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Donnerstag, 28. April.
Als die Wildgänse dem Gänsemädchen Aase und dem kleinen Mads über den Hjelmarn geholfen hatten, flogen sie geradewegs gen Norden bis sie nach Vestmanland hineingelangten. Dort ließen sie sich auf einem der großen Felder im Fellingsbroer Kirchspiel nieder, um auszuruhen und zu fressen.
Niels Holgersen war auch hungrig, schaute aber vergeblich nach etwas Eßbarem aus. Während er dastand und sich nach allen Seiten umsah, entdeckte er auf dem benachbarten Felde ein Paar Männer, die pflügten. Plötzlich ließen sie die Pflüge stehen und setzten sich hin, um Frühstück zu essen. Der Junge lief hinter ihnen drein und schlich sich hinter die beiden Männer. Es war ja nicht unmöglich, daß er einige Brotkrumen oder eine Kruste finden würde, wenn sie fertig waren.
An dem Felde entlang ging ein Weg, und auf dem kam ein alter Mann gegangen. Als er die beiden Pflüger sah, blieb er stehen, kroch über den Zaun und ging zu ihnen heran. »Ich wollte auch gerade frühstücken,« sagte er, nahm seinen Ranzen ab und holte Brot und Butter heraus. »Es ist schön, daß ich nicht allein am Grabenrande zu sitzen brauche,« fuhr er fort. Und dann geriet er in Unterhaltung mit den beiden Pflügern, und sie erfuhren bald, daß er ein Grubenarbeiter aus Norberg war. Jetzt arbeitete er nicht mehr. Er war zu alt, um auf den Grubenleitern auf und nieder zu klettern, aber er wohnte noch in einem Häuschen in der Nähe der Grube. Er hatte eine Tochter in Fellingsbro verheiratet; die hatte er eben besucht, und sie wollte, daß er zu ihr ziehen sollte, aber dazu konnte er sich nicht entschließen.
»Ihr findet also, daß es hier nicht schön ist wie in Norberg?« fragten die Bauern mit einem Lächeln, denn sie wußten ja, daß Fellingsbro eines der größten und reichsten Kirchspiele in der Gegend ist.
»Wie könnte ich es wohl ertragen, in so einer Ebene zu wohnen,« sagte der Alte und machte eine abwehrende Handbewegung, als sei das etwas ganz Undenkbares. Und dann fingen sie in aller Freundschaft an, sich darüber zu streiten, wo in Vestmanland es am schönsten zu wohnen sei. Der eine von den Landleuten war in Fellingsbro geboren und er redete der Ebene das Wort, der andere aber war aus der Vesteraaser Gegend, und er fand, daß die Ufer des Mälars mit ihren bewaldeten Inseln und schönen Landzungen der beste Teil der Gegend sei. Der Alte wollte sich aber nicht überzeugen lassen, und um es ihnen einleuchtend zu machen, daß er recht habe, bat er, ob er ihnen nicht eine Geschichte erzählen dürfe, die er in seiner Jugend von alten Leuten gehört hatte: »Hier in Vestmanland wohnte vor langen Jahren eine alte Frau aus dem Riesengeschlecht; sie war so reich, daß die ganze Gegend ihr gehörte. Sie hatte alles, war ihr Herz nur begehren konnte, und doch lebte sie in großer Sorge, denn sie wußte nicht, wie sie ihren Besitz unter ihre drei Söhne teilen sollte.
Die Sache war die, daß sie sich nicht soviel aus den beiden ältesten Söhnen machte, der jüngste aber war ihr Augapfel. Sie gönnte ihm das beste Erbteil, aber gleichzeitig fürchtete sie, daß Unfriede zwischen ihm und seinen Brüdern entstehen könne, wenn sie entdeckten, daß sie nicht gleichmäßig zwischen ihnen geteilt hatte.
Und dann eines Tages fühlte sie, daß sie dem Tode so nahe war, daß sie keine Zeit mehr hatte, sich länger zu bedenken. Da rief sie alle ihre drei Söhne zu sich und sprach mit ihnen über die Erbschaft.
