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Wenn die Religionen sich wenden, so ist es, wie wenn die Berge sich auftun; zwischen den großen Zauberschlangen, Golddrachen und Kristallgeistern des menschlichen Gemütes, die ans Licht steigen, fahren alle häßlichen Tazzelwürmer und das Heer der Ratten und Mäuse hervor. So war es zur ersten Reformationszeit auch in den nordöstlichen Teilen der Schweiz und sonderlich in der Gegend des zürcherischen Oberlandes, als ein dort angesessener Mann, der Hansli Gyr genannt, aus dem Kriege heimkehrte.
In den Anfangstagen des Jahres 1523 zog nämlich das kleine Zürcherheer über die Alpen zurück, das wunderlicherweise dem Papsttum Land und Leute gegen Frankreich geschützt hatte, während in der Heimat schon das Evangelium gepredigt wurde. Diese Zürcher hatten Parma, Piacenza und andere Städte genommen, nach dem Tode Leos X. den vatikanischen Palast verwahrt, bis Hadrian VI. gewählt war, und bei alledem den Zusammenstoß mit den übrigen Eidgenossen vermieden, die mit dem Franzosen im Bündnis und in dessen Heeren standen. Als sie schließlich sahen, daß sie von den Römern allerdings und trotz der Glaubensbewegung beschmeichelt und gehätschelt, aber zugleich gehänselt und die schuldigen Gelder nicht bezahlt wurden, zogen sie endlich, vom Rate abberufen, heimwärts, und die Hauptleute kamen gerade noch zeitig genug in Zürich an, um dem ersten Religionsgespräche vom 29. Januar auf dem dortigen Rathause beizuwohnen und mitzurichten über das päpstliche Rom.
Es mochte wiederum einen seltsamen Anblick gewähren, diese schwertgewohnten, mit goldenen Ketten geschmückten und schwer befiederten Männer, die vom jahrelangen Aufenthalt in dem Italien des sechzehnten Jahrhunderts herkamen, teilnehmen zu sehen an dem lediglich auf das geistige Wort gestützten logischen Fortgang von Disputationen, Abstimmungen und Beschlüssen, an der Reinigung von Glauben, Sitte und Staat, die sich im Widerstand gegen eine Welt vollzog und deren unfertig gebliebene Ausbreitung nur eine Folge begangener Fehler sein sollte.
Als der gedachte Heerzug, der nicht viel über fünfundzwanzighundert Mann stark sein mochte, mit Zeug und Troß vom Walensee hermarschierend am linken Ufer des Zürichersees, der Stadt Rapperswyl gegenüber, anlangte, schwenkte Hansli Gyr mit Urlaub von der Heersäule ab und wandte sich der Rapperswyler Brücke zu, um seine am Berge Bachtel im jenseitigen Lande gelegene Hofstatt frühzeitiger zu erreichen. Der Name Hansli bedeutete nicht etwa eine kleine Gestalt; denn es war ein ziemlich hochgewachsener Mann und kräftiger Rottmeister, obgleich noch jung an Jahren. Vielmehr drückte sich darin eine gewisse vertrauliche Beliebtheit und der Ruf der Zuverlässigkeit aus, in welchem der Träger unter seinen Genossen stand; wie denn in den Mannschaftsrödeln oder den Verzeichnissen der Jahrzeitbücher solche oft vorkommende Koseformen für die Namen längst heimgegangener, sonst gänzlich unbekannter Kriegsleute den Eindruck machen, daß diese mehr als andere wert und lieb gewesen seien, vielleicht wegen ihres einfacheren, treuherzigeren Wesens oder wegen heitern Gleichmutes und gutartiger Laune oder irgend anderer guten Eigenschaften.
