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Washington und Franklin

Washington. Ein frohes Wiedersehen, mein Freund Benjamin! Ich glaube, ich sah dich nie bei besserer Gesundheit; Paris scheint dich nicht einen Tag älter gemacht zu haben. Ich hoffe, die zwei Jahre, die du dort in unserem Interesse verlebtest, sind für dich ebenso angenehm gewesen, als sie deinem Vaterlande nützlich waren.

Franklin. Sie sind mir angenehm genug verlaufen, aber auch nicht ganz ohne Sorge, wie du dir denken kannst. Immerhin danke ich Gott, daß dieses alles hinter mir liegt.

Washington. Ja, Benjamin, wir wollen dem Lenker der Geschicke danken, durch dessen Gnade unser Kongreß die Angelegenheiten von Amerika mit Festigkeit, Weisheit und Ausdauer endlich zu glorreichem Ende geführt hat.

Franklin. Vergiß nicht deines eigenen Verdienstes zu gedenken; du hast vielleicht das Beste dabei getan.

Washington. Der Meinung bin ich nicht; wäre ich es, so brauchte ich es vor dir nicht zu verhehlen, wenn ich es auch niemand anders zugeben würde. Nimm an, ich bin in der Auswahl meiner Maßnahmen glücklich gewesen, dann hat eben der Kongreß eine glückliche Hand gehabt, indem er mich auswählte. So trifft mich jegliches Lob, das man mir zubilligt, im besten Falle erst in zweiter Linie.

Franklin. Ich glaube nicht, daß die ganze übrige Welt sich so vieler vernünftig denkender Männer rühmen kann, als Neu-England. Sie sind ernst, fromm, friedfertig, unbedingt gerecht und mutig; sie verschwenden ihr Denkvermögen nicht im Bereich der Phantasie, noch an die verzweifelten Wagnisse neuentdeckter nebelhafter metaphysischer Sätze, sondern halten es als sparsame Hausväter fest in der Hand, jederzeit bereit, es bei der ersten Forderung, die an sie herantritt, in gutem und unverbrauchtem Zustand dem allgemeinen Wohl zur Verfügung zu stellen. Ihre Vorfahren haben Güter, Familien und Vaterland verlassen, um in Frieden und Freiheit zu leben; und sie selbst waren entschlossen, lieber die unendlichen Wildnisse eines unerforschten Erdteils zu durchwandern, als der sittlichen Erniedrigung zu verfallen, welche der einzige Zustand ist, der sich mit den Launen des Despotismus verträgt. Ihr Ernst hat sich in Begeisterung verwandelt; auch die, welche selbst als Kinder in Rede oder Ausdruck kein Zeichen der Bewunderung von sich gaben, preisen als Männer und Greise in lauten Worten deine Heldentaten.

Washington. Benjamin, man könnte meinen, wir seien beide an Höfen erzogen; ich sei ein Mann, der die Macht hat, zu geben, und du seist ein Mann, der sich nicht scheut, zu bitten. Ich beschwöre dich, mein Freund, sei nicht nur Philosoph über deinen Büchern und Retorten; und da es dir gelungen ist, Wolken und Blitze zu meistern, so versuche auch deiner Einbildungskraft Herr zu werden. Bei meinem Gewissen, ich weiß nicht, was ich Außerordentliches getan habe; es sei denn, daß wir es nach den Beispielen, an die wir gewöhnt sind, als etwas Außerordentliches anerkennen müssen, wenn ein Mann, der die Macht in Händen hält, ehrlich bleibt. Es mag so sein; aber in meinem Fall hoben sich Leistung und Gegenleistung auf; die Dienste, die ich meinem Vaterland erwies, haben alle Bedürfnisse meines Herzens befriedigt. Vielleicht bin ich nicht so glücklich, wie der Mensch, der seine Pfeife auf der Bank vor dem Wirtshaus raucht; aber ich bin doch so glücklich, als mein träges Blut es zuläßt, und die Temperatur meines Glückes bleibt sich das ganze Jahr hindurch gleich, weil ich es hinter den doppelten Fenstern der Arbeit und Rechtschaffenheit verwahrt halte.

Franklin. Ich bestreite nicht, daß es vor dir Feldherrn gegeben hat, die ihre Armee mit gleichem Geschick in die Schlacht geführt haben wie du – ein Verdienst, das in vielen Fällen ebenso sehr vom Gegner abhängt, als von dem Feldherrn selbst; aber ich behaupte, kein Mann vor dir hat sein Geschäft so gründlich gekannt und beherrscht wie du, keiner hat seine Streitkräfte so oft und so erfolgreich vor drohendem Verderben bewahrt und sich zugleich so umsichtig und so wagemutig gezeigt. Daß du die Hälfte deiner Truppen unter den Augen des Feindes impfen ließest –

Washington. Groß sind die Taten, welche eine große Berechnung erfordern und Erfolg haben, weil die Berechnung richtig war; groß genannt aber werden fast nur die Taten, welche ohne jede Berechnung glücken. Ich kannte die Nachlässigkeit des britischen Generals, seine vollständige Unkenntnis in bezug auf seinen Beruf, seine Neigung zum Spielen, zum Trinken, kurz gesagt, zu allen Lastern des Feldlagers. Ich sorgte dafür, daß ihm an dem Tage, wo meine Armee durch ihre Krankheit am kampfunfähigsten war, die Nachricht hinterbracht wurde, ich sei willens, ihn anzugreifen. Statt mir zuvorzukommen – was ein geschickterer Mann auf eine so gut verbürgte Nachricht hin unfehlbar getan hätte – hielt er seine Truppen ununterbrochen in Schlachtbereitschaft und soll selbst drei ganze Tage hintereinander nüchtern gewesen sein. Das Geld, welches er dazu hätte verwenden sollen, zuverlässige und notwendige Nachrichten zu erhalten, verlor er bei den Karten; und als er hörte, daß ich es gewagt hatte, meine Armee impfen zu lassen, und daß die Soldaten genesen seien, da dachte er nicht entfernt daran, daß bei der Hälfte meiner Leute das Uebel zur selben Stunde seinen Höhepunkt erreicht hatte. Du mußt einen großen Teil unseres Erfolges dem Umstand zuschreiben, daß England sich in einem Punkte seiner Politik immer treu bleibt: aus den politischen Drahtziehern verrotteter Wahlflecken und dem Auswurf der Spieltische macht es seine Feldherren. Glaube mir, Benjamin, wenn sich auch geniale Menschen aller andern Laster schuldig gemacht haben, so sind Spieler doch immer nur untergeordnete Größen gewesen. Der Grund der Spielwut ist entweder eine unersättliche Habgier oder ein Mangel an dem, was man in der Physik Reizbarkeit nennt; daneben kann weder Genius, noch Vaterlandsliebe, noch Tugend bestehen. Clive, der tüchtigste englische Feldherr seit Marlborough und Peterborough, war offenbar eine Ausnahme; aber er ist diesem entwürdigenden Laster erst verfallen, als er nicht mehr in seinem Beruf tätig war, als seine Fähigkeiten anfingen nachzulassen und sein Geist sich trübte.

Franklin. Ich bin ganz deiner Meinung und sehe nicht ein, warum deine Behauptung nicht auch auf Clive zutreffen sollte; denn er war ein Mann, der eher fähig war, ein Land zugrunde zu richten, als aufzurichten. Die, welche die Erfindung des Schachspiels in die Zeit des Trojanischen Krieges verlegen, würden es uns nicht verschwiegen haben, wenn Odysseus, Agamemnon oder Diomedes sich je des Spieles befleißigt hätten. Schach ist jedoch ein Spiel, bei dem gewöhnlich kein Einsatz gemacht wird, und das man keineswegs ein Hasardspiel nennen kann. Gustav Adolf, Prinz Eugen, Marlborough, König Friedrich von Preußen, Karl der Zwölfte von Schweden und Wilhelm der Dritte von England hatten Triebfedern und Erregbarkeit in sich, die es nicht erforderten, jeden Abend neu aufgezogen zu werden. Sie erachteten es ihrer Stellung nicht für würdig, vor einer Elle grünen Tuches zu hocken, und fanden es verwerflich, auf eine Karte zu setzen, was einem ganzen Lande zum Ueberfluß verhelfen konnte. Spiel ist das Laster der Völker, die zu verweichlicht sind, um barbarisch, und zu verderbt, um zivilisiert zu sein, und welche die schlechtesten Eigenschaften beider Zustände in sich vereinen, wie zum Beispiel die Lumpen und Laffen von Neapel, seine Lazzaronis und anderen Würdenträger. Ich gebe zu, daß die Malayen nicht so verweichlicht und in jeder Hinsicht weniger heruntergekommen sind, und daß sie trotzdem spielen. Aber das Spiel ist dem Malayen ein Ersatz für das Betelkauen; der Neapolitaner jedoch spielt auf der gefüllten Schnupftabaksdose. Fürsten sollten diese Gewohnheit fördern, wie die Kapetinger es stets getan haben; denn das Spiel zieht die Müßigen und Reichen in ihre Hauptstädte, hält sie von anderen Ränken und folgenschwereren Händeln fern, macht viele mächtige Familien abhängig und vertreibt jungen Offizieren die Zeit, welche sonst nach Beschäftigung verlangen würden. Republiken hingegen sollten die, welche zum erstenmal beim Spiel ertappt werden, mit Geldbuße und Gefängnis, einen Rückfall mit öffentlicher Prügelstrafe und einem Jahr Sträflingsarbeit, einen zweiten Rückfall aber mit Landesverweisung bestrafen.

Washington. In Monarchien und Republiken magst du es halten wie du willst; aber wo parlamentarische Regierungen sind, da bringe dergleichen bitte nicht vor; tritt den ersten Mithelfern und sichersten Stützen unseres Staates nicht zu nahe. Die Parteiführer in England neigen zum Spiel; und was heute eine Patrone ist, kann morgen zur Geldrolle werden.

Franklin. So fülle sie mit schlechtem Gelde, damit du nicht überlistet wirst; wenn auch auf höheren Gebieten der Rechenkunst wenig von diesen Leuten zu fürchten ist. Sie haben einen gewissen Ruf der Beredsamkeit; aber wenn ich in jenem Lande eine Zeitung zu leiten hätte, so würde ich es für eine gewagte Spekulation halten, den Klügeren unter ihnen eine halbe Krone Tageslohn für die besten Erzeugnisse ihrer Feder zu bezahlen. Wenn einer von ihnen es wagen sollte, einen geschichtlichen Aufsatz oder auch nur eine von seinen eigenen Reden zu veröffentlichen, so würde seine Begabung daraufhin richtiger eingeschätzt werden. Gott verhüte (denn unsere Zwistigkeiten haben die Erinnerung an unsere Blutsverwandtschaft noch nicht ausgelöscht), daß England jemals durch Beweise, die schwerer wiegen, und Dokumente, die länger leben, über ihre Unfähigkeit belehrt werde. Da wir Amerikaner nicht mehr unter ihnen zu leiden haben, kann ich von ihnen mit derselben Gleichgültigkeit und Seelenruhe sprechen, als wenn sie längst gestorben wären.

