Selma Lagerlöf
Im Heiligen Lande
Selma Lagerlöf

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Baram Pascha

Die Kolonisten waren sehr froh darüber, daß sie das große, schöne, neue Haus vor dem Damaskustor hatten mieten können. Es war so groß, daß sie fast alle Platz darin hatten; nur ein paar Familien mußten sich anderswo eine Unterkunft suchen. Es war außerdem so vorzüglich eingerichtet mit seinen Dachterrassen und seinen offenen Säulengängen, die in der Sommerhitze willkommene Zufluchtsstätten bildeten. Sie konnten nicht umhin, es für eine ganz besondere Gnade von Gott zu halten, daß ein solches Haus gerade leer stand, als sie seiner bedurften. Sie sprachen oft darüber, daß sie nicht wüßten, wie sie es hätten machen sollen, um die Traulichkeit und den Zusammenhalt in der Kolonie zu schaffen, wenn sie nicht das Haus für sich bekommen hätten, sondern gezwungen gewesen wären, jeder für sich in der Stadt zu wohnen.

Dies war aber so zugegangen: Das Haus gehörte Baram Pascha, der zu jener Zeit Gouverneur von Jerusalem war; er hatte vor ungefähr drei Jahren dies große Haus für seine Frau gebaut, die er mehr als alles andere auf der Welt liebte. Er wußte nämlich, daß er ihr keine größere Freude machen konnte, als wenn er ihr dies Haus baute, wo sie mit ihrer ganzen großen Familie, mit ihren Söhnen und Schwiegertöchtern und Töchtern und deren Gatten und Kinder und dem ganzen Gesinde wohnen konnte.

Aber als dies Haus fertig geworden und Baram Pascha mit seiner ganzen Familie hineingezogen war, hatte ihn ein großes Unglück getroffen. In der ersten Woche, in der er darin wohnte, starb eine von seinen Töchtern, in der Woche darauf starb eine zweite Tochter, und in der dritten Woche starb seine geliebte Frau. Da ward Baram Pascha von tiefem Schmerz ergriffen, er zog gleich wieder fort aus seinem neuen Palast, ließ ihn schließen und schwur, daß er ihn nie wieder betreten wolle.

Seit der Zeit hatte das Haus leer gestanden, bis die Gordonisten in diesem Frühling gekommen waren und Baram Pascha gebeten hatten, es ihnen zu vermieten. Alle Leute waren sehr erstaunt darüber gewesen, daß er darauf eingegangen war, denn man glaubte, daß Baram Pascha nie wieder einen Menschen innerhalb dieser Mauern wohnen lassen wolle.

Aber als dann im Herbst die häßlichen Verleumdungen über die Gordonisten sich auszubreiten begannen, überlegten mehrere von den amerikanischen Missionaren, wie man diese, ihre Landsleute, zwingen könnte, Jerusalem zu verlassen. Sie beschlossen, zu Baram Pascha zu gehen und mit ihm über seine Mieter zu reden. Und das taten sie. Sie erzählten ihm alles das Böse, was sie von ihnen wußten, und sie fragten ihn, wie er so verachteten Menschen erlauben könne, in dem Hause zu wohnen, das er für seine Gattin gebaut hatte.

* * *

Es war an einem schönen Novembermorgen gegen acht Uhr.

Die schwere Nacht, die mit ihrer Finsternis über der Stadt gebrütet hatte, war schon gewichen, und Jerusalem war im Begriff, sein gewöhnliches Aussehen wiederzugewinnen. Am Damaskustor hatten die Bettler schon vor einer ganzen Weile ihren Platz eingenommen, und die Straßenhunde, die in der Nacht umhergestreift waren, begaben sich nun zur Tagesruhe in ihre Höhlen oder auf die Kehrichthaufen. Eine kleine Karawane hatte am Abend vorher ihr Lager dicht vor dem Tor aufgeschlagen. Sie machten sich jetzt bereit, aufzubrechen; die Führer befestigten die Warenballen auf den knienden Kamelen, die brüllten, als sie die schwere Last auf dem Rücken fühlten. Draußen auf der Landstraße kamen Bauern, die mit großen Körben voller Gemüse in die Stadt eilten. Von dem Berge herab kamen Hirten und wanderten feierlich durch die Torwölbung, gefolgt von großen Schafherden, die geschlachtet werden, und von Ziegen, die gemolken werden sollten.

