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Zweiter Akt.

Erste Szene.

Waldgebirge wie im ersten Akt. Links auf dem Rasensitz unter der Terebinthe, halb gegen den Hintergrund gewandt, sitzt Sulamith. Sie stützt das Haupt auf den Arm, in tiefes Nachdenken verloren. Von rechts her kommen Miriam, Jeroboam mit Spieß und Jagdkleid.

Miriam.

Ich glaub' es, wie dir ist. Um einen Toten
Vergießt man wohl viel Tränen, großer Schmerz
Erschüttert uns. Doch besser ist's um Tote
Zu klagen, als um Lebende. Schau' hin!

(Beide stehen still.)

Jeroboam.

Leb' wohl, denn dieser Anblick macht mich rasen!

Miriam.

Nein, bleib! Du sollst nicht früher in den Wald,
Bis eins das andre hört. Dies kalte Schweigen,
Dies stumme Eis schon manchen langen Tag
Muß auftaun. Ihr müßt sprechen, denn die Zunge
Macht manches wieder gut, was sie verbricht.

Jeroboam.

Sie hört uns nicht. Als wie von Erz gegossen,
Zu Stein verwandelt, sitzt sie schweigend dort,
Jerusalem mit stummer Sehnsucht suchend
Und Zions Mauern, ihres Königs Burg. (Zu Miriam.)
Oh, du bist gut! Dein Mitleid will mich trösten.
Ich wollte, Weib, ich hätt' um dich gefreit!
Du hast ein Herz, das freundlich auch den Fremden,
Den Ungeliebten tröstet und sein Leid
Zum eignen macht. Sie aber ist wie Marmor.
Was schmelz' ich denn in Klagen? Herz des Manns,
Du Stolz des Kriegers, wirst du um ein Mädchen,
Das dich verschmäht, zum weichen, alten Weib?
O pfui! Leb' wohl! Ich kann es nicht ertragen,
Sie so zu sehn. Ich will in meinen Wald.
Wenn's über mir in sturmbewegten Bäumen
Lebendig rauscht, verstummt mein eigner Schmerz.
Ich schleudre dann den Spieß, ich such' den Schakal
Im Sumpf, ich reiz' die Schlange mit dem Fuß;
Ich hetze jedes Untier auf mein Leben,
Nur: daß ich nicht mehr weiß, wer ich denn bin!

(Will über die Bühne ab nach links.)

Miriam.

O bleib! ich bitt' dich, bleib! Ich will sie wecken.

(Tritt auf Sulamith zu und berührt ihre Schulter. Sulamith blickt auf und erhebt sich.)

Wach auf, komm' zu dir selbst, o Sulamith!
Wir sind nicht wie die Sterne, die der Erde
Nur nachts erscheinen und der andern Welt
Am Tag gehören. Schwester, wir sind Menschen;
Wir freun uns und wir trauern ganz wie du.
Drum, mußt du ja das eine nicht vergessen,
Auch du gehörst zu uns.

Sulamith (vorwärts schreitend).

Wohin auch sonst?

Obgleich ihr nichts als tadelt, nichts als tadelt.
Ich weiß, es ist ein Unglück, wie ich bin.
Allein ich bin so. Fordert nicht vom Vogel,
Er soll wie eine Blume duftig blühn,
Und fordert von der Blume nicht die Stimme
Des Vogels. Laßt mich leben, wie ich bin.

Miriam (auf Jeroboam zeigend).

Und dieser hier?

Sulamith.

Wird mehr der Freuden finden,
Als ich in meiner Einsamkeit der Qual.
Denn wozu leb' ich? Er ist hingegangen,
Er ist dahin, den meine Seele liebt, –
So laßt mich's tragen!

Jeroboam.

Er wird wiederkommen,
Und du wirst jubeln, tröste dich, mein Kind!
Es ist nichts Neues. Könige gewinnen
So leicht ein arglos Herz. Und er ist schön.
Nur denk' ans Ende! Was dein grauer Vater
Dich Tag für Tag beschwört, was Miriam
Nicht aufhört, dich zu warnen, was auch Simon
Dir nicht verhehlt, es ist kein Widerhall
Von meinem Schmerz, es ist der Wahrheit Stimme.
Oh, glaube mir, ich könnte, wär's dein Glück,
Mein Herz ersticken, könnte viel ertragen;
Denn lieber als mein Herz ist mir dein Glück.
Doch das ist nicht dein Glück, das ist dein Elend.

Sulamith.

