Isolde Kurz
Die Stadt des Lebens
Isolde Kurz

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Bianca Cappello

Zu Venedig am Rio Sant' Aponal dem ponte storto gegenüber steht ein zweistöckiger Frührenaissancepalast, Bianca Cappellos Geburtshaus. Das junge Mädchen, das in der Nacht vom 29. November 1563 mit seinem Liebhaber aus diesen Mauern entwich, konnte nicht ahnen, daß durch diesen abenteuerlichen Streich das alte Patrizierhaus dereinst mehr Berühmtheit erlangen sollte, als durch alle Dienste, die das edle Geschlecht der Cappello Jahrhunderte lang der Republik geleistet hatte.

Bianca Cappello war damals sechzehn Jahre alt. Ihre Mutter, aus dem stolzen Haus der Morosini, war bei ihrer Geburt gestorben. Der Vater, Bartolomeo Cappello hatte sie in strengster Abgeschlossenheit aufgezogen, wie es die Sitte für die Töchter der Patrizier vorschrieb. Allein Biancas feuriges Temperament widerstrebte dem Zwang und ließ die Verführung leichten Eingang finden.

224 Am ponte storto, dem Palazzo Cappello schräg gegenüber, hatte das große florentinische Bankhaus Salviati seine Filiale, von der noch jetzt die dort liegenden Baulichkeiten den Namen tragen. Die Florentiner waren schon seit Jahrhunderten die Bankiers von halb Europa, in allen Weltstädten besaßen sie ihre Succursalen, mittels deren sie die Finanzen beherrschten und die Politik ihrer Heimat unterstützten. An der Spitze jener venetianischen Succursale stand ein gewisser Giovanbattista Buonaventuri aus Florenz, der zu seinem größten Unheil einen Neffen Namens Pietro, einen eitlen und verwegenen Menschen, als Commis beschäftigte. Dieser junge Mann, der immer auf Liebeshändel ausging und für den die gefährlichsten stets den größten Reiz hatten, warf sein Begehren auf die junge Schönheit, die im Palast der Cappello aufgeblüht war, und las in ihren Augen Erwiderung. Beim Besuch der Messe in Sant Apollinare wurde unter dem Schutz einer Duenna Bekanntschaft angeknüpft, wobei der Abenteurer, der armer Leute Kind war, sich für einen Sohn des reichen und mächtigen Hauses Salviati ausgab. Ein Salviati war wohl würdig, um eine Cappello zu werben, denn diese Familie gehörte seit Jahrhunderten zu den angesehensten von Florenz und war durch Maria Salviati, die Mutter Cosimos I., dem regierenden Hause von 225 Toskana nahe verwandt. Das glänzende Aeußere des Jünglings, seine reiche Kleidung, sein ganzes Auftreten ließen keinen Betrug vermuten. Es wurden mit Hilfe der Duenna nächtliche Zusammenkünfte ins Werk gesetzt, und da es nicht möglich war, in den Palazzo Cappello unbemerkt zu gelangen, soll das unternehmende junge Mädchen selbst allnächtlich die Wohnung des Liebhabers aufgesucht haben, die, wie es scheint, in dem an die Rückseite des Palastes stoßenden Häusergewirre lag. Eines Morgens nun, so erzählt die Sage, kurz vor Tagesanbruch sah ein vorübergehender Bäckergesell die Thür des Palazzo Cappello angelehnt und schlug sie zu, um das vermeintliche Versehen der Dienerschaft gut zu machen. Als Bianca sich zurückschleichen wollte, fand sie mit tödlichem Entsetzen den Eingang verschlossen und keine Möglichkeit, sich der fest schlafenden Vertrauten vernehmbar zu machen. Auf der Entdeckung ihres Verhältnisses stand nach venetianischem Gesetz für den Verführer der Tod, für die Verführte lebenslängliche Haft in Klostermauern. Dem erschrockenen Pärchen blieb keine Wahl, sie warfen sich, wie sie gingen und standen, in eine Gondel und suchten ihr Heil in der schleunigsten Flucht. So erklärt die Tradition jene Entweichung, die Bianca Cappello einem historischen Geschick entgegen führte. Vor der nüchternen 226 Forschung aber hält das Märchen vom Bäckergesellen nicht Stich, es scheint vielmehr, daß die Liebenden aus Bestürzung über die Folgen ihres geheimen Verkehrs, die sich bereits zu zeigen begannen, das Weite suchten; jedenfalls war die Flucht eine vorbereitete, denn wohl versehen mit Kleidern und mit Juwelen im Wert eines Vermögens, die sie aus Herrn Bartolomeos Schatulle entnahm, verließ Bianca das Vaterhaus. Glücklich entkamen sie aus der Lagunenstadt. Noch glaubte Bianca sich einem Salviati zu eigen gegeben zu haben. Erst in Bologna, wo ein dem Jüngling befreundeter Priester sie traute, erfuhr sie den wahren Stand und Namen ihres Entführers. Der Betrogenen blieb nichts übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie war dem Betrüger mit Leib und Seele verfallen, denn bei ihm stand jetzt noch ihr einziges Heil. Schon waren die Verfolger hinter ihr her, die der empörte Senat auf ihre Fersen hetzte, und an Vergebung von Hause war nicht zu denken. Ihr Vater wütete, und im Verein mit seinem Schwager Grimani, dem mächtigen Patriarchen von Aquileja, ruhte er nicht eher, bis der Entführer in contumaciam zum Tode verurteilt und ein Preis von tausend Dukaten, den der alte Cappello aus eigenen Mitteln verdoppelte, auf die Auslieferung der Flüchtlinge gesetzt wurde. Damals 227 beim Sturz aus ihren Himmeln und der furchtbaren Not, in der sie sich fand, wurde Biancas Seele der Jugendschmelz abgestreift, und im Zwang, den sie sich nun täglich anthat, reifte die Verstellungskunst heran, in der sie sich später als eine so vollendete Meisterin zeigte.

Viele Monate führte Pietro sie in der Irre umher, bis er sie schließlich nach Florenz zu seinen Eltern brachte. Dort, in dem dürftigen Bürgerhaus, mußte die stolze Patrizierstochter sich den niedrigsten Dienstleistungen unterziehen, denn der alte Bonaventuri lebte in solcher Armut, daß er bei ihrer Ankunft die Magd entlassen mußte, an deren Stelle nun Bianca die häuslichen Geschäfte besorgte. Im Juli genas sie dort eines Töchterchens, das mit dem Namen ihrer verstorbenen Mutter – und vielleicht auch zum Gedächtnis ihrer Wanderungen – Pellegrina getauft wurde. Biancas Lage war fürchterlich; sie getraute sich nicht über die Straße und stündlich mußte sie befürchten, aus ihrer Wohnung herausgezerrt und den venetianischen Agenten ausgeliefert zu werden. Bereits hatte ein furchtbares Los die Mitwisser ihrer Flucht getroffen: der unglückliche Giovanbattista Bonaventuri war gefoltert und ins Gefängnis geworfen worden, und die ungetreue Hüterin, nebst einer anderen Mitschuldigen, büßte mit lebenslänglichem Kerker. 228 Die Späher der Republik suchten in den Straßen von Florenz ihre und ihres Mannes Spuren, und nur ein Wunder konnte sie aus der Gefahr erretten. Dieses Wunder, dem Bianca nachgeholfen haben mag, geschah!

Um jene Zeit hatte der Herzog Cosimo gerade seinen Erstgeborenen Don Francesco vom spanischen Hofe zurückgerufen, um ihm den größten Teil der Regierungsgeschäfte zu übertragen. Der junge Prinz hatte die Gewohnheit, viele Stunden des Tages im sogenannten Casino di San Marco, dem alten Lieblingsaufenthalt der Mediceer zu verbringen, wo er immer eine Anzahl von Künstlern und Mechanikern um sich beschäftigte und selbst seinen naturwissenschaftlichen und künstlerischen Liebhabereien nachging. Dort in der Nähe der Piazza San Marco hatte auch der alte Bonaventuri seine Wohnung. Es wird erzählt, daß der Prinz-Regent eines Tages, als er dort vorüberfuhr, durch eine blendende Erscheinung überrascht wurde, die einen Augenblick über ihm am Fenster auftauchte und sofort wieder verschwand. Der eine Augenblick entschied über sein ganzes Leben. Und es verlohnte sich wohl, sein Herz so gründlich zu verlieren: die Bilder der Bianca, die alle aus späteren Jahren stammen, lassen ahnen, was sie um jene Zeit gewesen sein muß, als die herrlichen Züge, die schon ein 229 Schicksal ausgeprägt hatte, unter der Fülle des goldblonden Haars noch im ersten Jugendflaume leuchteten. Der Prinz kann nicht lange im Zweifel gewesen sein, wen er gesehen hatte, denn schon im Lauf des Winters war ihm von dem florentinischen Gesandten in Venedig der Liebesroman der jungen Cappello und der dadurch veranlaßte ungeheure Skandal berichtet worden. Von da an fuhr er nun täglich am Hause vorüber, aber Bianca ließ sich kein zweites Mal sehen, was das Verlangen des Prinzen nur vermehrte. Wenn man der Ueberlieferung glauben darf, so machte schließlich ein spanischer Kämmerer, der Marchese Mondragone, den Vermittler. Seine Gemahlin mußte sich in der Kirche mit Biancas Schwiegermutter befreunden, und die arme alte Frau, von der Zuvorkommenheit einer so großen Dame geschmeichelt, schüttete ihr gleich das Herz aus, indem sie von des Sohnes romantischer Heirat und der daraus entsprungenen Gefahr und Angst erzählte. Die Marchesa erbot sich, durch ihren Gatten beim Prinz-Regenten einen Freibrief für das gefährdete Paar zu erwirken, der sie vor aller Nachstellung sichern würde. Zur Belohnung erbat sie sich nur, die Schönheit sehen zu dürfen, die solchen Sturm erregt hatte. Des andern Tages wurde Bianca nebst der Schwiegermutter im geschlossenen Wagen nach dem Palazzo Mondragone geführt. 230 Dort wußte man sie geschickt von ihrer Begleiterin zu trennen und unter einem Vorwand in ein entlegenes Gemach zu locken, wo ungesäumt, als sie allein war, der Prinz erschien. Bianca, die sich verraten sah, warf sich zu seinen Füßen und empfahl ihm, als dem geborenen Beschützer der Schwachen, das Einzige, was ihr in ihrem Unglück noch geblieben sei, ihre Ehre, an. Der Prinz hob sie vom Boden auf, beruhigte sie über seine Gesinnungen und verhieß ihr seinen sicheren und ehrerbietigen Schutz, worauf er sich mit einer Verbeugung zurückzog. Die Spanierin führte nun geschickt des Prinzen Sache weiter und besiegte allmählich den geheuchelten oder wirklichen Widerstand der jungen Frau. Ob diese Einzelheiten wahr oder erdichtet seien, jedenfalls zögerte Bianca nicht allzu lange, den Weg zu gehen, auf dem ihr Glück winkte. Dem Gatten, den sie nicht achtete, glaubte sie nichts mehr schuldig zu sein, obgleich diese Liebe, die erste und vielleicht einzige ihres Lebens, niemals ganz erlosch. Von der Not getrieben und durch ihre Erfahrungen in tiefster Seele ernüchtert, warf sie sich in die Arme des Fürsten, wo Sicherheit, Glanz und alle Genüsse des Lebens ihrer warteten. Nun regnete es mit Geschenken und Gunstbezeugungen auf das Ehepaar. Den gefügigen Gatten belohnten hohe Ehrenämter und ein schrankenloser Einfluß bei 231 Hofe. Für Bianca wurde ein Palast in der Via Maggio in nächster Nähe des Palazzo Pitti gekauft und fürstlich ausgestattet, wo sie von dem im Untergeschoß wohnenden Gatten getrennt allabendlich den Besuch des Prinzen empfing.