Gerade als das erste Morgengedränge im Tor herrschte, kam ein alter Mann auf einem hübschen, weißen Esel geritten. Er war prachtvoll gekleidet; er trug ein Untergewand von weichem, gestreiftem Seidenstoff und darüber einen fußfreien Kaftan von hellblauem Brokat, mit Pelzwerk verbrämt. Sowohl sein Turban als auch sein Gürtel waren mit reichen Stickereien von goldfarbiger Seide geschmückt. Sein Antlitz war sicher einstmals schön und ehrfurchtgebietend gewesen. Jetzt hatte das Alter ihm seinen Stempel aufgedrückt: die Augen trieften, der Mund war eingefallen, und der weiße Bart hing struppig und leblos herab und war an den Spitzen vergilbt.

Alle, die durch das Tor wimmelten, sahen ihm erstaunt nach und fragten einander: »Warum reitet Baram Pascha durch das Damaskustor auf die Straße hinauf, die er seit drei Jahren nicht mehr hat sehen wollen?«

Andere fragten: »Will Baram Pascha hinausreiten, um sich nach seinem Hause umzusehen, das er nie wieder zu betreten geschworen hat?«

Während Baram Pascha durch das Volksgedränge am Tor ritt, sagte er zu seinem Diener Machmud, der ihm folgte: »Hörst du, Machmud, daß alle diese Menschen, denen wir begegnen, sich wundern und einander fragen: was hat dies zu bedeuten, will Baram Pascha nach seinem Hause hinausreiten, das er seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat?«

Und sein Diener antwortete, er habe wohl gehört, daß die Leute sich wunderten.

Da sagte Baram Pascha in großem Zorn: »Glauben sie denn, daß ich so alt bin, daß man mit mir tun kann, was man will? Glauben sie, daß ich mich darein finden werde, daß diese Fremden ein schändliches Leben in dem Hause führen, das ich für meine Gattin gebaut habe, die eine gute und fromme Frau war?«

Baram Paschas Diener versuchte, seinen Zorn zu mildern, und sagte zu ihm: »Herr, du vergißt, daß es nicht das erstemal ist, daß die Christen einander verleumden.«

Baram Pascha erhob den Arm in seinem Zorn und rief aus: »Flötenbläser und Tänzerinnen haben ihre Zufluchtsstätte in dem Hause, in dem meine Lieben starben! Der Tag soll nicht zu Ende gehen, ehe diese Missetäter aus meinem Hause vertrieben sind.«

Kaum hatte der alte Pascha diese Worte gesagt, als ihm und seinem Diener eine Schar Schulkinder begegnete, die zu zwei und zwei in raschem Schritt näher kamen. Und als der Pascha sie sah, fiel es ihm auf, wie wenig sie allen den andern Kindern glichen, die sich auf den Straßen von Jerusalem herumtummelten; denn sie waren rein gewaschen, sie hatten helle Kleider und starke Schuhe, und ihr Haar war blond und glatt gekämmt.

Baram Pascha hielt seinen Esel an und sagte zu seinem Diener: »Gehe hin und frage sie, wer sie sind.«

Aber sein Diener antwortete: »Ich brauche nicht zu fragen, wer sie sind. Denn ich sehe sie jeden Tag. Es sind die Kinder der Gordonisten, und sie sind auf dem Wege nach der Schule, die ihre Leute in der Stadt in dem alten Hause errichtet haben, in dem sie wohnten, ehe sie dies, dein großes Haus gemietet hatten.«

Während der Pascha noch still stand und den Kindern nachsah, kamen zwei Männer, die auch zu der Kolonie gehörten, mit einer Karre geschoben, in der die kleinsten Schulkinder saßen, die nicht Kräfte genug hatten, den langen Weg in die Stadt zu machen. Und der Pascha sah, daß die Kleinen in die Hände klatschten, vor Freude darüber, fahren zu dürfen. Und die, die sie zogen, lachten ihnen zu und liefen schneller, um sie zu erfreuen.

Da faßte der Diener Mut und sagte: »Glaubst du nicht auch, Herr, daß diese Kinder gute Eltern haben müssen?«

Aber Baram Pascha war ein alter Mann und unerschütterlich in seinem Zorn, wie es alte Leute zu sein pflegen. »Ich habe gehört, was ihre eigenen Landsleute von ihnen erzählen«, sagte er. »Und ich sage dir, ehe es Abend wird, sollen sie aus meinem Hause vertrieben sein.«

Als Baram Pascha wieder eine Strecke geritten war, begegnete er einer Schar Frauen in europäischer Kleidung, die nach der Stadt gingen. Sie gingen sehr still und ehrbar, ihre Kleider waren einfach, und in den Händen trugen sie schwere, wohlgefüllte Körbe.

