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Naturhistorische und physiologische Bemerkungen über die Seeblasen, Velellen und Porpiten von Friedrich Eschscholtz.

Wenn gleich die Zahl der Schriftsteller, welche über diese Thiere schrieben, nicht gering ist, so findet doch der genauere Beobachter oft noch manches, was er ergänzen kann, besonders was ihre Lebensweise anbelangt. Diese drei Thiergattungen gehören offenbar in eine Ordnung zusammen, indem sie nämlich 1. auf der Oberfläche des Meeres schwimmend ziemlich passiv auf die Erlangung ihrer Beute ausgehen, 2. indem sie außer dem auf der Oberfläche zum Schwimmen eingerichteten Körper als hauptsächlichste Organe die unzähligen Magen und Mäuler haben und 3. alle mit besonderen Fangarmen begabt sind. Ihr Aufenthalt sind die wärmeren Regionen aller Meere; sie scheinen sich nicht über 40 Breitengrade vom Aequator zu entfernen.

1. Seeblase, Physalia.

Da man über manche Theile dieser Geschöpfe bisher noch in Irrthum und Zweifel geblieben ist und die Art, wie sie sich ihre Nahrung verschaffen, gewiß manchen interessiren wird, so will ich das Ganze hier im Zusammenhange geben.

Die längliche Blase, welche den Körper des Thieres ausmacht und es auf der Oberfläche des Wassers durch ihren Luftgehalt schwimmend erhält, kann auf dem Rücken durch Wirkung von Muskeln an vielen Stellen so zusammengezogen werden, daß sie hier einen Kamm bildet. Vermöge dieses Kammes nun fängt die Seeblase den Wind auf und wird auf der Meeresfläche getrieben. Die langen spiralförmig gewundenen an einer Seite von oben bis unten mit nierenförmigen Saugnäpfchen begabten Fangarme schleppen entrollt hinter der treibenden Blase in der Tiefe nach; sobald ein Fisch oder ein anderes Thier sie berührt, werden diese durch die Saugnapfen gefaßt, durch den ätzenden Saft zum Erstarren gebracht und durch spiralförmiges Zusammenziehen des Fangarms, wobei noch ein großer an der Basis des Arms angewachsener mit der Spitze aber freier rein muskulöser Tentakel mitzuwirken scheint, in die Nähe der Blase heraufgezogen. Hier erwarten unzählige mit Saugmäulern versehene Röhren, wahre Magen, die ankommende Beute, fassen sie von allen Seiten an und saugen die weichen und auflösbaren Theile in sich. Gesättigt schwellen diese röhrenförmigen Magen an und verkürzen sich außerordentlich; den Inhalt sieht man als dunklere Körnchen durchschimmern; diese ruhig verdauenden bekümmern sich nicht weiter um den neu ankommenden Fang, sondern überlassen ihn ungestört ihren hungrigen Nachbaren.

Die langen Fangarme scheinen einzeln hervorzuwachsen, indem man immer einen als den dicksten und längsten unterscheiden kann. Bei einigen recht großen Individuen der Physalia glauca bemerkten wir wohl zwei ausgezeichnet große Fangarme, jedoch übertraf der eine den andern an Größe. Alle sind sie an der Wurzel mit dem erwähnten tentakelförmigen Muskel versehen. Daß die von den Autoren beschriebenen Tuberkeln am Rüssel der Blase bei der am Vorgebirge der guten Hoffnung häufigen Physalia glauca weiter nichts als kleine anwachsende Magen sind, davon habe ich mich bei einigen ausgewachsenen Exemplaren überzeugt. Bei einem von ihnen, welches kurz vorher einen guten Fang gemacht haben mußte, waren nicht nur alle am mittlern Theile der Blase hängenden Mägen, sondern auch die sogenannten Tuberkeln am Rüssel mit röthlicher körniger Masse gefüllt; ferner hatten sie alle, wie jene Mägen, gelbe Spitzen und die dem Körper der Blase am nächsten gelegenen waren an ihrer ganzen Gestalt und an ihren gelben trichterförmigen Mäulern durchaus nicht, als wahre Mägen zu verkennen. Außer diesen Organen trifft man noch drei runde Bündel von kleinen blassen Fäden hängen; bei genaurer Betrachtung findet man, daß jeder Bündel aus zweierlei Fäden besteht, nämlich aus längeren cylindrischen zugespitzten und aus kürzern mit einem Saugemaul versehenen Fädchen. Da immer ein längerer etwas blau gefärbter Faden (bei Physalia glauca) neben einem kürzeren hing, so vermuthe ich, daß ein solches Fädenpaar ein unausgebildetes an der Mutter hängendes Junge darstelle und daß der längere Faden der erste Fangarm, der kürzere ein Magen sey; die Blase braucht noch nicht mit Luft gefüllt zu seyn, da das Junge von der Mutter getragen wird.

