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Vor dem Kloster Niedernburg.
Links Portal der Klosterkirche. Man steigt durchs Portal über mehrere Stufen zu etwas wie einer Vorhalle hinab. – Im Hintergrund sehr fensterarme Mauer des Nonnenklosters. – Aber rechts im Hintergrund bietet sich eine freie Aussicht zum (unsichtbaren) Innufer hinab und über den (gleichfalls unsichtbaren) Innfluß hinüber bis hinauf zum Kapuzinerkloster Maria-Hilf. Glockenrauschen. – Das Portal mit Blumen festlich geschmückt. – Die Bühne von rechts hinten herein bis links vorne hinaus von einer Straße überquert gedacht.
Batauer Bürger; Bürgerinnen; junge Mädchen und alte Betschwestern, die – zumeist von rechts hinten herein, aber etliche auch von links vorne – zur Klosterkirche wallen. Über ihnen wiegt sich's wie Tücher, gewebt aus Glockentönen. – Bald darauf – mit etlichen Standes- und Fraktionsgenossen –: Justizrat Dr. Kreidle. Sowie Hermine, die Frau des Herrn Bezirksgeometers a. D. Pfaffinger, zusammen mit Fräul'n Theres, einer alten Betschwester. – Später: Die Eltern und die fünf Brüder Helmtrudis' – unter den Brüdern Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti – sowie noch einige Anverwandte.
Vier oder fünf Betschwestern reden durcheinander. Man versteht keine einzelne. Deshalb klingt's – aus dem Glockengewirr – als ob die vier oder fünf zusammen in einem ganz dünnen Chore sprächen. Etwa so:
»Wenn alle andern Mietsparteien no' schlaf'n – mitsamt die Dienstmägd'! die können sie nämlich alle miteinander nicht ausstehen – mitsamt die Dienstmägd'! – sperr'n wir scho' die Haustür'n auf: ums Morgenläuten.«
Zwei, drei andere – ganz alte:
»Und wir vom Spital! – Und wir vom Spital –!«
Eine junge Batauer Bürgersfrau zu einer andern: Drei soll'n's sein, die wo heut' d'n Schleier nehmen.
Andere junge Batauer Bürgersfrau schreit enttäuscht auf: Bloß –?!
Die vier oder fünf Betschwestern vereinigen sich mit den zweien oder dreien ganz alten vom Spital:
»Wann alle andern no' sündhaft träumen – woll'n wir scho' die Frühmeß' net versäumen.«
Justizrat Dr. Kreidle zu einem Fraktionsgenossen: Heiß'n soll's, daß die Mariahilfer Kapuzinerpatres ebenfalls herunter zur Einkleidung kommen.
Batauer Bürger: Na ja. Wo doch der eine seine eigene Frau –
Kreidle: Ich kenne den Fall. Ich hab's vorausgesagt: Das Kirchenrecht siegt –!
Fünf Männer bilden ein seltsames Quintett: Es sind das zwei ganz alte Männlein und zwei jüngere, welch letztere wie wahre Todeskandidaten aussehen. Und der fünfte, das ist ein ziemlich dicker, der das blühende Leben in Person darstellt – aber der ist von Beruf Batauer Packträger und befindet sich auch jetzt in Uniform. Diese fünf reden durcheinander. Aber man versteht keinen einzelnen. Darum klingt's – aus dem Glockengewirr – als ob sie ebenfalls zusammen in einem ganz dünnen Chor sprächen. Etwa so:
»Könna ma' jetz' kaum die Einkleidung von die neua Nonna net awart'n –
heut' na'mittag spiel'n ma' Kart'n –
heut' na'mittag spiel'n ma' Kart'n –
in' Niedermeiergart'n –
in' Niedermeiergart'n –«
Die Glocken summen für eine Weile nur noch: eine akustische Täuschung! – Von links vorne her kommen Hermine, die Frau des Herrn Bezirksgeometers a. D. Pfaffinger und Fräul'n Theres, jene alte Betschwester.
Fräul'n Theres sehr schwerhörig: Ja so – Sie kommen also net glei' mit 'rein, Frau Pfaffinger?
Hermine sehr feines altes Elfenbein – so ist ihr Gesicht und sind ihre Hände: Vorerst noch net, Fräul'n Theres.
Fräul'n Theres: Jetz' gäb's aber vielleicht grad' no' a' schö's Platzerl. In einem Augenblick später is's auch scho' z'spät. – I' wer' amal nachschau'n, ob's net überhaupt's scho' da sind, die Herrn Kapuzinerpatres!