Washington. Laß gut sein, laß gut sein! Aber Gott sei Lob und Dank, der Krieg ist vorüber. Man hat Einwürfe gegen die Form unserer Verfassung gemacht und hat behauptet, die Republik eigne sich nicht für ein blühendes oder ein sehr ausgedehntes Land. Holland aber ist ein Beispiel dafür, daß die Republik nicht nur ein Land auf der Höhe erhalten, sondern es auch zur Höhe führen kann, selbst wenn die Natur sich seinem Aufschwung hindernd in den Weg stellt und alle Elemente sich dagegen verschworen haben. Es fehlt freilich noch an Beweisen, daß die Volksregierung sich für ein sehr ausgedehntes Land eignet; Vernunft und gesunder Menschenverstand sind die einzigen Bürgen dafür. Viele mögen sich einbilden, es sei zu ihrem Besten, wenn sie sich aneignen, was eines andern ist; gewiß aber wird niemand auf den Gedanken kommen, es sei zu seinem Besten, sein eigenes Hab und Gut zu veräußern oder zugrunde zu richten.

Franklin. Verbündete Staaten, unter einem Präsidenten vereint, laufen nicht Gefahr, alle auf einmal oder auch nur zu einem großen Teil ihrer Freiheiten beraubt zu werden.

Washington. Es könnte einen Abenteurer gelüsten, sich auf unrechtlichem Wege die höchste Macht anzueignen; aber keiner kann darauf rechnen, daß die Majorität seinem Ehrgeiz ihre gegenwärtigen Vorteile in dem Vertrauen oder der Hoffnung auf zukünftige größere Vorteile opfert. Soldaten für eine stehende Armee kann nur der anwerben, welchem es möglich ist, die nötigen Gelder zu ihrer Erhaltung vorzuweisen; das kann hierzulande niemand; auch wird ein Usurpator nur da aufstehen, wo es Minen gibt, welche die Habgierigen und Beutelustigen anlocken, oder Ländereien, die man austeilen kann, mit den nötigen Arbeitern darauf, die sie bebauen, oder Sklaven, die man sich aneignen, oder Schätze, die man einziehen kann.

Franklin. Gegen die monarchische und parlamentarische Verfassung lassen sich viel gewichtigere Einwände machen; in ausgedehnten Ländern pflegt jeder Teil seine eigenen Vorrechte und Interessen, Sitten und Ansichten zu haben, und die Bewohner der verschiedenen Kreise sind nicht abgeneigt, sich gegeneinander brauchen zu lassen. Während wir Amerikaner unsere wenigen Soldaten in die Staaten legen, wo sie zu Hause sind, tauschen die Fürsten Europas ihre Truppen vorsichtig aus und schicken sie in Provinzen, die so weit als möglich von ihrer Heimat entfernt sind. Hören sie einmal auf, eine Heimat zu haben, so haben sie auch kein Vaterland mehr; denn alle Verwandtschaftsbande lösen sich, wenn man die nächsten und natürlichsten zerstört. Fürstenthrone sind auf versteinerten menschlichen Herzen errichtet.

Washington. Unerlaubter Ehrgeiz hat keinerlei Aussicht auf Erfolg, wo es weder große stehende Armeen noch große Staatsschulden gibt. In Ländern, die mit einem von diesen beiden Uebeln behaftet sind, muß die Freiheit dahinschwinden und zugrunde gehen. Wir sind so weit vom einen als vom andern entfernt.

Franklin. Gefahren werden uns vertraut und erregen schließlich keinen Argwohn mehr; die kleinsten Ursachen, selbst Worte, können sie heraufbeschwören. Nimm an, ein Mann nennt einen andern seinen Untertan; der andere erweist ihm Ehrerbietung, und im Vertrauen auf seine Geduld und Gutmütigkeit übt jener eine immer nachdrücklichere Herrschaft über ihn aus; endlich vertraut er ihn dem Schutz und der Fürsorge seines Sohnes oder Enkels an. Wir alle kennen das Wort; aber wir ahnen nicht, wie tief es einschneidet. Es dauert nicht lange, so wird ein schlauer Jurist den Untertan über seine Pflichten belehren und wird die Gründe und Beweise aus dem Worte selbst ziehen. Was wäre unwiderleglicher!

Die Dichtkunst hat die Menschheit in Schlaf gewiegt; sie hat die Augen geschlossen und gesungen, daß die Freiheit unter einem milden Monarchen am sichersten und vollkommensten gedeihe. Die Geschichte lehrt uns das Gegenteil. Unter einem unumschränkten Herrscher, der milden Sinnes ist, wird mehr Tyrannei verübt, als unter einem harten; denn der wird eifersüchtig über seiner Macht wachen, und ihre Ausübung nur wenigen anvertrauen. Der milde Herrscher aber wird sie auf viele verteilen, und die heitere Ruhe seines Gemüts, die ihm diesen Freimut gestattet, wird auch seinen Beamten Gelegenheit geben, die ihnen anvertraute Gewalt ungestraft zu mißbrauchen. Man hat gesagt, in einer Demokratie gebe es viele Despoten, in einer Monarchie könne es immer nur einen geben. Das ist nicht wahr; in einer Republik werden tyrannische Naturen durch ihre Nebenmänner in Schranken gehalten; in einer Monarchie aber werden alle, die mit der Regierungsgewalt betraut sind, durch ein Kopfnicken von oben zu Tyrannen, sei es nun ein Kopfnicken aus Billigung oder aus Schläfrigkeit. Das Königtum ist ein Ungeheuer, das nicht nur mehr Köpfe hat als die Republik, sondern auch mehr Krallen, und schärfere Krallen.

Es ist belustigend, daß man uns als Schwärmer behandelt. Die ernstesten Völker alter und neuer Zeiten haben als Republiken gelebt. Wenn ich mich davon überzeugen kann, daß ein einzelner Zahn im Munde besser ist als eine ganze Reihe Zähne, und die Tatsache, daß er einzig in seiner Art ist, für seine Kraft und Gesundheit bürgt, so will ich daran glauben, daß ein König besser ist als eine Republik.

Washington. Viele Stimmen fangen an, uns künftige Größe vorherzusagen; kein Volk aber ist jemals größer als zu der Zeit, da es sich aus den Banden eines andern Volkes frei macht, das scheinbar mächtiger ist. Amerika wird nie wieder einen Kampf zu kämpfen haben wie im Jahre 1775 und wird nie wieder einen Kampf so glorreich bestehen. Ein Gebiet von ungeheuerer Ausdehnung, unerschöpflicher Reichtum und hohe Bevölkerungszahl machen ein Volk nicht groß. Wir können nicht erwarten, daß die Amerikaner in Zukunft jemals größer sein werden, als sie es jetzt sind. Können wir hoffen, daß sie je tugendhafter, mutiger, einiger und ihrem Vaterlande treuer ergeben sein werden? Sie mögen sich größere Bildung und feinere Umgangsformen aneignen; aber das sind Vorzüge, die man nur auf Kosten anderer, ebenso wertvoller Eigenschaften erringen kann.

Franklin. Neue Produkte müssen ein Absatzgebiet haben, wenn man sie verwerten will. Eleganz macht sich mit Bestechlichkeit vertraut. Bildung zieht vielleicht eine Kirche groß – eine Einrichtung, die den Grundsätzen der amerikanischen Verfassung durchaus zuwider ist. Gelehrsamkeit (so wie wir das Wort gebrauchen) fängt mit Vereinen an und endigt mit Sekten und Brüderschaften. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Pfaffen und Advokaten, die Fliegen und Wespen in reifen oder reifenden Staaten, Amerika einst verfinstern und beunruhigen. Wir wollen zugeben, daß einige wenige von der Art notwendig sind; ihrer viele aber sind das verderblichste Uebel, dem die Menschheit unterworfen ist. Diese Vormünder haben ihre Mündel – Gesetz und Religion – in allen Ländern vergiftet. Sie gönnen uns nie lange hintereinander eine gleichmäßige, angenehme Temperatur; sie schwanken immer zwischen Fieberhitze und Gefrierpunkt.

Washington. Der gesunde Sinn unsres Volkes, sein Unternehmungsgeist, der große Spielraum für seinen Tatendrang innerhalb der Grenzen des Vaterlandes und die Entfernung von Europa sichern ihm, wenn auch keinen ewigen Frieden, so doch ein Ausbleiben von Kriegen, die seinen Charakter und sein Gedeihen wesentlich gefährden könnten. Wir hätten die Feindseligkeiten fortsetzen können, bis man uns einen Teil von Kanada, oder gar das ganze Land abgetreten hätte. Der Kongreß aber hat getan, was auch ich dringlich befürwortet haben würde, wenn ich um meine Meinung befragt worden wäre. Kanada mag unser werden, wenn es bebaut und reich geworden ist; wir wollen die Frucht nicht unreif pflücken; nein, wir wollen sie überhaupt nicht pflücken; sie mag uns in den Schoß fallen, wenn wir stark genug sind, sie zu halten. Das wird im Lauf des nächsten Jahrhunderts geschehen; denn kein Volk ist je seinen Kolonien, seinen Schutzbefohlenen und den Ländern, die es erobert hat, so unerträglich zur Last gefallen, wie das britische. Ich habe verschiedene Gouverneure persönlich gekannt; darunter waren ehrliche und vernünftige Männer, Männer milden und gefälligen Charakters; keiner aber von ihnen, noch von denen, die ich aus den Erzählungen älterer Offiziere kenne, hat versucht, sich die Zuneigung der von ihm Regierten zu erringen oder mit Nachdruck ihre Interessen zu fördern. Man ist gelegentlich freigebig gewesen – nach vorhergegangenen schweren Leiden, die Freigebigkeit des Herrn gegen den Sklaven. Man hat Dienste gefordert, die an und für sich vielleicht nicht hart waren; aber die Art, wie man sie forderte, löschte jede Erinnerung an frühere Freundlichkeiten aus und tötete jede Empfänglichkeit für zukünftige. Die Franzosen und Spanier machen es anders; sie wenden sich an die Großmut ihrer Kinder, wenn sie aus ihren friedfertigen Kolonien Nutzen ziehen wollen, und versüßen ihre Befehle durch freundliche Dienste und unermüdliche Gefälligkeit. Wo französische Truppen liegen, da wird immer getanzt und Theater gespielt, wo aber englische liegen, da gibt es Händel in den Straßen und Duelle. Setze dem Spanier ein Stiergefecht vor, und du kannst seinen Vater ungestraft auf dem Scheiterhaufen verbrennen, mit einer Empfehlung an die Gnade Gottes und in einem Rock, auf dem die Flammen der Hölle gemalt sind. Die Engländer (und wir, ihre Nachkommen, sind des Namens würdig) verlangen nichts als Gerechtigkeit; was ihnen in Form einer Gunst erwiesen wird, empfinden sie als Beleidigung. Was Wunder, daß unsre Entrüstung auf den Siedepunkt steigt, wenn wir selbst das, was von uns gefordert wird, nur mit der linken Hand oder auf der Nasenspitze oder im Schmutze kniend überreichen dürfen. Die Redner des britischen Parlaments treiben Schönfärberei mit diesen Unverschämtheiten und Ungerechtigkeiten und halten sich die Einsicht des Volkes auf Zungenlänge vom Leibe.