Um zu sehen, ob die kleine Grube am hintern Fortsatze der Physalia glauca wirklich eine durch einen Schließmuskel geschlossene Oeffnung sey, faßte ich die Blase in der Mitte, preßte die Luft gegen das Ende des hintern Fortsatzes und sahe, wie sich an Stelle der Grube eine kleine runde Oeffnung bildete, aus welcher die Luft hervordrang. Wenn ich mit dem Drucke nachließ, schloß sich die Oeffnung wieder; die Blase wurde durch die hinausgepreßte Luft ganz schlaff.

2. Velella.

Der auf der Oberfläche des Meeres schwimmende platte Körper der Velellen hat die Gestalt eines Parallellograms mit abgerundeten Ecken; seine äußere Haut ist weich, und schließt zwei in der Mitte aneinandergefügte eine Ellipse bildende durchsichtige Knorpel mit concentrischen Streifen ein. Diese sind etwas convex und liegen in diagonaler Richtung in dem Körper. Auf ihnen steht ein durchsichtiges knorpliges halbkreisförmiges Segel wieder in diagonaler Richtung und zwar so, daß seine Enden nach dem äußern Rande des Körpers gerichtet sind; oben in der Mitte läuft es in eine kleine Spitze aus und wird von einer schmalen (vermuthlich muskulösen) Haut rundum eingefaßt, doch so, daß diese die Spitze des Segels nicht bedeckt; unten setzt sich diese Haut nicht an den Körper an, sondern ist frei. An der Unterfläche des Körpers bemerkt man in der Mitte einen großen flaschenförmigen Magen, welcher von unzähligen kleinern Mägen, so weit die elliptische Knorpelmasse reicht, umgeben wird. Der ganze Rand dieses Knorpels ist nun mit ziemlich langen dünnen Fühlfäden besetzt, welche da, wo der Knorpel dem Rande des Körpers nahe liegt, unter diesem hervorragen.

Der große mittlere Magen (welcher von den Schriftstellern immer für den einzigsten gehalten wird) scheint ganze kleine Thiere zu verschlingen, indem wir ihn zuweilen noch mit Ueberresten von solchen gefüllt antrafen; die kleinern Mägen dagegen können nur die Beute aussaugen. Sie sind gewöhnlich weiß, an der Basis mit blauen Pünktchen.

Die von den meisten Schriftstellern gegebenen Beschreibungen passen nur auf die Gattung, sind aber keinesweges geeignet die Arten von einander zu unterscheiden. Dasselbe gilt auch von den Diagnosen der vier Arten in Lamarck Histoire nat. des animaux sans vertèbres T. II. p. 480. Unter den von uns beobachteten lassen sich vier Arten unterscheiden:

A. Die Knorpelschaale (wenn man die längste Seite des Körpers gegen sich kehrt) erstreckt sich von dem vordern Winkel der rechten Seite des Körpers zum hintern Winkel der linken Seite.

1. Velella. Die Membran des Körpers dunkelblau; die ziemlich convexe Knorpelschaale nur um ein weniges heller; die gewöhnliche die Schaale in zwei theilende Querlinie sehr vertieft; die einfassende Haut des Segels unten dunkelblau, oben blässer; die Fühlfäden an der Basis blau, am Ende röthlich gelb. Länge des Körpers zwei Zolle. – Am Vorgebirge der guten Hoffnung.