Hermine: Das war' überaus nett von Ihnen, Fräul'n Theres.
Fräul'n Theres: I' schau' amal nach. Sie geht in die Kirche hinein.
Batauer Bürger, Bürgerinnen, junge Mädchen und alte Betschwestern, die – zumeist von rechts hinten herein – zur Klosterkirche wallen. Über ihnen wiegt sich's wie Tücher, wie seidene, die wie von Händen von Klosterfrauen aus Glockentönen gewebt sind.
Fräul'n Theres kommt zurück, sich noch mit Weihwasser zu Ende bekreuzigend und auch Frau Hermine mit schnipsendem Finger etwas davon abgebend: Pass'n S' auf, Frau Pfaffinger, die Herren Kapuzinerpatres kommen wieder z'spät – so wie bei der vorjährig'n Fronleichnamsprozession. Und die ganze Klosterkirch'n is' schon so voller Leut'. Und vorn sind so viel Plätze reserviert, die noch halbleer sind. Für die Verwandt'n von der gräflich'n Himmelsbraut jed'nfalls. Unser jetziger Justizminister soll ja auch – und zwar ein gar nicht so weit entfernter – Verwandter von ihr sein. Sie seufzt.
Hermine die Leute kommen sieht, zupft sie ein paarmal am Ärmel.
Fräul'n Theres: Was woll'n S' denn, Frau Pfaffinger?
Es bildet sich eine Gasse von Gaffern: Es kommen: die Eltern, Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti und die übrigen vier Brüder Helmtrudis' sowie noch einige Anverwandte. – Offizierssäbel klirren. Sporen singen. – Die fünf Brüder sind ja sämtlich Offiziere und der Vater Helmtrudis' ist gar General. – Aber diese ganze vornehme Sippe kommt sonst natürlich schweigend, außer daß die Säbel ein wenig auf dem Pflaster klirren. Sie treten allesamt in die Kirche. Und die Gaffer ihnen wispernd nach.
Hermine Fräul'n Theres ins Ohr schreiend: Das war'n wohl die Angehörig'n – – von ihr!
Fräul'n Theres: Vielleicht – dös ka' ma' do' net wiss'n – war aber von ihm ebenfalls ein Verwandtes darunter. – Auf einen jeden Fall waren diese sämtlichen ja auch einmal verwandt mit ihm.
Hermine: Wieso?
Fräul'n Theres: Na, weil er sie doch frühers amal g'heirat't g'habt hat.
Hermine begreift: Ach so –!
Fräul'n Theres: Jetz' muß i' mi' aber ge'bald schlaun'n, damit daß i' no' a Platzerl krieg'. – Aber grad' schad' is', daß Sie no' herauß'n steh'n bleib'n woll'n, Frau Pfaffinger. – I' hätt' so gern g'habt, daß Sie all's ganz genau g'seh'n hätt'n – den ganz'n feierlich'n Vorgang so einer Nonneneinkleidung. – Denn ... vielleicht wär'n Sie dann doch noch anderen Sinnes 'wor'n, Frau Pfaffinger –! – Denn ... i' – i' muaß mi' ja frei Sünd' fürcht'n, daß i' mei' Wohnung zu demjenigen hergeb', was Sie da mit Ihr'm Mann vorhab'n. – Ja – gibt's denn für so a' Mannsbild überhaupt's was Besseres in dera Welt als wie – er geht in's Kloster –? – Sie laden eine schwere Schuld auf sich, Frau Pfaffinger –! – Unser lieber Herrgott mög's Ihnen und mir vergeb'n in seiner Güte, Frau Pfaffinger –! Und dafür wer' ich jetz' zu ihm gar andächtiglich bet'n.
Hermine, die Frau des Herrn Bezirksgeometers a. D. Pfaffinger. Ohne Fräul'n Theres. Benefiziat Sebastian Obst aus Wolfach.
Bald darauf die ganze Prozession:
Der Bischof samt Geleite, die Oberin des Nonnenklosters; Nonnen und Novizinnen, worunter Gräfin Helmtrudis von Hilgartsberg.
Die kleine Klosterkirche ist nun bereits gesteckt voll von Andächtigen – bis in die Vorhalle heraus, zu der man durchs Portal über mehrere Stufen hernieder gelangt. Immer aber kommen noch Nachzügler – so wie eben jetzt wieder. Und unter diesen befindet sich der hochwürdige Herr Benefiziat Sebastian Obst aus Wolfach.
