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Klara, ich habe geschworen, mit unserer Konstitution zu leben und zu sterben. – Man rief in unserm Distrikte die jungen Leute zur Vertheidigung des Vaterlandes auf. Sie standen unentschlossen, zweifelnd, da; und viele hefteten ihre Augen auf mich. Man rechnet meinen alten Oheim und meinen Vater unter die Verdächtigen. Ich ergriff die Fahne, ich rief: »es lebe die Konstitution!« und wurde Soldat. Die jungen Leute folgten mir. So rettete ich meine Verwandten von dem Verdachte des Aristokratismus, und beschirmte den Argwohn, der auf uns Allen lag, weil wir so nahe an der Gränze wohnen. Ehre, Pflicht, Menschlichkeit, selbst die Liebe, drängten mich zu diesem Schritte: denn habe ich nicht Geseze zu vertheidigen, die unser Glük gegründet haben? Nein, Klara, ich darf keine Vorwürfe von dir befürchten. Thränen wirst du wohl vergiessen, und die weine nur, meine gute Klara! Warum wollten wir allein trokne Augen bei dem Sturme behalten, der auch unser Schiksal entscheidet? – Wie? ich sollte in der Ferne muthlos zusehen, wenn Andere den Baum pflanzen, dessen Blüthen mein Haar bekränzen, dessen Frucht mich ernähren wird? Wie? Klara sollte glüklich werden, und ich ihr nicht sagen können: »das that ich! das that dein Klairant!« Feigherzig sollte ich, wenn unser Glük befestigt seyn wird, dich bei Nacht über unsere freie Gränze herüberstehlen? Nein, Klara, mit Triumph will ich dich herüber holen, mitten in den Tempel der Freiheit will ich dich stellen, und niemand soll es wagen, dir den Plaz zu verweigern, den mein Arm dir errungen hat.
Ich wurde Soldat, weil ich Klaren liebe und sie verdienen will, weil ich Sohn, weil ich Mensch, weil ich Bürger bin. Mein Vaterland und seine Verfassung, die ich beschwor, wird angegriffen. Ich zittre nicht mehr, dir zu sagen, daß wir morgen dem Feinde entgegen gehen, und daß ich bei der Avantgarde bin. Klara ist der Preis meiner Tapferkeit, Klara der Lohn, den mein Arm erfechten wird.
Meine Mutter weinte an meinem Halse, als ich in der Uniform zurükkam; aber halb waren es Thränen der Freude. Mein Vater segnete mich; selbst mein kranker Oheim strekte mir von seinem Lager beide Arme entgegen, und drükte mich billigend an seine Brust. »Du wirst von jezt an,« sagte er, »für dein Vaterland fechten, wie ich immer für sein Wohl gebetet habe. Ich glaube, mein Sohn, du hast an dein Vaterland gedacht, als du die Waffen ergriffest, und an nichts anderes. Nun denn, mein Sohn, so kann auch eine Stunde kommen, wo der für das Vaterland kämpft, der die Waffen niederlegt. Verstehst du mich? Wie, wenn die Ehrsucht Verbrechen zu Gesezen, und den Kreis ihrer Gewalt zum Vaterland machen wollte?« Er sah mich erwartend an. – Dagegen sagte ich, habe ich ja die Waffen ergriffen. – »So zieh denn hin,« rief er; »zieh hin! Dein Vaterland ruft. Ein Fremder mag mein Auge zudrüken; dich fordert das Vaterland.«
Vor meiner Abreise sprach er mich noch allein, entdekte mir den Ort, wo er sein Vermögen verborgen hatte, ernannte mich zu seinem Erben, und segnete mich mit brechender Stimme. Er winkte mir, daß ich gehen sollte. Ich warf mich an seinem Bette nieder, küßte seine wohlthätige Hand, und gieng.
Wir marschirten über Marville an der Maas nach Flandern, und auf dem Wege stiessen in den Distrikten noch mehr junge Leute zu uns. Ich wartete mit Sehnsucht auf den Tag, an welchem wir la Fayette'n vorgestellt werden sollten, und zitterte vor dem Gedanken, daß ich ihn nicht sehen möchte; denn ich war fest entschlossen, ihm meine Liebe zu dir zu entdeken, und ihn zu unserm Beschüzer zu machen. Der Zufall nahm sich meiner an. Der Deputirte, welcher uns begleitete, übergab bei unsrer Ankunft die Schriften, die uns betrafen. Der General – es war la Fayette selbst – durchlief die Briefe der verschiedenen Distrikte. Als er sie gelesen hatte, sah er uns der Reihe nach an, und rief endlich: »der Bürger Klairant aus Chatillon!« Ich trat vor. »Dein Beispiel,« sagte er lächelnd, »gab dem Vaterlande eine Anzahl Soldaten. Es ist billig, daß es dir seine Dankbarkeit beweist. Du bist der Anführer deiner Landsleute!« Er nahm mich bei der Hand, um mich ihnen vorzustellen. In dem Augenblike hörte ich kaum, was er sagte; ich fühlte, daß ich ihm von dir erzählen wollte, und doch widerstand mir, ich weiß nicht was. Es stiegen mir Thränen in die Augen. »Hast du mir etwas zu sagen, mein Sohn?« fragte er, und sah mich starr an. Ja; ich fordere Gerechtigkeit, ich fordere Menschlichkeit von meinem Vaterlande! – Er sah mich erwartend an. Ich erzählte ihm, so kurz ich konnte, meine Liebe zu Klara du Plessis, sagte ihm meinen Wunsch, für dich eine Ausnahme von dem blutigen Dekrete gegen die Ausgewanderten zu bewirken, und gab die Gründe an, um derentwillen ich die Erfüllung meines Wunsches hoffen zu können glaubte. Er antwortete mit Lächeln: »wohl, mein Sohn! Das erstemal, wenn wir Beide siegend auf dem Schlachtfelde stehen, erinnre mich wieder an deine Liebe; und ich stehe dir für die Menschlichkeit deines Vaterlandes.«