Noch umgab Don Francesco sein Liebesglück mit strenger Verschwiegenheit, denn die Heiratsverhandlungen, die Cosimo für ihn mit dem österreichischen Hofe führte, erlegten ihm äußerste Vorsicht auf. Aber als mit dem Einzug der kaiserlichen Braut im Residenzschloß das politische Interesse gesichert war, ließ er seiner glühenden Leidenschaft die Zügel schießen. Bianca, die alle Zurückhaltung abgelegt hatte, erschien reich geschmückt am Hof und nahm als Königin der Feste die allgemeinen Huldigungen entgegen, während die Kaiserstochter vernachlässigt und übersehen auf der Seite stand. Die Aermste war nicht nur aller körperlichen Reize bar, es fehlten ihr auch die geistigen Eigenschaften, die das Herz ihres Gemahls hätten gewinnen können. Eng und streng erzogen, ohne einen Schimmer jener hohen geistigen Kultur und geselligen Anmut, die noch immer die italienischen Fürstenhöfe verklärten, mit ihrem unbeweglichen Naturell, dazu bigott und melancholisch – so stand sie einer Rivalin wie der Cappello gegenüber. Selbst die Hofschranzen ließen sie unter dem Schein der Unterwürfigkeit 232 ihre Inferiorität empfinden. Da sie das Unglück hatte, sich in ihren Gemahl zu verlieben, wurde sie ihm durch Eifersucht und Moralpredigten doppelt zur Last. Vergebens bemühte sich der alte Cosimo von seinem Landsitz aus, wo er weltmüde, aber noch keineswegs lebenssatt mit einer schönen Freundin hauste, in dieser nicht im Himmel geschlossenen Ehe Glück und Eintracht herzustellen. Nicht einmal die Mittel zum standesgemäßen Unterhalt mochte der Prinz-Regent seiner kaiserlichen Gemahlin gewähren. Als sich einmal ein Bettler um Unterstützung an sie wandte, soll sie mit schneidender Bitterkeit geantwortet haben: Du hast an die falsche Thür geklopft, geh zu der Venetianerin.

Diese mit ihrer heiteren selbstbewußten Grazie und ihrer unerschöpflichen Unterhaltungsgabe wurde dem schwerblütigen, mißtrauischen, gelangweilten Fürsten immer unentbehrlicher.

In dem Prachtwerk von E. Plon »Benvenuto Cellini« ist ein noch existierendes kleines Wachsporträt des Prinzen abgebildet, das dieser ihr um jene Zeit zusandte, nebst den zwei Zeilen, die es begleiteten:

»Geliebte Bianca!

Aus Pisa schicke ich Euch mein Bildnis, das unser Meister Cellini gemacht hat. Mit ihm nehmet auch mein Herz.«

233 Sie brauchte es nicht erst zu nehmen, dieses Herz, das ihr bis zu seinem letzten Schlag gehören sollte. Nichts wurde ihr verweigert, für wen sie sich verwandte, der war im Voraus erhört, wer ihr mißfiel, der konnte in Don Francescos Staaten nicht gedeihen. Was vermochte die arme trockene Johanna von Oesterreich gegen die siegreiche Fülle dieser Natur? Die Unglückliche glaubte in ihrer Einfalt, der Zauber ihrer Rivalin sei höllischen Ursprungs, und eines Tages, als sie die triumphierende Favoritin in allem Glanz ihrer vom Luxus umstrahlten Schönheit auf der Brücke Santa Trinita begegnete, gab sie verzweiflungsvoll ihren Dienern den Befehl, sie in den Arno zu stürzen. Nur dem entschlossenen Dazwischentreten eines Hofherrn, der der frommen Fürstin vorstellte, daß dieser Gedanke eine Einflüsterung des Satans sei, verdankte die Cappello ihre Rettung. Die arme Johanna aber begab sich ganz zerknirscht nach Hause, um auf ihren Knien Buße zu thun.

Der Emporkömmling Bonaventuri wirtschaftete mittlerweile mit so grotesker Anmaßung, daß er sich den Haß von ganz Florenz auf den Hals lud. Vor allem liebte er es, den Adel, von dem er sich heimlich verachtet fühlte, seine Macht spüren zu lassen, die er um den Preis der Schande besaß. Für sein eheliches Mißgeschick entschädigte 234 er sich durch Liebesabenteuer in hohen Kreisen, und er sorgte dafür, daß sie der Welt nicht unbekannt blieben. So hatte er auch mit der schönen Cassandra Ricci, verwitweten Bonciani, ein Verhältnis angeknüpft, und ungewarnt durch das blutige und geheimnisvolle Ende zweier vornehmer Jünglinge, die kurz zuvor dieselbe Gunst genossen hatten, rühmte er sich dessen frech vor den Ohren ihrer Anverwandten. Die Ricci gehörten zu den stolzesten historischen Geschlechtern und waren nicht gewohnt, mit sich spaßen zu lassen. Ihre Beschwerden reizten den frechen Günstling, zum Schaden noch den Spott zu fügen, denn nun beschimpfte er sie öffentlich durch beleidigende Gesten und höhnische Gesichter, die er ihnen schnitt. Wiederholt warnte ihn der Prinz vor ihrer Rache; da es Pietro nur immer toller trieb, beschloß er, ihn zu seiner Sicherheit nach Frankreich zu verschicken. Dem aber widersetzte sich Bianca, sei es, daß ein Rest der Jugendliebe sich in ihr regte, sei es, daß die gewiegte Rechnerin gelegentlich den Gatten gegen den Geliebten auszuspielen dachte. Sie traute sich noch Macht genug über Pietro zu, um ihn zum freiwilligen Aufgeben der gefährlichen Liebschaft zu bewegen. Aber dieser, der nach Art solcher niedriger Naturen zwar in den Früchten seiner Schande schwelgte, aber ihrer Urheberin dennoch den tödlichsten Groll 235 nachtrug, antwortete auf Biancas Bitten mit tobenden Beschimpfungen und der Drohung, ihr den Hals abzuschneiden, wenn sie jemals sich wieder mit einem Wort in seine Angelegenheiten mische. Damit war sein Verderben besiegelt. Denn der Auftritt hatte einen Zeugen gehabt, dessen Nähe niemand ahnte. Don Francesco selber war auf der geheimen Treppe, welche das obere Geschoß mit dem unteren verband, der Geliebten in die Wohnräume ihres Gatten nachgeschlichen und hatte jedes Wort mit angehört. Der Wutausbruch des Bonaventuri zeigte ihm, daß dieser verwegene Günstling eine Gefahr für ihn selber werden konnte, und der Anblick von Biancas fassungslosem Jammer mochte auch seine Eifersucht reizen. Er that, als hätte er nichts gehört, im Stillen aber beschloß er, den Unbequemen in die Hände der Rächer zu geben.

Dieser war nach der Szene mit Bianca noch schäumend vor Wut auf die Straße gerannt, wo sein Unstern ihm bei der Säule von Santa Trinita gerade einen Neffen der Cassandra, seinen grimmigsten Feind, im Gespräch mit zwei anderen Edelleuten, in den Weg führte. Ohne weiteres stürzte er auf diesen zu, setzte ihm die Pistole auf die Brust und drohte, ihn zu ermorden, wenn er über seine Beziehungen zur Cassandra noch einmal ein mißfälliges Wort spreche. Der Angegriffene 236 wurde todesbleich, aber er entgegnete kein Wort, sondern begab sich augenblicklich mit seinen beiden Zeugen zum Regenten. Lange Zeit sah man die Vier mit ernsten Gesichtern unter den schattigen Gängen des Giardino Boboli auf- und niedergehen. Beim Abschied sagte der Prinz: »Thut, was Euch gut dünkt, ich will von der Sache nichts wissen!« Noch desselben Abends stieg er zu Pferd und ritt nach seiner Villa in Pratolino, wo ihn niemand stören durfte. Der unselige Bonaventuri aber rannte unverweilt in sein Verhängnis. Nachdem er die Nacht bei seiner Geliebten zugebracht hatte, verließ er kurz vor Tagesanbruch ihre Wohnung, von zwei bewaffneten Dienern begleitet. Auf der Brücke Santa Trinita vernahmen sie einen verdächtigen Pfiff. Der Eingang zu Pietros Wohnung lag nicht in der breiten Via Maggio, sondern auf der Rückseite des Palastes, in einem Gäßchen bei Santo Spirito. Als sie dorthin einbogen, wurden sie von den Mördern umringt und angefallen, die sich, zwölf an der Zahl, im Dunkel der Häuser versteckt gehalten hatten. Der eine Diener wurde sogleich niedergestreckt, der andere entfloh. Pietro, dem es weder an Mut, noch an Gewandtheit fehlte, wehrte sich wie ein Verzweifelter, aber seine beiden Pistolen versagten, und in dem engen Gäßchen trafen fast alle Hiebe, die er mit seinem langen 237 Degen führte, in die Mauer, während die Angreifer ihm mit der kurzen Stoßwaffe zu Leibe gingen. Es gelang ihm noch, einen der Ricci schwer zu verwunden, dann brach er zusammen und über ihn her stürzte sich die Meute, um ihre Wut noch an dem Gefallenen zu kühlen, bis sie endlich, von Rache gesättigt, ihr Opfer verließen. Ein Apotheker, der an der Ecke der Via Maggio seinen Laden hatte, eilte auf den Lärm mit zwei Gesellen und mit Lichtern herzu, und in seinen Armen hauchte der unglückliche Bonaventuri seinen letzten Seufzer aus. Der von Wunden zerfetzte Leib des Toten wurde in die nahe Kirche S. Jacopo getragen, und die Schreckenskunde brachte, da eben der Tag zu grauen begann, die ganze Via Maggio auf die Beine. Auch Bianca wurde damit aus dem Schlafe geweckt und überließ sich einem verzweifelten Schmerz, in dem noch einmal alle längst erloschenen Jugendgefühle erwachten. Sie stürzte in den Pitti, um Rache zu fordern, aber der Prinz war nicht zu finden; er kehrte erst des anderen Tages zurück und stellte eine Scheinverfolgung der Mörder an, die unterdessen alle Zeit gehabt hatten, auf dem Weg nach Frankreich zu entweichen. Der Verwundete durfte es sogar wagen, sich bei des Prinzen eigener Schwester, Donna Isabella, zu verbergen. Der Volksmund hat denn auch nicht versäumt, den 238 Fürsten der direkten Anstiftung dieser Blutthat zu zeihen, allein es ist noch eine Beichte von ihm aus späteren Jahren erhalten, woraus deutlich hervorgeht, daß er die That, die ihm genehm war, nur geschehen zu lassen brauchte, ohne selbst den Blutbefehl zu erteilen. Indessen forderte die Rachsucht der Ricci noch ein zweites Opfer. Am Abend nach der Ermordung des Bonaventuri drangen zwei bewaffnete Männer durch den Dachstuhl in das Haus der Cassandra ein und erdolchten die Unglückliche in ihrem Bette. Durch diese beiden Greuelthaten war nach den Begriffen der Zeit die Familienehre wieder hergestellt.

Don Francesco genoß den Alleinbesitz seiner Bianca, die bald getröstet nur noch daran dachte, die Fäden, die sie mit ihrem fürstlichen Beschützer verknüpften, fester und fester zu spinnen. Noch zu Pietros Lebzeiten hatte ihr dieser einmal in einer Stunde der Leidenschaft auf ein Madonnenbild geschworen, wenn sie jemals beide frei würden, so mache er sie zu seiner Gemahlin. Jetzt war Bianca frei, und Johannas von Oesterreich schwankende Gesundheit, die durch ihren unglücklichen Gemütszustand noch mehr unterwühlt wurde, gab ihr die Hoffnung, daß auch Don Francescos Fessel keine ewige sein werde. Aber noch lebte der Herzog Cosimo, der, wenn auch aus der Entfernung und der Zurückgezogenheit, mit 239 wachsamem Auge die Vorgänge in Florenz verfolgte und oft mit seiner Autorität eingriff. Im Jahr 1574 aber starb dieser ruhmgekrönte Fürst, vorzeitig gealtert und gichtbrüchig auf seiner Villa zu Poggio a Cajano, nachdem er noch kurz zuvor vom Papste seinen Herzenswunsch erlangt hatte: den Titel eines Großherzogs von Toskana für sich und seine Nachfolger.

