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Meroe.
Seltsam!
Die Oberpriesterinn.
Welch' eine wunderbare Wendung!
Meroe.
Wenn man geschickt ihr doch entlocken könnte – ?
Prothoe.
– Was war es denn, das dir den Wahn erregt,
Du sei'st ins Reich der Schatten schon gestiegen?
Penthesilea. (nach einer Hause, mit einer Art von Verzückung)
Ich bin so seelig, Schwester! Ueberseelig!
Ganz reif zum Tod' o Diana, fühl' ich mich!
Zwar weiß ich nicht, was hier mit mir geschehn
Doch gleich des festen Glaubens könnt' ich sterben,
Daß ich mir den Peliden überwand.
Prothoe (verstohlen zur Oberpriesterinn)
Rasch jetzt die Leich' hinweg!
Penthesilea. (sich lebhaft aufrichtend)
O Prothoe!
Mit wem sprichst du?
Prothoe. (da die beiden Trägerinnen noch säumen)
Fort, Rasende!
Penthesilea. O Diana!
So ist es wahr?
Prothoe. Was, fragst du, wahr, Geliebte?
– Hier! Drängt euch dicht heran!
(sie winkt den Priesterinnen, die Leiche, die aufgehoben wird, mit ihren Leibern zu verbergen)
Penthesilea. (hält ihre Hände freudig vor's Gesicht)
Ihr heil'gen Götter!
Ich habe nicht das Herz mich umzusehn.
Prothoe.
Was hast du vor? Was denkst du, Königinn?
Penthesilea. (sich umsehend)
O Liebe, du verstellst dich.
Prothoe. Nein, beim Zevs,
Dem ewgen Gott der Welt!
Penthesilea. (mit immer steigender Ungeduld)
O ihr Hochheiligen,
Zerstreut euch doch!
Die Oberpriesterinn. (sich dicht mit den übrigen Frauen zusammendrängend)
Geliebte Königinn!
Penthesilea. (indem sie aufsteht)
O Diana! Warum soll ich nicht? O Diana!
Er stand schon einmal hinterm Rücken mir.
Meroe.
Seht, seht! Wie sie Entsetzen faßt!
Penthesilea. (zu den Amazonen, welche die Leiche tragen)
Halt dort! –
Was tragt ihr dort? Ich will es wissen. Steht!
(sie macht sich Platz unter den Frauen und dringt bis zur Leiche vor)
Prothoe.
O meine Königinn! Untersuche nicht!
Penthesilea.
Ist er's, ihr Jungfraun? Ist er's?
Eine Trägerinn. (indem die Leiche niedergelassen wird)
Wer, fragst du?
Penthesilea.
– Es ist unmöglich nicht, das seh' ich ein.
Zwar einer Schwalbe Flügel kann ich lähmen,
So, daß der Flügel noch zu heilen ist;
Den Hirsch lock' ich mit Pfeilen in den Park.
Doch ein Verräther ist die Kunst der Schützen;
Und gilt's den Meisterschuß ins Herz des Glückes,
So führen tück'sche Götter uns die Hand.
– Traf ich zu nah' ihn, wo es gilt? Sprecht ist ers?
Prothoe.
O bei den furchtbarn Mächten des Olymps,
Frag' nicht – !
Penthesilea. Hinweg! Und wenn mir seine Wunde,
Ein Höllenrachen, gleich entgegen gähnte:
Ich will ihn sehn!
(sie hebt den Teppig auf)
Wer von euch that das, ihr Entsetzlichen!
Prothoe.
Das fragst du noch?
Penthesilea. O Artemis! Du Heilige!
Jetzt ist es um dein Kind geschehn!
Die Oberpriesterinn.
Da stürzt sie hin!
Prothoe. Ihr ew'gen Himmelsgötter!
Warum nicht meinem Rathe folgtest du?
O dir war besser, du Unglückliche,
In des Verstandes Sonnenfinsterniß
Umher zu wandeln, ewig, ewig, ewig,
Als diesen fürchterlichen Tag zu sehn!
– Geliebte. hör' mich!
Die Oberpriesterinn. Meine Königinn!
Meroe.
Zehntausend Herzen theilen deinen Schmerz!
Die Oberpriesterinn.
Erhebe dich!
Penthesilea. (halb aufgerichtet)
Ach, diese blut'gen Rosen!
Ach, dieser Kranz von Wunden um sein Haupt!
Ach, wie die Knospen, frischen Grabduft streuend,
Zum Fest für die Gewürme, niedergehn!
Prothoe. (mit Zärtlichkeit)
Und doch war es die Liebe, die ihn kränzte?
Meroe.
Nur allzufest – !
Prothoe. Und mit der Rose Dornen,
In der Beeif'rung, daß es ewig sei!
Die Oberpriesterinn.
