H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Elfte Szene


Jupiter. Alkmene. Merkur. Feldherren. Die Vorigen.

Alkmene: Entsetzlicher! Ein Sterblicher sagst du,
Und schmachvoll willst du seinem Blick dich zeigen?

Volk: Ihr ewgen Götter! Was erblicken wir!

Jupiter: Die ganze Welt, Geliebte, muß erfahren,
Daß niemand deiner Seele nahte,
Als nur dein Gatte, als Amphitryon.

Amphitryon: Herr, meines Lebens! Die Unglückliche!

Alkmene: Niemand! Kannst ein gefallnes Los du ändern?

Die Obersten: All ihr Olympischen! Amphitryon dort.

Jupiter: Du bist dirs, Teuerste, du bist mirs schuldig,
Du mußt, du wirst, mein Leben, dich bezwingen;
Komm, sammle dich, dein wartet ein Triumph!

Amphitryon: Blitz, Höll und Teufel! Solch ein Auftritt mir?

Jupiter: Seid mir willkommen, Bürger dieser Stadt.

Amphitryon: Mordhund! Sie kamen dir den Tod zu geben.
Auf jetzt! Er zieht.

Zweiter Feldherr tritt ihm in den Weg:
Halt dort!

Amphitryon: Auf, ruf ich, ihr Thebaner!

Erster Feldherr auf Amphitryon deutend:
Thebaner, greift ihn, ruf ich, den Verräter!

Amphitryon: Argatiphontidas!

Erster Oberster: Bin ich behext?

Das Volk: Kann sich ein menschlich Auge hier entscheiden?

Amphitryon: Tod! Teufel! Wut und keine Rache!
Vernichtung! Er fällt dem Sosias in die Arme.

Jupiter: Tor, der du bist, laß dir zwei Worte sagen.

Sosias: Mein Seel! Er wird schlecht hören. Er ist tot.

Erster Oberster: Was hilft der eingeknickte Federbusch?
– »Reißt eure Augen auf, wie Maulwürfe!«
Der ists, den seine eigne Frau erkennt.

Erster Feldherr: Hier steht, ihr Obersten, Amphitryon.

Amphitryon erwachend:
Wen kennt die eigne Frau hier?

Erster Oberster: Ihn erkennt sie,
Ihn an, mit dem sie aus dem Hause trat.
Um welchen, wie das Weinlaub, würd sie ranken,
Wenn es ihr Stamm nicht ist, Amphitryon?

Amphitryon: Daß mir so viele Kraft doch wär, die Zung
In Staub zu treten, die das sagt!
Sie anerkennt ihn nicht! Er erhebt sich wieder.

Erster Feldherr: Das lügst du dort!
Meinst du des Volkes Urteil zu verwirren,
Wo es mit eignen Augen sieht?

Amphitryon: Sie anerkennt ihn nicht, ich wiederhols!
– Wenn sie als Gatten ihn erkennen kann,
So frag ich nichts danach mehr, wer ich bin:
So will ich ihn Amphitryon begrüßen.

Erster Feldherr:
Es gilt. Sprecht jetzt.

Zweiter Feldherr: Erklärt Euch jetzo, Fürstin.

Amphitryon: Alkmene! Meine Braut! Erkläre dich:
Schenk mir noch einmal deiner Augen Licht!
Sag, daß du jenen anerkennst, als Gatten,
Und so urschnell, als der Gedanke zuckt,
Befreit dies Schwert von meinem Anblick dich.

Erster Feldherr: Wohlan! Das Urteil wird sogleich gefällt sein.

Zweiter Feldherr:
Kennt Ihr ihn dort?

Erster Feldherr: Kennt Ihr den Fremdling dort?

Amphitryon: Dir wäre dieser Bursche unbekannt,
Von dem so oft dein Ohr dir lauschend sagte,
Wie viele Schläge liebend er dir klopft?
Du solltest diese Töne nicht erkennen,
Die du so oft, noch eh sie laut geworden,
Mit Blicken schon mir von der Lippe stahlst?

Alkmene: Daß ich zu ewger Nacht versinken könnte!

Amphitryon: Ich wußt es wohl. Ihr sehts, ihr Bürger Thebens,
Eh wird der rasche Peneus rückwärts fließen,
Eh sich der Bosphorus auf Ida betten,
Eh wird das Dromedar den Ozean durchwandeln,
Als sie dort jenen Fremdling anerkennen.

Volk: Wärs möglich? Er, Amphitryon? Sie zaudert.