Du sprichst als wie der Blinde von dem Glanz
Der Sonne, von dem Himmelblau des Meeres
Und von dem lichten Schein der ew'gen Luft.
Das war kein Leben, nein, es war ein Dämmern,
Ein Träumen war's, bevor sein Aug' mich sah.
Jetzt leb' ich!

Miriam.

Nein, jetzt träumst du erst, o Schwester!
Ich bin die letzte, welche Salomo
Verdächtigt, der mein Kind mir hat gegeben,
Doch macht mich nicht die Mutterliebe blind,
Nein, gibt mir Augen, läßt mich klar erkennen,
Wo meiner Schwester Heil ist und wo nicht.

Jeroboam.

Auf diesem Weg liegt Schande. Tausend Dirnen,
Die ehrlos lungern, gibt ihm dieses Land.
Doch du bist nicht zur Tänzerin geboren;
Die Zornglut steigt mir auf, daß du nicht ahnst,
Was dich bedroht.

Sulamith.

Kein Wort! Ich hab's geschworen:
Eh das geschieht, eh stürzt sich Sulamith
Vom Fels dort in die Tiefe. Eins nur, eines
Ist möglich: Daß mich Salomo so liebt,
Wie ich ihn liebe. Dann ist euer Tadel
Auch euer Urteil, – Schaum, der leicht zerfließt.
Dann kommt er doch, dann kommt er bald und findet
In Sulamith das Weib, das ihm gebührt.
Ist's anders, kommt er nicht, so will ich sterben;
Denn freundlicher und süßer ist der Tod,
Als ohne ihn ein Leben. – Meinen Vater
Wirst du dann pflegen, Mirjam, und dein Schmerz,
Jeroboam, wird milder von mir denken,
Ja milder denkt ihr alle dann von mir.
»Es war ihr Schicksal,« wird das eine sprechen;
»Wie in ein armes Haus ein fremder Gast,
Ist diese Liebe in ihr Herz gekommen,«
So spricht das andre. »Offen stand die Tür, –
Und jetzt ist's einsam; selbst schob sie den Riegel
Auf ewig zu, und nun betritt's kein Mensch.« –

Jeroboam (aufwallend).

Hinaus! In meinen Wald! Es macht mich rasend!

(Mit einer Wendung.)

Doch dich beklag' ich. Er allein ist schuld.
Er stahl sich wie die schönbeschuppte Schlange
Zu dir in eines leichten Harfners Kleid,
Er träufelte dir Gift ins Ohr, er wird auch
Dich wiedersehn, er liebt vielleicht sogar
Dich jetzt, bis eine andre, kühnre Schönheit
Dein Bild verlöscht, – dann bleibt dir nur die Schmach.
Ich habe dich gewarnt, unsel'ges Mädchen,
Dies ist mein letztes Wort auf alle Zeit. –

(Er entfernt sich rasch nach links.)

Zweite Szene.

Miriam, Sulamith ohne Jeroboam.

Miriam.

Und diesen kränkst du? Nicht den alten Vater,
Der tausendmal dich bittet, nenn' ich jetzt,
Und welcher stirbt, wenn sein geliebter Liebling,
Wenn du so endest, wie du enden mußt, –
Ich nenne nur Jeroboam, den Helden,
Der alles dir zu Füßen hat gelegt,
Was Mannesmut und Ehre reich ihm schenkten.
Du aber achtest alles nur für nichts.

Sulamith.

Für nichts? O sieh! Ihr werdet's nie begreifen,
Ihr könnt es nie erfassen, euch ist's Wahn.
Ich fühl's, ich tu' euch weh, doch kann ich's ändern?

(Mit ausgebreiteten Armen.)

O senk' dich ganz allein auf dieses Haupt,
Du Glück und Fluch der Liebe! Laßt mich wandeln,
Solang es mir vergönnt ist, duldet mich!
Ich leb' nicht lang, ich sterbe bald, ich weiß es.
Und wenn ich sterbe, pflanzt mir auf mein Grab
Ein Veilchen oder eine wilde Rose,
Und nennt die wilde Rose Sulamith! –

(Sie sinkt an Miriams Brust.)

Miriam.

Du unglücksel'ges Herz! Weil ich dich kenne,
Und weil ich weiß, wie groß du bist und rein,
So bitt' ich dich, beschwör' dich, Kind, und flehe:
Bezwing' dies unglückselige Gefühl!
Es wär' des Vaters Tod, es wär' dein eigner –

Sulamith.