2. Velella. Körpermembran nur am Rande dunkelblau; Knorpelschaale blaßgelb; die einfassende Haut des Segels ungefärbt; die Fühlfäden an der Basis blau, am Ende röthlich gelb. Länge der Schaale kaum anderhalb Zolle. – Im nördlichen stillen Meere ungefähr unter dem 30 Grade Breite. (Meistens unausgewachsene Thiere.)

B. Knorpelschaale erstreckt sich von dem vordern Winkel der linken Seite des Körpers zum hintern Winkel der rechten Seite.

3. Velella. Körpermembran dunkelblau; Schaale braun; die einfassende Haut des Segels blaßblau; die Fühlfäden an der Basis hellbraun, am Ende dunkelblau. – Länge des Körpers gegen drei Zoll, dagegen im Verhältniß zu den beiden vorigen viel schmäler. – Unterm Aequator, in der Gegend von Radack.

4. Velella. Körpermembran dunkelblau, Schaale gelb; die einfassende Haut des Segels auffallend grün. – Länge über zwei Zolle, fast anderthalb Zolle breit. – Im nördlichen stillen Meere, nördlich von den Sandwich'sinseln.

3. Porpita.

Der Körper der Porpita ist kreisförmig, schließt ebenfalls einen sehr dünnen durchsichtigen Knorpel ein, der aber hier ebenfalls kreisförmig, mit vielen (42) erhöhten Radien und mehreren concentrischen Ringen versehen ist. Die äußere Haut ragt noch über den Knorpel als ein schmaler Rand vor. Von einem Segel ist gar keine Spur vorhanden. Auf der untern Fläche bemerkt man in der Mitte wieder einen größern Magen umgeben von unzähligen andern kleinern, gerade wie bei den Velellen; auch setzen sich an den Rand des Knorpels kleine Fühlfäden. Eine Eigenthümlichkeit aber dieser Gattung machen die sehr langen keulerförmigen dreieckigen Fänger aus, welche sich ebenfalls an den Rand des Knorpels inseriren, von verschiedener Länge und Dicke (nach ihrem Alter) vorkommen und auf ihren Kanten mit runden Saugwarzen, versehen sind. Diese sind in Hinsicht der Länge des Fängers immer in einiger Entfernung von einander angebracht, doch stehen die Saugwarzen der drei verschiedenen Kanten einander gegenüber, die Fänger sind nicht regelmäßig dreikantig, sondern eine der Flächen ist um vieles schmäler, als die beiden andern, sich gleichen.

Die Porpita scheint bestimmt nur an der Oberfläche des Meeres zu fischen, indem sie ihre Fänger immer in horizontaler Richtung wie Strahlen von sich streckt.

Die von uns im nördlichen stillen Meere vom Aequator bis zum 40sten Grade nördlicher Breite öfters beobachtete Art hatte eine dunkel violette Knorpelschaale, der häutige Rand war blau; die Mägen weiß mit bläulichen Punkten an der Basis; die Fühlfäden dunkelblau; die Fänger sehr wenig grünlich, fast durchsichtig. Die Körperscheibe im Durchmesser maaß einen Zoll, die Fänger gegen zwei.

Was ich von den Artenverschiedenheiten der Velellen gesagt habe, muß ich auch hier wiederholen. Porpita nuda Lam. Hist. nat. des anim. s. vertebr. T. II. p. 484. n. 1. ist vermuthlich ein seiner Fänger beraubtes Individuum, wie wir sie auch gefangen haben, indem die Fänger sehr leicht am Netze hängen bleiben und abreißen. – Porpita appendiculata Lam. l. c. n. 2. ist eine gewöhnliche von kleinen Krebsen zerstümmelte Porpita, bei der von der äußern Haut des Randes nur noch drei Bruchstücke übrig blieben; auch solche kamen uns vor.

Porpita glandifera Lam. l. c. n. 3. gibt die Beschreibung eines unversehrten Individuums; so auch Porpita gigantea Lam. l. c. n. 4, welche sich (wenn es übrigens bestimmt so ist) durch die blaue Farbe der Fänger von der vorigen auszeichnen könnte.

Schließlich will ich noch anmerken, daß die Physalien außer den Saugmägen nur mit Fangarmen, die Velellen nur mit Fühlfäden, die Porpiten aber mit beiden begabt sind.


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