Der Pascha wandte sich an seinen Diener und sagte zu ihm: »Gehe hin und frage sie, wer sie sind.«

Und der Diener antwortete: »Ich brauche sie nicht zu fragen, Herr, denn ich begegne ihnen jeden Tag. Es sind die Frauen der Gordonisten, die mit Heilmitteln und Speisen nach Jerusalem gehen, um den Kranken zu helfen, die zu schwach sind, um nach der Kolonie herauszukommen und dort Hilfe zu suchen.«

Baram Pascha antwortete: »Und wenn sie ihre Sünden mit Engelsflügeln verdeckten, so will ich sie dennoch aus meinem Hause herausjagen.«

Er ritt weiter auf das große Haus zu. Und als er sich ihm näherte, vernahm er ein Summen von vielen Stimmen, und hin und wieder einen lauten Schrei.

Er wandte sich zu seinem Diener und sagte: »Höre, wie ihre Spielleute und Tänzerinnen in meinem Hause lärmen.«

Aber als er um die Ecke bog, sah er eine Menge Menschen, Kranke und mit Wunden bedeckte, zusammengekauert vor dem Eingang des Hauses sitzen. Sie sprachen miteinander über ihre Leiden, und einige von ihnen stießen Schmerzensschreie aus.

Und Machmud, sein Diener, faßte sich ein Herz und sagte: »Hier siehst du die Spielleute und Tänzerinnen, die du in deinem Hause hast lärmen hören. Diese Menschen kommen jeden Tag hier hinaus, um Rat bei den Ärzten der Gordonisten zu holen, und sich von ihren Krankenpflegerinnen verbinden zu lassen.«

Baram Pascha erwiderte: »Ich sehe, daß diese Gordonisten dich betört haben, aber ich bin zu alt, um mich von ihren Lügen betören zu lassen. Ich sage dir, hätte ich die Macht dazu, so hängte ich sie alle miteinander an dem Gesims rings um mein Haus herum auf.«

Und Baram Pascha war noch in großer Erregung, als er von seinem Esel stieg und die Treppe hinaufging.

Als der alte Mann auf den Hof kam, trat ihm eine große, stolze Frau entgegen und begrüßte ihn. Ihr Haar war weiß, obwohl sie nicht älter als vierzig Jahre sein mochte. Ihr Antlitz war gebieterisch und klug, und obwohl sie nur ein einfaches, schwarzes Gewand trug, war es nicht schwer, zu sehen, daß sie gewohnt war, über viele Menschen zu gebieten.

Baram Pascha wandte sich an Machmud und sagte zu ihm:

»Diese Frau sieht so klug und so gut aus wie die Gattin des Propheten Kadidscha. Was hat sie in diesem Hause zu tun?«

Und Machmud, sein Diener, antwortete: »Es ist Mrs. Gordon, die die Kolonie geleitet hat, seit ihr Mann vor einem halben Jahre starb.«

Da brauste der Zorn des alten Mannes von neuem auf, und er sagte mit harter Stimme zu Machmud: »Du sollst zu ihr sagen, daß ich gekommen bin, um sie aus meinem Hause zu vertreiben.«

Aber sein Diener sagte zu ihm: »Will der gerechte Baram Pascha diese Christen vertreiben, ehe er selbst ihre Verbrechen gesehen hat? Wäre es nicht besser, Herr, du sagtest zu dieser Frau: Ich bin hierher gekommen, um mein Haus zu besehen? Und wenn du dann findest, daß sie so leben, wie dir die Missionare erzählt haben, dann sage zu ihr: Du sollst dies Haus verlassen, denn an dem Ort, wo meine Lieben gestorben sind, darf nichts Schlechtes betrieben werden.«

Da erwiderte Baram Pascha: »Du sollst ihr sagen, daß ich mein Haus besehen will.«

Machmud sagte dies zu Mrs. Gordon, und sie antwortete: »Es ist uns eine Freude, Baram Pascha zu zeigen, wie wir uns in diesem Palast eingerichtet haben.«

Darauf sandte Mrs. Gordon einen Boten zu der jungen Miß Young, die seit ihrer Kindheit in Jerusalem gewohnt hatte und arabisch wie eine Eingeborene sprechen konnte, und bat sie, Baram Pascha umherzuführen. Baram Pascha nahm den Arm seines Dieners Machmud und ging mit ihr. Und da er verlangte, das ganze Haus zu sehen, führte ihn Miß Young zuerst in den Keller, wo die Wäscherei eingerichtet war. Hier zeigte sie ihm mit Stolz die großen Haufen frisch gewaschener Wäsche, die prächtigen, großen Waschkessel und Kübel und die fleißigen Arbeiterinnen, die an den Waschzubern und Bügelbrettern beschäftigt waren.

