Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Einige Wochen nachher stattete Girardière, immer schwarz gekleidet, mit schön gewichsten Stiefeln und Handschuhen, wie wenn er auf den Ball ginge, Herrn Duhaucourt einen Besuch ab; das war ein sehr reicher Partikulier, welcher ein großes Vermögen gesammelt hatte, nachdem er sein Leben mit Unternehmungen, die sämmtlich fehlschlugen, zugebracht hatte. Aber die Aktionäre allein hatten dabei verloren, während Duhaucourt, obwohl Schuld an einer ununterbrochenen Reihe unglücklicher Geschäfte und an mehreren Bankrutten, es sich dabei wohl sein ließ, sich keck in den Zirkeln und Gesellschaften zeigte, und den Kopf eben so hoch und vielleicht noch höher als ein Biedermann trug; denn die rechtschaffenen Leute haben gewöhnlich kein unverschämtes und stolzes Benehmen; das ist eine Zugabe der Betrüger, die man darum nicht beneiden darf.
Herr Duhaucourt hatte eine weitere, minder gehässige Zugabe; eine sehr hübsche Tochter, die reich sein mußte, was die Augen über die wenig schmeichelhaften früheren Verhältnisse ihres Herrn Vaters zudrücken ließ. Uebrigens ist man überhaupt hinsichtlich der reichen Leute sehr tolerant, und drückt gern die Augen zu, wenn man von ihnen zur Tafel, zu Bällen, Theevisiten und anderem derartigen Tändelkram eingeladen wird, ohne welchen man vor Langeweile stürbe.
Girardière hatte es wie Andere gemacht: wenig bekümmert um die Art, auf welche Herr Duhaucourt sein Vermögen gesammelt, entschloß er sich, um die Hand seiner Tochter zu bitten. In dieser Absicht kleidete er sich schwarz an, und machte ihm seine Aufwartung.
Man führte ihn in einen prächtigen Salon, in welchem er den Herrn vom Hause, eingehüllt in einen Schlafrock von Persienne, in weiten, mit Fuchspelz ausgefütterten Pantoffeln, den Kopf mit einem Brüsseler Foulard umwunden, antraf, der, auf einem Divan sitzend, oder vielmehr liegend, einem seines Harems überdrüssigen Pascha glich.
Herr Duhaucourt kannte Girardière, weil er ihm in den Salons von Paris oft begegnet war und ihm einige Actien von einer Unternehmung, die kein besseres Resultat gewährte, als die andern, angehängt hatte; er hielt ihn für reich, weil dieser so artig war, nie nach der Dividende, noch nach den Interessen seines Geldes zu fragen.
Als er ihn bemerkte, beliebte es ihm, von seinem Divan halb aufzustehen und ihm die Hand zu reichen, indem er ausrief: »Ah, guten Tag, lieber Freund, es freut mich sehr, daß Sie mich besuchen, nehmen Sie doch Platz. Verzeihen Sie, daß ich Sie in meinem Hausanzug empfange, allein ich legte mich sehr spät schlafen ... wir haben bis heute früh um fünf Uhr gespielt; die Partie ging sehr hoch ... das Billet galt tausend Franken ... mit drei Damen gewann ich den ganzen Satz ... das ist herrlich ... mit was kann ich Ihnen dienen?«
Girardière nimmt einen Sessel, sieht mit Vergnügen, daß Frau Duhaucourt nicht anwesend ist, denn er fürchtet irgend eine Ungeschicklichkeit, die ihr mißfallen könnte, zu begehen. Er setzt sich, fängt ein Gespräch an, das er unmerklich auf die Heirath führt, endlich gelangt er zum Zweck.