»Nun habe ich meinen ganzen Besitz in drei Teile geteilt, zwischen denen ihr wählen könnt,« sagte sie. »Zu dem einen Teil habe ich alle meine Eichenhügel und bewaldeten Inseln und blühenden Wiesen gelegt, und das alles habe ich um den Mälar herum vereint. Wer das Teil wählt, bekommt gute Weide für Schafe und Kühe auf den Strandwiesen und auf den Inseln kann er sich Laub zu Winterfutter holen, wenn er dort nicht Gärtnerei betreiben will. Eine Menge Buchten schneiden dort in das Land ein, so daß da gute Gelegenheit zu Frachtfahrt und allerlei Verkehr ist. Wo die Bäche in den See münden, bekommt er gute Hafenplätze, so daß ich glaube, es werden sich dort auf seinem Gebiet Städte und Dörfer erheben. Und auch an Ackerland wird es ihm nicht fehlen, obwohl das Land so zerstreut liegt. Es ist nur gut, daß seine Söhne sich von Anfang daran gewöhnen, von einer Insel zur anderen zu ziehen, denn das wird sie zu guten Seeleuten machen, die nach fremden Ländern fahren und Reichtümer heimbringen werden. Ja, das war das erste Teil. Was sagt ihr dazu?«
Alle Söhne waren sich einig darin, daß dies Teil ausgezeichnet sei und daß, wer es erhielte, sich glücklich preisen könne.
»Ja, an dem Teil ist nichts auszusetzen,« sagte die alte Riesenfrau, »und auch das zweite ist nicht übel. Darin habe ich alles das vereint, was ich an ebenem Erdboden und freiem Felde besitze und habe es von der Mälargend bis nach Dalarna hinaufgelegt. Wer das Teil wählt, wird es, glaube ich, nicht bereuen. Er kann so viel Korn bauen, wie er will und sich große Häuser bauen, und weder er noch seine Nachkommen brauchen sich auch nur eine Stunde Sorge um ihr Auskommen zu machen. Damit die Ebene nicht sumpfig wird, habe ich große Gräben quer durch sie hindurchgezogen, und darin ist hier und da ein Wasserfall, an dem Mühlen und Hammerwerke gebaut werden können. Und an den Gräben entlang habe ich Kieshügel aufgetragen, auf denen Wald zu Brennholz wachsen kann. Ja, das ist das zweite Teil, und ich meine, wer das bekommt, hat allen Grund, zufrieden zu sein.«
Darin stimmten alle drei Söhne mit ihr überein, und sie dankten ihr, daß sie es so gut für sie geordnet hatte.
»Ich habe es gern so gut wie möglich machen wollen,« sagte die Alte, »aber nun komme ich zu dem, was mir am meisten Sorge bereitet hat. Denn, seht ihr, als ich alle meine Haine und Weiden für das eine Teil genommen hatte und die frisch bestellten Gegenden für das andere, entdeckte ich, daß ich in meinem Besitz nur noch Fichtenhügel und Tannenwälder und Bergrücken und Felsenufer und Granitklippen und magere Wacholdergestrüppe und elende Birkengehölze und kleine Seen hatte. Und daß sich dazu niemand von euch freuen würde, konnte ich ja begreifen. Trotzdem habe ich all den Plunder zusammengesammelt und ihn hier nördlich und westlich von der Ebene hingelegt. Aber ich fürchte, daß der, der dies Teil wählt, nichts weiter als Armut zu erwarten hat. Schafe und Ziegen werden den ganzen Viehbestand bilden, den er halten kann, und er wird wohl auf die See hinausgehen müssen, um zu fischen oder in den Wald auf Jagd, um sich Nahrung zu schaffen. Da sind freilich eine Menge Gießbäche und Wasserfälle, so daß sich da vielleicht so viele Mühlen bauen ließen, wie er Lust hat, aber ich fürchte, er wird nicht viel anderes als Baumrinde darauf zu mahlen haben. Und sehr beschwerlich bekommt er es mit Wölfen und Bären, denn die werden sicher in der Wildnis hausen. Ja, das ist das dritte Teil. Ich weiß wohl, daß es nicht mit den anderen verglichen werden kann, und wäre ich nicht so alt, so würde ich die Teilung noch einmal vornehmen, aber das ist unmöglich. Und nun habe ich keine Ruhe in meiner letzten Stunde, weil ich nicht weiß, wem von euch ich das geringste Teil geben soll. Ihr seid alle drei gute Söhne gewesen, und es ist schwer, ungerecht gegen einen von euch zu sein.«
Nachdem die alte Riesenfrau sie mit dem Stand der Dinge vertraut gemacht hatte, sah sie die Söhne bekümmert an. Diesmal sagten sie nicht, so wie früher, daß sie gerecht geteilt und gut für sie gesorgt habe. Sie standen stumm da, und es war leicht zu sehen, daß derjenige von ihnen, der das letzte Teil bekam, unzufrieden sein würde.