Und wär' es auch mein Tod, so sterb' ich leicht.
Doch warum sterben? Darf ich denn nicht leben?
Nur ich allein nicht? Grünt nicht rings die Welt,
Und blüht nicht alles? Brausen nicht die Bäche,
Und singen nicht die Vögel? Miriam!
Er sah mir bis ins Herz, in seinen Augen
Stand brennend dieses Wort: »Ich kehr' zurück!«
Und er wird kommen, Schwester, er wird kommen, –
Und dann bereust auch du, was du jetzt sprichst. –

Miriam (Sulamiths Hand fassend).

Still! Still! Wenn auch die Schwester nichts vermag,
Ich weiß, dem alten Vater wirst du glauben;
Sein blindes Aug' sieht mehr, als ich und du. –

(Sie legt ihren Arm um Sulamiths Nacken und führt die Gedankenverlorne langsam ab.)

Dritte Szene.

Verwandlung. Burg Zion. Königliches Gemach. Ausgang rechts und links. Die Mitte der Rückwand durch Vorhänge geschlossen. Ben Jochai von rechts herkommend. Hinter ihm Diener, welche einen Thronsessel bringen.

Ben Jochai.

So ist es gut. Hier setzt den Thronstuhl hin.
Entfernt euch. – Meine Sinne sind wie rasend!

(Die Diener gehen ab.)

Vierte Szene.

Ben Jochai.

Bin ich allein? Fluch über Davids Haus!
Mein ärmstes Weib! Von Henkershand gegeißelt!
Mit jedem blut'gen Streich schrie laut mein Herz,
Und ich soll dieses Amt noch länger heucheln?
Oh, daß ich dich, als wie die Axt den Baum,
So treffen könnte, meiner Lust gehorchend!
Nimm dich in acht! Noch ist mein Weib nicht tot;
Doch wenn sie stirbt, so ist es dein Verderben.
Ben Jochai weiß, daß Ephraims jüngstes Kind
Ihr Herz erhebt zu eines Königs Liebe.
Ben Jochai weiß es, denn der König spricht
Von nichts mehr, als von Sulamith. – Mein Nacken,
Auch dieser Fuß auf dich? Das wär' zuviel!
Die Königin Jerusalems? Das wäre
Ein neuer Hohn auf mein entehrtes Weib.
So will ich denn mein Aug' zum Geier machen
Und wachsam sein und sehn, daß nichts geschieht,
Als was mein Haß und meine Rache wünschen.

(Geht ab.)

Fünfte Szene.

Salomo und Memnon von links herkommend.

Salomo.

Nein, diesmal irrst du doch. Ich bleib' beständig.
Ich sage dir, seit ich dies Kind gesehn
Mit dunklem Haar und sanften Taubenaugen,
So reizbar süß und so gedankenvoll,
So ernst in ihrer Lieblichkeit, o Memnon,
Ich sage dir, seit jenem Tag umschwebt
Mich, wo ich bin, ein einziger Gedanke:
Sie wiedersehn!

Memnon.

Sie wiedersehn? Was dann?

Salomo.

Was dann? Als ob was Süßers kommen könnte!
So denk' ich im Gebirg mir hoch den Stein,
Der niederrollt vom schneebedeckten Gipfel.
Erst ist's ein Stein; dann ballt sich's auf und schwillt
Und rollt und schwillt und wachst zum Ungeheuer.
Ganz so ist mein Gefühl.

Memnon.

Darf ich vollenden?
Und wächst und schwillt und wird zum Ungeheuer.
Hast du gestürzte Felsen nie gesehn?
Zerstörte Wälder und gebrochne Hütten?
Drum halt' ihn fest, laß ihn nicht los, den Stein,
Ein solches Glück wird Sulamith verderben.

Salomo.

Du urteilst rasch, und ich beschäm' dich doch.
Es ist nicht bloß ein Wunsch mir angeflogen.
Ich lieb' sie wahrhaft. –

Memnon.

Herr, nur keinen Schwur!
Das Ende wird am besten mich beschämen.

Sechste Szene.

Die Vorigen. Ben Jochai durch den Vorhang eintretend.

Ben Jochai.

Die Boten von Arabien und Aegypten –

Salomo.

Sind uns erwünscht. Ben Jochai, laß sie vor.

Ben Jochai.

Auch der Prophet Ahia will dich sprechen.

Salomo.

Schon wieder? Wenn es sein muß, soll es sein.
(Er läßt sich auf den Thronsessel nieder. Memnon tritt hinter ihn. Ben Jochai tritt ab.)