Jetzt brauchte die Cappello ihren ehrgeizigen Ränken keinen Zwang mehr aufzuerlegen. Um ihre Herrschaft über den neuen Großherzog zu befestigen, suchte sie das wirksamste aller Mittel aus. Ein Kind, ein Knabe, sollte ihn auf ewig mit ihr verbinden und ihr den Weg zum höchsten Ziele bahnen. Francesco besaß noch keinen männlichen Sprößling, der die Thronfolge gesichert hätte, und sein glühendes Verlangen ging nach einem Sohn, den er am liebsten seiner Bianca verdankt hätte, denn uneheliche Geburt war damals kein Hindernis der Erbfolge. Aber Bianca hatte noch weniger Hoffnung, dem Großherzog einen Erben zu schenken, als Johanna von Oesterreich, die ihm Tochter auf Tochter gebarEine davon war jene Donna Maria de' Medici, die später durch ihre Heirat mit Heinrich IV. Königin von Frankreich wurde., denn seit der Pellegrina, 240 die schon zehn Jahre alt war, hatte sie kein Kind mehr geboren, und der schlechte Zustand ihrer Gesundheit nahm ihr jede Aussicht auf eine zweite Mutterschaft. Vergeblich wandte sie alle ärztlichen Mittel an, die Natur, die sie so reich bedacht hatte, versagte sich ihr auf diesem Punkte.

Um dem Glücke nachzuhelfen, setzte die abgefeimte Venezianerin das abenteuerlichste Komplott ins Werk. Wenige Monate nach Cosimos Tod kündigte sie dem jungen Großherzog an, daß sie sich guter Hoffnung fühle. Sie brachte ihren Leib durch künstliche Mittel zum Schwellen und heuchelte alle Symptome der Schwangerschaft mit solchem Geschick, daß die Aerzte selber getäuscht wurden, soweit sie nicht in Biancas Solde standen. Francesco, hochbeglückt, umgab sie mit der ausgesuchtesten Pflege. Unterdessen ließ sie durch ihre vertraute Kammerfrau, Giovanna Santi, und eine Hebamme mehrere Weiber aus dem Volk, die der Entbindung entgegensahen, an verschiedenen Punkten der Stadt in strengster Abgeschlossenheit unterhalten und wohl verpflegen, und sobald eine von ihnen einen kräftigen Knaben geboren hatte, legte Bianca sich mit geheuchelten Wehen zu Bette. Des Großherzogs zärtliche Angst verzögerte den kritischen Moment, denn er wich keine Minute von ihrem Lager und erklärte, auch die Nacht bei ihr wachen zu wollen. Doch als es später und später 241 wurde, zog er sich endlich auf Bitten der Umgebung und von Müdigkeit und Aufregung überwältigt zurück, die Aerzte wurden weggeschickt, und kaum war die falsche Wöchnerin mit der Santi allein, als man auch schon aus ihrem Gemach das Wimmern einer Kinderstimme vernahm; es heißt, daß das Knäblein in einer Laute verborgen in ihr Zimmer geschmuggelt worden sei. Der vermeintliche Vater geriet vor Wonne außer sich, er fand das Kind der Mutter ähnlich und gab ihm den Namen Don Antonio de' Medici, dem Heiligen zu Ehren, dessen Fürsprache er sein Glück zu verdanken glaubte.

Der Betrug war gelungen, aber wenn Bianca seiner Früchte froh werden wollte, so mußte sie im Verbrechen weiter gehen und sich der Mitwisser entledigen. Die Mutter des Knaben wurde am Tag nach der Entbindung auf ein Pferd gesetzt und gewaltsam nach Bologna entführt. Schlimmer ging es der Santi, als sie ihrer Herrin verdächtig ward: auf einer Reise im Appennin ereilten sie die Kugeln der Mörder. Sie kam indes noch lebend nach Bologna und konnte dort auf dem Sterbebett das Geschehene entdecken. Schnell drang die Kunde nach Florenz und erregte großen Skandal, der sich über ganz Italien verbreitete. Nur der Großherzog erfuhr nichts von der Enthüllung, die in aller Munde war, denn 242 wer hätte wagen dürfen, ihn aufzuklären? Sein Bruder, der Kardinal Ferdinand, besaß keinen Einfluß und wäre als der Nächste am Thron in einem Fall, wo die Erbfolge zur Frage stand, persönlich interessiert erschienen. Ueberdies war er der schlauen Venetianerin für mannigfache Dienste, die sie ihm geleistet hatte, verpflichtet. Denn da die Cappello rings um sich her den Haß des Volkes und die Unsicherheit ihrer Stellung fühlte – noch war sogar der Bann der Signoria von Venedig in Kraft, um dessen Rücknahme Francesco sich in den ersten Tagen ihrer Verbindung umsonst bemüht hatte – so suchte sie klugerweise ihre Stützen in der Familie Medici selber. Sie war weit entfernt von dem kurzsichtigen Uebermut einer Cammilla Martelli, die auf die Schwäche des alten Cosimo bauend, die fürstlichen Familienglieder zu ihrem schweren Schaden vor den Kopf gestoßen hatte. Bianca vergaß keinen Augenblick, daß von diesen ihr Schicksal nach Francescos Tode abhing. Längst hatte sie seine Schwester, Donna Isabella Orsini, ganz auf ihre Seite gebracht. Diese liebenswürdige, leichtfertige Dame, deren Grundsatz leben und lebenlassen war, nahm gern die Hilfe der allmächtigen Favoritin bei ihren eigenen Liebeshändeln an, die ihr bald darauf ein so tragisches Ende bereiten sollten. Auch den Kardinal hatte Bianca trotz seiner 243 Freundschaft für Johanna von Oesterreich mit tausend Fäden umsponnen. So ablehnend er sich betrug, sie kannte das Mittel, ihn kirre zu machen. Ferdinand trieb einen echt mediceischen Aufwand und verdunkelte in Rom mit seinem fürstlichen Luxus alle anderen Kardinäle. Die Villa Medici am Pincio war ebenso berühmt durch ihre heiteren Feste, wie durch die Meisterwerke antiker Skulptur, die der rastlos sammelnde Besitzer dort im Vestibül und im Garten aufstellte. Ein solches Leben kostete Geld, der sparsame Bruder aber wollte dem Kardinal weder die zu knappen Einkünfte erhöhen, noch seine Schulden bezahlen. Da mischte Bianca sich zu seinen Gunsten ein. Als ihm lange Zeit die Zahlung von zwanzigtausend Dukaten verweigert worden war und er sich vor der Abreise bei der Favoritin beklagte, hieß sie ihn guten Mutes sein, denn sie sei gewiß, er werde in Rom das Gewünschte schon vorfinden – und siehe, bei seiner Ankunft erwarteten ihn dreißigtausend Dukaten statt der zwanzigtausend, um die er sich bemüht hatte. Dabei war sie fein genug, niemals die Miene einer Beschützerin anzunehmen. Sie umgab den Kardinal mit Aufmerksamkeiten und geberdete sich dabei, als wäre sie seine Schuldnerin. Sie empfahl ihm Anverwandte und Diener, nur um ihm danken zu können, und wenn sie krank war, bat sie ihn, für sie zu beten, da sie 244 gewiß sei, daß Gott seine Fürbitte erhöre. So hatte sie ihn in ein Verhältnis gegenseitiger Verpflichtungen zu verstricken gewußt, das ihm die Zunge band.

Dennoch wollte das Gerücht von der Unterschiebung Don Antonios keine Ruhe finden, und früher oder später war die Entdeckung gewiß. Da faßte sie den tollkühnen Entschluß, der Katastrophe zuvor zu kommen, indem sie dem Großherzog aus freien Stücken den ganzen Anschlag beichtete. Der Ausgang gab ihrer Dreistigkeit Recht. Einen tieferen Trank hat wohl nie ein Fürst aus dem Zauberbecher der Leidenschaft getrunken: nicht nur, daß Francesco das, wie er glaubte, aus heißer Liebe zu ihm begangene Verbrechen verzieh, er fuhr sogar fort, den Wechselbalg als Geschenk seiner Vielgeliebten und sein teuerstes Kleinod zu behandeln.

Jetzt aber riß der beleidigten Großherzogin die Geduld. Sie erfüllte die Hofburg von Wien mit ihren Klagen. Ohnehin war der Liebeswahnsinn des Großherzogs schon längst das Gespött der anderen Höfe. Kaiser Maximilian durfte zu der Mißhandlung seiner Schwester nicht länger schweigen. Er machte durch seinen Gesandten in Florenz erzürnte Vorstellungen, auf die Francesco durch Gegenklagen, Ausflüchte und falsche Versprechungen antwortete. Das Verhältnis der 245 Gatten wurde schlimmer und schlimmer. Erzherzog Ferdinand drohte, seine Schwester zurückzuholen und dadurch in Florenz einen Aufstand zu erregen. Und jetzt hätte die unglückliche Ehe einen stürmischen Abschluß gefunden, wäre nicht der unerwartete Tod des Kaisers Maximilian dazwischen getreten. Sein Nachfolger Rudolf sah die Sache kaltblütiger und mehr von der politischen Seite an. Er ließ sich die Beschwerden der zürnenden Parteien vortragen und führte durch sein begütigendes Eingreifen eine Wiederannäherung der Gatten herbei, welche die Folge hatte, daß Johanna dem Großherzog neun Monate später einen echten Erben schenkte. Unendlich war der Jubel bei Hofe und im ganzen Land. Niemand zweifelte, daß jetzt die Gemahlin den endgiltigen Sieg über die Maitresse davon getragen habe. Die Freudenfeste, bei denen der beglückte Vater von den Palastfenstern das Gold unter die Menge streuen und große Fässer Wein aufstellen ließ, woraus ein jeder nach Belieben schöpfen konnte, wollten kein Ende nehmen. Das ganze Volk nahm teil an Johannas Glück. Als der kleine Prinz, welcher dem König von Spanien zu Ehren den Namen Filippo erhielt, zur Taufe getragen wurde, schickten die Faschingsgesellschaften auf eigene Kosten eine Schar geflügelter Putten, reich geschmückt mit Lilien in der Hand, die ihn zum 246 Taufbecken begleiten mußten. Francesco neigte sein Gemüt nun endlich der Gattin zu, der er die Erfüllung seines höchsten Wunsches dankte, und suchte durch sein Verhalten die lange Zurücksetzung gut zu machen.

Die Cappello fühlte ihren Stern erbleichen. Sie wartete nicht, daß man sie gehen hieß, sondern zog sich freiwillig zuerst auf die ihr geschenkte Villa von Pratolino und später nach Bologna zurück. Da sie nicht mit der Leidenschaft beteiligt war, konnte sie ruhig zusehen, bis das Blatt sich wieder wandte. Alle ihre Beziehungen zum Großherzog waren abgebrochen, und gerade dies gereichte ihr zum größten Gewinn. Denn die Oesterreicherin lernte es auch jetzt nicht, ihren Gemahl zu fesseln, und dieser wurde es bald müde, in der Kinderstube des Thronfolgers den Ersatz für die verlorenen Freuden zu suchen. Aus allen Gemächern des Pitti gähnte ihm die Leere entgegen, sein finsterer Mißmut faßte ihn wieder, und er verging vor Langerweile und Sehnsucht nach seiner geliebten Zauberin. Bianca wurde durch ihre Späher gut bedient. Kein Jahr war vergangen, so vernahmen die Florentiner mit Staunen, daß sie in die Stadt zurückgekehrt war, freilich um vorderhand ganz in der Abgeschlossenheit als reuige Magdalena zu leben. Die fromme Großherzogin versäumte nicht, die Büßerin in ihre 247 Gebete einzuschließen. Aber bald sollte sie entdecken, was es mit dieser Bußfertigkeit auf sich hatte, als sie eines Tages die Bianca strahlend am Arm des Großherzogs fand, im Begriff, mit ihm nach dem Lande aufzubrechen.