Franklin. Dann betreiben sie das gründlich, meiner Treu. Ich bin dabei gewesen, wie solche Herren zwei Stunden lang windiges Zeug geschwatzt haben, ohne auch nur nach einem Glase Wasser zu rufen. Das hält man für den Gipfel der Geschicklichkeit, und wer es vollbringen kann, der wird für fähig erachtet, dem Osten und dem Westen Gesetze vorzuschreiben. Die reichen Familien, die diese Versammlung beherrschen, haben uns unabhängig gemacht; sie haben uns dreizehn Provinzen gegeben, und sie werden sie in weniger als fünfzig Jahren alle für uns bevölkern. Fromme und ernste Männer, denn niemand ist frömmer und ernster als der im Kampf Geschlagene, preisen die Güte und Gnade Gottes, daß er ihnen den Mühlstein Amerika vom Nacken genommen hat. Welcher Segen, eine so ausgedehnte Küste los zu werden, die allein schon eine ungeheure Flotte für ihre Verteidigung erfordert hätte. Keiner läßt sich träumen, daß England mit Amerika vereint so reich an Seeleuten, Häfen und Kriegsvorräten für die Marine gewesen wäre, daß es (ich sage nicht »bei guter Verwaltung«, ich sage »trotz schlechter Verwaltung«) nicht nur unbesiegbar, sondern auch unverwundbar hätte werden können.

Washington. Wenn es seine Aufmerksamkeit den Fehlern seiner Verwaltung auf allen Gebieten zuwendet, so kann es beinahe ebensoviel zurückgewinnen, als es verloren hat. Wirf einen Blick auf die Völker Europas, sowohl auf die freien, als auf die despotisch regierten, und nenne mir eines, das so überwiegend in Barbarei und Elend versunken ist, wie das irische Volk. Das Land ist fruchtbarer als England; die Bewohner sind gesund, stark, mutig, treu, vaterlandsliebend und von hellem Verstand. Es fehlt ihnen keine staatserhaltende Eigenschaft; aber durch Jahrhunderte schlechter Verwaltung sind sie in einen hoffnungsloseren Zustand geraten, als irgendein zivilisiertes oder wildes Volk der Erde.

Franklin. Es gibt nur einen geraden Weg, um ihren Zustand zu verbessern, der aber hat ein so steiniges Ansehen, daß er wohl niemals betreten werden wird. Das größte Elend ist der Habgier der Gutsbesitzer und des Adels zuzuschreiben, die ihre Besitzungen an sogenannte Einkommenpächter vergeben, um sich die Pein zu ersparen, ihre Renten selbst von ihren armen Bauern einzuziehen, und die noch größere Pein, die Klagen der Unglücklichen anzuhören. Diese Einkommenpächter nutzen ihre Untergebenen im genauen Verhältnis zu ihrem Fleiße aus und treiben sie zur Verzweiflung. Sie verfallen in Schlampigkeit und Trunksucht; denn der Anschein des Behagens und der Wohlhabenheit erweckt die Habgier ihrer Peiniger. Um das Volk zu besänftigen und zur Ordnung zurückzuführen, ist es erforderlich, alle Verträge mit Einkommenpächtern außer Kraft zu setzen; jedem Landbautreibenden muß lebenslängliche Pacht zugebilligt werden; und stirbt er vor Ablauf von einundzwanzig Pachtjahren, so müssen seine Erben das Recht haben, auf Wunsch bis zur Erfüllung dieser Zeit in die Pacht einzutreten. Der Umfang des Landes muß seiner Familie und seinen Mitteln angemessen sein. Land unter Wert zu verpachten, muß vom Gesetz als unerlaubte Spekulation bestraft werden.

Washington. Das wäre kraftvolle Ausübung der Autorität, aber keine Tyrannei – von der überhaupt nicht die Rede sein kann, wo es sich um Pläne handelt, die von den Vertretern des Volkes zum großen und dauernden Wohle der Vielen gebilligt wurden, während sie den Wenigen nur kleine und vorübergehende Unbequemlichkeiten auferlegen.

Franklin. Hand in Hand mit diesen Reformen sollte eine Verbesserung der kirchlichen Organisation gehen. Jede Gemeinde sollte möglichst dieselbe Zahl von Seelen umfassen. Nehmen wir an, daß je dreitausend unter einem Seelsorger stünden; ein Viertel davon würde aus den Schwachen und Kranken bestehen und aus den Kindern, welche noch nicht alt genug sind, das Wort Gottes in sich aufzunehmen. Der Gottesdienst sollte kürzer sein, so wie es früher üblich war, und sollte dreimal an jedem Sonntag wiederholt werden, damit alle nacheinander seiner teilhaftig werden könnten, ohne daß großes Gedränge entsteht, welches häufig der Anlaß zu Ausschweifungen und Roheiten wird. Ich würde die Abgaben beseitigen und durch Verkauf der Kron- und Kirchgüter und Gemeindeländereien ein Vermögen ansammeln, das genügte, jedem Geistlichen außer seiner Amtswohnung ein jährliches Gehalt von hundertundvierzig Pfund zu sichern. Die Summe würde verdoppelt werden, nicht für seine kirchlichen Amtshandlungen, sondern für Dienste, die er dem Staat durch seine Bemühungen um den sittlichen Lebenswandel seiner Pfarrkinder erweist. Wenn das Volk vierzig Pfund für die Verhaftung eines Verbrechers bezahlt, sollte es da nicht willig viermal so viel für die Bekehrung von zwölf Bösewichtern bezahlen?

Washington. Dessen bin ich nicht sicher; denn wir müssen nie mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, daß die Menschen und ihre Regenten etwas tun, weil es vernünftig und nützlich ist. Die ärmere Geistlichkeit wird nur dann besser bezahlt werden, wenn ihre reicheren Amtsbrüder die Angst packt, sie könnten einen Teil der Besitztümer verlieren, die sie sich unrechtmäßig angeeignet haben. Englische und irische Bischöfe, die eine jährliche Einnahme von zehn- bis zwölftausend Pfund beziehen, werden die letzten sein, welche ihren notleidenden Brüdern zu Hilfe kommen, und ihr Eigennutz wird ihnen die nicht entfremden, welche seit altersher keine bessere Behandlung kennen. Die Haut entwöhnt sich schwer des feinen päpstlichen Linnens, und die englische Kirche hat viel davon in ihrer Garderobe. Ich kann über alles gelassen sprechen, am gelassensten aber vielleicht über das Gebiet, auf dem sich die ganze große Menschheit am wütendsten und tollsten gebärdet. Ich würde nie an den Lehren der katholischen oder irgendeiner anderen Kirche mäkeln, so weit sie die bürgerliche Verfassung nicht berühren. Aber ich bin argwöhnisch, ja neugierig, wenn ich sehe, wie Tag für Tag höchst fragwürdige Artikel eingeschmuggelt werden, und wenn man mich beiseite stößt, sobald ich versuche, die Aufschrift zu lesen oder die Hülle zu lüften. Glaubensartikel sind an und für sich harmlos; aber welch unbezähmbare Herrschergelüste, welch unaufhörliche Tyrannei, welch unerträgliche Vorrechte und freche Betrügereien sind in ihrem Namen geltend gemacht und den Menschen aufgezwungen worden.

Franklin. Ich bin bereit, der Kirche beizutreten, von der du mir versichern kannst, daß sie am freiesten von diesen Fehlern ist. Zeige mir, daß ein einziger Papst in einem Lande weniger lügt und sich ruhiger hält, als deren zwanzig in einem andern, und ihn will ich mir kaufen, wenn es mich gelüstet, mein Geld für eine solche Ware auszugeben. Die Mißbräuche der Geistlichkeit sind zuerst von Geistlichen aufgedeckt worden; die Untergebenen haben ihre Vorgesetzten angegriffen. Wenn etwas mehr Gleichheit, etwas mehr Mäßigung unter ihnen geherrscht hätte, so würden sich weniger Sekten gebildet haben, und diese wenigen würden nicht so verbittert gewesen sein. Dogmen werden sauer in überfüllten Mägen, und leere Mägen knurren, wenn man sie damit füttert. Der Neid, den selbst Wölfe und Bären nicht kennen, und den der großherzige Hund nur von uns gelernt hat – der Neid paart sich mit der Religion und dringt mit ihren Kniebeugen bis zum bischöflichen Thronhimmel vor, da er so großen Reichtum so schlecht verteilt sieht. Die Niedrigen können ohne Umwälzungen und ohne eine Partei nicht zu Führern werden. Irgendein unverständliches Wort wird aufgegriffen, und der Menge wird gelehrt, das Seelenheil hänge von diesem Wörtchen ab. Das hätte wenig zu sagen; aber man lehrt die Menge auch, andere an der Kehle zu ergreifen und mit der Dolchspitze auf der Brust herbeizuschleppen; denn sonst, sagt man ihr, sei sie der Erlösung nicht gewiß. Das Papsttum hat diesen Brauch zuerst zur Lehre gemacht; der scheußlichste und ungeheuerlichste ihrer Glaubenssätze, und der einzige, den alle kirchlichen Organisationen, die sich von ihr losgemacht haben, einmütig beibehielten.

Washington. Die Einschränkungen, die du vorschlägst, würden noch eine andre Einschränkung ermöglichen; sie würden es unnötig machen, eine stehende Armee in dem unglücklichen Lande zu halten; die Regierung könnte statt dessen drei Fischereigesellschaften einrichten – für den Hering, den Stockfisch und den Wal – und könnte ihre entlegnen Ländereien mit dem Ueberfluß an unzufriedenen Bauern bevölkern. Dem westlichen Teil von Irland können in einem kommenden Jahrhundert einmal ebenso große Vorteile aus seiner Lage zu Amerika erwachsen, als dem östlichen Teil aus seiner Nähe zu den Handels- und Industriestätten von Lancashire. Die Bevölkerung ist schon jetzt zu zahlreich, und sie vermehrt sich noch, was an und für sich schon der größte Fluch ist, wenn nicht eine hohe Zivilisation die Menge recht verteilt. Der Ueberschuß muß durch Kolonisation oder Seehandel beschäftigt werden. Fabrikarbeit pflegt die Rasse zu verschlechtern, wenn sie auch im Anfang dazu beiträgt, sie gesitteter zu machen. Glücklich die Länder, die nur für soviel Fabriken Spielraum haben, als nötig sind, um den eigenen Bedarf zu decken! Staatsschulden sind vom Uebel; weniger, weil sie am nützlichen und ehrlichen Verdienste zehren, als weil sie überflüssige und unehrliche Verdienste schaffen, und weil sie, wenn man es soweit mit ihnen treibt wie England, die Ursache sind, daß die Hälfte aller Landeskinder in Häusern zusammengepfercht sitzt, welche Durchgänge zu Bordellen und Krankenhäusern sind.

