Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Es war auf einer Tour nach Haage, die Gräff und Kalland zusammen unternahmen, um Edeltannenholz zu kaufen, daß Jon mit Katrine zusammentraf. Sie war es, die zuerst grüßte und guten Tag sagte, als sie sah, daß es Fremde waren. Und Gräff grüßte wieder und beantwortete ihre Fragen, so gut er es vermochte. Im Anfang war er still, denn er war gewohnt, daß die Frauenzimmer in der Stadt ihn fürchteten; nachdem sie aber eine Weile zusammen gesprochen hatten, fand er, daß er nie einen Menschen so gut verstanden hatte, denn alles, was sie sagte, war so zuverlässig und sicher, und sie schien sich gar nicht vor ihm zu fürchten; ja, wenn man sie so ruhig und groß dastehen sah, konnte man glauben, daß sie sich überhaupt vor nichts in der Welt fürchtete.
Auf dem Heimwege hörte er von Kalland, daß Katrine ein armes Mädchen wäre, daß sie aber, soweit er sie kannte, in vielen Beziehungen zu loben sei.
Seit dem Tage kauften sie beständig Edeltannenholz in Haage.
– Mit der Zeit lernte Gräff Katrine näher kennen, und es geschah sogar hin und wieder, daß er nach Haage ruderte, ohne daß er just Edeltannenholz nötig hatte. Und wenn Katrine Gräffs Boot in der Ferne sah, ging sie ans Ufer und wartete, bis er herangekommen war. Er nahm den Hut ab und sagte guten Tag, und dann gingen sie eine Stunde oder zwei zusammen spazieren. Gräff sagte nicht viel, hörte ihr nur zu, wenn sie erzählte. Sie schritten langsam nebeneinander her; oft nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn. Wenn Gräff mit Katrine zusammen war, fühlte er sich immer so geborgen. Es war, als ob er in eine ganz andere Luft käme, die Schwarze Insel schien dann weit, weit fort zu sein. Es sei seltsam, fanden viele, zwei erwachsene Menschen so Hand in Hand miteinander gehen zu sehen. Zwischen den beiden schien sich wohl etwas anzuspinnen! War nicht die Schlechteste, die er da gefunden hatte; nur mußte man sich wundern, daß sie Lust hatte, sich mit diesem Gräff einzulassen, denn der Mensch hatte etwas Unheimliches an sich.
Übrigens war es mit der Liebe von Katrinens Seite nicht weit her, und in Wirklichkeit sprach keiner von beiden von Verlobung oder Heirat. Gräff ging dorthin, wo Katrine hinging, und setzte sich an ihre Seite, wenn sie sich setzte. Katrine kümmerte sich nicht um das Gerede der Leute. Sie tat, was sie für richtig hielt. Nur einmal antwortete sie auf eine Frage betreffs dieser Sache. Aber es war auch ihr Vater, der sie an sie richtete: »Ich weiß, daß du mit Gräff vom Schwarzen Berge gehst – – ist da sonst irgend etwas – – ist da sonst was im Gange – na, du verstehst mich wohl, Katrine.«
»Es ist nichts weiter. Was ich tu', kann ich vor mir selbst verantworten, denn es ist eine gute Tat.«
»Ja, ja, Katrine, tu', was du für richtig hältst.« –
Wenn Gräff nach Hause fahren mußte, begleitete sie ihn immer ans Boot hinunter, gab ihm die Hand zum Abschied und ein »Behüt dich Gott« obendrein, und das, fand Gräff, tat wohl, mit heimzunehmen. Wenn er von diesen Ausflügen nach Haage zurückkam, war er gleichsam aufgehellt. Dann konnte er von allem Möglichen plaudern. Kristian Kalland war klug genug, um die Ursache zu erkennen, und wenn Gräff wieder unruhig wurde, dann sagte er wohl:
»Gräff, ich glaub', wir müssen nach Haage, denn wir haben Tannenholz nötig.«
Einmal kam er mit einem Bild nach Hause, das Katrine ihm geschenkt hatte. Es stellte Christi Einzug in Jerusalem auf der Eselin vor, und darunter stand zu lesen: »Freue dich, Tochter Zions, klaget Kinder Belials! Jerusalem, siehe, dein König kommt, reitend auf einem Eselsfüllen. Martine Haage Larstochter 1812.«
Dieses Bild hatte Katrines Mutter als junges Mädchen geschenkt bekommen.
Gräff schlug einen Nagel in die Wand und bog ihn etwas nach oben, damit das Bild sicherer hinge. Es saß ja unter Glas und Rahmen, und mit so einem Ding konnte man nicht vorsichtig genug umgehen.
Eines Nachmittags, als Gräff wieder von Haage kam, ging Kalland ihm entgegen, und da er ihm heiterer als sonst erschien, begann er allerhand Narrenspossen zu treiben und gewaltig aufzuschneiden. Unter anderem erzählte er eine Geschichte, wie er mal, als er auf einem englischen Ostindienfahrer Heuer genommen hatte, von fünf Malaien überfallen worden sei. Na, da wäre er, Kristian, aber fuchsteufelswild geworden und hätte den fünften beim Kragen gepackt und alle anderen mit ihm durchgebläut. Dies mußte Gräff verstanden haben, denn er hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört, und als Kristian ihm dann an ihm selbst zeigte, auf welche Weise er den malaischen Teufel gepackt hatte, da fand Gräff die Sache über alle Maßen komisch, und plötzlich mußte er lachen. Ja, er lachte darüber! lachte von ganzem Herzen, und schließlich lachte er unaufhörlich, er wußte selbst nicht mehr worüber. Der eine Lachanfall folgte dem anderen und er mußte sich hinsetzen. Kristian lachte mit und schlug sich auf die Schenkel, daß es knallte, und machte einen Luftsprung.
»So soll es sein, so soll es sein! Jetzt bin ich so froh, wie ich es gar nicht sagen kann, denn ich glaub', daß Gräff der fidelste Mensch auf der Welt wird.«
Kurz darauf sagte er hart:
»Katrine ist gut, aber die Schwarze Insel ist nicht gut! Nimm die eine, Gräff, und laß die andere fahren.«