Daneben lag die Bäckerei. Und Miß Young sagte zu Baram Pascha: »Sehet, welch einen prächtigen Backofen dort unsere Brüder für uns gebaut haben! Und sehet, welch vortreffliches Brot wir backen können.«

Aus der Bäckerei führte sie ihn in die Tischlerwerkstatt, wo ein alter Mann stand und arbeitete, und Miß Young zeigte Baram Pascha einige einfache Stühle und Tische, die in der Tischlerei angefertigt waren.

»Ach, Machmud, diese Menschen sind mir sicher zu schlau«, sagte der alte Pascha auf türkisch, denn er nahm an, daß Miß Young das nicht verstand. »Sie haben die Gefahr geahnt, sie haben Spione ausgesandt, die ihnen mein Kommen gemeldet haben. Ich habe erwartet, sie am Trinktisch und mit dem Würfelbecher vorzufinden. Und ich finde sie alle bei der Arbeit.«

Baram Pascha wurde durch die Küche und die Nähstube geführt und kam darauf in ein Zimmer, dessen Tür man mit einer gewissen Feierlichkeit öffnete. Es war die Webstube, wo die Webstühle klapperten und wo zugleich die Spinnrocken und die Wollkämme in Tätigkeit waren.

Da faßte sich Baram Paschas Diener ein Herz und bat seinen Herrn, diesen harten, starken Stoff zu betrachten, der hier angefertigt wurde. »Oh,« sagte er, »dies sind keine leichten Stoffe für Tänzerinnen oder luftige Gewänder für leichtfertige Jungfrauen.«

Aber Baram Pascha schwieg und ging weiter. Überall, wohin er kam, sah er Menschen mit klugen, ehrlichen Gesichtern. Alle saßen schweigend und ernsthaft bei ihrer Arbeit, aber wenn er eintrat, erhellte ein freundliches Lächeln ihre Gesichter.

»Ich erzähle ihnen,« sagte Miß Young zu Baram Pascha, »daß Ihr der gute Gouverneur seid, der uns erlaubt hat, dies prächtige, große Haus zu mieten, und sie bitten mich, Euch zu danken, weil Ihr so gut gegen uns gewesen seid.«

Aber Baram Pascha hatte während dieser ganzen Zeit den barschen und harten Ausdruck in seinem Gesicht und antwortete Miß Young mit keinem einzigen Wort. Und sie fing an, bange zu werden, und dachte bei sich: »Warum spricht er nicht mit mir? Trägt er Böses gegen uns im Schilde?«

Sie führte den Pascha in die langen, schmalen Speisesäle, wo man im Begriff war, die Tischtücher von dem Tisch zu nehmen und nach der Morgenmahlzeit abzuwaschen. Auch hier sah er nichts als die größte Ordnung und Einfachheit.

Aber sein Diener Machmud faßte sich noch einmal ein Herz und sagte zu ihm: »Oh, wie sollte es möglich sein, daß diese Menschen, die ihr eigenes Brot backen und ihre eigenen Kleider nähen, sich des Nachts in Flötenspieler und Tanzerinnen verwandeln sollten!«

Baram Pascha konnte ihm nichts erwidern.

Und der Pascha ging durch alle Zimmer in seinem Hause. Er kam an den großen Schlafsaal der unverheirateten Männer mit den einfachen, frisch gemachten Betten. Er kam in die Zimmer der verschiedenen Familien, wo Eltern und Kinder beieinander wohnten. Überall fand er weißgescheuerte Fußböden, weiße Bettumhänge, hübsche Möbel aus hellgestrichenem Holz mit gewürfelten Baumwollüberzügen und selbstgewebten Teppichen.