So entsprechen Sie dem Vertrauen, das ich Ihnen geschenkt hatte! rief die unglückliche Frau ihrer Nebenbuhlerin zu, Sie betragen sich unwürdig, und Gott wird Sie zur Rechenschaft ziehen. – Sie kehrte bebend in den Palast zurück und legte sich noch desselben Tages mit Fieber zu Bette, um nicht mehr aufzustehen. Eine Frühgeburt, durch die Gemütsbewegung herbeigeführt, machte ihrem freudelosen Dasein am 10. April 1578 ein Ende. Sterbend richtete sie noch Worte glühender Leidenschaft an ihren kaltsinnigen Gatten, der mit Schluchzen aus dem Zimmer stürzte. Aber die Erschütterung dauerte nicht lange, denn Tags darauf beim Leichenzug erregte er ein öffentliches Aergernis, indem er hinter dem Sarge der Gattin schreitend zum Fenster seiner Geliebten hinaufgrüßte, und kaum konnte er das Ende des Trauergottesdienstes abwarten, um zur Cappello zu eilen. Die »Königin Johanna«, so nannte man in Florenz die Kaisersschwester, hatte im Volk für eine halbe Heilige gegolten, und man schrieb es dem Zorn des Himmels zu, daß bei ihrem Tode ein 248 Nachtfrost eintrat, der die Hoffnung des ganzen Jahres vernichtete.

Nur die Cappello strahlte. Indessen gab es noch schwere Hindernisse zu überwinden, bevor sie ihr Ziel erreichen sollte. Zwar hatte der Großherzog von Anfang an dem Drängen des Kardinals widerstrebt, der sich gleich, um der Mißheirat einen Riegel vorzuschieben, nach einer neuen standesgemäßen Partie für ihn umsah. Aber nicht so leicht wurde er mit dem Einspruch seines Beichtvaters fertig, der ihm klar machte, daß seine Heirat mit Bianca den kanonischen Gesetzen widerspreche und daß die Kirche auch die Legitimation des untergeschobenen Kindes, durch welche er nun die Geliebte zu entschädigen wünschte, nicht gestatten könne. Einen Augenblick ließ der schwache Mann sich erschüttern und versprach sogar seine völlige Losreißung von der Cappello. Um den Schritt zu erleichtern, drängten ihn seine Räte, sich auf Reisen zu begeben. Bianca sah die Gefahr, in der sie schwebte, sie suchte zuerst seine Abreise zu hindern, dann bestürmte sie den Entfernten mit Briefen, worin sie ihm bald seinen Eid ins Gewissen rief, bald sich in seinen Willen zu ergeben schien und ihm ihren Entschluß, das Land zu verlassen, mitteilte. Allein sie zögerte, bis er zurückkam, und dann war von Gehen keine Rede mehr. Sie warf sich weinend zu seinen Füßen, 249 Francesco vergaß alle Vorsätze, ein von Bianca erkaufter Mönch mußte seine religiösen Skrupel beschwichtigen, er nahm sie zu sich in den Palast und übertrug ihr das delikate Amt einer Erzieherin seiner jungen Töchter. Eine längere Krankheit, die ihn bald darauf befiel, gab ihr die Gelegenheit, sich in ihrer ganzen Unentbehrlichkeit zu zeigen. Es waren keine zwei Monate nach dem Tode seiner Gemahlin verflossen, da reichte er ihr am 5. Juni, als sie dem Rekonvalescenten mit liebevollem Drängen ein Ei aufnötigte, aus freiem Stücken als Gegengabe seine fürstliche Hand und ließ sich unverzüglich mit ihr trauen.

Der Familie Medici blieb nichts übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Uebrigens glaubte niemand, daß Francesco sie zur Großherzogin von Toskana zu erheben gedenke, sondern man nahm an, daß ihr die gleiche Stellung zugedacht sei, wie sie Cammilla Martelli nach ihrer Heirat mit seinem Vater eingenommen hatte. Francesco scheint es selber nicht anders gemeint zu haben. Nur, um dieser Ehe mit einer Abenteurerin, die den Hohn aller Fürstenhäuser herausforderte, ein Ansehen vor der Welt zu geben, ging er den Senat von Venedig an, die Cappello zur »Tochter der Republik und des heiligen Marcus« zu erklären. Dieser Titel, den die schlaue Serenissima eigens erfunden hatte, um sich durch 250 ihre Patrizierstöchter mit regierenden Häusern verschwägern zu können, erhob seine Trägerin in den Fürstenrang und gewährte ihr, da Venedig der erste Staat in Italien war, sogar den Vortritt vor den italienischen Prinzessinnen. Auf diese Weise hatte hundert Jahre früher Catarina Cornaro den Thron von Cypern bestiegen. Die Venetianer aber durchschauten Francescos Absicht und dachten auf ihr eigenes Interesse. So willkommen ihnen die Verwandtschaft war, in der Form wie Francesco sie schließen wollte, konnte sie ihnen nicht behagen. Wurde Bianca zur Tochter von San Marco erhoben, so verlangte es die Würde der Republik, daß sie als eine Ebenbürtige auch Rang und Titel des Gatten teilte. Um so besser für Venedig, wenn sie diese Ehre, auf die es in Florenz nicht abgesehen war, der großen Mutter allein verdankte; um so williger würde sie dann auch deren Zwecke fördern, deren Sache zu ihrer eigenen machen. Die klugen Rechner an der Riva degli Schiavoni nahmen also die florentinische Gesandtschaft mit glänzenden Ehren auf, sie feierten laute Freudenfeste und, als ob es gar nicht anders sein könnte, begrüßten sie in ihrem offiziellen Glückwunschschreiben die neuerwählte Tochter als Großherzogin von Toskana. – Francesco konnte nicht zurück, auch wenn er gewollt hätte, er mußte der Sache ihren Lauf 251 lassen und sich sogar das Ansehen geben, als ob es von vornherein nicht anders beabsichtigt gewesen wäre.

Mit einem Prunk, der selbst in der prunkliebenden Lagunenstadt noch nicht dagewesen war, setzte sich eine venetianische Gesandtschaft in Bewegung, – an ihrer Spitze Biancas Vater und Bruder, die von der Republik zu Rittern der goldenen Stola ernannt worden waren, sowie der Patriarch von Aquileja und viele andere Anverwandte der Cappello, – um die Neuvermählte zu beglückwünschen. Die ganze Blüte des florentinischen Adels, männlichen und weiblichen Geschlechts, ritt und fuhr ihnen entgegen und begleitete sie nach der Residenz im Pitti, wo Bianca aus ihren Gemächern heraustrat, um ihre Angehörigen unter beiderseitigen Thränen in die Arme zu schließen. Vor dem Glanz der Krone schwanden alle Flecken. Wie der Senat von Venedig sich beeilte, aus den Büchern der Avogaria jede Spur des gegen Bianca erlassenen Urteils auszutilgen, so war auch in den Herzen die Erinnerung an das Vergangene ausgetilgt. Der versöhnte Patriarch von Aquileja segnete die Ehe ein, zwei venetianische Abgesandte setzten der neuen Großherzogin in Gegenwart des ganzen Adels, der Behörden und der fremden Gesandtschaften – nur die österreichische glänzte durch 252 Abwesenheit – in der sala di consiglio die Krone aufs Haupt. Mit Turnieren, Festzügen, Schauspielen aller Art, Erfindungen von märchenhafter Phantastik feierte der sparsame Francesco seine zweite Vermählung, die ihn dreihunderttausend Dukaten gekostet haben soll.

Biancas Talent verleugnete sich in der neuen Stellung keinen Augenblick, sie erschien für den Platz, den sie einnahm, geboren. Als ihr im Namen der Serenissima ein wundervolles Diamantenhalsband überreicht wurde, antwortete sie, eine Blume wäre ihr ebenso willkommen gewesen. Ihre anmutige Majestät erhielt noch einen helleren Schimmer durch die Jugendgestalt ihrer Tochter Pellegrina, die am gleichen Tage ihre Vermählung mit dem Grafen Bentivogli von Bologna feierte.

Aeußerlich war Bianca nicht mehr, was sie gewesen, obschon sie wenig über dreißig Jahre zählte. Ihre Ueppigkeit artete bereits in Fettleibigkeit aus, vielleicht hatten auch die Quacksalbereien, durch die sie die verlorene Fruchtbarkeit wieder zu erlangen suchte, ihrem Körper geschadet. Aber dem tiefsten Reiz, den sie besaß, konnte offenbar die Zeit nichts anhaben.

Schade, daß ihr großer Zeitgenosse Tizian, mit dem sie wegen Bestellungen mannigfach verkehrte, niemals die Gelegenheit hatte, ihr 253 Porträt zu malen, wir verstünden dann besser als aus den konventionellen Bildnissen des Allori, mit welchem Bann die Zauberin von der Lagune ihre Umgebung, auch die widerstrebendste, zu umstricken wußte.

Der berühmte Essayist Montaigne, der um jene Zeit Florenz als Reisender besuchte und Gelegenheit hatte, die Herrscherfamilie bei der Tafel zu sehen, hat in wenigen Strichen ein lebendiges Bild der Bianca Cappello gezeichnet. Er schildert sie, wie sie zwischen dem Großherzog und ihrem Bruder Vittorio Cappello sitzend den Ehrenplatz an der Tafel einnimmt. »Die Großherzogin,« sagt er, »ist eine Schönheit nach italienischem Geschmack, die Züge angenehm, aber gebieterisch, der Busen voll, die Taille stark. Ihr Ausdruck zeigt, daß sie sich bewußt ist, diesen Fürsten unterjocht zu haben, und daß sie ihn lange zu beherrschen denkt.«

Lang, in der That lebenslang war ihre Herrschaft über den Mann, den sie wie mit Schlangenringen umstrickt hielt. Aber sie füllte nicht unwürdig die hohe Stellung aus, die sie durch unwürdige Mittel errungen hatte. Keine von den geborenen Fürstinnen, die in das Mediceerhaus heirateten, hat sich besser in seine glänzenden Traditionen eingefügt, als diese geistreiche Abenteurerin. Zwar die Zeit, wo es in Florenz große Werke 254 der Kunst im Entstehen zu fördern gab, war gründlich vorüber. Dagegen war es jetzt Mode, die allerwärts zu Tage tretenden Antiken und ebenso die Meisterwerke der jüngst verflossenen großen Kunstperiode zu sammeln. Francesco, der eine ungewöhnliche Kennerschaft besaß – auf diesem Punkte wenigstens war er ein echter Medici wie sein Bruder – legte die Galerie der Uffizien an, und Bianca mit der rastlosen Korrespondenz, die sie nach allen Seiten unterhielt, griff ihm wirksam unter die Arme. Ihr Sammlerfleiß hat die Galerie um manches wertvolle Stück bereichert. Minder verdient ist der Ruhmestitel, in dem sie als die Beschützerin des Tasso prangt. Wohl hatte sich der unglückliche Dichter mehr als einmal aus dem Gefängnis von Sant' Anna in ergreifenden Tönen an diejenige Fürstin gewandt, die ihm vor allen anderen befähigt schien, menschliches Unglück zu verstehen, »weil sie auch mehr als andere die Wechselfälle des Geschicks erfahren habe.« Aber wir hören nicht, daß Bianca die damals gestiftete Familienverbindung zwischen den Este und den Medici benutzt hätte, um sich für den Gefangenen zu verwenden, vielleicht wäre es auch nicht rätlich gewesen, die alte Eifersucht wieder anzuschüren, denn in den früheren Versuchen des Kardinals Medici, den Dichter von Ferrara weg und nach Florenz zu ziehen, muß doch eine der 255 Hauptursachen von Alfonsos Ungnade gesucht werden. Jedenfalls begleitete der toskanische Gesandte in Ferrara das Bittgesuch des Dichters an die Großherzogin mit dem heimlichen Rat, demselben kein Gehör zu geben.