Im Verlangen, dir beizustimmen, habe ich dich in deinen Vorschlägen unterbrochen; bitte fahre fort damit.

Franklin. Ich würde keinem Engländer in Irland einen kirchlichen oder staatlichen Vertrauensposten geben, noch eine Stellung, aus der er Vorteile ziehen kann. Ich würde Titel und Aemter irischen Edelleuten verleihen, die ihren Wohnsitz im Lande haben; sie würden sich ohne Zweifel mit der Zeit an eine geregelte, würdige Lebensart gewöhnen. Der Gutsbesitzer und der Geistliche würden zuerst etwas an barem Gelde einbüßen; aber wenn du in Betracht ziehst, daß dann ihr Leben, ihre Häuser und ihr Hausrat gesichert wären, daß die Lebensmittel im Verhältnis zu ihren Zugeständnissen reichlicher werden würden, und ihre Renten und Bezüge sich immer auf der gleichen Höhe halten könnten, während sie jetzt wenigstens dreißigmal im Laufe eines Jahrhunderts ausbleiben, so wirst du zugeben, daß ihre Lage sich ebenso bessern würde, wie die des niederen Volkes.

Washington. Es werden sich viele Stimmen gegen die Ungerechtigkeit erheben, daß man auf Kosten einer einzigen Gesellschaftsklasse ein Sicherungsvermögen schafft.

Franklin. Nicht auf Kosten einer Klasse allein; das Eigentum sollte den Schutz, den es genießt, selber bezahlen; das zu verlangen, ist Recht und Zweck der Regierungen. Die Sicherung ist zwiefältig; sowohl der einzelne Bürger, als der Staat, wird ihrer teilhaftig; Der Staat kommt vorerst in Betracht. Ich kann nichts willkürliches, nichts neues in diesen Grundsätzen finden. Der König von England und Irland wird durch Beschluß des Parlaments ermächtigt, als Haupt der Kirche über die Pfründen zu verfügen. Er kann sich doch wahrlich in seinem eignen Lande erlauben, was sich der Papst in andrer Leute Ländern mit geistlichem Eigentum erlaubt (wenn man Eigentum geistlich nennen kann). Eine Staatsreligion wird eingesetzt, um die Sittlichkeit zu heben, und Sittlichkeit ist erforderlich für die Aufrechterhaltung der Gesetze. Religion ist darum in den Augen eines Staatsmannes nur eine Helferin des Gesetzes, welchem sie manche seiner peinlichen Pflichten abnimmt, und (wenn sie gut und wirksam ist) manchen Richter und Scharfrichter erspart. So gehen Religion und Gesetz im Staatshaushalt Hand in Hand, und beide sind den Vorschriften derselben Regierungsgewalt unterworfen. Wo es eine Staatsreligion gibt, da sollte das Gehalt des Geistlichen ebensogut vom Staate geregelt werden, wie die Gehälter der Zoll- und Steuerbeamten. Wenn eine Regierung ein Gewerbe oder einen Beruf mit einer Steuer belegt, so tut sie dasselbe oder mehr, als ich vorschlug. Nimm an, sie erhöbe eine Steuer im Betrag von hundert Pfund von jedem Mann, der sich als Apotheker oder Rechtsanwalt niederläßt. Wäre die Last nicht schwerer zu tragen für den, dessen Einnahmen noch ungewiß sind und aus den Taschen andrer fließen, als für den, dessen Sporteln festgesetzt sind und ihm von der Regierung bezahlt werden, die sie nur regelt und einschränkt? Aber du wirst sagen, die Geistlichen seien an größere Verhältnisse gewöhnt gewesen. Nun, da haben sie eben einen Reingewinn gehabt, und ich hoffe, sie haben von ihrem Ueberfluß edlen und klugen Gebrauch gemacht. Die, welche das getan haben, werden auch so gerechten Sinnes sein, daß sie ihre eigenen Interessen und die Interessen der Gemeinde, zu deren Wohl sie eingesetzt sind, richtig veranschlagen. Wenn irgendeine Einrichtung große öffentliche Uebelstände nach sich zieht, und ihre Abschaffung der Allgemeinheit großen und dauernden Nutzen verspricht, so ist die Regierung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, sie aus der Welt zu schaffen. Den Einkommenpächtern müßte eine Vergütung für alle ihre Verluste gewährt werden, selbst den schlimmsten unter ihnen. Diese Verluste können ebenso leicht festgestellt werden, wie die, welche einem Grundbesitzer entstehen, wenn eine öffentliche Straße oder ein Kanal durch seine Felder geführt wird.

Washington. Man wird manches versuchen, was noch weit entfernt ist von dem, was du vorschlägst, und es wird doch mißlingen. Regierungstreue Juristen werden billigen, daß über Irland dreißigmal in hundert Jahren der Belagerungsstand verhängt wird, und daß es die übrige Zeit des Jahrhunderts gesetzlos oder beinahe gesetzlos dahinlebt; sie werden aber nicht billigen, daß man die Gesetzlosigkeit tilgt, indem man ihre Ursachen aus der Welt schafft. Infolgedessen werden es einige von uns noch erleben, zwei Millionen Irländer nach Amerika kommen zu sehen, die ihre Wildheit ablegen, weil sie ihre körperlichen und geistigen Bedürfnisse befriedigen können, und die brauchbar und fleißig werden, weil ihre Arbeit den verdienten Lohn findet. Ihre Regierung scheint durch Erfahrung nicht klüger zu werden; sie lernt nicht vom Alten und versucht nichts Neues.

Franklin. Die gelehrten Chemiker sagen uns, daß ein Diamant und ein Stück Holzkohle auf dem Herde im wesentlichen vom selben Stoffe sind. So sind auch Menschen, die für das gewöhnliche Auge äußerlich keinerlei Ähnlichkeit miteinander haben, innerlich von gleichem Geist und Verstand; und die Verschiedenheit ihrer Erscheinung ist ein Erzeugnis des Zufalls, des Vermögens, der Stellung und der Umgebung. Die Regierenden, welche die Sittlichkeit in so hohem Maße beeinflussen können, wären in der Lage, in kurzem zu vollbringen, was der Natur nur in Myriaden von Jahren gelingt: Sie können das Stück Holzkohle durch die Lebensbedingungen, die sie ihm schaffen, in einen Diamanten verwandeln. Unsre Regierung wird es in ihrem eigenen Interesse finden, diese Verwandlung herbeizuführen; andere Regierungen werden ihr altes Handwerk weiter betreiben und umgekehrt den Diamanten in sein dunkles anderes Ich verwandeln. Wenn ich ein Mitglied des britischen Ministeriums wäre, so würde ich mich hüten, das konstitutionelle Königtum als die beste Verfassung auf Erden zu preisen; ich würde lieber versuchen, die Welt vom Gegenteil zu überzeugen. Denn je höher sie es preisen, desto schlechter müssen wir von ihnen denken, weil sie es frech und frevelnd mißbrauchen oder seinen Sinn so falsch verstehen, daß sie unfähig sind, es richtig auszuüben. Wie könnte sonst dieser gepriesene Zustand der Vater solcher Mißstände sein? Wie könnten sonst in einem fruchtbaren Lande, dessen Bevölkerung arbeitsam ist, unter den fleißigsten und sittsamsten Leuten so viele notleidende Familien sein, mehr als in irgendeinem anderen Lande?

Washington. Wenn die Verfassung das wäre, als was sie dargestellt wird, so könnten ihre Beamten sie nicht mißbrauchen; und wenn ihre Beamten sie nicht hätten mißbrauchen können, so wäre Amerika jetzt nicht von England getrennt; noch würde jede zweite Generation in Irland ein Blutbad erleben; noch würden die Briten ihre Lebensbedürfnisse und ihre Lebensfreuden höher versteuern müssen als die Algerier und Türken, obwohl sie ein so viel fleißigeres Volk sind und ihr Land nie unter feindlichen Einfällen und Besatzungen gelitten hat.

Franklin. Die persischen Despoten haben nie die Seelen der von ihnen besiegten Völker mit Füßen getreten, noch scheint es sie nach ihrem Gelde gelüstet zu haben. Herodot spricht von der Besteuerung der ionischen Städte als von einer beruhigenden, friedfertigen Maßregel. Es gab auf Erden keine günstigere Lage für den Handel, als die Lage der griechischen Republiken in Kleinasien; es gab keinen reicheren Boden, kein gesünderes Klima, keine fleißigere Bevölkerung. Die Aeolier, Ionier und Dorier zusammen mit Pamphylia, Lycia, den Inseln Rhodos, Cos, Samos, Chios und Sestos – alles in allem vierhundertundvierzig Meilen im Umfang – zahlten an Darius immer die gleiche Summe von vierhundert Talenten (in unserm Gelde etwa hundertundfünftausend Pfund), eine Steuer, die von seinem Vater Artaxerxes festgesetzt wurde, nachdem er sie der Beurteilung ionischer Abgesandter unterworfen hatte. Italien hatte zur Zeit des Nero bei niedriger Schätzung sechsundzwanzig Millionen Einwohner und zahlte weniger Steuern, als die Stadt London mit ihren Vororten. Appian erzählt von Pompejus, daß er die Tyrier und Cilicier mit Einem vom Hundert ihres Einkommens besteuerte. Hadrian wurde großer Strenge gegen die Juden angeklagt, weil er den Steuersatz, den Vespasian vorgeschrieben hatte, etwas erhöhte. Er betrug, wie Zonaras und Xiphilinus berichten, sechzehn Groschen auf den Kopf. Strabo sagt, daß Aegypten dem Vater der Kleopatra ungefähr hundertundachtzigtausend Pfund einbrachte, eine Abgabe, die von Augustus auf das Doppelte erhöht wurde. Als er gegen Marcus Antonius zum Imperator ausgerufen wurde, erhob der Senat vorübergehend einen Zwanzigsten vom Vermögen. Plutarch erzählt in seinem Leben des Pompejus, daß er Asien mit hundertundzweiundneunzigtausend Pfund besteuerte. Marcus Antonius hat einmal den Tribut von zehn Jahren im Voraus verlangt.

Washington. Daß es möglich war, in einem einzigen Jahre die Steuern von zehn Jahren einzuziehen, ist ein Beweis, wie leicht die Abgaben auf den reichsten Untertanen des römischen Reiches lasteten. Die Engländer, welche die ungeheure Last von zweihundert Millionen Pfund Staatsschulden tragen, könnten auch im äußersten Notfalle nicht den Satz von drei Jahren vorausbezahlen.

Franklin. Die Völker Asiens hatten früher höhere Abgaben gezahlt; denn man machte es ihnen zum Vorwurf und begründete damit die Erpressung, daß sie in dem einen vorhergehenden Jahre für Cassius und Brutus soviel aufgebracht hatten, wie jetzt für die Zeit von zehn Jahren von ihnen verlangt wurde.