Den ledernen Reisesack leicht über die Achsel geworfen, schritt der Mann auf der gegen fünftausend Schuh langen geländerlosen Holzbrücke rüstig dahin, daß die Bretter klapperten und der gefrorene Schnee darauf knarrte. Stattlich gekleidet und gewaffnet zeigte er gleichwohl nichts von dem übermütigen Pompe der Kriegsknechte jener Zeit; sein Kleid in den weiß und blauen Landesfarben war von starkem Wolltuch und nur mäßig zerschnitten, etwa wie auch heutzutage der Bescheidenste den Schneider nicht hindern kann, diese oder jene Mode an seiner Leibeshülle anzudeuten. Allerdings waren Harnisch, Eisenhut und Helbarte von guter mailändischer Arbeit, der Harnisch sogar von den schlanken Hüften gegen die breiten Schultern hin fächerförmig und fein kanneliert, und von eigentlichem Luxus konnten allenfalls die hohen Lederhandschuhe zeugen, die er trug; denn ohne solche ließ sich damals kein schweizerischer Soldat sehen, der etwas auf sich hielt, wie es auch in einem Liede deutscher Landsknechte heißt:
Das Geld woll'n wir verschlemmen, Das der Schweizer um Handschuh' gibt. |
Sonst aber bestand der größte Staat, in welchem der Mann glänzte, aus dem blitzenden Scheine der Wintersonne, die weithin sichtbar sich in seiner silberblanken Rüstung spiegelte, also daß, solang er auf der Brücke ging, im See unter ihm ein zweiter Abglanz mit hinüberwandelte und erst verschwand, als Hansli in das dunkle Hafentor des Städtleins Rapperswyl getreten war.
Da er noch gegen drei Stunden Weges zurückzulegen hatte und überdies nicht sicher war, an seinem verlassenen Heimatherde heute noch etwas Nahrung zu finden, ging er in eine Taverne hinein und ließ sich warmes Essen, sowie eine Kanne Wein geben. Die Stube war mit Schiffern, Krämersleuten und Bauern angefüllt, mit gut katholischem Volke aus der schwyzerischen March und dem Gasterlande, und obgleich Hansli Gyr schon manches von den heimischen Vorgängen vernommen, hatte er doch keine Vorstellung besessen von der bereits tiefgehenden Leidenschaft und Gereiztheit, welche jetzt in den Gesprächen der zechenden Leute zutage trat. Verwundert hörte er die über die Zürcher schon im Schwange gehenden Spottnamen und Scheltworte, wie sie in solchen Zeiten immer die ersten Waffen der unwilligen Beschränktheit gegen die Neuerer bilden. Ein alter Söldner, den er wiedererkannte und um die Bedeutung der Worte fragte, erklärte ihm, dieselben mißbilligend, Herkunft und Sinn der häßlichen Schmachrufe, brach aber gleich selber in bitteren Tadel aus.
»Deine Herren von Zürich«, rief er, »wollen die Pfaffen kuranzen und lassen sich von der neuen Art selbst Zaunpfähle auf ihren Köpfen spitzen! Predigen lassen sie gegen uns arme Kriegsleute, daß es ein Elend und eine Schande ist! Sie wollen uns verbieten, unser Leben zu gewinnen, wo wir es finden, und mit Ehren einen blutigen Pfennig zu suchen oder einen goldenen Kronenzinken herunterzuschlagen! Stubenhocker und Duckmäuser sollen wir werden, die der Mutter am Fürtuch bangen, und doch haben wir Land und Freiheit nicht mit Bücherlesen und Schwätzen, sondern mit guten Spießen und langen Degen erhalten! Mögen sie es so treiben, sie werden am Ende geschickte Schulmeister und Disputierer sein, aber sicherlich im offenen Feld keinen Streit mehr bestehen und kaum ihre Stadtmauer schirmen!«
Hansli Gyr wurde von dieser Rede nicht stark betroffen; er war, ob noch jung an Jahren, des Krieges müde und sehnte sich nach Ruhe und friedlicher Arbeit. Auch schien ihm der alte Kriegsmann, wenn er ihn genauer betrachtete, nicht viel Ursache zu haben, sich seiner vergangenen Tage zu freuen. Denn er war offenbar von Mühseligkeiten und wildem Leben gebrochen, von der Gicht geplagt und vor der Zeit alt geworden; sein abgeschossenes seidenes Wams ließ unter den Spuren von Schweiß, Staub und Eisenrost kaum noch eine Farbe erkennen; die dazugehörige gebauschte Prachthose war längst verschwunden und mit einem bescheidenen Kleidungsstück von Ziegenfell vertauscht. Zwischen Wams und Hosen hing noch das Hemd heraus, aber nicht mehr als Schmuck und Fahne des Übermutes, sondern als ein grauer und gröblicher Sack der Armut. Den Kopf deckte lediglich ein Käpplein von verblichenem rotem Sammet, das er einst unter dem Federhut getragen und jetzt unablässig über die Ohren zog, die ihn schmerzten, und statt des Schwertes trug er eine Krücke. Begierig nahm er den Krug an, welchen Hansli frisch füllen ließ, und wickelte etwas übriggebliebenes Brot und Käse sorgfältig in ein Tüchlein.