Obst zirka fünfunddreißigjähriger Mann; ein wenig schwerhörig; gewahrt Frau Hermine, tritt grüßend auf sie zu: Hab' ich mir's doch gedacht –! – Grüß Gott, Frau Bezirksgeometer!
Hermine: Grüß Gott, Hochwürden.
Obst: Aber Sie san' net mit'm Frühzug 'runterg'fahr'n? – Sonst hätt' ich Sie ja sehen müss'n. – Ja, ich dachte mir sogar, Sie hätt'n sich's amend' doch noch anders überlegt –!
Hermine: I' bin schon gestern 'runter. I' hab' hier bei einer Bekannten übernacht't. – Und ein Zurück, Hochwürd'n, das gibt's bei mir jetz' nimmer.
Obst: Mir aber dürf'n Sie, wie ich Ihnen schon in Wolfach drob'n g'sagt hab', keinen Vorwurf mach'n, Frau Bezirksgeometer. – Ich hab' Ihren Herrn Gemahl wirklich nicht dazu gedrängt, auf seine alten Tage noch Mönch und Priester werden zu sollen. Sondern er ist damals – ich erinner' mich noch genau ganz aus freien Stücken zu mir 'kommen.
Hermine: Aber wie werd' ich Ihnen einen Vorwurf machen, Hochwürden? – Wär' ich sonst eigens zu Ihnen gegangen und hätt' mich Ihnen auch noch völlig anvertraut, welchen Schritt ich vorhabe –?
Obst: Es ist das eine ungeheuer schwere Gewissensfrage, die was jeder mit sich selber abzumachen hat.
Hermine schier ausbrechend: Mich bringt's aber um, das große Herzeleid –! – Mir zieht's die Füße bei lebendig'm Leib immer mehr in'n Erdbod'n 'nein ... Ich bring' die gar net so alten Füß nimmer weg vom Bod'n ... Ich kann's nimmer aufheb'n ... Wie schon halbert in mein'm eigenen Grab drin geh' ich daher ... Er kann mich doch net ganz und gar umbringen woll'n ...
Da setzt verstärkt Glockenbrausen ein. – Und es naht ein feierlicher Zug, der von rechts im Hintergrund »um die Ecke«, da, wo sich die freie Aussicht bietet, aus dem Nonnenkloster herauskommt: Zuerst der hochwürdigste Herr Bischof mitsamt seinem Geleite. Sodann drei Novizinnen – die mittlere ist die Gräfin Helmtrudis – in Weiß und weißen Schleiern, eine jede von einer jüngeren Nonne geführt. Sodann die Nonnen, nach ihrer Anziennität, d. h. die jüngsten voraus. Zum Schluß die Oberin mit den zwei ältesten. Diese Prozession bewegt sich quer über die Bühne hinein durchs Portal in die Klosterkirche. Und ein Orgelspiel hebt an und schwillt. – Und die Glocken schweigen.
Obst tritt – dem Zug nach – ein, zwei Stufen durchs Portal hinein in die Vorhalle hinunter.
Gemurmel unter den letzten hintersten Andächtigen.
Obst frägt etwas und kommt dann wieder heraus zu Frau Hermine: Das Publikum hat die reservierten Plätze – für die Kapuzinerpatres – gestürmt.
Kirchengesang ertönt von drinnen:
»Veni creator Spiritus ...«
Hermine fast klagend: Wo die Patres aber auch so lang bleib'n –!
Obst: Die mittlere von den drei Bräuten war die Gräfin Helmtrudis von Hilgartsberg. – Aber so blaß is's g'we'n. So gar sehr bleich. – Zölibatär. Die Klosterluft hat sie so bleich g'macht – und aso blaß. Sie is' ja auch schon ein Jahr und einen Tag lang im Kloster. Genau – heut – ein Jahr und einen Tag. – Sie is' so weiß im G'sicht – wie der Mantel eines Arabers. – Übrigens: die Araberbande, die wo hier erst in Batau 'rumgezog'n is' und gestern gar bei uns in Wolfach droben ankam, die hab'n s' d'r auf'n Schub 'bracht –! – Er sieht sie kommen. Aber – – da kommen s' ja daher – – Jetz' kommen s' – die Patres – –
Er grüßt mit einem Neigen. Geht in die Kirche.
Hermine. PP. Burkhardus (Guardian), Konradus, Edmundus, Rochus, Bruno, Oswaldus, Evaristus, Felix (d. i. Graf Horst von Hilgartsberg) – längst wieder mit langem Bart. Frater Coelestin (d. i. Herr Bezirksgeometer a. D. Alois Pfaffinger).