Washington. Solange die Engländer es dulden, daß ihre Peers über den Reichtum des Volkes verfügen, werden sie der Geißel der Kriege und Steuern verfallen sein. Kriege pflegen in ihrem Erscheinen eine gewisse Regelmäßigkeit einzuhalten, so regellos auch ihr Verlauf ist. Sie brechen etwa alle zwanzig Jahre aus, immer wenn eine neue Generation des Adels herangewachsen ist. Die hohen bürgerlichen Aemter, so sehr man sie auch vermehrt, reichen nicht aus, die Söhne der Aristokratie zu beschäftigen; alle anderen Berufe aber außer dem Heeres- und Flottendienst sind ihnen verächtlich. Wenn dieser alles verschlingende Adel Land und Reichtum des Volkes erschöpft und an sich gerissen hat, so wird er über die Frage verhandeln, ob er mehr gewinnen kann, wenn er die Kirche drückt, oder wenn er ihre Ueppigkeit aufrecht erhält.

Franklin. Könnte es sich nicht ereignen, daß diese Frage vor einem Schwurgericht verhandelt würde, bei dem die Bänke der geistlichen Lords nur mit den umgedrehten Bänken der weltlichen Lords besetzt wären? Wenn man die Staatsreligionen abschaffen wollte, so würde es ruhiger und besser auf der Welt werden; in England würde die Staatsschuld in einem Jahrhundert getilgt sein, und in Irland würde schon nach einem Jahre öffentliche Ordnung und Ruhe herrschen. Wir haben manches von England erduldet, aber dieses eine ist uns erspart geblieben; wir haben nicht unser Geld dafür gegeben, daß man uns etwas vorpredigte, was wir schon wußten, und uns einen Kult vorführte, an den wir nicht glauben konnten. Wenn es keine Staatskirche in England gäbe, so würde man das Puritanertum fürchten.

Washington. Was kann das Puritanertum ausrichten? Es hat die Staatskirche in ihrem trunkenen Zustande über den Haufen geworfen; es hat ihre Bischofsstäbe und Bischofsmützen und andere solche barbarischen, heidnischen und despotischen Abzeichen mit den Füßen auf die Straße gestoßen. Wenn es in der Öffentlichkeit nichts findet, womit es sich herumzanken kann, so fängt es Streit im Hause an.

Franklin. Es wird stark, weil man es im Kühlen hält, und weil die geistliche Steuerbehörde dafür sorgt, daß der Spund fest im Fasse steckt.

Washington. Benjamin, ich mag mich nicht mit Religionen befassen, noch mag ich über sie sprechen. Sie scheinen mir alle ungefährlich, ausgenommen die päpstliche, die nicht nur ihre Hand in jedermanns Tasche, sondern auch ihr Ohr auf jedermanns Kopfkissen haben möchte.

Franklin. Ich weiß nicht, ob die Irländer den römischen Bischöfen sehr eifrig anhangen. Wahrscheinlich ahnen sie nichts von den Wohltaten, die Rom ihnen im Lauf der Zeiten erwiesen hat. Es werden wohl nur wenige unter ihnen je davon gehört haben, daß ihr Heiliger Vater, Hadrian der Vierte, Heinrich dem Zweiten feierlich die Genehmigung erteilte, in Irland einzufallen und seine Bewohner zu unterjochen. Die wenigen aber, die es wissen, würden es mit lauter Stimme abstreiten; das wage ich kühnlich zu behaupten. Aber ich muß meine Worte verbessern, ehe ich fortfahre. Hadrian gab seine Genehmigung nicht; er verkaufte sie. Jede irische Familie mußte dem Heiligen Stuhl eine Abgabe zahlen; sodaß der Papst ein ebenso großes Interesse an der erfolgreichen und vollständigen Eroberung Irlands hatte als König Heinrich selbst. Der Heilige Vater zog es vor, die Familien und nicht die Köpfe zu besteuern; denn wenn auch tausende von Männern umkamen, die Familien blieben doch zum größten Teil bestehen.

Washington. Wir können über diese geschichtlichen Tatsachen reden, wenn wir miteinander allein sind; wenn wir sie aber Menschen gegenüber erwähnen, deren Augen dadurch geöffnet werden könnten, so machen wir uns die durch unsere Worte Aufgeklärten in eben dem Grade zu Feinden, als wir ihre wahren Freunde sind.

Franklin. Ich habe einen Mann gekannt, der im gesunden Zustand die ekelhafteste Medizin nahm, weil er sie beim Apotheker gekauft hatte, als er krank war; desselben Tages aber wollte er einen frischen Salat nicht essen, der aus dem Laden nebenan kam. Die Dinge werden nach dem Orte eingeschätzt, aus dem sie herstammen. Wenn ein Denker es wagen wollte, über die Heilige Dreieinigkeit dasselbe zu sagen, was schon ein Heiliger darüber gesagt hat, so würde man ihn fast überall einen Ungläubigen schelten und ihn selbst in einigen Ländern, wo die größte Duldung herrscht, zu Geldbußen und Gefängnis verdammen.

Washington. Was sagte der Heilige darüber?

Franklin. Der heilige Augustinus sagt: »Wir schwatzen von drei Personen, nur um etwas zu haben, worüber wir schwatzen können.«

Washington. Oh, der Bube!

Franklin. Und Gelehrte sagen, daß der lateinische Ausdruck recht häßlich sei: » Dictum est Tres Personae, non ut aliquid diceretur, sed ne taceretur.«

Washington. Könnte sich nicht in jeder Stadt und jedem Dorf ein würdiger Einwohner finden, der fähig wäre, eine Meinung über diese Streitpunkte abzugeben, damit man sich nicht um geistlichen Rat an eine halb verfallene, alte Stadt zu wenden braucht, an die lasterhafteste und käuflichste Stadt auf Erden? Geistlicher Rat wird immer in Form eines Befehls gegeben, und dem Ueberbringer ist eine hübsche runde Summe zu zahlen. Fraglich bleibt es zwar, ob da überhaupt etwas zum Streiten ist, da doch die Jünger Christi unfähig waren, oder es für überflüssig hielten, diese Dinge zu erläutern und zu erklären. Ich sehe nichts, worum es sich zu streiten lohnte, und bin überzeugt, daß der gebenedeite Gründer unserer Religion uns einen Kampf um diese Fragen nicht empfehlen würde. Wenn es in England und Irland keine Priesterherrschaft gäbe, so würden die Bürger beider Länder brüderlich und zufrieden miteinander leben. Sie würden sich um ihre eigenen Sachen kümmern und nicht um die Sache derer, welchen die Leichtgläubigkeit des Volkes die üppige Tafel deckt, und welche mit köstlichem Sattelzeug auf seinem wilden Groll spazieren reiten. Die Einkünfte der Geistlichkeit würden die berechtigten Forderungen einer sorglichen und sparsamen Regierung überreichlich decken. Wenn die protestantische Kirche aufhört, ein Mietling zu sein, wird auch die römische Kirche anfangen, Lappen auf Lappen, Bild auf Bild fallen zu lassen, und der Laden des Barbiers wird den ersten Nutzen davon haben. Die armen Leute katholischen Glaubens werden nicht lange so töricht sein, der Kirche einen Zehnten zu zahlen, wenn sie sehen, daß der Ketzer seiner Kirche nichts bezahlt. Ungleichheit würde ihren Glauben erschüttern, Erpressung würde ihnen die Augen öffnen, und sie würden bei dieser Gelegenheit fühlen, was sie jetzt bei einer anderen Gelegenheit fühlen – daß sie nicht, wie es doch von Rechts wegen sein sollte, ebenso gestellt sind wie die Protestanten. Die Parteien werden nicht eher Frieden schließen, als bis sie ihre Banner in den Staub geworfen haben, und bis jede auf ihrem eigenen Wahrzeichen herumtrampelt. Abgeschmacktheiten im Kultus würden rasch verschwinden, wenn niemand mehr einen Gewinn daraus ziehen könnte. Nach einem halben Jahrhundert würde das ganze Volk in Hand und Herzen nur noch ein Buch tragen, das mit seiner klaren, unerschöpflichen Weisheit wohl zu einem Buch des Lebens werden kann, wenn es in seiner Reinheit erfaßt und begriffen wird. Seit mehr als tausend Jahren aber ist ein so übler Gebrauch davon gemacht worden, daß man es wohl eher ein Buch der Lüge und Erpressung, der Finsternis und Zerstörung nennen könnte, wollte man, was die Kirchen von uns verlangen, ihre Randbemerkungen und Erläuterungen als einen Teil davon betrachten.

Franklin. Wir können uns so an Tyrannei gewöhnen, daß wir aufhören, sie zu sehen und zu fühlen. Der Teil unseres Wesens, auf den stete Tropfen ihres Giftes fallen, stirbt ab. Wie wäre es sonst möglich, daß ein ganzes Volk, das weitaus aufgeklärteste Volk der Erde, es natürlich findet, wenn den Gemeinden junge Leute von weither zugeschickt werden, die oft liederlich und lasterhaft, zum größten Teil aber leichtsinnig sind, die keiner von der Gemeinde kennt, die ihren erfahrenen ebensogut wie ihren unerfahrenen Gliedern ihre Pflichten lehren sollen, und die man für einen Unterricht bezahlen muß, den andre vor ihnen schon einmal erteilt haben?

Washington. Wenn man überhaupt eine Staatskirche haben will, so wäre das äußerste, was ein ernstes, denkendes Volk vernünftigerweise ertragen könnte, daß ein Bischof oder Presbyter, den die Geistlichkeit der Diözese erwählt hat, wenigstens drei Eingeborene bezeichnet, aus denen sich die Gemeinde, deren Pfarramt vakant ist, einen Seelsorger aussuchen kann. Sie sollte sich in aller Freundschaft mit ihm über das Gehalt auseinandersetzen, wie sie in Freundschaft mit dem Apotheker darüber verhandelt, was man ihm für den Beistand zu bezahlen hat, welchen er den kranken Almosenempfängern leistet. Man müßte das Recht haben, ihn abzusetzen, wenn er sich in irgendeiner Weise gegen die Gesetze vergeht oder Gewohnheiten frönt, die Bischof und Gemeinde mit der Würde seines Amtes unvereinbar finden.

Franklin. Das sind sehr vernünftige Gedanken. Was die Wahl der Geistlichen betrifft, so wahrt die römische Kirche den Anstand besser als die englische. Es geschieht selten oder nie, daß ein Gemeindepriester aus weiter Ferne seinem Pfarramt zugeschickt wird; es wird fast immer ein Eingeborener der Stadt oder der Provinz gewählt. Dieser Unterschied würde mich wundernehmen, wenn ich nicht sähe, daß auch die Abgeordneten der Landgemeinden nicht wie früher aus den geschätztesten Bürgern ausgewählt werden, sondern daß man sich Fremde von weither kommen läßt, die den Wählern, welche sie ins Parlament schicken, sittlich und politisch völlig unbekannt sind. Kann es etwas Schimpflicheres für die Bewohner einer Stadt geben, als durch eigene Tat zu bezeugen, daß keiner unter ihnen wert ist, ihres Vertrauens zu genießen, und fähig, ihre Geschäfte im Parlament zu führen? So müssen wir ihre Handlungsweise deuten, wenn wir nicht annehmen wollen, daß frevelhafte Käuflichkeit sie verursacht hat.