Nichtsdestoweniger fuhr er grollend fort: »Deine Herren haben sich aber die Rute schon selbst gebunden! Das gemeine Volk überbietet sie in der Torheit, wie der Aff den Narren, und die Bauern wollen zu einem andern Loch hinaus als die Herren! Geh nur heim auf deinen Berg, der wimmelt, wie ein Hund voll Flöhe, von Schwärmern und Propheten, die in den Wäldern predigen, tanzen und Unzucht treiben, und die Weiber sind toller denn die Männer!«
Erschreckt horchte der jüngere Kriegsmann auf und verlangte näheren Bericht über diese abenteuerlichen Dinge, worauf der Alte ihm in seiner Weise erzählte, was er von dem wiedertäuferischen Treiben wußte, das insbesondere im Grüninger Amte und in der Gegend des Bachtelberges sich ausgebreitet hatte. Er schloß die Erzählung, zu seiner eigenen Narrheit zurückkehrend, mit der Ermahnung, der Junge solle nicht in dieses heimische Wirrsal hinein, sondern wieder fort und zu den Kriegsscharen des Königs Franziskus gehen, wo es Scharten auszuwetzen und neues Glück zu erjagen gelte.
Mit blinzelndem Auge sah der Alte unter den weißen Buschbrauen hervor und schaute träumerisch im Geiste die stürmenden Schlachthaufen, die fliegenden Fahnen, niedergeworfenen Feinde, die brennenden Gehöfte, üppigen Quartiere, fremdländischen Frauen und den silbergefüllten Beutel.
Als er wieder erwachte von den schönen Träumen, fand er den Kameraden nicht mehr neben sich, weil der von Neugierde und Sorge getrieben schon die Stadt verlassen hatte und mit starken Schritten der Heimat entgegeneilte.
Dort waren ihm in den letzten Jahren, während er zu Felde lag, kurz nacheinander Vater und Mutter gestorben, der kleine Bauernhof aber und die Güter inzwischen von einem Nachbarn besorgt worden, dessen Behausung ein paar hundert Schritte entfernt auf der gleichen ansteigenden Höhe des Bergfußes stand. Nicht sowohl die Sorge für sein Eigentum beschleunigte seinen Gang, als die Furcht, die Dinge sonst nicht mehr zu finden, wie er sie einst verlassen. Mitten in der italienischen Pracht und Herrlichkeit und beim Anblick der römischen Weiber hatte er stets nur an die junge Ursula, die Nachbarstochter, gedacht, mit der er aufgewachsen war. Ihr stilles, schlichtes Wesen, ohne allen Schein, weder schön noch häßlich, gut, wie das tägliche Brot, frisch, wie das Quellwasser, und rein, wie die Luft vom Berge, besiegte vor seinen Sinnen jeden fremden und gewaltsamen Glanz, und das Zusammenwohnen mit ihr dünkte ihm so unentbehrlich wie die Heimaterde selbst, welche den Menschen mit ihren treuen Maßliebaugen anschaut.