Siebente Szene.

Durch die Mitte des Vorhanges kommen die Boten von Arabien und Aegypten. Sie schreiten, den König begrüßend, nach rechts, vorwärts. Ihnen folgt Ahia, der in der Mitte des Hintergrundes stehenbleibt. Die Vorigen.

Erster Bote ( sich neigend).

Es grüßt dich, Herr, die Königin von Saba,
Sie sendet edles Rauchwerk ihres Lands
Als Weihgeschenk für deinen großen Tempel
Und sie entbietet dreifach dir den Gruß:
Zum ersten, als dem König dieses Landes,
Zum zweiten, als dem Jüngling und dem Freund,
Zum dritten, als dem Denker und dem Weisen,
Nicht weniger dem Sänger, dessen Mund
Berühmt ist wie die Nachtigall.

Salomo.

Du schmeichelst,
Du machst uns eitel. Wir versichern dich,
Die Fürstin überschätzt uns; doch bleibt's Ehre,
Denn Balkis ist die erste Frau der Welt.

Bote.

Das ist sie, Herr. Doch, daß ich weiter melde,
Schon lange fühlt sie Sehnsucht, dich zu sehn.
Und darum ließ sie satteln die Kamele,
Mit einem Troß von Schätzen rückt sie an,
Wir sollen dir die ersten Grüße bringen,
Empfang' sie freundlich, öffne ihr dein Reich.

Salomo.

Mit Freuden will ich's tun. Seid uns willkommen!
Macht euch's behaglich in Jerusalem!

(Der Bote tritt zurück.)

Ahia (plötzlich vortretend).

Herr, sei nicht rasch! Die Königin der Heiden?
Nimm kein Geschenk!

Salomo.

Weißt du nicht, wo du bist?

Zweiter Bote (sich neigend).

Von Herzen grüßt dich Pharao zu Memphis
Als seines Freundes David wackern Sohn.
Und weil er just sein Enkelkind Nitokris
Dem jungen Schah von Persien vermählt.
So bittet er, du möchtest tausend Reiter
Ihm senden als Geleite durchs Gebirg.

Salomo.

Wird gern getan. Wir senden ihm die Reiter.
Wir sind ja noch so tief in eurer Schuld
Vom Tempelbau. Drum sage deinem König,
Zum Dank wird ihm sein alter Wunsch erfüllt:
Ich zahl' die Schuld und bau' euch einen Tempel
Nicht ferne von den Mauern unsrer Stadt,
Daß jeder, der zu uns kommt von Aegypten,
Sich sagen soll: Auch hier bin ich nicht fremd.
(Bote neigt sich.)

Ahia.

Mein König scherzt?

Salomo.

Wer spricht?

Ahia.

Herr, laß dir raten!
Ich kann's nicht glauben, wie mich auch das Volk
Mit Fragen stürmte: »Ist es wirklich Wahrheit?
Baut wirklich unser Herr dem fremden Gott,
Dem Götzen von Aegypten, einen Tempel?«
»Gib Antwort,« rief ein Mann, »denn wir erschlagen
Die Bauherrn sonst, wir stürzen vom Gerüst,
Was Hand anlegt bei dem verfluchten Tempel,
Denn Tugend ist und Pflicht ein solcher Mord!«

Salomo.

Du predigst Mord und Abfall, Mann der Tugend?

Ahia.

Ja, Hund, schweig' still, sonst wird der Herr dich peitschen,
Sonst wird der Herr dich treten, Hund, schweig' still! –
Steht's so mit uns? Oh, dann ist's weit gekommen!
Mehr Herz für fremde Götzen, als für Gott?
Bald werden auch die fremden Weiber kommen, –
Was dann noch kommt, gleichviel, nur nichts von Gott!

Salomo.

Du könntest mich aus meiner Langmut wecken!
Genug! Ich will's! der Tempel wird gebaut!

Ahia.

Wird nicht gebaut! Herr, Herr, das ist ein Greuel,
Das ist ein Schimpf am Heiligtum des Herrn!
Dein Vater hat des Reiches Bau gegründet,
Doch du wirfst Sand und Steine in den Wind.
Durch David sind wir Gottes Volk geworden,
Durch dich stehn wir den Heiden gleich. Nein, nein!
Denn du hast nur gescherzt: ich will den Knechten,
Die draußen stehn, bevor sie das Gerüst
Besteigen und das Baugerät ergreifen,
Zurufen, daß du bloß zum Schein gescherzt;
Dann wird das Volk nicht mehr die Köpfe schütteln,
Nicht flüstern: »Ist der König bei Verstand?
Ist Isis und Osiris gleich Jehovah?
Ist Astaroth im Tempel unsers Herrn?«

Salomo.