Washington. Ich würde gegenwärtige Uebelstände mit gegenwärtigen Heilmitteln behandeln, wie in dem Fall von Irland. Manches Gute läßt sich nicht durchführen; manches Nebensächliche läßt sich machen; wenn man etwas nebensächlich nennen kann, was es nur zur Zeit ist, und was keineswegs unwichtige Folgen nach sich zieht. Religion, darin stimme ich mit dir überein, ist zu rein und zart, um in Organisationen gefaßt zu werden; wir denken am besten über sie in der Einsamkeit nach und handeln am besten nach ihr im täglichen Verkehr mit der Menschheit. Wenn wir an die Offenbarung glauben, so müssen wir auch daran glauben, daß Gott keine langen und häufigen Gebete wünscht, denn der einzige Anruf, den er uns vorschreibt, ist sehr kurz. Er hat uns auf einen Posten gestellt, wo wir unsere Zeit besser in gegenseitigen freundlichen Diensten verwerten können, und er fordert nicht von uns, daß wir ihm Stunde um Stunde erzählen, wie heiß wir ihn lieben und was wir alles von ihm haben möchten: Das weiß er ganz genau.

Franklin. Gebete aber sind es gerade, welche die Kanzel beschäftigen; und die Zeremonien, welche sie begleiten, und die Art ihrer Ausübung, zusammen mit Untersuchungen über den Leib und die Verwandtschaft des Heilands haben Millionen von Menschen das Leben gekostet. Ich habe auch berechnet, was Europa an Geld und Ländereien dafür bezahlt hat; aber wenn ich fähig wäre, die Summe zu wiederholen, so würde ich den Kopf jedes Rechenkünstlers damit verwirren; ich bin auch noch nie einem Manne begegnet, der sich die Zahlen merken konnte, wenn er sie nur ein oder zweimal hatte vorlesen hören. Die Despoten von Frankreich haben ihre verhaßten Steuern nie so hoch getrieben wie die Seelenhirten von England – ungelogen ein Zehntel vom Verdienst jedes Mannes; und dieses Zehntel wird vom unversteuerten Besitz erhoben, während die andern neun Zehntel neuen Abzügen unterworfen sind. Wenn Wahrheiten klar und verständlich sind, so sollte man nicht soviel Geld dafür verlangen; sind sie das nicht, so verlange man erst recht nichts dafür. Die Tyrannen von Sizilien forderten den Zehnten vom Korn, aber nicht vom Oel und Wein, vom Heu, von den Gemüsen und Frachten aller Art, welche die Insel in ebensolchem Ueberfluß hervorbrachte. Diese Abgabe befriedigte sie und genügte, um Leib und Seele ihrer Untertanen in Ordnung und Unterwürfigkeit zu erhalten.

Washington. Wir können England nicht den Vorwurf machen, daß es seine kirchlichen Fuchsjäger auf uns losgelassen habe; noch sind wir sonst, um offen und ehrlich zu sein, mit Verfolgungen geplagt worden; man hat uns mehr mit müßigen, unnützen Kränkungen und Verdrießlichkeiten zugesetzt.

Franklin. Das Verhalten Englands gegen uns gleicht dem des Ebenezer Bullock gegen seinen ältesten Sohn Jonas.

Washington. Ich erinnere mich des alten Ebenezer; und ich glaube, es war Jonas, der zu einem andern Jüngling, welcher ihm allerlei Kränkungen zufügte, und welcher, als er sich nicht dagegen wehrte, auch noch Lust bezeigte, sich mit ihm zu schlagen, folgende Worte sprach: »Nein, ich will mich nicht mit dir schlagen, mein Freund; aber wenn du mit deiner Faust tust, was du mir androhst, dann werde ich dir mit Gottes Hilfe einen bitteren Schaden zufügen und dich zeichnen als einen, der zu einer schlechten, unfruchtbaren Herde gehört. Du sollst mir in Schwermut heimziehen, wie der Hammel am ersten Morgen, da er kein Widder mehr ist.« Damit zog er seinen Rock aus, faltete ihn zusammen, legte ihn auf die Erde und sagte: »Der Rock wenigstens hat nichts Böses getan; er verdient gute Behandlung.« Der Gegner, den ein solcher Gegenstand der Betrachtung nicht lockte, entfernte sich und murmelte vernünftigere, etwas bedingtere Drohungen. Ebenezer, vermute ich, hat die Geduld seines Sohnes allzusehr auf die Probe gestellt und schließlich erschöpft; denn der alte Mann war reich und eigensinnig und liebte es nicht, wenn man ihn in seinem Wohlleben störte oder daran teilnehmen wollte.

Franklin. Meine Geschichte ist folgende. Jonas hatte in den Wäldern gejagt und hatte sich einen Rheumatismus im Gesicht geholt, der dieses schief zog. Von den Schmerzen oder von den Medizinen, die er nahm, um sie zu heilen, wurde ihm ein Backzahn schlecht. Der alte Ebenezer war wohlhabend, hatte wenig zu tun und sich um wenig zu kümmern, schenkte seiner Familie nicht viel Beachtung, ob sie nun krank oder gesund war, und bemerkte nichts Außerordentliches am Gesicht seines Sohnes. Eines Tages aber nach dem Essen, als er herzhaft gespeist hatte, sagte er: »Sohn Jonas, mich dünkt, dein Appetit ist nicht überwältigend; es sollte mich freuen, wenn du noch die andere Hälfte von diesem Schweinefuß abnagen wolltest.«

»Vater,« antwortete Jonas, »ich habe seit vierzehn Tagen Zahnschmerzen; der Nordwind heute tut ihnen nicht gut. Ich würde lieber, wenn es dir recht wäre, eine Scheibe von dem schönen Käsekuchen essen, den du dort im Schranke hast.«

»Nun, was ist denn los mit deinem Zahn?« sagte Ebenezer. »Nichts weiter,« erwiderte Jonas, »als daß ich nicht mehr damit kauen kann, was ich sonst damit zu kauen pflegte.« »Schlage einen Nagel in die Wand,« rief Ebenezer tapfer, »binde einen Faden daran und schling das andere Ende um deinen Zahn.«

Der Sohn brachte einen Teil des Vorschlags zur Ausführung, konnte aber nicht recht damit zustande kommen, den Faden um den Backzahn zu schlingen; denn seine Zähne standen dicht, und der Bindfaden war nicht allzufein. Da sagte der Vater freundlich: »Mach den Mund auf, Bursche! Gib mir den Faden; Kopf zurück – zurück, sage ich dir, über die Stuhllehne.«

»Nicht der, Vater! Nicht der; der nächste!« schrie Jonas. »Was willst du?« fragte Ebenezer stolz und ungeduldig. »Sitzt die Schlinge nicht am Zahn? Hältst du auch noch meine Hand fest, du Wüstling? Machst du mir all diese Mühe um nichts?« »Geduld, warte nur, Vater!« sagte Jonas demütig mit dem Faden quer über der Zunge; »laß mich meinen Zahn auf meine eigene Art ausziehen.«

»Geh deine eigenen Wege, Schlange!« rief Ebenezer entrüstet; »so wahr Gott in Boston ist, du bist ein höchst eigensinniges, pflichtvergessenes Kind.« »Das will ich nicht hoffen, Vater.« »Nicht hoffen! Rebell! Habe ich dich nicht gezeugt, mit deinen Zähnen und allem, was du hast und bist? Habe ich dir nicht Wohnung, Kleidung, Nahrung gegeben, all diese vierzig Jahre lang? Und nun dieser Lärm und diese Widersetzlichkeit um eines schlechten Zahnes willen! Macht es mich um einen Heller reicher, ob er dir im Munde sitzt ober heraus ist?«

Washington. Würde ist beim Bürger und bei der Regierung nichts gewesen, als eine stolze, steife Beharrlichkeit in Unterdrückung; und was man Energie nennt, nicht viel mehr als der Schaum hartmäuliger Frechheit. Ein Jahrhundert Ferienzeit und Schwelgerei haben die Verwegenheit der Macht so groß gezogen, daß sie jetzt klagend vermeint, man wolle ihr alle Vorrechte rauben, wenn man doch nur dem Walten ihrer Bosheit Grenzen stecken will. Mit Kummer denke ich derer, welche die Lehren der Menschlichkeit nicht annehmen wollen, es sei denn, wir schreiben sie ihnen deutlich mit der Spitze des Schwertes vor.

Franklin. Wir wollen indessen hoffen, daß wir den Tag erleben werden, wo man diese Schüler aus der Schule jagt.

Washington. Wir müssen unsere Mühe und Sorge jetzt darauf verwenden, die Segnungen, die wir uns errungen haben, zu festigen. Von außen droht ihnen keine Gefahr, – von innen keine unmittelbare. Aber Keime der Fäulnis sind in allen Körpern vorhanden, organischen und politischen, wenn sie auch zeitweilig im Verborgenen ruhen; darum müssen wir Wachen bestellen und Gesetze erlassen, damit es keinen Abenteurer gelüstet, den Despoten zu spielen.

Franklin. Andere Verbrechen, selbst die schwersten, verletzen nur ein einzelnes Gesetz; Despotismus aber frevelt wider alle Gesetze. Der Despot sollte darum nicht nur mit dem Tode bestraft werden, eine Strafe, die auch bei Uebertretung eines einzelnen Gesetzes verhängt werden kann, und die keinen Schmerz, keine Reue, kein warnendes Beispiel zurückläßt, sondern er sollte, wie bei den Römern, auch öffentliche Schaustellung und Geißelung erleiden. Verschwörungen sind schwach und leichtsinnig; die Hand eines jeden sollte sich gegen den erheben, der seine Hand gegen alle erhebt. Man sollte Gesellschaften gründen, welche die Rächer der Menschheit belohnen; jedes Land sollte ihre Heimat sein, jeder freie Bürger ihr Bruder. Wenn auf Schulen und Universitäten von großen Männern erzählt wird, so sind es solche, die am heftigsten gegen Vernunft und Menschlichkeit gefrevelt haben. Zerstörer der Freiheit sind berühmter als ihre Begründer – Pompejus wird höher gerühmt als Pelopidas, Cäsar lauter als Timoleon; von dem, der ein Haus in Brand steckt, wird mehr geredet, als von dem, der ein Haus erbaut.

Washington. Gute Lehrer und vernünftige Erziehung sind die besten Schutzmittel gegen den Despotismus. Wo immer es eine Staatskirche gibt, da wird es viel Unzufriedenheit und Unduldsamkeit geben, ganz gleich, welchen Glaubens sie ist, und ob die Schultern des Volkes sie unfreiwillig oder teilweise freiwillig stützen. Den Menschen zum Unsegen sind die Lehren Christi zum größten Teil verdrängt oder fort erklärt worden. Eine freilich ist niemals in Mode gewesen, die unter lauter guten Lehren eine der besten ist: »Wenn du aber betest, so gehe in dein Kämmerlein und schleuß die Tür zu.« Wenn man sich das in England und Irland zur Richtschnur nehmen wollte, so würden die bischöflichen Throne bald in der Rumpelkammer verschwinden.