Klara, er selbst hat dich zu dem Preise eines Sieges gemacht; zweifelst du, daß ich tapfer seyn werde? – Ich mußte thun, was ich that. Deine Unruhe macht mir Kummer; aber bereuen kann ich meinen Schritt nicht. Sieh, Klara, ich habe mich von meinen Gefährten weggestohlen, und size hier in einer verfallenen Hütte in einem Gehölze; alle meine kleinen Feldhabseligkeiten sind hier um mich her ausgepakt, und ich schreibe auf einer Tonne. Da liegen alle deine Briefe vor mir – das Einzige, was mir theuer ist – voll von Spuren der Thränen, mit welchen ich sie so oft beneze. Einige Blätter Papier, die zu Briefen an dich bestimmt sind, liegen neben ihnen. Ach, ich fühle, das ich immer haushälterischer werden muß! Und wie reich bin ich dennoch! Deine Briefe, dein Bild, ein Paar Federn, einige Tropfen Tinte, einige Blätter Papier; und dann dieß volle, reiche Herz, Klara, das dich über alles liebt! –
Wir liegen in einem Walde, und haben uns Hütten von Baumzweigen gebauet; denn nur der kleinste Theils der Armee hat Zelte. Jezt, Klara, fühle ich, daß deine ahnende Liebe Recht hatte. Kann Liebe zum Vaterlande die nothwendigsten Bedürfnisse entbehren lehren – was würde nicht die Liebe zu Klaren können? Ach, denke ich oft, wenn ich in die Hütte gekrochen bin, und das Feuer an dem Eingange mich gegen den Nachtfrost schüzt: was würde dir hier mit Klaren fehlen? was bedarfst du mehr, als eines Lichtstrahls, der ihr schönes Gesicht erhellt, als eines Raumes, wo deine Arme sie umfassen können? Hier size ich in einer Hütte, welche die Eil nur für einen Tag erbauete, welche überall noch offen, überall noch schwankend ist; vor mir sind die Feinde, die mir keine Stunde anhaltenden Schlaf gönnen: und dennoch bin ich ruhig und heiter.
Ach, Klara, welch ein Zustand müßte das seyn, worin deine Umarmung, der Ton deiner Stimme, dein bloßer Anblik mich nicht fröhlich machte! Und nun, die Entscheidung unseres Schiksals ist nahe: vielleicht auf einem andern Wege, als du glaubst; aber dennoch nahe. Laß uns auch verschieden denken, Klara, so ist doch Entscheidung das, was wir Beide hoffen, woran unsre Glükseligkeit hängt; und die Zeit wird sie herbeiführen. Ich freue mich, Klara, daß du so heiter bist. Wir wollen, hoffe ich, unser Leben nicht in einer pfadlosen, menschenleeren Einsamkeit zubringen; nein, du sollst Chatillon, du sollst Pillon wiedersehen. Menschen werden Zeugen unseres Glükes seyn, und wir wollen sie lehren, daß treue Liebe die höchste Wonne der Erde ist.
Dein Bruder geht nach Flandern, schreibst du mir. Noch wissen wir nichts von einem Corps Emigrirter; uns gegenüber stehen Kaiserliche Truppen. Wohl, Klara! er streitet um Ehre, ich um Glük. Und – wenn der Himmel uns nun vielleicht darum gegen einander führte; daß einer von uns den andern retten sollte? O Klara, wie würdest du dich freuen, wenn dein Klairant den Säbel auffienge, der schon auf deines Bruders Leben gezükt war! – Er kommt nach Flandern. Seltsames Schiksal, das meinen Freund mir gegenüber stellt! Doch vielleicht ist es gerade Wohlthat, Barmherzigkeit. Klara, ich bin ein Thor; aber was würde dein Vater wohl sagen, wenn ich deinem Bruder das Leben rettete? wie würde er den Retter seines Sohnes nennen? Ach, warum sieht er dies Herz nicht, das ihm so gern durch Liebe seine Einwilligung abdränge? warum soll der Mensch erst Thaten thun, die vom Zufall abhangen, wenn er ein Herz hat, das mehr werth ist, als solche Thaten? Ich wollte mich tausendmal für du Plessis in die fliegenden Kugeln stürzen; warum fehlt es nun dem Menschen an Kraft, dem Glüke Gelegenheiten zu Thaten abzudringen? warum rührt uns manche zweideutige Handlung, und nicht das Herz, durch das sie erst mit dem Stempel des Verdienstes bezeichnet seyn muß? Sieh, so schwärmt meine Phantasie umher, bezieht alles auf dich, will den blindesten Zufall mit der Allmacht des Himmels leiten, und – Doch, was nicht Zufall ist, was nicht unter der Herrschaft der Vergänglichkeit steht, das ist dein Herz, Klara, deine Treue. Warum sollte ich Fremden etwas danken, das ich mit einer unendlich süßeren Empfindung dir allein danken kann: mein Glük, meine Ruhe, mein Leben, mein Alles!
Mein Vater hat versprochen, meine Briefe richtig nach Mainz zu schaffen, oder wohin ihr sonst gehen mögt. Ich adressire diesen an deine Lucie. Deine Briefe schike nur an meinen Vater.
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