Ahia, wenn die Rücksicht auf dein Alter
Und wenn die Ehrfurcht vor dem grauen Bart
Mich abhält, nach Verdienst dich zu behandeln,
So danke mir und meide diesen Ort.

Ahia.

Sprichst du von Furcht? Laß deinen Unmut donnern!
Ich fürcht' dich nicht, denn mich beschützt der Herr.
Ja, König, und dem Herrn mußt du gehorchen.
Du mußt es, denn auch du bist nur sein Knecht!

Salomo.

Bist du so weise? Ei, dann merk dir dies:
Wer also kühn zum König wagt zu reden,
Der liegt in Ketten, wenn mein Aug' nur winkt. –
Nichts mehr, du Knecht! Nichts mehr, bei deinem Leben!
Kein Wort, sonst ist's dein letztes in der Welt!

Ahia (sich zurückziehend).

Der Tod ist nicht das Aergste, doch ein Dasein
Voll Hochmut und voll Eitelkeit ist schlimm.
Du wirst noch spät, o König, mein gedenken
Am schlimmen Tag, – bis dahin lebe wohl! –

(Mitten ab.)

Achte Szene.

Die Vorigen, außer Ahia.

Salomo.

Entschuldigt diesen Vorfall. Unsre Priester
Sind mehr als kühn.

Zweiter Bote.

Das sind die unsern auch;
Doch Pharao hat ihren Trotz gebrochen.

Salomo.

Daran erkenn' ich seinen tapfern Geist.
Seid unbesorgt, ich bau' euch euern Tempel. –
Ihr seid entlassen. Lebt jetzt alle wohl. –

(Die Gesandten verbeugen sich und gehen ab nach rechts, der König erhebt sich.)

Neunte Szene.

Salomo. Memnon ohne die Vorigen.

Oh, jetzt hinaus! Hinaus in meine Wälder,
Zu meiner Taube, dort in mein Gebirg!
Hier bin ich krank, bei ihr werd' ich genesen!

Memnon.

O Herr, sei nüchtern! Herr, ich warne dich!
Der Grund, auf dem wir stehn, ist viel zu glühend,
Dein Thron ist wie ein ewiger Vulkan,
Der sinkt und steigt, wie's manche brauchen können.

Salomo.

Du sollst ein treuer Cherub für mich sein. –
Hinaus! Hinaus! Bei ihr will ich genesen! –
Freund: meines Lebens Stern heißt Sulamith!

(Er geht rasch ab nach links: Memnon folgt ihm.)

Zehnte Szene.

Verwandlung. Waldgebirge wie in der ersten Szene. Auf dem Rasensitz unter der Terebinthe ruht Ephraim,von Simon und Miriam gestützt.

Ephraim.

Es geht mit mir zu Ende, meine Kinder.
Du mußt nicht weinen, meine Miriam,
Denn es ist recht so. Alle meine Wünsche,
Wie Sterne, steigen langsam aus der Nacht,
Zwar spät doch freundlich leuchtend und mich grüßend
Wie Boten eines bessern, schönern Lichts. –
Mein Tagwerk ist vollendet. Guter Simon,
Wie dank' ich dir für so viel Rat und Tat!
Es war des Glücks zuviel nach so viel Jammer:
Das Kind gerettet, Salomo uns hold,
Jeroboam der Retter seines Landes,
Es war des Glücks zuviel nach so viel Schmerz.
Wenn ich bei Joël bin, wird er mich fragen:
»Wie steht es um mein Weib und um mein Kind?«
Was geb' ich ihm zur Antwort, meine Tochter?
Dies will ich sagen: »Fürchte nichts, mein Sohn,
Dein Kindlein blüht, dein Weib ist nicht verlassen.
Denn, weil ich ihr nicht Reichtum geben kann,
Und weil sie doch ein Weib nur ist, so gab ich
Sie in die Obhut eines treuen Mannes;
Du kennst ihn, es ist Simon, unser Nachbar.«

(Zu beiden.)

So reicht euch denn zum Frieden eure Hände
Und seid euch, was ihr könnt.

(Sie tun es.)

Simon.

Wir wollen's sein!

(Zu Miriam.)