Franklin. Gewisse Menschen fühlen am wenigsten, wenn sie am lautesten schreien. Es gibt überhaupt sehr viel weniger Frömmigkeit und sehr viel mehr Heuchelei auf der Welt, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Denen, die gegen uns eifern, ist es mehr oder weniger gleichgültig, was wir glauben. Nicht unsere Blindheit erweckt ihren Zorn, sondern daß der Blinde sich lieber auf den eigenen Hund und Stab verläßt, als aus den der Eiferer. Noch schlimmer aber ist es, daß er den Beutel selber tragen will. Das ist Halsstarrigkeit; es drängt sie, ihm die Augen zu öffnen, um ihn von dieser Sünde zu erretten, und sie können es ihm nicht verzeihen, daß er sich weigert, sie zum Augenarzt zu nehmen.

Washington. Jeder Mensch strebt nach Macht, und wenige nur können dieses Streben zügeln und beherrschen. Ist Genie damit gepaart, so stellt sich nur allzu oft auch Stolz und Uebermut ein. Wenn Macht auch das Höchste auf Erden scheint, so ist unsere Liebe dazu doch eine unserer größten Schwächen. Das Christentum in seiner unverfälschten Fassung ist wohl geeignet, diese Liebe in Schranken zu halten; in seiner Entstellung aber ist es die Hauptstütze aller Uebergriffe und Ungerechtigkeiten gewesen. Wenn wir es je in Amerika einer Staatskirche (wie die Leute es nennen) unterjochen sollten, so wird sein Geist entfliehen, und der Körper wird so schwer aus uns lasten, daß wir ihn abwerfen oder langsam und still aus den Armen gleiten lassen. Denn das reine Christentum ist von einer solchen Einfachheit, daß man Betrug hinzufügen muß, wenn man eine Kirche daraus machen will, und aus Betrug entsteht Herrschsucht und Gewaltsamkeit.

Franklin. Jede Mutter, die man sich selbst überläßt, wird ihrem Sohn das lehren, wofür er, da es ihm nun einmal gelehrt ist, lebenslänglich teuer bezahlen muß; und dieses zahlen müssen ist oft die Ursache, daß ihm die Lehre in häßlichem und falschem Lichte erscheint. Er steht sich gezwungen, eine Ware zu erhandeln, die er nicht braucht, und von der er vielleicht (das mag sich wohl manchmal ereignen) selbst einen größeren Vorrat hat, als der Patentinhaber und Verkäufer. Die Bewohner von Neu-England sind die frömmsten und sittlichsten Menschen auf Erden, und das sind sie, weil ihre Gewissen niemals gedrillt und eingezwängt wurden, und weil ihnen nicht gelehrt wurde, ihre Opfer zwischen Gott und den Dienern der Kirche zu teilen – Gebet und Psalmen auf der einen Seite, den Scheffel Weizen und das Bündel Klee auf der anderen.

Washington. Solange Männer wie die von Neu-England leben, ist unsere Unabhängigkeit und Freiheit in sicheren Händen. Die Regierungen der Länder, die eine Staatskirche haben, werden, wenn sie nicht sehr vorsichtig sind, durch Sekten in Gefahr gebracht; uns hingegen gibt jede Sekte eine neue Sicherheit und größere Festigkeit.

Franklin. Eine Mischung von Sekten ist ebenso vorteilhaft für eine staatliche Organisation als eine Mischung des Bluts für die Kraft und Dauer der menschlichen Rasse. Alles auf Erden muß sich allmählich, unmerklich, unbehindert erneuern können – Luft, Feuer, Erde, Wasser, Pflanzen, Tiere, Menschen und Staaten. Dir, unserem Mitbürger und Verteidiger, verdanken wir zumeist die wohltätigste aller Erneuerungen. Wenn Amerika besiegt worden wäre, so wäre der Freiheit auf der ganzen Welt der Atem geraubt worden, und wir hätten selbst das Schicksal des Volkes beklagen müssen, das uns in seiner Blindheit unterworfen hatte. Mir kommt in Gedanken an das, was sich einmal in der Richtung ereignen mag, wohin du meine Blicke gelenkt hast, ein wundervolles Gesetz des Solon ins Gedächtnis zurück. Es verordnet, daß im Fall einer Gewaltherrschaft alle bürgerlichen Beamten ihre Aemter niederlegen sollen, und daß der, welcher nach Erlöschen der Volksgewalt sein Amt noch weiter ausübt, ebenso wie der Freiheitsräuber selbst, von jedem Bürger mit dem Tode bestraft werden könne. Die Juristen mögen darüber entscheiden, ob es gut und dienlich wäre, wenn man nicht nur Usurpatoren, sondern auch Eroberer (da wir dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu Gefallen einen Unterschied zwischen ihnen machen müssen) auf solche Art bestrafte; nach dem Grundsatz, daß jeder Mensch sich sein Eigentum zurücknehmen und den Räuber erschlagen darf, der es ihm widerrechtlich vorenthält. Die Moralisten aber mögen beurteilen, ob nicht ein paar solcher Strafgerichte, an auserwählten Persönlichkeiten verübt, auf Plünderungs- und Eroberungsgelüste in hohem Grade abkühlend wirken würden. Wir wollen nicht mürrisch und krittlich sein gegen die, welche Frieden und Ordnung lieben; wir wollen ihnen einräumen, daß die Erörterung der Frage gefährlich ist, ob ab und zu eine willkürliche aber heilsame Gefängnisstrafe und ab und zu etwas böse aber gutgemeinte Folter ertragen werden müsse, oder ob man sich dagegen auflehnen sollte; denn solche Dinge (so werden sie uns versichern) ereignen sich gelegentlich unter den rühmlichsten, wohlgeordnetsten Regierungen. Aber wenn Verfassungen zerstört und die rechtmäßigen Beamten abgesetzt werden, dann hat jedermann das Recht, die zertrümmerten Gesetze aufzulesen, und dann ist es eine Tugend, das heiligste und zwingendste aller Gesetze freiwillig auszuüben. Solon, so maßvoll er war, geht weiter mit seinen Vorschriften. Ein dem seinen ähnliches Gesetz wurde in Rom nach der Abschaffung des Decemvirats erlassen.

Washington. Unsere Verfassung ist dehnbar und nachgiebig durch ihre Einheitlichkeit und Reinheit. Sie kann wie die Oberfläche unseres Landes bis zu einem gewissen Grade durch Verbesserungen verändert werden, ohne dadurch ihren Charakter und ihre Eigenart einzubüßen. Der bessere Teil der Einrichtungen, die wir von England übernommen haben, wird fürs erste beibehalten werden; denn es ist schwer, in unruhigen Zeiten neue Verordnungen durchzuführen, und es könnte kommen, daß die Uebelgesinnten sich zwischen dem alten und dem neuen Zaun hindurchdrängten. Manche von diesen übernommenen Einrichtungen müssen abgeschafft werden, aber allmählich und gelegentlich.

Franklin. In England sind innerhalb eines Jahrhunderts mehr Verordnungen erlassen und widerrufen worden, als auf der ganzen übrigen Erde in drei Jahrhunderten, das nicht gerechnet – denn das wäre unbillig – was Revolutionen umgeworfen haben. Die schlechtesten Einrichtungen haben am längsten gelebt. Unfruchtbarkeit ist perennierend; Fruchtbarkeit überlebt nicht einen Jahreslauf.

Washington. Das ganze Repräsentationssystem, von dem Gesetz und Freiheit abhängig sind, hat sich zu unseren Lebzeiten verändert.

Franklin. Ausgenommen das Lordkanzlergericht.

Sedet aeternumque sedebit.

Es hat mehr Jammer und Elend über unschuldige Familien gebracht, als alle Spielhöllen und Lasterhöhlen der drei Königreiche. Almosen, Schulen, Krankenhäuser, Waisenhäuser werden von ihm aufgesogen und gehen in diesem Binnen-Maëlstrom unter.

Washington. Die Engländer reden über andere Uebelstände, und diesen bemerken sie kaum. Wir können einem Gegenstand so nahe sein, daß wir ihn nur undeutlich sehen und nicht in seiner ganzen Ausdehnung überblicken können.

Franklin. Ein Matrose, der zum Galgen verurteilt war, wurde mit den Worten vermahnt: »Halte dich bereit, vor deinem ewigen Richter zu erscheinen.« »Was meint Mylord?« fragte er den Kerkermeister, der ihn abführte. »Ich kann doch unmöglich etwas mit dem Lordkanzler zu tun haben! Ich habe ja weder Land noch Haus, und über meine Jacke und Hose würde er die Nase rümpfen.«

In keinem anderen Lande sind die Gesetze den Vergehen so unangemessen, so blutdürstig, so widerspruchsvoll, so vieldeutig, so langsam und so teuer. Das aber sind die sechs Hauptfehler, welche Gesetzen anhaften können; es würde schwer sein, einen siebenten Fehler von Bedeutung zu finden; denn Schlaffheit kann nicht mit ihnen zusammen bestehen. Es sind mehr Vermögen auf dem Flugsand britischer Gerichtsbarkeit zugrunde gegangen, als je von despotischen Herrschern verschlungen wurden; und es gibt in England mehr todeswürdige Verbrechen, als den Juden zur Zeit des Moses und den Athenern zur Zeit des Draco auch nur dem Namen nach bekannt waren.

Washington. Manchmal sind es nicht die Unwissenden, die sich am albernsten benehmen. Unsere verflossenen Gegner zürnen uns jetzt so heftig, als wenn sie glaubten, wir spotteten ihres Wankelmuts; manche von ihnen hat die Form unserer Verfassung mehr erschreckt als irgendeine andere Folge unserer Befreiung, wie ich glaube, ohne Grund. Die republikanische Verfassung schickt sich nur für ausgewachsene Staaten und paßt schlecht für Staaten im Verfall oder im Kindesalter. In Europa allerdings spricht man von unserem Staat als von einem Kinde.

Franklin. Ach, wirklich? Ich habe nie von einem Kinde gehört, das seine Mutter die Treppe hinunterwarf.

Washington. Spaß beiseite, Benjamin; sage mir, ob es nicht auch deine Meinung ist, daß das Alter der Staaten nach ihrer Erfahrung und Bildung berechnet werden muß und nicht nach dieser oder jener Veränderung im politischen Leben; und ob irgendein Volk auf Erden je besser über seine Pflichten und Interessen unterrichtet war, als das unsrige.

Franklin. So weit geschichtliche Ueberlieferung reicht, nein; und Gott gebe, daß alle Neuheiten in unserem Lande ebenso richtig und vernünftig sein mögen, wie deine Bemerkung über das Alter der Staaten. Wir sind ein ebenso altes Volk wie die Engländer, nur sind wir nicht so alteingesessen in Amerika als sie in England. Wenn ein Mann den Ozean kreuzt, so wird er nicht jünger davon, und ein Volk wird es auch nicht.