Entferne dich!
Penthesilea. Das aber will ich wissen,
Wer mir so gottlos neben hat gebuhlt! –
Ich frage nicht, wer den Lebendigen
Erschlug; bei unsern ewig hehren Göttern!
Frei, wie ein Vogel, geht er von mir weg.
Wer mir den Todten tödtete, frag' ich,
Und darauf gieb mir Antwort, Prothoe.
Prothoe.
Wie, meine Herrscherinn?
Penthesilea. Versteh mich recht.
Ich will nicht wissen, wer aus seinem Busen
Den Funken des Prometheus stahl. Ich will's nicht,
Weil ichs nicht will; die Laune steht mir so:
Ihm soll vergeben sein, er mag entflieh'n.
Doch wer, o Prothoe, bei diesem Raube
Die offne Pforte ruchlos mied, durch alle
Schneeweißen Alabasterwände mir
In diesen Tempel brach; wer diesen Jüngling,
Das Ebenbild der Götter, so entstellt,
Daß Leben und Verwesung sich nicht streiten,
Wem er gehört, wer ihn so zugerichtet,
Daß ihn das Mitleid nicht beweint, die Liebe
Sich, die unsterbliche, gleich einer Metze,
Im Tod noch untreu, von ihm wenden muß:
Den will ich meiner Rache opfern. Sprich!
Prothoe. (zur Oberpriesterinn)
Was soll man nun der Rasenden erwiedern? –
Penthesilea.
Nun, werd' ich's hören?
Meroe. – O meine Königinn,
Bringt es Erleichterung der Schmerzen dir,
In deiner Rache opfre, wen du willst.
Hier steh'n wir all' und bieten dir uns an.
Penthesilea.
Gebt Acht, sie sagen noch, daß ich es war.
Die Oberpriesterinn. (schüchtern)
Wer sonst, du Unglückseelige, als nur – ?
Penthesilea.
Du Höllenfürstinn, im Gewand' des Lichts,
Das wagst du mir – ?
Die Oberpriesterinn. Diana ruf' ich an!
Laß es die ganze Schaar, die dich umsteht,
Bekräftigen! Dein Pfeil war's der ihn traf,
Und Himmel! wär' es nur dein Pfeil gewesen!
Doch, als er niedersank, warfs't du dich noch,
In der Verwirrung deiner wilden Sinne,
Mit allen Hunden über ihn und schlugst –
O meine Lippe zittert auszusprechen,
Was du gethan. Frag' nicht! Komm', laß uns gehn.
Penthesilea.
Das muß ich erst von meiner Prothoe hören.
Prothoe.
O meine Königinn! Befrag' mich nicht.
Penthesilea.
Was! Ich? Ich hätt' ihn – ? Unter meinen Hunden – ?
Mit diesen kleinen Händen hätt' ich ihn – ?
Und dieser Mund hier, den die Liebe schwellt – ?
Ach, zu ganz anderm Dienst gemacht, als ihn – !
Die hätten, lustig stets einander helfend,
Mund jetzt und Hand, und Hand und wieder Mund – ?
Prothoe.
O Königinn!
Die Oberpriesterinn.
Ich rufe Wehe! dir.
Penthesilea.
Nein, hört, davon nicht überzeugt ihr mich.
Und stünd's mit Blitzen in die Nacht geschrieben,
Und rief es mir des Donners Stimme zu,
So rief ich doch noch beiden zu: ihr lügt!
Meroe.
Laß ihn, wie Berge, diesen Glauben stehn;
Wir sind es nicht, die ihn erschüttern werden.
Penthesilea.
– Wie kam es denn, daß er sich nicht gewehrt?
Die Oberpriesterinn.
Er liebte dich, Unseeligste! Gefangen
Wollt' er sich dir ergeben, darum naht' er!
Darum zum Kampfe fordert' er dich auf!
Die Brust voll süssen Friedens kam er her,
Um dir zum Tempel Artemis zu folgen.
Doch du –
Penthesilea. So, so –
Die Oberpriesterinn. Du trafst ihn –
Penthesilea. Ich zerriß ihn.
Prothoe.
O meine Königinn!
Penthesilea. Oder war es anders?
Meroe.
Die Gräßliche!
Penthesilea. Küßt' ich ihn todt?
Die erste Priesterinn. O Himmel!
Penthesilea.
Nicht? Küßt' ich nicht? Zerrissen wirklich? sprecht?
Die Oberpriesterinn.
Weh'! Wehe! ruf' ich dir. Verberge dich!
Laß fürder ew'ge Mitternacht dich decken!
Penthesilea.
– So war es ein Versehen. Küsse, Bisse,
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,
Kann schon das Eine für das Andre greifen.
Meroe.
Helf't ihr, ihr Ew'gen, dort!