Alle die PP. und der eine Frater – ziemlich eilig ankommend. Und zwar vom – unsichtbaren – Innufer herauf.
P. Guardian erfaßt die Situation mit einem Blick: Na also –! Was hab' i' Enk (»Enk«, d. i. Euch) g'sagt –? Hab' i's Enk net scho' auf der Seilfähr ... hab' i's Enk net scho' bei der Überfuhr g'sagt oder net –? I' hab' do' no' meine Ohr'n – – i' hab' do' g'hört, wie d' Glock'n mit einmal nimmer g'läut't hab'n –! – Aber – naja – naja – wenn einige von den Herren Patres zuvor mit der Brennscher' hantier'n müss'n –! 'n Bart kräus'ln, wie wenn's auf an Ball ging –! – Gott sei Dank, das ist nun die Strafe dafür. Nämli' – jetz' geht mir keiner von Euch 'rein – denn ich wach' darüber, daß die heilige Handlung drinnen net g'stört wird – durch unser verspätetes Eindringen. – Noch einmal voller Unmut. Mit der Brennscher' zu hantier'n –! An Bart zu kräuseln –! An Kapuzinerbart –!
Hermine tritt – halbwegs – hinzu: Die Plätze für die hochwürd'gen Herrn Patres – ganz vorn – war'n reserviert –
Frater Coelestin wie ein unmöglicher Rekrut: D'Frau Pfaffinger – mei' Frau – –
Hermine ohne auf den Ruf ihres Mannes zu reagieren: Aber vorhin – grad' vorhin – sind die reserviert'n Plätze für die hochwürd'gen Herrn Patres von den Andächtigen einfach g'stürmt wor'n –
P. Guardian sie erkennend, herzlich: Frau Bezirksgeometer –!
Frater Coelestin überströmend: Ja – Mini –! Ja – Minerl –!
Hermine tauscht mit P. Guardian einen ernsthaften Händedruck. Immer noch ihren Mann wie völlig übersehend: Darf ich mit mein'm Mann ein paar Worte sprechen, hochwürdiger Herr Pater Guardian –?
P. Guardian: Ja aber – selbstredend, Frau Bezirksgeometer –!
Frater Coelestin sich herzudrängend: Minerl –!
P. Guardian geht von beiden weg.
Hermine und Frater Coelestin nach vorne links.
Frater Coelestin zu seiner Frau: Ich freu' mich, daß du da bist –! Ich freu' mich wirklich –! Er drückt ihre Hand. So eine schöne Feier –! Ich kann nämlich das ganze Rituale von so einer Nonneneinkleidung auswendig –! – Er zerrt sie fast. Komm, Minerl –! Geh' –! Er will mit ihr nach dem Portal hin. So geh –! Ich zeig' dir die Feier –! Ich erklär' sie dir –! Ganz genau –!
Hermine bleibt: Ich hab' mit dir zu reden, Alois –! Beschwörend. Alois –! Mann –! Sie hält ihn.
Frater Coelestin: Es entgeht mir viel –! Es entgeht mir z'viel –! Es ist doch die Frau – – es ist etwas Eucharistisches – – es ist doch die Frau von unserm Bruder Felix –!
P. Guardian: Bruder Felix –! Gib acht –! Gib acht auf den Aug'nblick, Bruder Felix –! Wir sind fast zu spät gekommen –!
P. Edmundus beschwörend: Bruder Felix –!
P. Rochus tritt vor: Auch ich möcht', daß du hineingehst –! Bruder Felix –! Hineingehn sollst du –! Wir bleib'n herauß'n –!
P. Felix wild werdend: Wer will mir was –? Wer sagt, daß ich da hineingehn soll –? – Ich g'hör' hier herauß'n hin –! Er wirft sich nieder. Auf die Knie.
Frater Coelestin zu Hermine: Also – was willst du mir sag'n, Hermine? – Wie steht's daheim in Wolfach? – Wie geht's dir, Minerl –?
Hermine: Es is' bald ausg'sproch'n, was wir zwei miteinander z' sprech'n hab'n. – I' bin gestern na'mittag scho' 'runterg'fahr'n. I' hab' bei der Fräul'n Theres übernacht't. Es is' ja jetz' scho' ganz gleich, wo ma' über Nacht bleibt. Es muß ja nimmer daheim sein – in der eigenen Wohnung. Ma' kann die Nächte umeinand' flankeln – bald dort, bald da – ganz zigeunerisch. – Es is' ja sowieso kein Daheim mehr. I' hätt' net g'glaubt, daß i' no' amal unstet werden müßt'. Daß i' umeinand'geister' die Nacht'. – Ma' braucht ja fast kein'n Schlaf mehr als alt's Leut'. Es is' wie ein langes Herwach'n auf'n letz'n Schlaf – auf'n längst'n – auf'n ewig'n. – Na also: kurz und gut: i' hab' dir ein'n Zivilanzug mit'bracht. Er liegt drob'n in der Wohnung bei der Fräul'n Theres. Er liegt über'n Stuhl. Du brauchst nur grad' 'naufgehn und ihn anziehn'. – D' Fräul'n Theres ist eing'weiht in die Sach'. Der Herr Benefiziat Obst eb'nfalls.