Washington. Man hat noch andere Anklagen als die der Jugendlichkeit gegen uns vorgebracht, die scheinbar schwerwiegender sind. Man klagt uns des schändlichsten Undanks an, weil wir unsere Kraft und unser Glück gegen die gekehrt haben, welche sie erzeugten. Kraft und Gedeihen haben noch nie eine Kolonie zur Auflehnung getrieben, noch ist Reichtum ein Ohrenbläser der Unabhängigkeit. Aber wenn sich Anmaßung und Ungerechtigkeit in eine starke und blühende Kolonie eindrängen, so macht diese sich ihre Kraft und ihr Gedeihen zunutze; dann allerdings wird der Reichtum, der nicht der Anreger war, die Stütze im Freiheitskampf. Jede englische Kolonie hat das Verlangen gezeigt, sich frei zu machen, wenn sie Gelegenheit dazu hatte; keine römische Kolonie hat ein solches Gelüsten verspürt. Unter der Regierung des Hadrian baten Utica, Italica und Gades, welche die Vorrechte von Municipien genossen, um den Titel einer Kolonie, obwohl sie in dem ersten Zustand alle Obrigkeit selber ausüben durften und sich aller Würden einer Republik erfreuten. Trotzdem aber heißt Rom der Unterdrücker und England der Beschützer der Menschheit.

Franklin. Gott schütze das elendeste seiner Geschöpfe vor einem solchen Beschützer!

Washington. Wir haben von der Gefahr gesprochen, die jedem Staate früher oder später von willkürlichen Machthabern droht, und von den Grundsätzen, die jedem jungen Bürger eingeprägt werden müßten, um den Staat vor Willkür zu schützen, und, wenn alle Vorsicht vergeblich war, ihn aus den Händen der Willkür zu erretten. Aristokratie ist nach der Meinung vieler ein ebenso großes Uebel und die naheliegendere Gefahr. Darum haben wir eine Partei, welche gegen die Einführung eines Senats war; und wahrlich, wenn ich ihn auch nur entfernt, was Zweck und Gehabe angeht, im Lichte einer Aristokratie oder Oligarchie sehen könnte, so würde ich ihn laut und offen mißbilligen. Erbliche Senate, mögen sie sich nennen wie sie wollen, zehren immer an den Lebenskräften ihres Landes. Von unserem Senat drohen uns keine solchen Gefahren; im Gegenteil, er ist ein erhaltendes und förderndes Organ. Seine wohltätigen Wirkungen gehen über ihn selbst und seine Befugnisse hinaus. Es darf niemand in den Senat gewählt werden, dessen Vermögensstand nicht ein Beweis seiner Vorsicht und Klugheit ist, und dessen Betragen nicht ordentlich und würdig befunden wurde. So werden manche Geister, die sonst aus Anlage, aus Jugend, aus Eifer oder Ehrgeiz, Schreierei und Zügellosigkeit unter unsere Vertreter tragen würden, gebändigt und gebessert durch die Hoffnung, dereinst in diese ehrwürdige Versammlung einzutreten.

Franklin. Tiberius, der weiseste aller Despoten, steigerte, um seine eigene Macht zu steigern, die Machtbefugnisse des Senats und betraute ihn mit dem Geschäft der Comitien. In barbarischeren Zeiten werden König und Aristokratie sich um die Macht streiten, und das Volk wird zwischen beiden sein Haupt erheben; in gesitteteren Zeiten aber, wo Ueberfluß an Reichtum einen Ueberfluß an Aemtern erzeugt, werden sich die Beiden zusammentun, und das Volk wird unmerklich immer tiefer sinken. Denn in einem solchen Staate ist es für den Bestand des Königtums und der Aristokratie erforderlich, daß das Volk arm und ungebildet bleibt. Um es vor den Uebeln des Reichtums und der Bildung zu bewahren, werden Kriege herbeigeführt und einkömmliche Stellen geschaffen; die Wahlen werden so gehandhabt, daß sie möglichst viele Kosten verursachen und soviel Laster als möglich entfesseln. Wo Senate die ausübende Gewalt in Händen hatten oder sie einsetzen durften, da sind sie immer Werkzeuge gewesen und niemals Vermittler. Der Senat des päpstlichen Roms gibt dem des kaiserlichen Roms an Würde nichts nach. Die ehrwürdige Körperschaft, – die aus einem Mann, einem Rock und einer Perücke besteht – trat dieses Jahr vor das Angesicht Seiner Heiligkeit, um ihn zu bitten, er möge das Maskentragen in der letzten Woche des Karneval erlauben. Wer kann an der Nützlichkeit und Würde solcher Einrichtungen zweifeln; wer kann bestreiten, daß eine Körperschaft von solchem Ernst und Anstand notwendig zwischen Fürst und Volk stehen muß?

Washington. Andere Völker scheinen im Uebermaß ihres Wohlwollens mehr für uns zu fürchten, als wir selbst. Sie geben zu, daß du und einige wenige andere unter uns ehrliche, gutgesonnene Menschen seien, und wenn man ihnen hart zusetzt, räumen sie ein, du seiest maßvoll, vernünftig, der Belehrung zugänglich, ja weise; aber die grünsten Jünglinge, Whistspieler und Sportsleute werfen dir über die Schulter gute Ratschläge zu. Wenn Volk, Senat und ausübende Gewalt kurz erörtert worden sind, wird über das Ganze ebenso rasch und ebenso leicht abgeurteilt. »Republiken haben keinen Bestand!« so tönt der Ruf am Ratstisch und auf der Kanzel, und das Echo in Kirche und Sitzungssaal.

Franklin. Ich würde das Urteil auf ebenso wenige Worte beschränken. Ein einfacher Beweis genügt für eine einfache Wahrheit; was darüber ist, pflegt zum einen Teil Erläuterung, zum anderen Teil Verwirrung zu sein.

Wenn man die Vorteile des Königtums und der Republik vergleicht, so sind nicht Formen oder Familien die Hauptfrage, auch nicht, ob wenige regieren oder viele, sondern ob die Guten über die Schlechten herrschen sollen, oder die Schlechten über die Guten. Ein ganzes Volk kann nicht lange in seinem Urteil irren. Ein oder zwei Leute mögen mit einem Reitknecht übereinstimmen, daß ein krankes Pferd ein gesundes Pferd sei; zwanzig hingegen werden es nicht tun, und wenn du sie auch ganz zufällig zusammenrufst. Dein Vorteil aber ist es, wenn du das Pferd zurückschicken kannst, nachdem du es mit ihm versucht hast, oder umtauschen kannst, wenn seine Krankheit zutage gekommen ist.

Washington. Gewisse Satzungen unserer Verfassung könnten verbessert werden. Es wäre in meiner Lage weder klug noch anständig, wenn ich sie bezeichnen wollte. Aber unsere gegenwärtige Verfassung ist einer festeren und zentralisierteren entschieden vorzuziehen. Sie ist gleich jenen Brücken, welche nur mit losen Brettern belegt sind. Wenn die Wasser heftig steigen, würde eine anscheinend festere Bedeckung aufgehoben und zerbrochen werden.

Franklin. Beim Regieren, wie bei anderen Geschäften, wäre es uns – und nicht nur uns, sondern auch jenen weiseren und größeren Männern, den Ministern der Könige – sehr nützlich, die erste halbe Seite der »Elemente der Geometrie« zu lesen. Dort steht: »Die gerade Linie ist der kürzeste Weg von einem Punkte zum anderen«, und ich möchte hinzufügen, ceteris paribus, der leichteste und sicherste. Wir wurden vor nicht allzu langer Zeit Parteigänger der Anarchie gescholten. Damals konnten wir mit unseren Gegnern nicht darüber streiten, denn sie waren in einem Zustand der Raserei und rannten frei umher; jetzt, da ihnen die Arme auf den Rücken gebunden sind, da sie zu Hause sind und im Bette liegen, können wir vernünftig mit ihnen reden und ihnen klar machen, daß keine Zahl dem Nichts so nahe ist wie die Eins, und keine Verfassung der Anarchie so nahe wie die Monarchie. Es gibt viele Arten von Anarchien, wenn man auch nur eine Art mit Namen kennt; wie wir auch auf manchen Pflanzen und Gesteinen wandeln, die nicht benannt und nicht beschrieben sind. Wir pflegen eine Schar von Männern anarchisch zu nennen, die sich in einem Zustand des Aufbrausens befindet. Anarchischer aber sind die, welche das Regiment den Launen der unlenksamsten, unerfahrensten Glieder der menschlichen Gesellschaft ausliefern. Anarchie hat, wie andere Dinge auch, gewisse Zustände und Zeiten der Ruhe; und ihre Züge werden durch die Schlaftrunkenheit der Uebersättigung nur noch erhitzter und entstellter.

Washington. Eine dritte, nicht ganz so schwerwiegende Frage wird noch von denen aufgeworfen, die unser Schicksal nicht in unsern Händen, sondern in den Wolken lesen. Sie prophezeien uns, daß in künftigen Tagen jede Provinz ein selbständiger Staat sein werde.

Franklin. Entsetzliche Weissagung! Wir werden alsdann so unglücklich sein, unsere Wilden zu gesitteten Menschen erzogen zu haben; unsere Hügel, Wälder und Steppen abgegrenzt und bevölkert, unsere Steinbrüche, Bergwerke und Kanäle gegraben, unsere Zeughäuser errichtet, unsere Schiffe gebaut zu haben; kurz, wir werden so reich und so mächtig sein, daß wir keinen Feind mehr fürchten und keine Verbündeten mehr brauchen. Die Zeit wird sicher einmal kommen, wo jede Provinz soviel hervorbringt als jetzt alle zusammen, so daß jede einzelne so fest und sicher auf den Füßen steht, als jetzt das ganze einige Land. Eine lange Erfahrung in dem, was ihr wahrer Vorteil ist, die Gewißheit, daß sie auf Frieden und Einigkeit angewiesen sind, wird Kriege zwischen ihnen unmöglich machen; und wenn irgendeine europäische Macht sich erkühnen sollte, den schwächsten dieser Staaten anzugreifen, so werden nicht nur unsere anderen Staaten diese Macht züchtigen, sondern ihre eigenen Untertanen werden sie im Stiche lassen oder stürzen. Sicherheit vor Unterdrückung, Zuflucht vor Verfolgung, Ehrfurcht vor Redlichkeit und Lohn für Fleiß und Arbeit begrüßen hier den Menschen. Ein Arbeiter verdient mehr in diesem Lande, als ein humanistischer Professor in einigen der gebildetsten Länder von Europa. Die Kinder Amerikas sind frei für immer, denn sie sind entschlossen, diese Güter zu wahren. Die Kinder Europas werden sich noch manches Jahr mit dem Knäuel durchs Labyrinth tasten und dem Minotauros Trotz bieten müssen.


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