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Zweites Blatt

Der armen Leut' Gebet Anno 1626

Versammelt war der Stände Zahl
Mit stattlichem Gepränge
Zu Linz im hohen Landhaussaal,
Der Raum war schier zu enge.

Da gab's Gesichter streng und hart,
Gesichter feist und schwellend,
Prälatenkinn und Knebelbart
Zum Vollbauch sich gesellend.

Da gab's Perücken grau und schwarz,
Goldkettlein, Degen, Bänder,
Schönpflästerlein, Geruch von Harz
Und purpurne Gewänder.

Ein Zungenwirrwarr ging durchs Haus,
Schwarmbienen zu vergleichen.
Bis plötzlich durch den Saus und Braus
Erklingt der Glocke Zeichen.

Das Wort verstummt, man unterbricht
Gebärdenspiel und Sprache,
Der Landeshauptmann Kueffstein spricht
Zur allgemeinen Sache:

»Hochwürdige, edle, weise Herrn!
Der Ordnung feste Stützen!
Am Himmel seh' ich manchen Stern
Unheilverkündend blitzen.

Der Däne fiel ins Reich herein
Mit Raub und Mord und Plagen;
Gott sei gedankt! der Wallenstein
Hat ihn hinausgeschlagen.

Am Rheine lauert der Franzos,
Läßt Gold und Silber werben.
Sät Unkraut in des Reiches Schoß
Und Zwietracht und Verderben.

Krank ist die Ordnung, schwach das Recht,
Und 's Elend zu vergrößern,
Empört sich unser eigner Knecht
Auf Burgen und auf Schlössern.

Gestorben sind Respekt und Zucht,
Allstündlich wächst das Uebel,
Der Bauer spielt den Herrn und flucht.
Beruft sich auf die Bibel.

Mitstände, helft, bevor's zu spät!
Laßt uns der Seuche steuern,
Gehorsam Seiner Majestät
Und Kurfürst Max von Bayern.

Ich geh' voran nach Recht und Pflicht,
Will mannhaft mich erweisen:
Hilft christliche Ermahnung nicht,
So hilft nur Blut und Eisen.«

So spricht der Graf. Des Beifalls Dank
Braust auf zur Wölbung mächtig,
Da hebt sich auf der höchsten Bank
Ein Männlein, zart und schmächtig.

Vor seiner Brust hat's einen Stern,
Krampfgicht in Knie und Waden,
Es hält sich steif wie große Herrn
Und nennt sich »Seine Gnaden«.

Es hüstelt: »Hocherlauchter Rat!
Auch ich bin nicht im Zweifel,
Uns plagt die böse Glaubenssaat
Vom Luther und vom Teufel.

Einbildung macht die Köpfe dumm,
Verblendung macht sie sicher;
Ich gebe was ihr wollt darum,
Sie lesen zu viel Bücher.

Sie fordern alles schwarz auf weiß,
Was Menschenwitz verschlossen.
Der Kirche, unsrer Mutter, Schweiß
Wird ganz umsonst vergossen.

In manchem Pfarrdorf sind nicht drei,
Die gotteswürdig beten,
Und Beichtstuhl, Kanzel, Sakristei
Sind ausgestorbne Stätten.

Ja, vor der Kirchtür hält man Schmaus
Und Kurzweil und Spektakel,
Und drinnen tanzt die Kirchenmaus
Und schläft im Tabernakel.

Gebt acht! Jehovas Fittich rauscht –
Kehrt um, kehrt um zum Alten!
Wird nicht das Regiment vertauscht,
Wird Gottes Blitz euch spalten.

Ich warn' euch treu, ich warn' euch laut,
Ihr alle seid verblendet,
Es kommt der Tag, davor euch graut,
Der Wind hat sich gewendet.«

Wie sich das Männlein keuchend setzt,
Gibt's Beifall bei den Frommen;
Doch mancher murmelt: »Gut gehetzt!«
Und mancher schweigt beklommen.