Frater Coelestin begreift: I' soll das geistliche G'wand wieder ableg'n ...?
Hermine: I' tu' einfach nimmer länger mit.
Frater Coelestin: Aber ... du selber, Minerl, bist doch mit allem einverstand'n g'wes'n ...?!
Hermine: Ja. Aber jetz' bin i's nimmer. Nimmer länger. Nicht eine Stunde länger mehr.
Frater Coelestin: Aber du hast doch selber das ausdrückliche Versprech'n geb'n ...?!
Hermine: Wenn i's jetz' aber nimmer halt'n mag, mein Versprech'n –? Ganz einfach sagt sie das. – Wer will mi' denn zwing'n –? – Erst einmal sag' ich's dir. Bei der Fräul'n Theres drob'n liegt dein Anzug. – Wenn das net nützt – das heißt, wenn du mir net glei' folgst –, dann widerruf' ich mein gegebenes Versprech'n öffentlich! Dann blamier' i' Enk alle miteinander! Dann laß i' mi' einfach scheid'n von dir! Dann kommt's zu einem Prozeß! Dann kommt's zu einem Scheidungsprozeß! Das wird dann ein feines Wasserl auf die Mühle von andern Konfessionen! Ich provozier' in aller Öffentlichkeit – dös sag' ich dir – einen Skandal! – Und deine Briefe – alle die wahnsinnig'n, die du mir 's letzte Jahr über aus'm Kloster g'schrieb'n hast – ohne Wissen deiner Obern – – diesen ganzen Briefwechsel, den du poste restante mit mir g'führt hast, den tu' ich in eine liberale Zeitung – in ein Judenblatt'l.– – Was brauchst du mir solche aufregenden Briefe z' schreib'n –? Als wie »Abälard und Heloise« –? – Drob'n in der Wohnung bei der Fräul'n Theres liegt ein völliger Anzug von dir.
Frater Coelestin: Aber – Hermine! – weißt du, was das von dir ist –? – Das ist ja Erpressung von dir –!
Hermine: Erst hab' ich mir gedacht, ich geh' einfach ins Wasser – ja – – ja – ins Wasser geh' ich.
Frater Coelestin: Mini –!
Hermine: Du müßtest nur einmal sehn, wie in ganz Wolfach drob'n d' Leut' über dich lachen, sobald d' Red' auf dich kommt. – Aber dann, hab' i' mir 'denkt, wer'n s' nix z' lach'n mehr hab'n, wenn i' erst ins Wasser 'gangen bin – und die nötigen ernsten Erklärungen dafür werd' ich auf alle Fälle zurücklass'n. – Sieghaft. Ja, Manderl, du kennst mi' net, was i' für eine bin – zu was für einer i' g'wor'n bin. – Also: Drob'n bei der Fräul'n Theres liegt dei' G'wand.– –Unser halbes Vermög'n, was du dem Kloster überschrieb'n hast: soll's verloren sein –! Das setzst d' auf's Verlustkonto für deinen dummen Streich, für deinen dummen –! Wir langen mit der übrig'n Hälfte schon auch noch, wir zwei – denn wir wer'n ja doch keine gar so großen Sprünge mehr machen, wir zwei. – Also – ganz starr es is' wirkli' all's überlegt. Und es gibt gar kein Zurück mehr von meiner Seit'n. – Komm' mir übrig'ns net mit so' Ausred'n, daß du vielleicht blamiert bist, wenn du jetz' aus'm Kloster ausspringst. Blamiert hast du dich vielmehr – vor allen Leuten – genug und mehr wie genug dadurch, daß du ins Kloster hinein'gangen bist. Deine einzigste – einzig möglichste Ehrenrettung bleibt: du siehst deine Dummheit ein. – Hart. Scheltend. Lauft der ... Tölpel zweimal an jedem Tag den hohen Mariahilfsberg 'runter ins Gymnasium und wieder 'nauf –! Weißt du, wie du mir in deinen heimlich'n Brief'n geklagt und gejammert hast über diese Steigerei –? – Ja, sind denn net wenigstes deine alt'n Hax'n no' so g'scheit, daß sie dir endli' sag'n, was du für eine entsetzliche Dummheit begang'n hast –?!