Aber Baram Paschas Antlitz ward immer finsterer, und er sagte zu Machmud: »Diese Christen sind mir zu schlau. Sie haben es zu gut verstanden, ihr sündiges Leben zu verbergen. Ich habe erwartet, die Fußböden mit Zigarrenasche und Fruchtschalen bestreut zu sehen; ich glaubte, ich würde die Frauen eifrig schwatzend dasitzen sehen, während sie ihre Wasserpfeife rauchten oder ihre Nägel bemalten.«

Schließlich stieg er die blendend weiße Marmortreppe zu dem großen Versammlungssaal hinauf. Dies war der große Empfangssaal des Paschas gewesen; jetzt war der Saal auf amerikanische Weise mit Gruppen von bequemen Stühlen um die Tische herum eingerichtet, mit Büchern und Zeitschriften, mit einem Klavier und einer Orgel, und mit Photographien hier und da an den hellgetünchten Wänden.

Hier trat ihnen Mrs. Gordon wieder entgegen, und Baram Pascha sagte zu seinem Diener: »Sage ihr, daß sie und ihre Anhänger noch vor Abend dieses Haus verlassen sollen.«

Aber Machmud, Baram Paschas Diener, erwiderte: »Herr, die eine von diesen Frauen kann deine Sprache reden, laß sie deinen Willen aus deinem eigenen Munde hören.«

Da hob Baram Pascha den Blick und richtete ihn auf Miß Young, und sie begegnete seinem Blick mit einem milden Lächeln. Und Baram Pascha wandte sich von ihr ab und sagte zu seinem Diener: »Ich habe noch nie ein Gesicht gesehen, dem der Allmächtige größere Reinheit und Schönheit verliehen hat. Ich kann ihr nicht sagen, daß sie und ihre Freunde sich der Sünde und dem liederlichen Lebenswandel hingeben.«

Und Baram Pascha sank auf einen Stuhl nieder und verbarg sein Antlitz in den Händen, während er sich klarzumachen suchte, was wahr sei, das, was er gehört hatte, oder das, was er gesehen hatte.

Im selben Augenblick tat sich die Tür leise auf, und ein alter, armer Pilger trat in den Saal. Er hatte einen abgetragenen grauen Mantel um, und seine Beine waren mit Lumpen umwickelt. Auf dem Kopf trug er einen schmutzigen Turban, dessen grüne Farbe ihn als einen Nachkommen des Propheten bezeichnete.

Ohne den Pascha zu beachten, ging der Mann hin und setzte sich auf einen Stuhl, ein wenig entfernt von den andern. Man ließ ihn gewähren, ohne nach seinem Begehren zu fragen.

»Wer ist dieser Mann, und was will er hier?« fragte Baram Pascha, indem er sich an Miß Young wandte.

»Wir kennen ihn nicht,« antwortete Miß Young, »er ist noch niemals hier gewesen. Ihr müßt es nicht übelnehmen, daß er hier hereinkommt, unser Haus steht jedem offen, der Zuflucht bei uns suchen will.«

»Machmud,« sagte der Pascha zu seinem Diener, »gehe hin und frage diesen Pilger, der ein Nachkomme des Propheten ist, was er bei diesen Christen zu schaffen hat.«

Machmud führte seinen Auftrag aus, und kehrte zu dem Pascha zurück.

»Er antwortet dir, daß er hier nichts zu schaffen hat, aber er will nicht vorübergehen, ohne hier einzutreten, weil geschrieben stehet: lasse nicht deine Füße sündigen, indem du an der Wohnung des Gerechten vorüber gehst.«

Baram Pascha saß eine lange Weile stumm da.

»Du hast sicher nicht recht gehört«, sagte er wieder zu seinem Diener. »Frage ihn noch einmal, was er hier in diesem Hause zu schaffen hat.«

Machmud ging und kehrte zurück. Er wiederholte dieselbe Antwort, Wort für Wort.

»Dann laß uns Gott danken, Machmud,« sagte Baram Pascha still, »daß er diesen Mann gesandt hat, um uns aufzuklären. Er hat seinen Fuß hierher gelenkt, damit meine Augen der Wahrheit geöffnet werden. Wir wollen jetzt heimreiten, mein Freund Machmud, und ich will diese Christen nicht aus ihrem Hause vertreiben.«

Kurz darauf ritt Baram Pascha von der Kolonie fort, aber eine Stunde später kehrte Machmud zurück, und führte den weißen Esel des Paschas am Zügel. Er brachte ihn den Kolonisten als Geschenk von Baram Pascha mit dem Gruß, daß er wünsche, er möge verwendet werden, um die kleinen Kinder des Morgens zur Schule zu fahren.



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