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I.
Klara an Klairant.

Leb wohl Klairant! mein geliebter Klairant! Ach, tausendmal hab' ich mit heißen Thränen in der unglüklichen Nacht, die uns trennte, dir Lebewohl zugerufen.

Ich kann dir jezt nur einige Worte schreiben. Wir haben hier in Luxemburg auf meinen Bruder gehofft. Er ist gekommen, und hat mir versprochen, dir den Zettel zu schiken. Wir gehen – Gott weiß, wohin. Schon zehn Briefe hatte ich angefangen; immer verlöschten meine Thränen die Buchstaben wieder. Schreib unter meines Bruders Adresse. Ich habe ihm alles erzählt von der unglüklichen Nacht; er streichelte mir die Wangen, und sagte: du bist unschuldig. Das sagt auch meine Vernunft; doch, mein Herz wirft mir vor, daß ich dich verlassen habe. Ich hätte sollen standhafter seyn. Aber, mein geliebter Klairant, du kennst mich. Ich kann nicht gut etwas abschlagen, wenn man mich bittet: und wie wurde ich gebeten, mit zu reisen! O, schreib mir ja, daß du mich für unschuldig hältst; ich bin es wirklich. – »Und wer weiß, wie lange unsre Abwesenheit dauert!« sagt mein Bruder. Auch ich möchte gern so sagen; aber – mein Vater ist so freundlich, so sanft. Scheint es nicht, als ob er es dadurch wieder gut machen will, daß er mich von dir gerissen hat? Mir treten immer Thränen in die Augen, wenn er mir die Hand drükt und mich seine liebste Klara nennt. Ich sollte Besuche machen; denn jezt halten sich hier viele, mit der Revolution unzufriedene Franzosen auf. Es sind sehr unglükliche Menschen darunter, sagte mein Vater, als er diesen Vormittag wieder nach Hause kam. »Ja wohl!« dacht' ich. Das Herz wollte mir bei seinen Worten brechen; denn keiner von allen ist doch so unglüklich, wie deine Klara. Ich bin nicht ausgegangen, und habe nur an dich gedacht – das Einzige, was ich jezt thun kann. Leb wohl, leb wohl! Schreib ja, und unter der Adresse meines Bruders. Die Briefe werden uns von Luxenburg nachgeschikt. Leb wohl.

 

*

 


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