In diesem Augenblick hört das Orgelspiel samt Gesang drinnen auf. – Große Stille. – Alle miteinander treten gespannt näher ans Portal – mit Ausnahme von P. Felix.
Frater Coelestin: Jetz' tut der hochwürdigste Herr Bischof drinnen die Fragen –
P. Guardian tritt zu Felix, der immer noch kniet; ihn aufrüttelnd: Bruder Felix –! Jetzt soll deine Frau drinnen – deine liebe Frau drinnen – das Gelübde ablegen –!
P. Konradus tut empört: Aber so laßt's'n doch –! So laßt's doch den Bruder Felix –!
P. Guardian rüttelnd: Bruder Felix –!
P. Konradus auf einen Wink zu seinen Getreuen – spricht mit den PP. Bruno, Oswaldus und Evaristus: »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Name, zukomme uns dein Reich; dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden; gib uns heute unser tägliches Brot, und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern; und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Amen.«
P. Felix sich aufrichtend. Aufgestört wie aus einem Traum: Was is's –?!
P. Edmundus stark: Rette, Bruder Felix –! Rette, wie du kannst –! – Jetzt erst geht's selbige Schiff unter, Bruder Felix –! In diesem Augenblick erst –!
P. Felix schreit wie irrsinnig auf. Springt auf. Schreit. Taumelt durchs Portal. Die Stufen hinunter. Schreiend. Teilt die Menge. Schreit: Laßt's mich –! Laßt's mich zu meiner Frau –! Helmtrud –! Helmtrud –! Ich will zu meiner Frau –! Zu meiner Frau will ich –! Ich widerrufe –! Helmtrud –! Und so – variierend – fort. Immer ferner. Immer mehr in der Kirche drinnen. – Und dann still. Still.
P. Oswaldus die Vorgänge drinnen beobachtend: Sie schaut sich nicht amal nach ihm um. Nicht die geringste Notiz nimmt sie von ihm. – Hetzend. Aber der Skandal –! Der Skandal –!
P. Rochus: Jetz' fällt ihr langes Haar – fällt – unter der Scher'.
P. Evaristus: Doch nur eine Locke, eine einzige. Das ist doch hier in der Kirche – vorm Bischof und vor allen Andächtigen – bloß pro forma.
P. Rochus: Na ja. Ganz g'schor'n wird s' erst nachher.
P. Bruno: G'schor'n wird s' überhaupt net. Bloß g'stutzt. Bloß kurz abg'schnitt'n.
P. Rochus: Der Ausdruck g'schoren kommt von scheren, vom Wort: die Schere. – Jetz' gleitet ihr das Nonnengewand, das schwarze, über Kopf und Schultern. – Eingekleidet –!
P. Oswaldus tief: Aus – –! Stille.
Frater Coelestin leise zu seiner Frau: Na siehst, Minerl, wie die Frau da drin – die Frau Gräfin – die junge –
Hermine ebenso leise: Du dummer Kerl, du dummer du.
Orgelspiel setzt ein. Volksgesang: »Großer Gott, wir loben dich ...« Er pflanzt sich fort. Bis hier heraus. Die Mönche stimmen – zum Teil niederkniend – ein:
»Herr! wir preisen deine Stärke,
Vor dir neigt die Erde sich
Und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit,
So bleibst du in Ewigkeit.
Alles, was dich preisen kann,
Cherubinen, Seraphinen
Stimmen dir ein Loblied an;
Alle Engel, die dir dienen;
Rufen dir stets ohne Ruh'
Heilig! heilig! heilig! zu.«
Schon gleich bei der zweiten Zeile der ersten Strophe entfernen sich Frater Coelestin und Hermine langsam nach links vorne hinaus. Und sowie sie um die Ecke sind – schnell ab.
Die Vorigen. Ohne Frater Coelestin und Hermine. Ein Teil Volks. Bischof samt Geleite. Die drei soeben eingekleideten Novizinnen, worunter die ehemalige Gräfin Helmtrudis. Die Nonnen all mitsamt der Oberin. P. Felix. Die Eltern, Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti und die übrigen vier Brüder Helmtrudis', sowie noch einige Anverwandte. Benefiziat Sebastian Obst aus Wolfach. Justizrat Dr. Kreidle.