Halb vertraut war er von der nicht völlig Erwachsenen geschieden; nun nahm es ihn wunder, wie Ursula aussehen möge, und konnte doch keine andere Vorstellung gewinnen, als diejenige des halben Kindes. Um so hastiger eilte er vorwärtszukommen, von den Reden des Soldaten verwirrt, und hielt sich bei bekannten Leuten, denen er auf seinem Wege begegnete, nur kurz auf. Trotzdem glaubte er zu bemerken, daß die einen Gesichter machten, als ob sie sagen wollten: »Du wirst dich wundern, wenn du heimkommst!« und daß andere ihn prüfend beäugelten, wie wenn sie seine Gesinnung ausforschten. Endlich sah er sein Haus auf der Höhe unter den zwei großen Nußbäumen stehen, die es im Sommer beschatteten und jetzt ihre mächtigen Äste auslegten, dunkel und bemoost, wie das Strohdach unter ihnen, und von dem über Tag geschmolzenen Schnee triefend. Aber nicht nur diese fallenden Tropfen, sondern auch die kleinen Fensterscheiben, die er hinter den Läden verschlossen wähnte, funkelten wie frisch gewaschen in der sinkenden Abendsonne; aus dem Dache stieg ein wirtlicher Rauch empor, die Türe öffnete sich und eine nicht unreine weibliche Gestalt trat heraus, mehr wie eine Bürgersfrau als wie eine Bäuerin damaliger Zeit gekleidet. Ein langes dunkles Gewand umhüllte einen schlanken Leib bis zum Halse, dicht unter der Brust gegürtet, und ließ am Oberarme die schmal gefalteten Ärmel eines weißen Hemdes hervorgehen; ein halbdurchsichtiges Häubchen bedeckte die Stirn bis nahe zu den großen dunkeln Augen; überdies war ein feines weißes Tuch mehrmals um Kopf, Nacken und Kinn gewunden, so daß nichts von dem Haupthaare sichtbar und das Gesicht vollkommen eingefaßt wurde.
Hansli Gyr hatte soeben nur an Ursula gedacht und erkannte sie vielleicht gerade deswegen nicht sogleich, als die gereifte weibliche Gestalt ihm entgegenkam, die Arme öffnete und ihm um den Hals fiel. Erst als ihre weiche Brust auf seinem fühllosen Harnisch lag, erkannte er sie an dem Schnitt ihres ernsten Mundes, den sie ihm zum Kusse bot, und erst nachdem er sie unbewußt umschlossen und geküßt hatte, wurde er des unerwarteten Glücksfalles inne, den er sich nicht so nahe gedacht. Er hielt sie verwirrt und ungewiß in den Armen, ließ diese allmählich locker, da er unrecht zu tun glaubte, zog die liebe Gestalt aber gleich wieder fester an sich, bis er sie endlich entschieden von sich abhielt und, sie betrachtend, ausrief: »Bist du denn eigentlich die Ursula? Und so groß und schön geworden?«
»Wollte Gott, ich wäre schön!« sagte sie mit liebevollem Blicke, »ich möcht' es dir herzlich gönnen! Wie lange hab' ich auf dich gewartet! Wir wußten aber, daß ihr heute kommt, wir haben euere Wehre glänzen sehen in der weiten Ferne und durch die stille Luft sogar die Trommeln zu hören geglaubt. Da bin ich hieher gekommen und habe dein Haus gelüftet und gewärmt und das Feuer auf dem Herd entfacht. Deine Tiere stehen in unseren Ställen, morgen kann man sie herüberführen, dann ist alles fertig. Nun komm herein!«
Sie führte den überraschten Mann in das Haus, half ihm dort sich seiner Kriegsrüstung zu entledigen, brachte warmes Wasser, daß er nach dem langen und beschwerlichen Marsche die Füße baden konnte, und pflegte ihn auf jede Weise. Dann deckte sie den Tisch und trug das Essen auf, das sie bereitet hatte, worauf sie sich neben ihn setzte auf die Bank am Fenster, wie wohl junge Eheleute tun, ehe sich ein Hausgesinde gesammelt und Mann und Frau mehr auseinander gerückt hat.
