bedungene Zahl bis Ende Mai zu liefern. Faucitt fand diesmal, als er die letzten Kompanien am 26. Mai in Bremerlehe einschiffte, schon mehr Vagabunden und sonstige lose Gesellen unter ihnen, »da die hessischen Behörden jeden armen Teufel, den sie betrügen können, einfangen und uns aufhalsen. Es ist deshalb unbedingt nötig, daß für die Zukunft ein besserer und genauerer Plan für die Rekrutenlieferung vereinbart wird, denn sonst erhalten wir nur Schund.«
Natürlich wurde die Verlegenheit mit jedem Tag größer; die englischen Anforderungen wuchsen im Verhältnis zu den bereits geleisteten Truppenlieferungen in geometrischer Proportion. Nicht allein die Rekruten mußten geliefert, sondern auch die Gefangengenommenen ersetzt werden. Infolge des Verlustes von 933 Hessen bei Trenton gab sich der Landgraf besondere Mühe, um Seiner Majestät seine Anhänglichkeit und seinen »Eifer für den englischen Dienst von neuem zu beweisen und den Verlust von Mannschaften und Waffen möglichst schnell zu ersetzen«. Allein England brauchte jetzt die Soldaten schneller und zahlreicher, als Deutschland sie liefern konnte. Um die Schikanen seitens der rheinischen Fürsten für die Zukunft zu vermeiden, wurde das kasselsche Rekrutendepot von Rheinfels nach Ziegenhain verlegt.
Am 14. Dezember 1777 verlangte der englische Generaladjutant Harvey nicht weniger als 1230 Hessen-Kasseler zur Komplettierung ihrer zusammengeschmolzenen Regimenter, von denen u. a. eines – ein Grenadierregiment allein – im März und April 1777 in New Brunswick in New Jersey wegen schlechter Spitalseinrichtungen 300 Mann am Faulfieber verloren hatte. Gleichwohl wurden die Ersatzmannschaften fast alle und sogar ziemlich pünktlich geliefert, war doch der Gewinn ungeheuer! Man stahl eben die Unglücklichen aus aller Herren Ländern zusammen. Wer sich ein treues und richtiges Bild von den in Bewegung gesetzten Mitteln und von den auf diese Weise gepreßten Menschen machen will, der lese die einfache, nirgends übertreibende, darum doppelt ergreifende Schilderung eines der Opfer des fürstlichen Menschenraubes nach; er findet sie in der Selbstbiographie des deutschen Dichters Johann Gottfried Seume.