Erster Feldherr: Sprecht!

Zweiter Feldherr: Redet!

Dritter Feldherr: Sagt uns! –

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Zweiter Feldherr Fürstin, sprecht ein Wort! –

Erster Feldherr: Wir sind verloren, wenn sie länger schweigt.

Jupiter: Gib, gib der Wahrheit deine Stimme, Kind.

Alkmene: Hier dieser ist Amphitryon, ihr Freunde.

Amphitryon: Er dort Amphitryon! Allmächtge Götter!

Erster Feldherr: Wohlan. Es fiel dein Los. Entferne dich.

Amphitryon: Alkmene!

Zweiter Feldherr: Fort Verräter: willst du nicht,
Daß wir das Urteil dir vollstrecken sollen.

Amphitryon: Geliebte!

Alkmene: Nichtswürdger! Schändlicher!
Mit diesem Namen wagst du mich zu nennen?
Nicht vor des Gatten scheugebietendem
Antlitz bin ich vor deiner Wut gesichert?
Du Ungeheuer! Mir scheußlicher,
Als es geschwollen in Morästen nistet!
Was tat ich dir, daß du mir nahen mußtest,
Von einer Höllennacht bedeckt,
Dein Gift mir auf den Fittich hinzugeifern?
Was mehr, als daß ich, o du Böser, dir
Still, wie ein Maienwurm, ins Auge glänzte?
Jetzt erst, was für ein Wahn mich täuscht', erblick ich.
Der Sonne heller Lichtglanz war mir nötig,
Solch einen feilen Bau gemeiner Knechte,
Vom Prachtwuchs dieser königlichen Glieder,
Den Farren von dem Hirsch zu unterscheiden?
Verflucht die Sinne, die so gröblichem
Betrug erliegen. O verflucht der Busen,
Der solche falschen Töne gibt!
Verflucht die Seele, die nicht so viel taugt,
Um ihren eigenen Geliebten sich zu merken!
Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen,
In tote Wildnis hin, wo auch die Eule
Mich nicht besucht, wenn mir kein Wächter ist,
Der in Unsträflickeit den Busen mir bewahrt. –
Geh! deine schnöde List ist dir geglückt,
Und meiner Seele Frieden eingeknickt.

Amphitryon: Du Unglückselige! Bin ich es denn,
Der dir in der verfloßnen Nacht erschienen?

Alkmene: Genug fortan! Entlaß mich mein Gemahl.
Du wirst die bitterste der Lebensstunden
Jetzt gütig mir ein wenig kürzen.
Laß diesen tausend Blicken mich entfliehn,
Die mich wie Keulen, kreuzend niederschlagen.

Jupiter: Du Göttliche! Glanzvoller als die Sonne!
Dein wartet ein Triumph, wie er in Theben
Noch keiner Fürstentochter ist geworden.
Und einen Augenblick verweilst du noch.
Zu Amphitryon:
Glaubst du nunmehr, daß ich Amphitryon?

Amphitryon: Ob ich nunmehr Amphitryon dich glaube?
Du Mensch, – entsetzlicher,
Als mir der Atem reicht, es auszusprechen! –

Erster Feldherr:
Verräter! Was? du weigerst dich?

Zweiter Feldherr: Du leugnest?

Erster Feldherr: Wirst du jetzt etwa zu beweisen suchen,
Daß uns die Fürstin hinterging?

Amphitryon: O ihrer Worte jedes ist wahrhaftig,
Zehnfach geläutert Gold ist nicht so wahr.
Läs ich, mit Blitzen in die Nacht, Geschriebenes,
Und riefe Stimme mir des Donners zu,
Nicht dem Orakel würd ich so vertraun,
Als was ihr unverfälschter Mund gesagt.
Jetzt einen Eid selbst auf den Altar schwör ich,
Und sterbe siebenfachen Todes gleich,
Des unerschütterlich erfaßten Glaubens,
Daß er Amphitryon ihr ist.

Jupiter: Wohlan! Du bist Amphitryon.

Amphitryon: Ich bins! –
Und wer bist du, furchtbarer Geist?

Jupiter: Amphitryon. Ich glaubte, daß dus wüßstest.

Amphitryon: Amphitryon! Das faßt kein Sterblicher.
Sei uns verständlich.

Alkmene: Welche Reden das?

Jupiter: Amphitryon! Du Tor! Du zweifelst noch?
Argatiphontidas und Photidas,
Die Kadmusburg und Griechenland,
Das Licht, der Äther, und das Flüssige,
Das was da war, was ist, und was sein wird.