»Herr Duhaucourt, mein Besuch hat seinen Grund, den ich Ihnen mittheilen will: Ich wünsche zu heirathen, ich verzichte auf die Narrheiten des Hagestolzenlebens, und will mich von nun an nur mit meiner Frau und den Kindern, die mir der Himmel ohne Zweifel schenken wird, beschäftigen; das muß für einen Mann die höchste Glückseligkeit sein.«
Herr Duhaucourt, der, in seinen Schlafrock sich wickelnd und seine Schenkel streichelnd, Girardière angehört, fing an zu lachen, und antwortete ihm: »Mein Freund, Sie müssen heirathen, wenn Sie Lust dazu verspüren, und eine gute Partie machen können, ich meine, eine Geldpartie, denn nur diese sind gut; man muß seinen Namen wie seine Kapitalien zu hohen Zinsen anlegen.«
»Ich versichere Sie, daß mich durchaus nicht das Interesse zu dem Schritte, den ich heute bei Ihnen thue, bewegt; ich habe das Glück gehabt, schon mehrmals in den Salons mit Ihrer Fräulein Tochter zusammen zu kommen, sie gefällt mir sehr, weßhalb ich heute bei Ihnen erscheine, um Sie um die Hand derselben zu bitten.«
Herr Duhaucourt setzt sich aufrecht auf den Divan hin, betrachtet Girardière, wie wenn er ihn noch nicht recht gesehen hätte, und er es verdiente näher betrachtet zu werden; dann sagt er in einem nicht mehr scherzenden Tone zu ihm: »Sie bitten um die Hand meiner Tochter?«
»Wenn Sie es gütigst erlauben.«
»Ah, beim Teufel! das ist ein großer Unterschied, ich war nicht auf dieses gefaßt ... das ist von Wichtigkeit und verdient unsere ganze Aufmerksamkeit. Ich gestehe Ihnen, ich kenne Sie sehr oberflächlich, ich glaubte, Sie nehmen in der Welt eine geringe bürgerliche Stellung ein, allein nach dem mir so eben gemachten Vorschlag habe ich mich getäuscht; ich setze voraus, daß Ihr Vermögen wenigstens dem meinigen gleich kommt. Entschuldigen Sie mich, lieber Herr Girardière, daß ich Sie bisher so leichthin behandelt habe.«
Girardière weiß nicht, was er antworten soll, dieser Anfang bringt ihn in Verlegenheit; indeß drückt er mit Inbrunst die Hand, welche Herr Duhaucourt ihm reicht; darauf betrachtet dieser ihn scharf und fährt fort: »Zwischen Personen, wie wir sind, geht man schnell zum Zweck über. Nun! wie viel beträgt Ihr Activvermögen, sowohl in unbeweglichen Gütern, als in baarem Gelde?«
Girardière rückt seine Brille auf die Nase vor und langt mit der Hand auf den Kopf, indem er wiederholt, »Mein Activvermögen? meine Activa wollen Sie wissen? darüber fragen Sie mich?«
»Ja, oder mit andern Worten, das Vermögen, das Sie wirklich besitzen; die Activa sind das, was man hat, die Passiva das, was man schuldet, das weiß Jedermann.«
»O! was die Passiva betrifft, so habe ich gar keine! Ich schmeichle mir, keinen Heller zu schulden.«
»Das würde nichts ausmachen. Besitzen Sie fünfmalhunderttausend Franken Activa und schulden Sie dagegen sechsmalhunderttausend, das hindert Sie nicht, ein Kapitalist von fünfmalhunderttausend Franken zu sein, weil man seine Schulden nicht alle bezahlt ... man kann sich vergleichen. Kurz, wie viel Vermögen haben Sie?«
»Ich habe tausend Thaler Renten!« antwortet Girardière mit verstärkter Stimme.
Duhaucourt richtet den Kopf vorwärts und erwiedert: »Ich hab's nicht recht gehört, nicht gut verstanden.«
»Ich habe die Ehre, Ihnen zu sagen, daß ich dreitausend Franken Renten von der Staatskasse zu beziehen habe.«
Duhaucourt sinkt auf seinen Divan zurück, legt die Füße auf die Kissen und dreht sich in seinem Schlafrock herum, indem er laut lacht.
»Ha! ha! ha! der Spaß ist herrlich ... ich nahm die Sache ernstlich ... ha! ha! ha! das ist sehr drollig ... Girardière ist ein Teufelskerl, ich wußte nicht, daß er in diesem Punkte den Possenreißer spielt ... das ist sehr scherzhaft!«
»Wie? Possenreißer!« antwortet Theophilus mit gekränkter Miene. »Ich spaße durchaus nicht ... Ich besitze tausend Thaler Renten. Ich glaube, dies ist für einen Mann nicht übel. Ich will aber nicht wissen, wie viel das Heirathsgut Ihrer Fräulein Tochter beträgt, ich bitte um ihre Hand, das genügt mir.«
»Ha! ha! ha! sehr hübsch! sehr vorzüglich! meine Tochter mit zweimalhunderttausend Franken Heirathsgut würde einen Herrn mit Nichts heirathen ... das ist köstlich!«
»Inwiefern nichts ... habe ich es Ihnen nicht so eben vorgezählt!«
»Oder beinahe Nichts! O! ich sage Ihnen, daß Sie sehr unterhaltend sind, wenn Sie wollen. Ich wette, daß Sie diesen Antrag einer Wette wegen gemacht haben.«
Girardière steht auf und erwidert darauf: »Es ist von keiner Wette die Rede; wenn Ihnen mein Vorschlag nicht gefällt, so haben Sie keinen Grund, mich in's Gesicht auszulachen. Ich lasse mich nicht zum Besten halten.«
»O! o! köstlich ... sehr gut gesagt. Sie kommen da mit einem Sprüchwort, nicht wahr? Meine Tochter Ihre Frau? Aber, armer Jüngling, da müßte man Ihr ganzes Kapital an den Brautschmuck hängen! Sie thun besser daran, bei einer Unternehmung, die ich veranstalte, Aktien zu nehmen.«
»Bitte um Entschuldigung, für diese Partie danke ich meinerseits,« antwortet Girardière spöttisch, drückt seinen Hut tief in das Gesicht und verläßt den Salon, während Herr Duhaucourt fortlacht und sich auf seinem Divan herumwälzt.