In Sonetten und Madrigalen feierte Tasso die neugekrönte Großherzogin. Aber gleichwohl regte sich in den oberen Regionen kein Lüftchen zu Gunsten des kranken, gefangenen Dichters, als die Crusca jenen häßlichen, sie ewig schändenden Skandal begann; das Herz war eben nicht die stärkste Seite an der schönen und klugen Frau. Ihre Gönnerschaft beschränkte sich auf das Geschenk von fünfundzwanzig Dukaten, um die der immer bedürftige und immer bettelnde Dichter die Fürstin angegangen hatte und denen sie als persönliches Zeichen der Huld noch einen kunstvollen silbernen Becher hinzufügte. Unglücklicher Dichter, der nie der Misère des Daseins entrinnen konnte, während sein ganzes reiches Jahrhundert bestimmt war, sich von seinem Ruhme zu nähren! Der für sechs neue Hemden das Verlagsrecht seiner Werke vergeben und für diese Großmut des Verlegers noch eine neue Tragödie als Zugabe versprechen muß, obgleich ihm, wie er klagend bemerkt, bei seiner melancholischen Gemütsart die Beschäftigung mit einem heiteren Stoffe zuträglicher wäre! Nicht einmal der Becher 256 der Bianca sollte ihm zum Heile gedeihen, nach dem sein schönheitsdurstiges Auge schmachtete. Ein Schurke von Drucker, in dessen Hände der kostbare Gegenstand, Gott weiß wie, gefallen war, enthielt ihm denselben vor, und wie auch Tasso darum bat und bettelte und in unerschöpflichen Briefen den Elenden um sein Eigentum anflehte, er hat es offenbar nie mit Augen gesehen. Denn noch in seinen letzten Lebensmonaten finden wir ihn von dem Wunsch nach einem silbernen Becher wie von einer fixen Idee verfolgt, er bettelt noch jeden Großen, der ihm begegnet, um einen solchen an und klagt, daß alle seine Dichtungen zusammen ihm, dem Dichter des Luxus und der Schönheit, nicht einmal ein einziges Stück Silbergeschirr eingetragen haben.

Bianca Cappello

Bianca Cappello.
Von Angiolo Bronzino.

Hätte Bianca Cappello den Großherzog nur durch die Sinne beherrscht, so müßte ihr Einfluß in den fünfzehn Jahren, die zwischen ihrer ersten Annäherung und dem Eheschluß lagen, sich notwendig abgekühlt haben. Aber Bianca war nicht nur das Weib seiner Leidenschaft, sie wurde mehr und mehr auch seine politische Gehilfin und Ratgeberin. Durch ihren Briefwechsel mit Fürsten, Päpsten und Republiken löste sie manchen verwickelten diplomatischen Knoten auf, für den männliche Finger nicht fein genug waren. – Es war ihr Triumph, den Interessen des Hauses, in 257 das sie sich eingedrängt hatte, zu dienen und sich die Mitglieder desselben wider Willen zu verpflichten.

Zwischen den Brüdern war eine tiefe Spaltung entstanden: der Kardinal hatte zu Biancas Thronerhebung sauer gesehen und sich geweigert, dabei zu erscheinen, ja er hatte dem venetianischen Gesandten unverfroren sein Mißfallen ausgedrückt. Dies nahm der Großherzog so krumm, daß er jeden Verkehr mit dem Bruder abbrach, und Ferdinand schwur, seinen Fuß nicht wieder nach Florenz zu setzen. Aber die mediceische Familie war nur durch Einigkeit stark. Kaum hatten die kleinen Fürsten von Ferrara, Mantua, Savoyen, die alten Neider der Medici, von dem Bruderzwiste Wind bekommen, als sie auch schon einen Bund schlossen, um jene zu schädigen. Es schwebten schon seit Cosimos Zeiten gar gewichtige Fragen des Ceremoniells zwischen den kleinen erbgesessenen Dynasten und dem neugefürsteten, mächtigen Mediceerhaus. Welcher dieser Fürsten die Ehre haben sollte, dem Kaiser bei der Tafel die Serviette zu reichen, das war eine Frage, die schon mehr als einmal den Frieden Italiens ernstlich bedroht hatte, – so weit waren schon durch das öde Byzantinertum die großen Interessen verdrängt. Durch eine Familienverbindung suchte Francesco die Eifersüchteleien zu beschwichtigen, 258 aber jetzt mußte er sich von einem Kleineren als er, dem Herzog von Mantua, sagen lassen, daß man aus den Händen seiner neuen Gattin keine Braut entgegen zu nehmen wünsche. Ein solcher Affront war nur möglich, weil der Großherzog ohne seinen gewohnten Rückhalt im Vatikan sich in einer isolierten Stellung befand. Bianca übersah mit klarem Blick die Lage, und ohne sich von der Empfindlichkeit beirren zu lassen, setzte sie gleich am rechten Ort den Hebel an.

Mit jenen halben, scheinbar absichtslosen Worten, die so wenig sagen und so viel erreichen, wußte sie den mißtrauischen Francesco ganz zu Gunsten des Bruders umzustimmen, und Ferdinand, der inzwischen Zeit gehabt hatte sich zu besinnen, ergriff willig die dargebotene Hand. Bei ihm war die Sorge um den Glanz des Hauses immer mächtiger als die persönliche Empfindlichkeit. Er verbrachte den ganzen folgenden Winter in Florenz, von Bianca gehätschelt, vom Großherzog, der willig seine Schulden bezahlte, ins engste Vertrauen gezogen. Schnell gelang es jetzt dem Kardinal, die gegen das mediceische Haus gesponnenen Intriguen lahmzulegen. Noch größeres aber erreichte Bianca selbst, indem sie in ihrer skrupellosen Art Hindernisse bedenklichster Gattung beseitigte, um die gescheiterten Heiraten doch noch zustande zu bringen, weshalb Ferdinand sie 259 entzückt die Friedensstifterin des Hauses nannte.

Sie hoffte sich auch in die Herzen ihrer Unterthanen einzuschmeicheln, indem sie den Kardinal nach Florenz zog. Francesco selbst war gründlich unbeliebt beim Volke: von seiner spanischen Mutter hatte er die kühle Grandezza und den Geiz geerbt. Um so mehr hing man an dem leutseligen und freigebigen Ferdinand. Aber aus Biancas Händen konnte kein Geschenk die Florentiner erfreuen. Man verzieh ihr das Unglück ihrer Vorgängerin nicht, und bei jeder Ausgabe, die für die Emporkömmlingin gemacht wurde, gedachte man der Kargheit, womit die Kaiserstochter behandelt worden war. Der Großherzog, den die zunehmende Menschenscheu seinem Volke immer mehr entfremdete, erhielt den Zunamen TribolinoVon tribolare = quälen., und man fabelte von scheußlichen Quälereien, die er und Bianca in ihrer pomphaft ausgestatteten Villa zu Pratolino verüben sollten. Noch lange nach ihrer Zeit zeigte man dort das »Laboratorium der Bianca«, und erzählte sich die abgeschmacktesten Märchen von den Schönheitssalben, die sich Bianca daselbst aus dem Fett kleiner Kinder bereitet haben sollte. Sie wurde dem Volk zum sagenhaften Dämon bei lebendigem 260 Leibe. Auch ihre Heirat mit dem Großherzog mußte ein Werk teuflischer Magie sein, und jede Art Schwarzkunst wurde ihr nachgesagt. Sie selber legte den Grund zu diesen Fabeln, indem sie sich mit allerlei Wunderdoktoren abgab, die ihre zerstörte Gesundheit wieder herzustellen und ihr die dauernde Liebe des Großherzogs zu sichern versprachen. Auch befaßte sie sich gern mit Taschenspielkünsten und wunderlich komplizierten Mechanismen. Für ihren scharfen, auf alles Verwickelte eingerichteten Verstand hatten solche Spielereien einen besonderen Reiz, und sie dienten ihr dazu, den schwerblütigen Fürsten und seine Gäste zu unterhalten, aber der unwissenden Menge erschienen sie als Hexerei.

Herrscherinnen dieser Art können nicht von reinen Händen bedient werden. So umgab sie sich mit einem ganzen Stab von Unterhändlern, Wucherern, Quacksalbern und Spionen, die ihre Geschäfte zu besorgen und über ihre und des Großherzogs Sicherheit zu wachen hatten. Diese Kreaturen bedrückten und bestahlen das Volk zu einer Zeit, wo ohnehin Teuerung und Hungersnot im Lande wütete und wo alles darbte, mit Ausnahme des Hofes. Gelegentlich wurde sogar dem Großherzog diese Gesellschaft zu viel, und eine quacksalbernde Jüdin, die sich nicht abweisen lassen wollte, soll er mit eigener Hand erdolcht 261 haben. Am meisten machte man ihr die Anwesenheit ihres Bruders Vittorio Cappello zum Vorwurf, der nach Biancas Krönung in Florenz geblieben war und als allmächtiger Günstling die Florentiner belästigte und aussaugte. Er versah im Pitti das doppelte Amt eines florentinischen Ministers und eines venetianischen Spions. Denn die Serenissima war mit ihrem Schwiegersohn politisch nicht zufrieden und hielt es für nötig, ihn genau zu überwachen. Nicht minder enttäuscht war sie durch Biancas Verhalten, die ihr keine Hand zur Einmischung in toskanische Dinge bieten wollte und der Republik sogar mit offenen Vorwürfen entgegen zu treten wagte, als diese am spanischen Hof gegen den Großherzog Intriguen spann.

Ein gemeiner Betrug, auf dem Vittorio sich ertappen ließ, öffnete endlich dem Großherzog die Augen und veranlaßte ihn, den allverhaßten Günstling auszuweisen. Die Venetianer sahen in der Entfernung ihres Spions eine politische Maßregel, die sie der Tochter von San Marco nicht vergaben. Andererseits fuhren auch die Florentiner dabei nicht besser, denn an Vittorios Stelle traten nun zwei andere Individuen, die so wenig taugten wie er: der Kämmerer Serguidi und der Bischof Abbioso. Diese in ihrem Uebereifer säten neue Zwietracht zwischen die kaum versöhnten 262 Brüder. Ohnehin stand die Freundschaft nicht mehr auf den festesten Füßen, seitdem im März 1582 der schwächliche Don Filippo mit Tod abgegangen war und nun Biancas Ränke zu Gunsten des eingeschobenen Don Antonio wieder begannen. Es lag auf der Hand, daß sie sich in diesem Knaben eine Stütze für die Zukunft – für die Zeit, wo der Großherzog nicht mehr sein würde – zu schaffen suchte. Sie besaß in der That keine andere, und sie war eine viel zu gute Menschenkennerin, um Ferdinands Dankbarkeit und freundliche Gesinnung zu überschätzen. Warnend stand ihr die unglückliche Cammilla Martelli vor der Seele, die von der Leiche Cosimos weggerissen worden war, um ihre kurze Herrlichkeit in engster Klosterhaft zu büßen, wo die Dämonen niedergehaltener Lebenslust sie langsam zu Tode folterten. In der Empfindung, daß ihr selber ein ähnliches Los bereitet sein könnte, hatte sie sich redlich bemüht, das der Unglücklichen zu lindern, ohne bei Francesco, der ihr sonst in allem willfahrte, etwas zu erreichen. Und wie klein war das Sündenregister der Aermsten gegen ihr eigenes! So mußte ihr freilich alles daran liegen, ihrem Einschiebling auf den Thron zu helfen. Er sollte, wenn er je zu der Erkenntnis kam, daß er ihr nicht das Leben verdankte, doch um so gewisser in ihr die Schöpferin seines Glückes verehren. Biancas 263 Lage und ihr Charakter erklären zur Genüge diesen Standpunkt. Aber der Großherzog! kein Senkblei reicht in den Abgrund der Verworrenheit hinab, in den seine Liebe zu Bianca ihn gestürzt hatte. Er wußte aus ihrem eigenen Mund, daß weder das Blut der Medici, noch das der Cappello in Don Antonios Adern floß, und dennoch erhöhte er ihn ihr zu Gefallen, wo er nur konnte. Er überhäufte ihn mit Schenkungen, erbettelte vom König von Spanien Titel und Ehrenämter für ihn, ja er legitimierte den Bauernjungen öffentlich, trotz des Widerspruchs seiner Räte. Freilich verstand es Bianca, dieses fremde Kind dem Großherzog teuer zu machen. Sie, die auf allen Saiten der Seele zu spielen wußte, hatte auch die kindliche Anmut in ihren Dienst gezogen, sie hatte dem Knaben, als er kaum drei Jahre alt war, schon die Hand geführt, um ihn kleine zärtliche Brieflein an den vermeintlichen Vater schreiben zu lassen. Welch ein Anblick für die echten Medici, diesen lächerlichen Wechselbalg, umgeben von der deutschen Leibwache, als Prinz von Capestrano und spanischer Legat mit einem eigenen Hofstaat durch die Straßen von Florenz spazieren zu sehen, von vielen schon als mutmaßlicher Thronerbe umschmeichelt. Der Verdacht lag nahe, daß sie sich mit Spanien verständigt habe, um Don Antonio auf den Thron von Toskana 264 zu heben. Und Ferdinand, der doch Biancas Manöver kannte, stand selber so sehr in ihrem Bann, daß er, um ihr angenehm zu sein, den Knaben mit einem seiner Güter beschenkte.