Amphitryon: Hier, meine Freunde, sammelt euch um mich,
Und laßt uns sehn, wie sich das Rätsel löst.

Alkmene: Entsetzlich!

Die Feldherren: Was von diesem Auftritt denkt man?

Jupiter zu Alkmenen:
Meinst du, dir sei Amphitryon erschienen?

Alkmene: Laß ewig in dem Irrtum micht, soll mir
Dein Licht die Seele ewig nicht umnachten.

Jupiter: O Fluch der Seligkeit, die du mir schenktest,
Müßt ich dir ewig nicht vorhanden sein.

Amphitryon: Heraus jetzt mit der Sprache dort: Wer bist du?

Blitz und Donnerschlag. Die Szene verhüllt sich mit Wolken. Es schwebt ein Adler mit dem Donnerkeil aus den Wolken nieder.

Jupiter: Du willst es wissen?
Er ergreift den Donnerkeil; der Adler entflieht.

Volk: Götter!

Jupiter: Wer bin ich?

Die Feldherren und Obersten:
Der Schreckliche! Er selbst ists! Jupiter!

Alkmene: Schützt mich, ihr Himmlischen!
Sie fällt in Amphitryons Arme.

Amphitryon: Anbetung dir
In Staub. Du bist der große Donnerer!
Und dein ist alles, was ich habe.
Volk: Er ists! In Staub! In Staub das Antlitz hin!
Alles wirft sich zur Erde außer Amphitryon.

Jupiter: Zeus hat in deinem Hause sich gefallen,
Amphitryon, und seiner göttlichen
Zufriedenheit soll dir ein Zeichen werden.
Laß deinen schwarzen Kummer jetzt entfliehen,
Und öffne dem Triumph dein Herz.
Was du, in mir, dir selbst getan, wird dir
Bei mir, dem, was ich ewig bin, nicht schaden.
Willst du in meiner Schuld den Lohn dir finden,
Wohlan, so grüß ich freundlich dich, und scheide.
Es wird dein Ruhm fortan, wie meine Welt,
In den Gestirnen seine Grenze haben.
Bist du mit deinem Dank zufrieden nicht,
Auch gut: Dein liebster Wunsch soll sich erfüllen,
Und eine Zunge geb ich ihm vor mir.

Amphitryon: Nein, Vater Zeus, zufrieden bin ich nicht!
Und meines Herzens Wunsche wächst die Zunge.
Was du dem Tyndarus getan, tust du
Auch dem Amphitryon: Schenk einen Sohn
Groß, wie die Tyndariden, ihm.

Jupiter: Es sei. Dir wird ein Sohn geboren werden,
Deß Name Herkules: es wird an Ruhm
Kein Heros sich, der Vorwelt, mit ihm messen,
Auch meine ewgen Dioskuren nicht.
Zwölf ungeheure Werke, wälzt er türmend
Ein unvergänglich Denkmal sich zusammen.
Und wenn die Pyramide jetzt, vollendet,
Den Scheitel bis zum Wolkensaum erhebt,
Steigt er auf ihren Stufen himmelan
Und im Olymp empfang ich dann, den Gott.

Amphitryon: Dank dir! – Und diese hier, nicht raubst du mir?
Sie atmet nicht. Sieh her.

Jupiter: Sie wird dir bleiben;
Doch laß sie ruhn, wenn sie dir bleiben soll! –
Hermes!

Er verliert sich in den Wolken, welche sich mittlerweile in der Höhe geöffnet haben, und den Gipfel des Olymps zeigen, auf welchem die Olympischen gelagert sind.

Alkmene: Amphitryon!

Merkur: Gleich folg ich dir, du Göttlicher! –
Wenn ich erst jenem Kauze dort gesagt,
Daß ich sein häßliches Gesicht zu tragen,
Nun müde bin, daß ichs mir mit Ambrosia jetzt
Von den olympschen Wangen waschen werde;
Daß er besingenswürdge Schläg empfangen,
Und daß ich mehr und minder nicht, als Hermes,
Der Fußgeflügelte der Götter bin! Ab.

Sosias: Daß du für immer unbesungen mich
Gelassen hättst! Mein Lebtag sah ich noch
Solch einen Teufelskerl, mit Prügeln, nicht.

Erster Feldherr:
Fürwahr! Solch ein Triumph –

Zweiter Feldherr: So vieler Ruhm –

Erster Oberster:
Du siehst durchdrungen uns –

Amphitryon: Alkmene!

Alkmene: Ach!


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