Noch eh' die zweite Strophe verklungen, drängt schon ein Teil Andächtiger heraus: so als ob die Kirche ein Kessel wäre, drin endlich das Wasser, das die Gläubigen sind, übersiedet. – Sodann der Zug der Nonnen, mit den drei soeben eingekleideten Novizinnen, worunter die ehemalige Gräfin Helmtrudis, an der Spitze und der Oberin als Beschluß. – Aber ungefähr auf derselben Höhe wie Helmtrudis treibt P. Felix wie außerhalb des Stromes mit. Nur noch Augen für seine einstige Frau – und sich mit den Händen an der Klostermauer forttastend. – Nun tritt aus dem Portal der Bischof samt Geleite. – Das Orgelspiel ist verrauscht. – In diesem Augenblick droht Gräfin Helmtrudis zu sinken: Nonnen stützen sie sogleich und aber andere Nonnen wehren P. Felix ab, der auf die Sinkende zu wollte. – Der ganze Nonnenzug stockt! – Der Bischof tritt mitten aus seinem Geleite hervor. – Die Eltern, Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti und die übrigen vier Brüder Helmtrudis', sowie noch einige Anverwandte, die zusammen mit Benefiziat Sebastian Obst und Justizrat Dr. Kreidle hinter dem bischöflichen Geleite herausdrängten, sind gerade noch Zeugen des Auftritts.
Bischof empört gebietend: Herr Pater Guardian –! Bringen Sie mir den Menschen wieder zur Vernunft!
P. Guardian starr: Euer Bischöfliche Gnaden – – er ist nur ein Mensch!
Bischof: Er entweihte die Kirche! Er lästerte die sakramentale Handlung!
P. Edmundus tritt vor: Er krönte sie! Mit Menschtum krönte er sie –!
Bischof: Ich verhänge die schwersten Exerzitien zur Strafe über Sie alle!
Alle PP. mit Ausnähme von Felix neigen stumm das Haupt.
Bischof: Ja, ich bin mir noch nicht ganz gewiß, ob ich wegen Störung einer heiligen Handlung nicht auch die weltlichen Gerichte in Anspruch nehme.
Einige Stille. – Der Zug der Nonnen sowohl als auch der Bischof samt seinem Geleite ziehen weiter. Im Hintergrund »rechts um die Ecke«, woher sie gekommen. – Volk flutet aus der Kirche über die Bühne.
Justizrat Dr. Kreidle das Volk, das stocken will, noch antreibend: Immer weiter, verehrte Anwesende –! Den Weg frei –! Immer weiter –! Er grüßt im Abgehen die Herren Patres.
P. Felix immer noch an der Klostermauer. Unbeweglich der Entschwundenen nachschauend.
Die Eltern, Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti und die übrigen vier Brüder Helmtrudis', sowie noch einige Anverwandte, die einen deutlichen Bogen um P. Felix machen, geraten dabei ziemlich in den Vordergrund rechts.
Ein Bruder Helmtrudis': Skandal –!
Oberleutnant Freiherr Karl von Ruchti: Paßt's auf, was i' sag': Unsere Trudel wird auch im geistlichen Gewand ihre Karriere mach'n. Ich seh' sie schon als Äbtissin, wie sie die allerhöchsten Fürstlichkeit'n an der Klosterpforte empfängt – vielleicht sogar 'n deutsch'n Kaiser.
Die ganze vornehme Sippe ab. – Noch ein Strom Volks. – Sodann die Bühne leer von allen bis auf sämtliche Patres.
Nur noch: P. Guardian, P. Konradus, P. Edmundus, P. Rochus, P. Bruno, P. Oswaldus, P. Evaristus, P. Felix.
P. Felix mit geschlossenen Händen. Auf dem Eckstein im Hintergrund rechts sitzend: Was hab' ich in meiner Hand? Er öffnet die Hände. Nix! – Nicht einmal eine einzige Locke von ihrem Haar in meiner Hand – –
P. Guardian zischend zu den andern: Laßt's 'n –! – Energisch, aber ebenfalls leise. Kommt's –!
Die Patres ordnen sich zum Zug.
P. Oswaldus halblaut: Ja aber – wo is'n der Frater Coelestin?!
P. Guardian gebieterisch: Weiter –! – Marsch –!
Alle die PP. bis auf P. Felix ab. Den Weg, den sie gekommen. Nach rechts hinten zum Innufer – zur Seilfähre hinab.
P. Felix. Zwei Nonnen. Eine Arabertruppe auf dem Schub. Polizeidiener. Gassenbuben. Bezirksgeometer a. D. Alois Pfaffinger. Hermine, seine Frau. Fräul'n Theres.