Aber der innere Riß, der sich in der Familie aufgethan hatte, wurde durch solche äußere Zeichen nur schlecht verklebt. Die Herren Serguidi und Abbioso, die zu den Interessen ihrer Gebieterin auch noch ihre eigenen besorgten, scheuten kein Mittel, um sich den gefährlichen Beobachter vom Halse zu halten. Ungünstige Einflüsse, die noch von außen dazu kamen, und die bereits eingetretene Erkaltung erleichterten ihnen das Spiel. Als Ferdinand im Februar 1586 zu der Vermählung seiner Stiefschwester Donna Virginia nach Florenz kam, wurde er von seinem Bruder eisig aufgenommen, sah sich von jeder Teilnahme an den Geschäften ausgeschlossen und kehrte unverzüglich nach Rom zurück.

Bald darauf verbreitete sich die Nachricht, die Großherzogin sei gesegneten Leibes! Der Kardinal erschrak, denn er witterte einen neuen Betrug. Schon einmal war im Laufe der letzten Jahre dieses Gerücht aufgetaucht und hatte ihn mehrere Monate in Unruhe gehalten, bis das Dementi erfolgte. Er wußte, daß trotz seiner Schwäche für Don Antonio dem Großherzog das Herz nach einem echten Erben brannte, und daß 265 er die Hoffnung nicht aufgeben wollte, durch Bianca in Wahrheit Vater eines Sohnes zu werden. Daß der Venetianerin niemals zu trauen war, wußte er gleichfalls. Was sollte sie abhalten, das Verbrechen, das ihr schon einmal nahezu gelungen war, aufs neue zu versuchen? War sie nicht jetzt, als die mächtigste Frau im Lande, noch mit ganz anderen Mitteln dazu ausgerüstet, als jenesmal? Die äußeren Umstände waren höchst verdächtig: Bianca hatte ein Gemach bezogen, das geheime Zugänge und Verbindungen nach außen besaß. Sie selber spielte diesmal eine doppelte Rolle, um sich für alle Vorkommnisse den Rücken zu decken. Während die Aerzte und Hebammen widersprechende Gutachten abgaben, indem die einen die Schwangerschaft, die anderen ein organisches Leiden diagnosticirten, und der Großherzog glaubte, was er wünschte, schien sie selber eher der ungünstigen Auffassung zuzuneigen und äußerte wiederholt ihre Zweifel, indes sie doch unter der Hand die Anderen in ihrem Glauben bestärkte. Wurde sie verhindert, ihr Spiel zu Ende zu führen, so sollte niemand ihr die Absicht nachweisen können, und das Erwecken trügerischer Hoffnungen fiel dann den Aerzten allein zur Last. Daher auch die unerbittliche Geschichtsforschung in diesem Fall nur nach Indicienbeweisen, die sich auf Biancas Charakter und 266 Vergangenheit gründen, ihr Schuldig sprechen konnte.

Der Kardinal hielt die Augen offen. Er beauftragte den jüngsten Bruder Don Pietro, die Schwägerin scharf zu überwachen. Dieser war unlängst aus Spanien, wo er Philipp II. als General der toskanischen Truppen diente, auf Urlaub zurückgekehrt. Und nun entwickelte sich in der Residenz ein Intriguenspiel mit Minen und Gegenminen, das den Stoff zu der tollsten Posse abgegeben hätte. Don Pietro, der als Soldat nur das buchstäbliche Gehorchen kannte, hielt sich so strikte an den erhaltenen Befehl, daß er der Großherzogin nicht mehr von der Seite ging. Ueberall witterte er die Fäden eines Komplotts, und auch die unschuldigsten Umstände schienen ihm verdächtig. Daß Bianca ihre Tochter Pellegrina, die jungvermählte Gräfin Bentivoglio, die sich guter Hoffnung fühlte, in Abwesenheit des Grafen zu sich in den Pitti nahm, brachte ihn auf die Vermutung, es werde von dieser Seite her die Unterschiebung geplant, und er schloß auch die junge Gräfin in sein Ueberwachungssystem ein. Der Kardinal mußte ihm erst von Rom aus begreiflich machen, daß man zu Zwecken solcher Art sich Weiber aus dem Volke heranholt, mit denen keine Umstände gemacht werden, nicht zartgewohnte Damen aus den höchsten Ständen. In 267 seinem Eifer hielt sich Don Pietro sogar an die gefangene Cammilla Martelli und hofierte, jedoch vergeblich, der Unglücklichen in ihrem Kerker, um ihr die Geheimnisse Biancas, mit der er sie befreundet wußte, zu entreißen. Als ob es sich um die Angelegenheit einer schwatzhaften Dirne gehandelt hätte, nicht um die der allerklügsten Tochter von San Marco!

Dem großherzoglichen Paare wurde natürlich der plumpe Späher lästig, und man gab sich keine Mühe, ihm das zu verbergen. Don Pietro, den sein Dienst nach Spanien rief und dem längst der Boden unter den Füßen brannte, schilderte dem Kardinal in verzweifelten Briefen seine verzwickte Lage und bat, ihn des kitzlichen Auftrags zu entheben. Doch der Kardinal hielt seine Ordre aufrecht, bis der Großherzog der närrischen Komödie ein Ende machte, indem er den unbequemen Gast ersuchte, doch ja die schöne Gelegenheit einer von Genua absegelnden Galeere nicht zu versäumen.

Diesen Wink beantwortete Don Pietro mit der bündigen Erklärung, daß er verpflichtet sei, der Großherzogin bis zur Entbindung seine Dienste zu widmen, gleichviel ob er gerne gesehen sei oder nicht. Also in die Enge getrieben, war Bianca genötigt, Farbe zu bekennen. Er möge mit Gott fahren, entgegnete sie ihm, sie sei jetzt fest überzeugt, daß die Aerzte dem Großherzog trügerische 268 Hoffnungen erweckt hätten; übrigens verspreche sie, den Kardinal, dessen Besorgnis für ihr Wohl und Wehe ihr ja wohl bekannt sei, selber über ihren Zustand auf dem Laufenden zu erhalten.

Nach diesem Erfolg ging Don Pietro wohl verrichteter Sache unter Segel. Am Hofe aber spann sich die wunderliche Intrigue noch eine Zeit lang weiter. Der Großherzog wollte von seinem Wahn nicht lassen und, ergrimmt über den fortgesetzten Unglauben des Kardinals, den er wie eine persönliche Kränkung auffaßte, forderte er dessen Anwesenheit bei der Entbindung, die er für nahe bevorstehend hielt. Ferdinand weigerte sich, zu kommen, weil es seinem brüderlichen Gehorsam nicht anstehe, in diesen Dingen mehr zu sehen, als Seine Hoheit; wenn der Großherzog mit dem, was vorgehe, zufrieden sei, so habe er für seine Person keine Einwände zu erheben. Während die Korrespondenz zwischen den Brüdern immer gereizter wurde, übertraf Bianca sich selbst an Feinheit: sie, die der Gegenstand des Zwistes war, nahm nicht nur keinen Teil daran, sondern gab noch fortdauernd dem Schwager Zeichen ihres Wohlwollens, als ob alles beim Alten wäre. Ihr freundschaftlicher Briefwechsel, wobei sie ihn von allen Symptomen ihres Zustandes, den günstigen, wie den ungünstigen aufs eingehendste unterhielt, kam während der ganzen Zeit nicht einen 269 Augenblick ins Stocken. In diesen Briefen, die immer auf der Grenze zwischen höchster Liebenswürdigkeit und Bosheit hingaukeln, ist uns die ganze Bianca, wie sie leibte und lebte, erhalten. Man meint das reizende Lächeln voll geheimer Perfidie zu sehen, wie es Alessandro Allori auf ihrem Jugendbildnis in den Uffizien angedeutet hat. So wenn sie eines Tages dem Kardinal für seine Glückwünsche zu der frohen Aussicht dankt und dann maliziöserweise fortfährt: »Nicht, daß mir dies etwas neues wäre, denn ich weiß ja, wie sehr Eure Herrlichkeit Grund hat, diesem Hause einen Erben zu wünschen und besonders einen von meinem Blut, die ich als Deren getreueste Dienerin ganz nur für Eure Herrlichkeit lebe und Derselben für eben so viel Liebe zu danken habe. Wenn also die Dinge durch die Gnade Gottes eine günstige Wendung nehmen, so darf ich hoffen, gegen Mitte Dezember am Ziele zu sein. Sollte es aber anders gehen . . . . . so wäre es immer einer meiner größten Schmerzen an den Kummer zu denken, den ich Eurer Herrlichkeit durch diese Enttäuschung bereitet hätte.«

Sechs Monate lang wußte sie das Blendwerk aufrecht zu erhalten, wobei sich durch ihren starken Leibesumfang, das Anzeichen beginnender Wassersucht, selbst die Wissenschaft irre führen ließ. Aber sie war ganz von Spähern umstellt und 270 schließlich schöpfte der Großherzog selbst Verdacht und ließ die geheimen Zugänge ihres Gemachs verschließen. Da erkannte Bianca, daß ihr Projekt undurchführbar war, und ließ nach und nach die Illusion zerrinnen. Im März 1587 kündigte sie endlich dem Kardinal das definitive Fehlschlagen ihrer Hoffnung an.

Indessen hatte der Bruderzwist bereits aufs neue seine bösen Früchte gezeitigt. Sixtus V. wies alle von dem Großherzog vorgeschlagenen Kandidaten für den bevorstehenden Kardinalsschub zurück und begünstigte die Kandidaten seiner Gegner. So verlor Toskana seinen Einfluß im heiligen Collegium, und Ferdinand selber, dem doch Sixtus seine Erhebung auf den päpstlichen Stuhl zumeist verdankte, fühlte den unsicheren Boden des Vatikans unter sich wanken. Es blieb ihm nichts übrig, als sich ein zweites Mal an die bewährte Friedensstifterin zu wenden, damit sie den schädlichen Hader beilege.