Herr Grundemann von Falkenau,
Der Vizedom, starrt finster;
Es senkt das Haupt andächtig schlau
Der Stiftsabt von Kremsmünster.

Graf Starhemberg von Efferding
Wölkt Stirn und Brauen dunkel,
Graf Meggau dreht den Siegelring
Und spielt mit dem Karfunkel.

Doch plötzlich schnellt er auf vom Sitz
Und ruft halb durch die Nase:
»Ihr Herrn, der Rede kurzer Witz
Ist doch nur eine Blase.

Ich will als Kavalier und Christ
Mich selbst nicht so entadeln –
's wär zu viel Ehre für den Mist,
Wollt' ich ihn auch nur tadeln.

Zeigt unser Bauer nicht Verstand,
Wird man zur Peitsche greifen;
Dann frißt das Volk uns aus der Hand
Und tanzt so wie wir pfeifen.«

»Doch, wenn die Peitsche dir zerbricht?«
Ruft Zinzendorf mit Lachen –
»Das arriviert dem Meggau nicht,
Im schlimmsten Fall soll's krachen!« –

»Und wenn es kracht,« fragt Losenstein,
»Wer ist dann Wild, wer Jäger?« –
Da führt man durchs Portal herein
Des Grafen Salburg Pfleger.

Der wandelt schweigend durch den Raum,
Neigt sich vorm grünen Tische,
Als ob er einen bösen Traum
Erst von der Stirn sich wische.

Graf Kueffstein spricht: »Wie steht's, mein Sohn?
Wir haben Euch gesendet,
Die geistliche Kommission,
Habt Ihr das Werk beendet?«

»Beendet? – Hoher, gnädiger Herr!
Das Wort scheint mir vermessen,
Solch Ende sah ich nimmermehr,
Kann's nimmermehr vergessen.

O armes Volk von Leonstein!
Im Dorf sind die Soldaten,
Im Pfarrhof sind die Mönche drein,
Es plündern die Kroaten.

Die Guardia kam mit Saus und Braus,
Die Glocke gab das Zeichen,
Da floh das arme Volk hinaus.
Dem Jammer zu entweichen.

Zerstört ist Hab und Gut und Glück,
Nur Jammern blieb und Trauern,
Nur Greis und Krüppel blieb zurück
In den verlassenen Mauern.

Dahin ist Freud' und Fried' und Zier,
Sie müssen elend sterben
Im Walde, wie das wilde Tier;
Oh, laßt sie nicht verderben!«

So spricht der Pfleger. Alles schweigt,
Ringsum herrscht Totenstille;
Der greise Graf von Salburg neigt
Sein Haupt: »'s war nicht mein Wille!

Ich widerriet's euch, edle Herrn,
Salburg hat's nicht beschlossen,
Des armen Volks verschont' ich gern;
Weh uns, wenn Blut geflossen!«

Indem der Greis die Worte ruft,
Kommt durch des Fensters Bogen
Ein frischer Hauch der freien Luft
Und ein Gesang gezogen.

»Dein ist die Ehr' in Ewigkeit,
Allmächtiger Herr der Welten;
Lass' uns das schwere Joch der Zeit
Ertragen sonder Schelten.

Verwirf uns nicht, Herr Jesu Christ!
Wir woll'n dein Fähnlein tragen.
Weil du der Armut Schirmvogt bist,
Wird uns der Feind nicht schlagen.

O komm herab, du Heiliger Geist,
Du Trost betrübter Herzen,
Du Licht, das uns zum Himmel weist
Aus diesem Tal der Schmerzen.

Wend' ab, wend' ab den bösen Streich
Unseliger Zeiten Wandel,
Beschirm' den Kaiser und das Reich
Und unser armes »Landel«!« –

So tönt der heilige Sang herein,
Und manches Herz muß pochen;
Das arme Volk von Leonstein
Hat sein Gebet gesprochen. –


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