P. Felix sieht sich um. Sieht das Blumengewinde am Portal. Wankt darauf zu. Pflückt sich eine Blume.
Zwei Nonnen erscheinen von rechts um die Ecke. Mit einer Stehleiter und einem Korb. Als sie P. Felix gewahren, machen sie furchtsam Halt.
Von rechts hinten herein dringt Lärm. Wächst. – Eine Arabertruppe auf dem Schub kommt. Begleitet von Gassenbuben. Zwei Polizeidiener dirigieren den ratternden Planwagen mit zwei Pferden. Einige zerlumpte arabische Gestalten schreiten stolz neben dem Gefährt her. Nach links vorne hinaus. Vorüber ... Bezirksgeometer a. D. Alois Pfaffinger – der vorige Frater Coelestin – und Hermine, seine Frau, kommen von ebenda, von links vorne herein, wo soeben die Arabertruppe hinaus ist. – Pfaffinger ist im Zivilanzug. Trägt ein Bündel. – Dieses Bündel scheint ein wenig arg schnell geschnürt, mit dem Mönchsgewand als Inhalt.
P. Felix: – – Und gaukelt mir ihr Traum – – selbst ganz Arabien vor – Er lacht fast. Wie kämen die auch hierher – hierher – nach der Batauer Stadt –?
Pfaffinger befangen. Wie ein Knabe: Herr Pater Felix –! – Hab'n Sie die Araber g'seh'n –? – Mei' Frau erzählt mir grad, die war'n gestern scho' bis bei uns in Wolfach drob'n – – die san' aufm Schub –
P. Felix erwacht.
Pfaffinger sieht an seinem bürgerlichen Anzug herunter. Sich entschuldigend: Mei' Frau wollt's nimmer leid'n, daß ich im Kloster bin. Da bin i' halt wieder ausg'sprungen. Ein ... Abtrünniger! In dem Paket is' mei' Kutt'n. I' will's jetz' glei' auf d' Post geb'n. Oder noch besser durch einen Packträger hinaufschick'n.
P. Felix will büßen, ohne es in der Stimme irgendwie merken zu lassen: Aber ich kann's ja trag'n, Herr Bezirksgeometer. Er langt nach dem Bündel.
Pfaffinger erschrocken: Herr Pater Felix –!
Hermine entsetzt: Aber – hochwürdiger – Herr Graf – –!
P. Felix: Ich geh' doch sowieso 'nauf auf'n Mariahilfsberg. – Er büßt. Ich trag's. – Er nimmt's.
Pfaffinger ausbrechend: Ich schreib' heut' noch an Brief 'nauf – an'n Herrn Pater Guardian –: warum daß mich meine Frau nimmer läßt. – Er schluchzt. – Er tröstet sich selber damit. Aber mein Vermög'n – das bleibt dem Kloster –
P. Felix ganz nüchtern. Als ob überhaupt nichts gewesen wäre: Adieu, Herr Bezirksgeometer – – adieu, gnädige Frau –
Hermine fast schreiend: Aber das Paket –
P. Felix sieht nur noch einmal zu der sehr fensterarmen Klostermauer auf. Verwährt sein Blümlein. Und schwingt dann das Paket über die Schulter. – Er hat die beiden Personen da, scheint's, schon wieder ganz vergessen. Er geht. – Aber ganz langsam. Fuß vor Fuß setzend. Wie einer, der Gehen erst wieder lernt. Nach rechts hinten hinaus.
Fräul'n Theres kommt aus der Kirche. Sieht die Bescherung – das will sagen: sie erblickt Pfaffinger in Zivil: Ich bin der Beihilfe schuldig. I' hab' eine große Sünde begangen. I' hab' mir's überlegt. I' wollt' erst zum Herrn Dompfarrer geh'n, um ihm die Sünde gar reuig zu beichten. Denn der Herr Dompfarrer, der ist in der ganzen Stadt bekannt als gar viel streng. Aber jetz' weiß ich, was ich tu'. Ich geh' hinauf zu'n Kapuzinern und beicht's. Denn die drob'n aufm Mariahilfsberg, die sind noch viel strenger. Denen beicht' ich's –
Pfaffinger in der Richtung schauend, in der P. Felix verschwunden ist: Wie gen Kalvari geht er aufi –! Mit mein'm Paket aufm Buckel wie 'r a' Kreuz – –!
Die beiden Nonnen haben angefangen, das Blumengewinde vom Portal zu nehmen.
Vorhang.