Heinrich von Kleist
Penthesilea
Heinrich von Kleist

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Achter Auftritt.

Eine Oberste (tritt auf) die Vorigen.

Die Oberste.
Flieh! Rette die Gefangnen, Priesterinn!
Das ganze Heer der Griechen stürzt heran.

Die Oberpriesterinn.
Ihr Götter des Olymps! Was ist geschehn?

Die erste Priesterinn.
Wo ist die Königinn?

Die Oberste.                     Im Kampf gefallen,
Das ganze Amazonenheer zerstreut.

Die Oberpriesterinn.
Du Rasende! Was für ein Wort sprachst du?

Die erste Priesterinn. (zu den bewaffneten Amazonen)
Bringt die Gefangenen fort!

(Die Gefangenen werden abgeführt.)

Die Oberpriesterinn.                   Sag an: wo? wann?

Die Oberste.
Laß kurz das Ungeheuerste dir melden!
Achill und sie, mit vorgelegten Lanzen,
Begegnen beide sich, zween Donnerkeile,
Die aus Gewölken in einander fahren;
Die Lanzen, schwächer als die Brüste, splittern:
Er, der Pelide, steht, Penthesilea,
Sie sinkt, die Todumschattete, vom Pferd.
Und da sie jetzt, der Rache preisgegeben,
Im Staub sich vor ihm wälzt, denkt jeglicher,
Zum Orkus völlig stürzen wird er sie;
Doch bleich selbst steht der Unbegreifliche,
Ein Todesschatten da, ihr Götter! ruft er,
Was für ein Blick der Sterbenden traf mich!
Vom Pferde schwingt er eilig sich herab;
Und während, von Entsetzen noch gefesselt,
Die Jungfraun stehn, des Wortes eingedenk
Der Königinn, kein Schwerdt zu rühren wagen,
Dreist der Erblaßten naht er sich, er beugt
Sich über sie, Penthesilea! ruft er,
In seinen Armen hebt er sie empor,
Und laut die That, die er vollbracht, verfluchend,
Lockt er ins Leben jammernd sie zurück!

Die Oberpriesterinn.
Er – was? Er selbst?

Die Oberste.                     Hinweg, Verhaßter! donnert
Das ganze Heer ihm zu; dankt mit dem Tod' ihm,
Ruft Prothoe, wenn er vom Platz nicht weicht:
Den Treffendsten der Pfeile über ihn!
Und mit des Pferdes Huftritt ihn verdrängend,
Reißt sie die Königinn ihm aus dem Arm.
Indeß erwacht die Unglückseelige,
Man führt sie röchelnd, mit zerrißner Brust
Das Haar verstöhrt vom Scheitel niederflatternd,
Den hintern Reih'n zu, wo sie sich erholt;
Doch er, der unbegriff'ne Doloper –
Ein Gott hat, in der erzgekeilten Brust,
Das Herz in Liebe plötzlich ihm geschmelzt –
Er ruft: verweilet, meine Freundinnen!
Achilles grüßt mit ew'gem Frieden euch!
Und wirft das Schwerdt hinweg, das Schild hinweg,
Die Rüstung reißt er von der Brust sich nieder,
Und folgt – mit Keulen könnte man, mit Händen ihn,
Wenn man ihn treffen dürfte, niederreißen –
Der Kön'ginn unerschrocknen Schrittes nach:
Als wüßt' er schon, der Rasende, Verwegne,
Daß unserm Pfeil sein Leben heilig ist.

Die Oberpriesterinn.
Und wer gab den wahnsinnigen Befehl?

Die Oberste.
Die Königinn! Wer sonst?

Die Oberpriesterinn.                 Es ist entsetzlich!

Die erste Priesterinn.
Seht, seht! Da wankt, geführt von Prothoe,
Sie selbst, das Bild des Jammers, schon heran!

Die Zweite.
Ihr ew'gen Himmelsgötter! Welch ein Anblick!


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