Nichts konnte Bianca willkommener sein. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch der Kindesunterschiebung war es für sie das geratenste, den legitimen Thronerben für sich zu gewinnen. Sie säumte nicht, ihre Künste spielen zu lassen, und in ihrem Antwortschreiben konnte sie dem Kardinal bereits melden, daß die Stimmung des Großherzogs gegen ihn sich merklich gebessert habe. 271 Unterdessen hatte sie den Erzbischof von Florenz, der großen Einfluß auf ihren Gatten besaß und zugleich ihrem Schwager aufs Wärmste ergeben war, ins Vertrauen gezogen. Dieser führte dem Großherzog Ferdinands stetes Bemühen um die Größe des Hauses vor Augen und zeigte ihm, daß der Ursprung allen Zwistes in den Zwischenträgereien der übereifrigen Kämmerlinge zu suchen sei. Als der Boden bereitet war, kam Bianca dazwischen und wußte Ferdinands Annäherungsversuch mit solcher Wärme vorzubringen, daß der Großherzog schmolz und dem Bruder die Arme wieder zu öffnen versprach. Bianca selbst wurde mit der Friedensbotschaft betraut und die beträchtliche Geldsumme, die dieselbe begleitete, verbürgte dem stets in Nöten befindlichen Kardinal die Echtheit der brüderlichen Gesinnung.

So war Bianca abermals vor dem Schwager als Taube mit dem Oelblatt erschienen, und der neubefestigte Bund übte schnell seine Rückwirkung im Vatikan. Sixtus floß über von Bewunderung für Biancas Geschicklichkeit und nannte die Aussöhnung der mediceischen Brüder ein politisches Meisterstück. Die feine Venetianerin hatte es ihm seit lange angethan, wiederholt hatte er sie am Werke gesehen, und aus dem Briefwechsel, den er mit ihr führte, kannte er ihren Scharfblick und Herrschertakt. Ohnehin liebte er die kühnen 272 Emporkömmlinge, dieser Papst, der selbst in jungen Jahren die Schafe gehütet hatte. Zum Zeichen seiner besonderen Zuneigung hatte er ihr schon im Vorjahre die goldene Rose übersandt. Jetzt wünschte er sie persönlich kennen zu lernen. Eine geplante Reise nach Padua, wo er dem heiligen Antonius für den bei der Unterdrückung des Banditenwesens geleisteten Beistand danken wollte, mußte ihm dazu den Vorwand geben. Alle Fürsten, deren Gebiet er zu passieren hatte, beeiferten sich, ihm ihre Gastfreundschaft anzubieten, aber Sixtus sagte seinen Besuch nur dem toskanischen Hofe zu. Bianca rüstete ihm den festlichsten Empfang, aber diesen Triumph zu feiern war ihr nicht mehr gegönnt. Die Eifersucht der anderen Höfe nötigte den Papst, die Reise zu verschieben, und bevor er den Plan wieder aufnehmen konnte, hatte ein unerwartetes Geschick das großherzogliche Paar hinweggerafft.

In der alten, auf einem Ausläufer des Monte Albano gelegenen Mediceervilla von Poggio a Cajano spielte der letzte Akt des bewegten Dramas. Als Siegel auf den neubeschworenen Bund hatte Francesco einen Besuch seines Bruders gefordert, den dieser schon im April versprach, aber Geschäfte halber auf den Herbst verschob. Mitte September siedelte der Hof zur Villegiatur nach Poggio a Cajano über, und wenige Tage später traf auch der 273 Kardinal mit seinem Gefolge dort ein. Durch eine herzliche Aussprache zwischen den Brüdern wurde auch der letzte Schatten hinweggefegt. Bianca ihrerseits that, was sie nur vermochte, um den Kardinal zu feiern und zu unterhalten. Dort an den lieblichen, von Lorenzo il Magnifico und Polizian im Wettstreit besungenen Ombroneufern, wo noch die holden Gestalten ihrer Dichtungen umgingen, entfaltete sich nun mit einem Male unter Biancas Zauberstab ein ungewohntes festlich lautes Treiben. Aber mitten in den bunten Wechsel von Jagdpartien, musikalischen Aufführungen, ländlichen Tänzen und Gelagen, die sie dem prachtliebenden Herrn mit verschwenderischem Glanz bereitete, trat unversehens ein dunkler Gast hinein.

Am 20. Oktober läuteten in Florenz alle Glocken zusammen und verkündeten, der Großherzog sei gestorben. Und noch desselben Tages traf aus Poggio a Cajano eine zweite überraschende Trauerkunde ein: die Cappello war binnen weniger Stunden ihrem Gatten im Tode nachgefolgt. Die beiden Todesfälle Schlag auf Schlag und gerade zu einer Zeit, wo die Familie nach langem Hader zum erstenmale wieder vereinigt war zu einem Freuden- und Versöhnungsfest, konnten nach allem Vorhergegangenen keiner natürlichen Ursache zugeschrieben werden. Die Phantasie der Menschen trat alsobald in 274 Thätigkeit und verarbeitete die verdächtigen Umstände zu einem Roman im Stile der Borgia.

Die Cappello, so hieß es, habe den Schwager, in dem sie eine stete Gefahr erblickte, nur nach Poggio a Cajano gerufen, um sich seiner ein für alle Male zu entledigen. Bei einem gemeinsamen Mahle habe sie ihm eine von ihr selbst bereitete mit starkem Gift versetzte Torte angeboten. Der Kardinal aber, durch einen mit wunderbaren Kräften ausgestatteten Karfunkel an seinem Finger gewarnt, sei auf der Hut gewesen und habe die Schwägerin mit Komplimenten so lange hingehalten, bis der ahnungslose Großherzog mit den Worten: Wenn niemand den Anfang machen will, so thue ich's, die Torte zerschnitt und selbst ein Stück zum Munde führte. Bianca aber habe, da sie den Gatten essen sah und sich nicht verraten durfte, gleichfalls zugegriffen und ein Stück von der vergifteten Torte gegessen, um den Großherzog nicht zu überleben. Der Großherzog, so fährt die Fabel fort, plauderte noch eine Zeitlang unbefangen weiter, bis sich bei den beiden heftige Leibschmerzen einstellten und sie genötigt wurden, sich zurückzuziehen. Sie legten sich zu Bett und warteten auf die Aerzte und Medikamente, die ihnen der Kardinal zu schicken versprochen hatte. Dieser aber stellte sich, zwei gespannte Pistolen in der Hand, mit seinen Dienern 275 vor der Thüre auf und ließ niemand in das Gemach der Kranken. Wie auch die beiden rufen und jammern mochten, keine Hilfe fand zu ihnen den Weg, sie endigten allein, von aller Welt verlassen, in der kläglichsten Weise ihr Leben.

Diese Erzählung, verschieden variiert und allmählich der märchenhaften Zuthat entkleidet, – der rettende Karfunkel wurde in aufgeklärteren Zeiten durch eine Warnung des Kochs ersetzt – hat sich lang an Stelle der Geschichte behauptet und hat die Gestalt der Bianca Cappello auch für die Nachwelt mit dem dämonischen Nimbus umgeben, in dem sie ihren Unterthanen schon zu Lebzeiten erschienen war. Es lag ja nichts darin, das den Traditionen der Familie widersprochen hätte. Von Alters her war im Hause Medici »der Gruß des Mordes gewisse Losung«. Noch gedachte man in Florenz der schrecklichen That des Don Pietro, der im Jahre 1576 seine Gattin und Cousine, die liebreizende Eleonora von Toledo, nach der Villa Cafagiolo im Mugello gelockt hatte, um sie zu erdolchen, und ebenso unvergessen war das grausige Ende der schönen geistvollen Isabella de' Medici, die fast gleichzeitig in Cerreto Guidi von ihrem Gemahl, dem Herzog von Bracciano, inmitten einer Umarmung erdrosselt worden war. In beiden Fällen hatte Francesco, der so groß war im Zulassen von Mordthaten, wenn 276 er auch selber die Hände rein hielt, für den Mitwisser gegolten. Gar nicht zu reden von dem freilich sagenhaften Massenmord, mit dem sein Vater Cosimo in der eigenen Familie gewütet haben sollte. Von der Cappello versah man sich ohnehin jeder Schandthat, daß aber auch der Liebling der Florentiner, ihr »Don Ernando«, der unter den mediceischen Großherzögen den reinsten Namen hinterlassen hat, nicht vom Verdacht verschont wurde, beweist nur, an was man sich bei dieser Familie gewöhnt hatte. – Eine andere Ueberlieferung, die aus der nächsten Umgebung des Hofes stammt, trägt die Farben sogar noch düsterer auf, indem sie den armen Ferdinand nach dem Tode des Großherzogs geradezu zum Henker seiner Schwägerin werden läßt.

Nachdem, so lautet diese Version, die Bianca sich vom Schmerz überwältigt niedergelegt hatte, wurde ihr ein Mittel übersandt mit dem Bedeuten, es zu ihrer Stärkung einzunehmen. Da sie sich weigerte, erhielt der Ueberbringer den Befehl, es ihr mit Gewalt beizubringen oder sie zu erdrosseln. Daher jene, die den Wink verstand, aus der Notwendigkeit eine Tugend machte und schnell das Fläschlein leerte, um ungesäumt in den ewigen Schlummer einzugehen.

Es half nichts, daß die Geschichtsschreibung wieder und wieder gegen diese Fabeln protestierte. 277 Die Giftphiole hat sich mit dem Namen Bianca Cappello unauflöslich verbunden. Ueber Poggio a Cajano schwebt ihr Bild in unheimlich phosphoreszierendem Lichte, es hat die holde Nymphe Ambra mit all den anderen Erinnerungen einer edleren Zeit von dort vertrieben. Und doch besteht nicht der geringste Zweifel darüber, daß Francesco de' Medici und Bianca Cappello eines natürlichen Todes gestorben sind; der wahre Hergang, den zahlreiche Dokumente übereinstimmend beglaubigen, steht historisch bis in die kleinsten Einzelheiten fest.

Am Morgen des 6. Oktobers fühlte der Großherzog sich mit einem Mal verstimmt und müde. Er schenkte der Unpäßlichkeit keine Beachtung und setzte seine Geschäfte und aufreibenden Vergnügungen noch zwei Tage fort, ohne irgend welche Vorsicht zu beobachten. Am Abend des 8. mußte er sich mit Fieber legen, das in den nächsten Tagen erheblich zunahm. Die Gegend um Poggio a Cajano war damals noch großenteils sumpfig, und die großen, von Francesco angelegten Reispflanzungen hatten die Malaria erst recht eingebürgert. An hygienische Rücksichten bei der Wahl eines Aufenthaltes dachte man damals nicht. Bei Francesco hatte eine unsinnige Lebensweise seit lange der Katastrophe vorgearbeitet. Er war gewohnt, große Mengen 278 aufreizender Getränke zu sich zu nehmen und die dadurch bewirkte innere Hitze durch unmäßigen Genuß von Eis und Schnee zu kühlen. Auch in der Krankheit aß und trank er durcheinander, was ihm einfiel, und wollte sich keinen ärztlichen Verordnungen fügen. Am ersten Tag konnte ihn Bianca noch pflegen und mit der großen Macht, die sie über ihn ausübte, seine Extravaganzen im Zaume halten. Aber schon in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober wurde auch sie vom Fieber befallen und mußte sich mit ähnlichen Erscheinungen niederlegen, wie sie sich beim Großherzog gezeigt hatten. Ihren Platz am Krankenlager Francescos nahm jetzt die Bentivogli ein, aber diese besaß weder die Geschicklichkeit, noch den Einfluß der Mutter und konnte beim besten Willen den eigensinnigen Patienten nicht zur Vernunft bringen. In seinem zerrütteten Organismus nahm die Krankheit einen tumultuarischen Verlauf, dem er selbst durch verkehrtes Medizinieren und fortgesetzte Diätfehler nachhalf. Am 18. trat noch eine vorübergehende Besserung ein, aber es war nur eine kurze Pause vor dem letzten Sturm. Dann kehrte das Fieber mit vermehrter Wut zurück, die Schmerzen verbreiteten sich über den ganzen Körper, er glaubte innerlich zu verbrennen. Da fühlte Francesco, daß es mit ihm zu Ende ging. Er verlangte zu beichten, schickte dann nach seinem 279 Bruder, übergab ihm die Schlüssel zur Schatzkammer und zu den Festungen und legte ihm das Geschick seiner Angehörigen – und seltsam genug, vor allem das des Don Antonio! – ans Herz. Gleich darauf begann ein schrecklicher Todeskampf, der noch volle vierzehn Stunden währte, bis Francesco de' Medici endlich am Abend des 19. Oktobers, vier Stunden nach Sonnenuntergang, den Geist aufgab.