Es verspürte aber keines von beiden große Eßlust, weil die Freude über das Wiedersehen sich mit einer verwunderlichen Aufregung vermischte, welche aus dem ungewöhnlichen Tun der Frauensperson entstand. Hansli Gyr betrachtete die Jugendgenossin mit wachsendem Wohlgefallen, aber auch mit neuem Erstaunen und ungewissem Sinn, und er wollte sie eben befragen, wie es denn komme, daß sie die Kopftracht, Tuch und Haube einer verheirateten Frau trage, als sie mit zärtlichem Lächeln auf eine Weinkanne, Weißbrot und Gewürzschachtel wies, die auf einem Gesimse standen, und errötend sagte, daß hier schon das Zeug zu einer guten Weinsuppe für den kommenden Morgen bereit sei. Es war damals üblich, daß die Frau eines Kriegsläufers, wenn er aus dem Felde nach langer Abwesenheit zurückkehrte, ihm am Morgen nach der ersten Nacht, die er wieder an seinem Herde zugebracht, zum Zeichen ihrer Freude einen heißen Würzwein mit gerösteten Brotschnitten kochte, so gut sie es imstande war.
Noch ungewisser und erstaunter sagte er: »Aber wir sind ja noch gar nicht getraut und nichts ist beredet und vorbereitet!«
»Warum hast du mich denn geküßt, wenn du mich nicht willst?« antwortete Ursula, die jetzt plötzlich blasse Wangen bekam.
»Ei, wer sagt denn, daß ich dich nicht wolle?« rief Hansli, indem er das junge Weib näher an sich zog; »wenn du mich willst, so will ich auch dich! Aber damit sind wir ja erst Brautleute, sofern die Deinigen auch ihre Einwilligung geben.«
»Weißt du denn noch nicht, daß wir hier zu den Heiligen und Sündelosen des neuen Glaubens gehören, die keiner weltlichen noch geistlichen Obrigkeit mehr untertan sind? In uns ist der Geist Gottes, wir sind sein Leib, und wir tun nichts, als allein seinen Willen! So sagen unsere Propheten, und du sollst und wirst auch in unsere Gemeinschaft treten, und so nehmen wir uns zu Mann und Frau vermöge des heiligen Geistes und Willens, der in uns waltet!«
Diese Rede hielt Ursula mit hastigen Worten, und jetzt erblaßte Hansli ein weniges, als er sie noch fester umfing und ihr prüfend in die Augen blickte; denn er hatte sie nie so viel auf einmal reden hören. Wie sie nun, an seinem Halse hangend, die Augen zu ihm aufschlug, sah er darin ein sanftes, sinnliches Feuer glühen, aber zugleich auch die Flamme des Irrlichts, welche die Bescheidenheit dieser Seele versengt hatte, und er merkte, daß sie von der Wahnkrankheit befallen war, wie eine süße Traube vom Rost.
Ungern und langsam löste er sich aus der Umarmung und von der Brust, die ihm so willkommene Ruhe bot, und suchte sanft die Hände, die sich immer wieder verschränkten, von seinem Halse wegzubringen, bis er endlich mit einem festen Ruck sich befreite und hochaufgerichtet vor ihr stand.
»Auf die Art kann es nicht gehen,« sagte er ernsthaft, »ich will nach Recht und Bräuchen zur Ehe schreiten und festhalten, was mein ist! Komm, liebe Ursel, ich will dich in dein Haus zurückführen und mit den Deinigen sprechen, so gerät alles in der Ordnung und wir kommen um so fröhlicher zusammen! Von deinen Heiligen und Propheten höre ich nichts Gutes und kenne sie nicht, meine auch nicht, mit ihnen vertraut zu werden!«
Ursula gab ihm aber keine Antwort; sie ließ die Arme schlaff niederhängen und blickte verstört vor sich hin. Beschämung und Unwillen hatten sie gleich einer Verschmähten, die sich selbst angetragen, überwältigt, und jetzt wußte sie keinen Rat, da der Liebste wie eine Art Richter vor ihr stand. Jene Beredsamkeit war von ihr gewichen, ohne daß die alte bescheidene Gemütsruhe zurückkehrte, und im wunderlichen Wechsel des Lebens traf es sich, daß der in allen Irrsalen herumgetriebene Reisläufer mit gesunden Sinnen dastand, während das Unheil das stille Weib in der entlegenen Bergeinsamkeit aufgefunden hatte.