Mit einer Werbung will ich dich nicht kränken, –
Ich ehre dich und meinen toten Freund, –
Doch deinem Kind will ich ein Vater werden,
Ich bleibe deinem Haus ein wahrer Freund,
Der, wenn du kommst, auf seinem Herd das Feuer
Entzündet, daß es wirtlich für dich brennt,
Der sorgt und schafft, wo bessre Hände mangeln
Und der kein zweites Weib so ehrt wie dich.

Miriam.

Ich danke dir.

Simon.

Und Ephraim wird noch leben!
Es ist ja nur die Freude, die sein Herz
Erschüttert hat, denn Salomo der König
Erweist Euch so viel Gunst, daß es fast drückt.

Ephraim.

Jawohl es drückt! Jeroboam schweigt finster,
Und Sulamith, – wo bleibt denn nur mein Kind? –
Habt ihr sie nicht gesehn? Kann sie den Vater
So ganz vergessen? Ruft sie, holt sie her!
Nein, ruft sie nicht! Sie wird von selber kommen. –
Jawohl, sie hat Jeroboam gekränkt;
Er ist uns fremd, er ist nicht mehr der Alte
Und hält sich fern vom Haus –

Miriam.

Es greift dich an. –
Sei ruhig, Vater, Sulamith wird kommen.

Simon.

Jeroboam auch. Der Tag ist fast zu End'. –
Leg' dich zum Schlaf. Wir aber gehn sie suchen.

Ephraim.

Ja, ich bin müde. Lehnt mein Haupt zurück.
Ich bin unendlich müde. Laßt mich schlafen,
Geht beide fort, – geht beide! – (Er entschläft.)

Simon (nach einer Pause).

Er ist still.

(Er geht nach links ab.)

Elfte Szene.

Miriam. Ephraim ohne Simon.

Miriam

(den Entschlummernden betrachtend).

Die Augen zu? – Schon jetzt im tiefsten Schlummer?
Erquick' ihn freundlich, gütige Natur!
Oh, daß dein Herz hinüberschlummern könnte,
Bevor du ahnst, was deinem Liebling droht!
Du willst nur eines, hoffst und willst nur eines,
Es ist für dich das Letzte in der Welt,
Das Liebste und das Letzte: deinen Liebling
Beglückt zu wissen, deine Sulamith. –
Ich gönn' ihr diesen Platz in deinem Herzen,
Denn sie ist gut und rein. Oh, wär' doch nie
Dies Liebesunglück in ihr Herz gekommen!
Sie wäre glücklich, doch sie wird es nie. –
Ein Lächeln? Träumst du froh in deinem Schlummer?
Dann träume fort! Ich will zu meinem Kind. –

(Geht ab nach rechts ins Haus.)

Zwölfte Szene.

Ephraim. Sulamith, mit Rosen und Weinlaub bekränzt, kommt links von der felsigen Höhe herab und schreitet gegen den Vordergrund.

Sulamith.

Am liebsten möcht' ich hoch auf Felsen wohnen,
Im Angesicht das Morgenrot und fern
Den Jordan und Jerusalem zu Füßen,
Hoch über meinem Haupt den Libanon.
Am Fuß der Palme möcht ich ewig sitzen,
Wo Salomo zum erstenmal mich fand.
Er trug ein grünes Kleid und lange Locken
Und um die Stirne einen goldnen Ring. –
Ich seh' dich nicht, wo bist du hingegangen?
Gleichwie ein Adler, der ins Tal sich schwingt,
Bist du aus meinem Angesicht entschwunden;
Geliebter meiner Seele, kehr' zurück!
Sie sagten mir, es hab' dich eine Schlange
Beschlichen einst als schlafend Kind im Wald;
Und von dem Biß vernimmst du alle Klänge
So rein und klar, wie wir ein menschlich Wort.
Ich lern' dir's ab, ich möchte auch die Stimmen,
Die auf der weiten Erde sind, versteh'n:
Die Nachtigall, die aus Platanenwipfeln
Bei Mondesdämmern süß und schmerzlich klagt,
Die Grille, wenn sie zirpt, ja selbst das Wiehern
Von deinem edlen Roß möcht' ich versteh'n.
Wer weiß, was sie mir sagten! Aber eines,
Eins weiß ich, sie erzählten mir von dir! –
Du gabst mir dieses Ringlein, das die Mutter
Bathseba dir im Sterben hinterließ;
Es heißt der Ring der Anmut. Darf ich's tragen?
Beraub' ich nicht die Welt um zuviel Glück?
Hat nicht die Erde bess're, schön're Frauen?
Es brennt mich fast, ich bin den Schmuck nicht wert.
Was red' ich doch! (Sich umwendend.) Mein Vater? ruhig schlafend?