Während der Großherzog mit dem Tode rang und man sein Brüllen und Stöhnen viele Gemächer weit hörte, ging auch Bianca im Nebenzimmer rasch der Auflösung entgegen. Sie hatte sich im Anfang ihrer Krankheit mit der Hoffnung getröstet, bald ihren Platz am Krankenbette des Gatten wieder einnehmen zu können. Aber die jähe Verschlimmerung im Befinden des Großherzogs übte einen solchen Rückschlag auf ihr eigenes, daß sie sich nicht mehr erholte. Sie hatte keine Kraft mehr zuzusetzen, denn ihr Körper war ebenso wie der des Großherzogs von langer Zeit her durch Unordnungen aller Art und besonders durch die unglückselige Kurpfuscherei zerrüttet. Die Seelenpein wirkte noch zerstörender als das körperliche Leiden. Zu der Furcht, den Gatten zu verlieren, gesellte sich das Schreckbild ihrer eigenen Zukunft. Rings um sich her erblickte sie nur verhohlene Feindschaft oder niedrigen 280 Eigennutz, der schnell genug die Fahne nach dem Winde drehen würde. Unfähig, sich zu erheben und den Mann zu pflegen, an dem ihr Dasein hing, unfähig, seine letzten Handlungen und Verfügungen zu beeinflussen, sah sie in stummer Verzweiflung das künstliche Gebäude ihres Lebens zusammenbrechen. Nicht einmal vom Bette aus konnte sie einen Schritt zu Gunsten Don Antonios unternehmen, denn die Nähe des Kardinals band ihr die Hände. Heimlich wandte sie sich an den Papst als den einzigen aufrichtigen Freund, den sie hatte. Sie ließ ihm schreiben, daß, wenn dem Großherzog etwas zustoßen sollte, ihre Person in großer Gefahr sei, worauf der Papst ihr die Zusage gab, über ihre Sicherheit wachen zu wollen und, falls es not thäte, sie zu sich nach Rom zu nehmen.

Am 19. wurde auch ihr Zustand hoffnungslos. Dem Mönch, der ihr die Sakramente reichte, trug sie noch weinend auf, ihrem Gatten zu sagen, daß ihre Krankheit durch die seinige verursacht worden und daß sie ihm stets eine treue und zärtlich liebende Gattin gewesen sei. Ferdinand, der sie aufs schonendste behandelte, hatte befohlen, ihr den Tod des Großherzogs zu verheimlichen; er selber besuchte sie noch in der Nacht und sprach ihr tröstend zu, bevor er sich mit allem Gefolge nach Florenz begab, um dort die 281 Regierung zu übernehmen. Aber dieser plötzliche Aufbruch selbst, die bestürzten Gesichter ihrer Umgebung und mehr als alles die im Nebenzimmer eingetretene Stille ließen sie ahnen, was geschehen war. – In der Villa von Poggio a Cajano befindet sich ein kleines Gelaß zu ebener Erde, das als »das Zimmer der Bianca Cappello« bezeichnet wird. Dasselbe ist durch eine schöne, mit Ornamenten aus Vögeln und Laubwerk reich geschmückte Steintreppe mit den oberen Wohnräumen verbunden. Zu dieser Treppe ließen die Aerzte am Morgen des 20. Oktobers den Leichnam Francescos herabtragen, um, unbemerkt von der Großherzogin, unten in dem kleinen Gelaß die Leichenöffnung vorzunehmen. Beim Geräusch, das durch die Wegbringung entstand, mußte bei Bianca der letzte Zweifel schwinden. Nach einem vorhandenen Bericht soll sie noch einen tiefen Seufzer ausgestoßen und zwischen den Zähnen gemurmelt haben: Jetzt bleibt nichts übrig, als daß auch ich mit meinem Herrn sterbe. Um neun Uhr morgens war sie verschieden. Es wird erzählt, daß Bianca oftmals in gesunden Tagen geäußert habe, zwischen des Großherzogs Tode und dem ihrigen dürften nur Stunden, keine Tage vergehen. Sterbend hat sie diese Worte wahr gemacht: wie sie nur einen Tag nach ihm erkrankt war, so lagen auch zwischen seinem Ende und dem ihrigen nicht mehr 282 als elf Stunden. Sie war keine volle vierzig Jahre alt geworden.

In dem kleinen Gelaß zu ebener Erde, dem ihr Name verblieben ist, wurde noch am selben Tag auch Biancas Leiche geöffnet und zwar auf Ferdinands Verfügung mit der größtmöglichen Oeffentlichkeit, in Gegenwart ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes. Das unerwartet rasche Ende Biancas gab ihm diese Vorsichtsmaßregel ein; hatte doch der wohlwollende Sixtus ihm längst gesagt, wenn einmal seine Schwägerin mit Tod abgehen sollte, so dürfe er sich auf ein häßliches Gerede gefaßt machen.

Die Sektion ergab bei beiden Gatten annähernd denselben Befund: der Großherzog hatte kaum ein gesundes inneres Organ und wäre auch ohne das Fieber dem Tode verfallen gewesen. Biancas Organismus zeigte eine ähnliche Zerrüttung und dazu noch die vorgeschrittene Wassersucht, die ihren Körper von Zeit zu Zeit aufgetrieben und dem Großherzog die Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches vorgespiegelt hatte.

Der toten Bianca widerfuhr, was die Lebende mit all ihrem diplomatischen Genie nicht von sich abzuwenden vermocht hätte. Kaum war der neue Herrscher, der soeben mit freundlichen und tröstlichen Worten ihr Sterbebett verlassen hatte, im Pitti eingerichtet, als er seine Gesinnung gegen 283 sie völlig änderte. Zwar wurde ihre Leiche noch mit demselben Gepränge, wie die des verstorbenen Großherzogs nach Florenz gebracht und auf dem nämlichen Katafalk in der Kapelle von San Lorenzo aufgebahrt. Aber während dieses vorging, trat der Umschwung ein. Auf die Frage, ob sie mit der Krone auszustellen sei, antwortete Ferdinand unwirsch: Sie hat sie lange genug getragen – und als man ihn um Weisung anging, wo sie bestattet werden solle, antwortete er kurz: Wo ihr wollt, nur nicht bei den unsrigen.

Da beeilte man sich, die Leiche der Cappello von dem großherzoglichen Katafalk herabzunehmen und von einem bloßen Leintuch umhüllt in das Massengrab im Souterrain von San Lorenzo zu werfen. Der fromme Chronist, dem diese Einzelheiten entnommen sind, schließt seinen Bericht mit den befriedigten Worten: »So kehrte schimpflich zu gemeinem Fleisch zurück, wer sich schimpflich durch das Fleisch erhöht hatte.« Dieses war der Nachruf der Florentiner an Bianca Cappello. Aber auch die Venezianer verleugneten die Tochter von San Marco in ihrem namenlosen Grabe und aus Liebedienerei gegen den neuen Souverän verboten sie der Familie, um die Verstorbene Trauer anzulegen.

Auch noch gegen ihr Andenken wütete der neue Großherzog eine Zeitlang fort, indem er ihre 284 Wappen von den öffentlichen Gebäuden, wo sie neben denen der Medici prangten, herabnehmen und durch die Johannas von Oesterreich ersetzen ließ. Der alte Haß war wieder aufgeflammt, sobald der beredte Mund der Zauberin verstummt war und nur noch ihre Thaten redeten. Aber welche waren die Thaten, die so vernichtend gegen sie zeugten? Man nimmt gemeinhin an, die Höflinge und Kreaturen des verstorbenen Großherzogs hätten im Eifer, sich die Gunst des neuen Herrschers zu sichern und um ihre früheren schlechten Dienste in Vergessenheit zu bringen, alle Schuld auf die nunmehr wehrlose Frau geworfen und durch ihre, von allen Seiten unterstützten Anklagen diesen Sturm entfacht. Schwerlich geschieht den Herren mit einer solchen Vermutung großes Unrecht. Indessen muß Ferdinand beim Einzug in seine Residenz doch noch einen triftigeren Grund zum Hasse gegen die Schwägerin vorgefunden haben, als nur das Gerede der Hofschranzen. Es lag dort seit dem Jahre 1582 ein Testament seines Bruders, worin dieser unter dem Einfluß Biancas den Don Antonio zum Nachfolger und Universalerben erklärt hatte. Das Vorhandensein dieses Testamentes, dessen Vollstreckung sie eben so wenig durchsetzen, wie sie vom Kardinal dafür Verzeihung hoffen konnte, muß es vor allem gewesen sein, was Biancas 285 letzte Lebensstunden beunruhigte. In einem öffentlichen Erlaß protestierte der Kardinal-Großherzog wütend gegen den verübten Betrug und nannte dessen Urheberin die »nichtswürdige Bianca.« –

Allein diese merkwürdige Frau erhielt auch noch im Tode den Widerstreit zwischen Zu- und Abneigung wach. Es dauerte nicht lange, so schämte sich Ferdinand seines Rachekriegs gegen einen Leichnam und nahm seine harten Maßregeln wieder zurück. Die fortgesetzten Anschwärzungen ihres Namens mochten auf sein feines Gemüt die gegenteilige Wirkung geübt haben. Um seine Uebereilung gut zu machen, erkannte er den verstoßenen Don Antonio wieder als seinen Neffen und echten Medici an. Die wunderliche Figur des Wechselbalgs schwamm wie ein Stück Kork nach allen Stürmen wieder oben. Ferdinand bestätigte ihn in seinen Gütern, sicherte ihm eine fürstliche Apanage und verschaffte ihm später die Stelle eines Großpriors von Malta. Auch Biancas Verwandte und ihre Diener wurden reichlich bedacht und ihr Testament in allen Punkten ausgeführt.

Nach allen vorhandenen Zeugnissen ist Bianca Cappello eine machtvolle Persönlichkeit gewesen. Ihre ausgeprägten Züge blicken uns noch aus den zahlreichen Briefen an, die sie hinterlassen 286 hat: die graziöse Ueberlegenheit, der durchdringende Verstand, die lächelnde Tücke. Wie sie in voller Klarheit, weit über persönliche Empfindungen und Empfindlichkeiten wegblickend, ihr Ziel verfolgte und behauptete, so steht sie nicht als Heldin eines Liebesromans, sondern als eine politische Figur vor der Nachwelt. Im Fürsten liebte und hegte sie das Werkzeug ihrer Rettung und ihres Triumphs, sie suchte seinen Nutzen und hielt ihm Treue; diese Gerechtigkeit lassen ihr auch die gehässigsten Zeugen widerfahren. Allein es fehlt ihrem Wesen der höhere Zug, der über die skrupellosen Menschen der vorangegangenen Epoche einen so versöhnenden Schimmer gießt. All ihre glänzenden Gaben dienten doch immer nur einem engen egoistischen Zweck. Als Herrscherin hat sie ihrem darbenden Land nicht eine Wohlthat hinterlassen. Die Kunst war für sie, wie für ihre ganze gealterte Zeit, nicht mehr der glühend gesuchte Ausdruck einer höheren Welt, sondern ein Luxus und äußerer Schmuck des Lebens. Wie sie selbst den Idealismus mit ihren Herzensillusionen begraben hatte, lockte sie auch aus den anderen nur die schlechten und niedrigen Eigenschaften hervor und gründete ihre Herrschaft auf die Schwächen und Laster ihrer Umgebung. Erscheinungen solcher Art sind die Schädlinge der Kultur, sie 287 verderben in weitem Umkreis alles Gesunde. Bianca Cappello hat Francescos ganze Regierungszeit mit moralischem Gifte durchsetzt, und wenn auch die Torte von Poggio a Cajano ins Reich der Fabel gehört, so läßt sich der Volksmund doch nicht Lügen strafen, der die schöne, ränkevolle Venezianerin mit dem Namen einer Giftmischerin gezeichnet hat.

 

 


 << zurück