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An diesem selben Februartage aber, in später Dämmerungsstunde, stehen zwei junge Menschen draußen am Wege und sprechen miteinander.
Der junge Mann ist vom Walde herabgefahren, mit einem großen Baumstamm, der so groß ist, daß das Pferd ihn nur mit Mühe ziehen kann. Trotzdem hat es einen langen Umweg machen müssen, damit der Baumstamm durch das Kirchdorf und an dem großen weißgestrichenen Schulhaus vorüberfahren kann.
Vor dem Schulhaus macht das Pferd Halt, und ein junges Mädchen kommt sogleich aus dem Hause, um den großen Baumstamm in Augenschein zu nehmen. Und sie wird nicht müde, ihn zu bewundern. Wie ist er lang und dick, und wie ist er gerade, und was für eine hübsche hellbraune Rinde hat er und was für schönes, festes und fehlerloses Holz!
Der junge Mann erzählt mit großem Ernst, daß er auf einer Sandebene ein gutes Stück nordwärts von der Olafsmütze gewachsen ist; er erzählt, wann er ihn gefällt hat und wie lange er schon trocken im Walde gelegen hat. Er prägt ihr genau ein, wieviele Zoll und wieviele Diameter er im Umfang mißt.
Das junge Mädchen hat Tausende und Abertausende Baumstämme den Elf hinabflößen oder die Landstraße entlangschleppen sehen; aber dieser eine Baumstamm erscheint ihr merkwürdiger als sie alle zusammen.
»Ach, Ingmar,« sagt sie, »das ist aber doch nur der erste!«
Sie denkt mit Sorgen daran, daß es fünf Jahre der Mühe und Arbeit gekostet hat, bis Ingmar so weit gekommen ist, daß er den ersten Baumstamm zu dem Holz schaffen kann, das verwendet werden soll, um ein Heim zu bauen. Wie lange wird es währen, das Haus selbst zu erbauen?
Aber Ingmar meint, daß jetzt alle Schwierigkeiten überwunden sind.
»Warte nur ein wenig, Gertrud,« sagt er. »Wenn ich nur erst das Bauholz herunterfahren kann, solange die Wege es noch erlauben, dann soll das Haus bald dastehen.«
Es fängt an, bitter kalt zu werden, da die Nacht hereinbricht. Das Pferd steht da und friert, es schüttelt den Kopf und scharrt mit dem Fuß; die Mähne und die Stirnlocke sind weiß von Reif.
Aber die beiden Jungen, die frieren wahrlich nicht. Sie stehen dort am Wege und bauen ihr Haus fertig vom Keller bis zum Boden.
Und als das Haus gebaut ist, fangen sie an, es einzurichten.
»An die lange Wand stellen wir das Sofa,« sagt Ingmar.
»Ja, aber wir haben doch kein Sofa,« sagt Gertrud.
Da beißt sich Ingmar auf die Lippen. Es war seine Absicht gewesen, ihr fürs erste noch nicht zu erzählen, daß er ein Sofa bestellt hat und daß es schon bei dem Tischler in Arbeit gegeben ist, aber jetzt hat er das Geheimnis verraten.
Da muß ihm Gertrud berichten, daß sie ihm in diesen fünf Jahren etwas verborgen hat. Sie erzählt, daß sie Haararbeiten gemacht und Bänder gewebt und sie verkauft hat, und für das Geld hat sie allerlei Hausgerät angeschafft, Kochtöpfe und Pfannen, Teller und Schüsseln, Bettücher, Federbetten und Decken.
Ingmar ist entzückt über all diese Herrlichkeit. Aber mitten in dem Aufzählen alles dieses Reichtums bricht er ab; er hat Gertrud angesehen und ist wie immer stumm vor Staunen darüber, daß ein so wunderbar schönes Mädchen wie Gertrud ihm gehören soll.
»Woran denkst du, Ingmar?« fragt Gertrud.
»Ich denke daran, daß das beste von allem doch ist, daß ich dich bekomme.«
Gertrud sagt kein Wort, sondern legt die Hand liebkosend auf den großen Baumstamm, der jetzt in die Wand des Hauses eingebaut werden soll, das ihr und Ingmars Heim sein wird. Sie weiß, daß ihrer dort Sicherheit und Glück harrt, denn der Mann, den sie heiratet, ist gut und klug, edelmütig und treu.
In diesem Augenblick sehen sie eine alte Frau in der zunehmenden Dunkelheit vorübergehen. Sie geht schnell und spricht laut mit sich selbst, als sei sie in starker Erregung.
»Ja, ja, ja,« sagt die alte Frau, »ihr Glück wird nicht länger währen als vom Tagesgrauen bis zum Sonnenaufgang. Wenn die Prüfung kommt, wird ihr Glaube zerreißen wie ein Strick, der aus Moos geflochten ist, und ihr Leben wird eine lange Finsternis sein.«
»Sie meint uns doch nicht?« sagte das junge Mädchen.
»Nein, wie sollte uns das wohl gelten,« sagt der junge Mann.