(Geht auf ihn zu.)

Oh, wüßtest du, warum ich mich bekränzt.
Warum sich deine Tochter Wein und Rosen
Ins Haar flocht, ach, du zürntest ihr wohl sehr!

(Sich niederbeugend.)

Ich kann nicht anders! Hände, laßt euch küssen!
Verzeih' mir, Vater! flehend bitt' ich's ab, –
Ich kann nicht anders!

Ephraim (aufwachend, tastend).

Wer berührt mich? Locken?
Und Blumen? Ist es Sulamith, mein Kind?

Sulamith.

Dein Kind.

Ephraim (visionär).

Bist du gekommen, dich zu schmücken?
Oh, zög're nicht, dein Hochzeitsmorgen naht!
Sei fröhlich, Kind! Dein Bräutigam wird kommen
Bedeckt mit Ruhm und Ehre aus der Schlacht;
Zum großen Tag der Freude wird er kommen,
Wie Joël kam, als ich zum letztenmal
Ihn segnete. Ich werde zu ihm sprechen
Dasselbe Wort, das ich zu Joël sprach.
Knie nieder, Mädchen,

(Sulamith kniet. Flöten erklingen)

laß mich meine Hände
Aufs Haupt dir legen. Reich bist du bekränzt. –

Dreizehnte Szene.

Salomo erscheint, gefolgt von sieben grün und weiß gekleideten Knaben von links. Dieselben tragen Bogen und Pfeil. Sie bleiben links im Vordergrund, während er sich Sulamith nähert.

Ephraim.

Doch reicher noch als Rosen und als Reben
Ist, was dich schmückt, dein unbeflecktes Herz. –
Jeroboam, wo bleibst du, daß mein Segen
Auf ewig dich vereint mit meinem Kind?

Salomo

(rasch näher tretend, gedämpft).

Hier bin ich schon!

Sulamith (freudig).

O Gott!

Ephraim.

So laß dich nieder.

(Salomo kniet und umschlingt Sulamith. Ephraim die Hände über ihren Häuptern.)

Sei wie mein Joël!

Salomo.

Ja, so will ich sein!

Ephraim.

So segn' ich euch. Oh, Sulamith, mein Liebstes,
Du Perle deiner Mutter, bleib' wie sie!
Du wirst es auch. Du hast mit keiner Lüge
Mein Herz beleidigt, offen wie ein Buch
War deine Seele vor des Vaters Augen,
Vorm blinden Aug' des Vaters rein und gut. –
Und weil du ohne Falsch bist, wird mein Segen
Auch dauern. – Wie ein Kranz, der nie verwelkt,
So blühst du ewig. – Kinder, ich bin müde.

(Immer leiser sprechend.)

Doch jetzt zu dir, o Bräutigam, ein Wort.
Ich weiß, dein Herz ist gut, doch deine Werbung
War ungestüm. Du hast durch harten Kampf
Sie dir erobert. Mögst du's nie vergessen:
Sie ist ein Kleinod. – Wandelt je dein Herz
In Gleichmut sich, in Kälte, in Verachtung,
Dann kündet dir ein Sterbender den Fluch,
Den schwersten Fluch an, der nur einen Menschen
Getroffen hat. – Steht auf, es ist genug. –

Vierzehnte Szene.

Die Vorigen. Miriam tritt herzu von rechts: Die Flöten verstummen. Auf der Höhe des Felsens links erscheint Jeroboam mit Spieß und Jagdkleid; hinter ihm Simon, der ihn zu begütigen sucht. Beide bleiben horchend stehn.

Salomo (laut rufend).

So steh' ich auf und schwöre dir beim Himmel,
Daß ich sie liebe, wie kein Mensch sie liebt!

(Ephraim macht Zeichen des Schreckens.)

Erschrick nicht! Ja, wir haben dich betrogen.
Es ist nicht dein Jeroboam, dein Sohn,
Der vor dir lag, und den du hast gesegnet.
Es ist dein König. Ich bin's, Salomo!
Der König von Jerusalem wird halten
Treu, was er als Jeroboam versprach. –

Ephraim.

Halt ein! Das ist mein Tod! Oh, meine Tochter!
(Miriam und Sulamith unterstützen ihn, er sinkt zurück.)
Du hast mich doch betrogen? (Stirbt.)