Prothoe (ergreift sie) Hinweg!
Penthesilea. Laßt, laßt!
(sie wickelt sich los, und läßt sich auf Knieen vor der Leiche nieder)
Du Aermster aller Menschen, du vergiebst mir!
Ich habe mich, bei Diana, bloß versprochen,
Weil ich der raschen Lippe Herr nicht bin;
Doch jetzt sag' ich dir deutlich, wie ichs meinte:
Dies, du Geliebter, war's, und weiter nichts.
(sie küßt ihn)
Die Oberpriesterinn.
Schafft sie hinweg!
Meroe. Was soll sie länger hier?
Penthesilea.
Wie Manche, die am Hals des Freundes hängt,
Sagt wohl das Wort: sie lieb' ihn, o so sehr,
Daß sie vor Liebe gleich ihn essen könnte;
Und hinterher, das Wort beprüft, die Närrinn!
Gesättigt sein zum Eckel ist sie schon.
Nun, du Geliebter, so verfuhr ich nicht.
Sieh her: als ich an deinem Halse hieng,
Hab' ich's wahrhaftig Wort für Wort gethan;
Ich war nicht so verrückt, als es wohl schien.
Meroe.
Die Ungeheuerste! Was sprach sie da?
Die Oberpriesterinn.
Ergreift sie! Bringt sie fort!
Prothoe. Komm, meine Königinn!
Penthesilea. (sie läßt sich aufrichten)
Gut, gut. Hier bin ich schon.
Die Oberpriesterinn. So folgst du uns?
Penthesilea.
Euch nicht! – –
Geht ihr nach Themiscyra, und seid glücklich,
Wenn ihr es könnt –
Vor allen meine Prothoe –
Ihr Alle –
Und – – – im Vertraun ein Wort, das niemand höre,
Der Tanaïs Asche, streut sie in die Luft!
Prothoe.
Und du, mein theures Schwesterherz?
Penthesilea.
Ich?
Prothoe.
Du!
Penthesilea.
– Ich will dir sagen, Prothoe,
Ich sage vom Gesetz der Fraun mich los,
Und folge diesem Jüngling hier.
Prothoe.
Wie, meine Königinn?
Die Oberpriesterinn.
Unglückliche!
Prothoe.
Du willst – ?
Die Oberpriesterinn.
Du denkst –
Penthesilea. Was? Allerdings!
Meroe. O Himmel!
Prothoe.
So laß mich dir ein Wort, mein Schwesterherz –
(sie sucht ihr den Dolch wegzunehmen)
Penthesilea.
Nun denn, und was? – – Was suchst du mir am Gurt?
– Ja, so. Wart' gleich! Verstand ich dich doch nicht.
– – Hier ist der Dolch.
(sie lößt sich den Dolch aus dem Gurt, und giebt ihn der Prothoe)
Willst du die Pfeile auch?
(sie nimmt den Köcher von der Schulter)
Hier schütt' ich ihren ganzen Köcher aus!
(sie schüttet die Pfeile vor sich nieder)
Zwar reitzend wär's von Einer Seite –
(sie hebt einige davon wieder auf)
Denn dieser hier – nicht? Oder war es dieser – ?
Ja, der! Ganz recht – Gleichviel! Da! Nimm sie hin!
Nimm alle die Geschosse zu dir hin!
(sie rafft den ganzen Bündel wieder auf, und giebt ihn der Prothoe in die Hände)
Prothoe. Gieb her.
Penthesilea.
Denn jetzt steig' ich in meinen Busen nieder,
Gleich einem Schacht, und grabe, kalt wie Erz,
Mir ein vernichtendes Gefühl hervor.
Dies Erz, dies läutr' ich in der Glut des Jammers
Hart mir zu Stahl; tränk' es mit Gift sodann,
Heißätzendem, der Reue, durch und durch;
Trag' es der Hoffnung ew'gem Amboß zu,
Und schärf' und spitz es mir zu einem Dolch;
Und diesem Dolch jetzt reich' ich meine Brust:
So! So! So! So! Und wieder! – Nun ist's gut.
(sie fällt und stirbt)
Prothoe. (die Königinn auffassend)
Sie stirbt!
Meroe. Sie folgt ihm, in der That!
Prothoe. Wohl ihr!
Denn hier war ihres fernern Bleibens nicht.
(sie legt sie auf den Boden nieder)
Die Oberpriesterinn.
Ach! Wie gebrechlich ist der Mensch, ihr Götter!
Wie stolz, die hier geknickt liegt, noch vor Kurzem,
Hoch auf des Lebens Gipfeln, rauschte sie!
Prothoe.
Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte!
Die abgestorbne Eiche steht im Sturm,
Doch die gesunde stürzt er schmetternd nieder,
Weil er in ihre Krone greifen kann.