Ja, da lag die alte Mutter und war voller Sorgen, und die Söhne konnten sehen, daß sie alle Qualen des Todes schon im voraus kostete, weil sie das Erbe unter sie verteilen mußte und nicht wußte, wen von den Söhnen sie unglücklich machen sollte, indem sie ihm das geringste Teil zusprach.
Der jüngste aber liebte seine Mutter am innigsten, und er konnte es nicht ertragen, zu sehen, wie sie sich quälte. Er sagte: »Ihr sollt Euch um dieser Sache willen keine Sorge mehr machen, Mutter! Legt Euch nur hin und sterbt in Frieden! Das schlechte Teil könnt Ihr mir schenken. Ich werde mir Mühe geben, mich redlich darauf durchzuschlagen, und wie es auch gehen mag, ich werde Euch nicht zürnen, weil die anderen es besser haben als ich.«
Sobald er das gesagt hatte, wurde die Mutter ruhig und sie dankte ihm und lobte ihn. Die anderen Teile zu bestimmen, machte ihr keine Schwierigkeiten, denn sie waren fast gleich gut.
Als alles geordnet war, dankte die Alte dem jüngsten Sohn noch einmal und sagte, sie habe erwartet, daß gerade er ihr helfen werde. Und sie bat ihn, wenn er in seine Wildnis hinaufkomme, der großen Liebe zu gedenken, die sie für ihn gehegt hatte.
Damit schloß sie ihre Augen und starb, und als die Brüder sie in die Erde gebettet hatten, gingen sie alle drei hin, um ihr Besitztum anzusehen. Und die beiden ältesten konnten ja nur froh und zufrieden sein.
Der dritte ging in seine Wildnis hinauf, und er sah, daß die Mutter wahr geredet hatte, und daß sein Besitz in der Hauptsache aus Bergabhängen und kleinen Seen bestand. Aber er konnte deutlich erkennen, daß die Mutter mit Liebe seiner gedacht, als sie dies Teil für ihn zurechtlegte, denn obwohl sie nichts weiter als Plunder übrig gehabt hatte, war es doch so geordnet, daß man sich kein schöneres Land denken konnte. Stellenweise war es rauh und wild, schön war es aber trotzdem. Es tat ihm wohl, das zu sehen, aber froh war er doch nicht.
Nach und nach aber bemerkte er, daß der Felsgrund hier und da ein wunderliches Aussehen hatte. Und als er genauer zusah, entdeckte er, daß er fast überall mit Erzadern durchwachsen war. Es war hauptsächlich Eisen, aber es fand sich auch reichlich Kupfer und Silber dort oben auf seinem Besitz. Er ahnte, daß er größere Reichtümer bekommen hatte, als einer der Brüder, und allmählich wurde es ihm klar, daß seine alte Mutter doch eine Absicht mit der Erbteilung gehabt hatte.