Miriam.

Helft, er stirbt!

Jeroboam
(seinen Speer zuckend, eilt den Fels herab auf Salomo zu, Simon folgt ihm).

Du sprichst von Treue, der die Treue bricht?
Du Heuchler, geh dahin mit deiner Lüge
Und stirb, wie du gelebt hast, du bist's wert! –
Das ist der Dank Jeroboams! Oh, Eisen,
Wenn dich nicht ekelt, mach den Lügner stumm!
(Er holt zum Wurf aus. Rasches, gesteigertes Spiel. Sulamith
wirft sich an Salomos Brust, Simon tritt gleichfalls
dazwischen, seinen Stab hebend, die Knaben richten ihre
Pfeile gegen Jeroboam.)

Sulamith.

Triff mich zuerst, Jeroboam! – Gelogen
Hat niemand hier, als ich, ich ganz allein!
Triff mich zuerst, Jeroboam! Mein Leben
Ist ewig ohne Salomo nichts wert!

(Jeroboam läßt finster den Speer sinken.)

Triff mich, wenn du schon Rache willst! Ich habe
Den Vater ja getötet, hab' dich selbst
Beleidigt bis zum Tod, –

(Jeroboam zuckt schmerzlich zusammen.)

all, all die Meinen
Verdammen mich um diese Liebe tief. – –
Jetzt mußt du's tun, denn, willst du Rache finden,
Es kommt kein zweiter Augenblick so schön. –
Nur denk' an eines: Hoffst du zu gewinnen?
Wenn ich's nie wußte, weiß ich es doch heut:
Was auch geschieht, mein Herz gehört nur einem,
Nur einem jauchzt es zu in dieser Welt,

(Salomo umschlingend)

Und dieser ist mein König. Soll ich sterben,
So sterb' ich jetzt, an meines Königs Brust!

(Verbirgt ihr Angesicht an Salomos Brust.)

Salomo (sich von Sulamith losmachend).

Nein, leben sollst du, Sulamith! Ihr Schützen,
Wenn eure Pfeile, siebenfach geschärft,
Nach seinem Herzen drohend, ihm nicht sagen,
Der Kampf sei ungleich, den sein Wahnsinn kämpft,
So zieh' ich diesen Dolch aus meinem Gürtel;

(Er zieht einen Dolch.)

Und wäre dieser Dolch auch noch zu stumpf,
So wird mich das Gefühl, ich bin der König,
Mehr schützen, als sein Haß mich je bedroht. –
Drum senkt die Pfeile. (Die Knaben tun es.)

Jeroboam.

Droht mit euern Waffen!
Ich lach' dazu. Du wärst schon lange stumm,
Doch schützt dich der. (Auf Ephraim zeigend.) Du weißt, daß
ich dem Toten
Auch jetzt die höchste Ehrfurcht schuldig bin.
Er wollte mir gerecht sein, und ich danke
Ihm jetzt dafür, ich bändige mein Herz. –

(Zum Toten, indem er das Knie beugt.)

Leb' wohl, mein Vater Ephraim, ich scheide!
Fremd, wie ich kam, verlaß ich dieses Haus.
Leb wohl, mein Vater Ephraim! Dir alles,
Was Liebe heißt, Verehrung, Achtung, Dank! (Erhebt sich.)
Der Heimatlose geht. Wohin? Das werdet
Ihr alle sehn. (Zu Sulamith.) Du denkst dereinst an mich!
Halt ihn nur fest! Dein Buhle könnte straucheln,
Er könnte fallen, halt ihn du nur fest!

(Er entfernt sich rasch nach links.)

Fünfzehnte Szene.

Die Vorigen ohne Jeroboam.

Simon (nachrufend).

Jeroboam, du gehst in dein Verderben!

(Er kniet mit Miriam an der Leiche Ephraims nieder.)

Salomo.

Und nun, bevor du weinst um deinen Vater,
Geliebte, nimm auch meinen festen Schwur:
Ich will wie einen Schatz dich heilig hüten
Und einst erheben vor der ganzen Welt!
(Er umschlingt sie.)

Sulamith (zu ihm aufblickend).

Dies ist genug! Dies wird die höchsten Schmerzen
Besänftigen. Ich weiß, warum ich's tat. –
Ich glaub' an dich, ich liebe dich, ich hoffe, –
Wenn du mich nicht mehr liebst, dann kommt der Tod!

(Indem Salomo ihr die Stirne küßt, senkt sich der Vorhang.)


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