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Schön und sorgenfrei hätte Barbro jetzt leben können, wenn Silla sich nicht wie ein Keil zwischen Kinde und Holz geschoben hätte! Ihr allein und niemand sonst hatte sie es zu verdanken, daß sie nun all der Hilfe bar dastand, die sie von ihrem Sohn Nikolai hätte haben können und nach ihrer innersten Überzeugung auch hätte haben müssen – mit seinem sicheren Verdienste, den er allwöchentlich in die Ladenkasse hätte legen können, die – Gott weiß, wie's kam – nie den Betrag aufwies, den sie eigentlich aufweisen sollte.
Daß Barbro es nach echt bäuerischer Sitte unterließ, das mit in die Rechnung einzubeziehen, was zur Beköstigung ihrer eigenen, höchst gewichtigen Person draufging, war mehr als wahrscheinlich. Andrerseits war ihre stets bereite Gastfreiheit mit der Kaffeekanne nicht ohne einen gewissen Beigeschmack von Handelspolitik – was sie spendierte, war nur als eine Aussaat zu betrachten, die mannigfaltige Frucht in Gestalt von Kunden tragen sollte!
Barbros Behausung ließ es sich in dieser Hinsicht angelegen sein, der Treffpunkt aller Kaffeeverehrer der Nachbarschaft zu werden. – –
Die Wegweiser hatten Schneemützen auf, Schneewehen lagen an den Wegrändern und auf den Wiesen.
Während draußen die Schlitten in der Kälte knirschten, und die Tür, wenn jemand hereinkam, knarrte, saßen jetzt am Nachmittag Mutter Taraldsen, deren Spezialität Schröpfen und Blutegelsetzen war, und die lange Mutter Bäkken und taten sich an heißem dampfenden Kaffee mit Kandis gütlich.
Mutter Taraldsen erging sich in Magen über die Verderbnis und Schlechtigkeit der Zeiten, und wie es mit jedem Berufe bergab ginge, während Mutter Bäkken, immer mehr und mehr zum Widerspruch gereizt, in ihrer Tasse umrührend den Kopf zur Seite beugte:
»Ich entsinne mich auch ein ganz klein wenig der alten Zeiten ... und weiß eigentlich nicht, ob sie besser waren; – meinetwegen kann ja jeder gern darüber denken, wie's ihm behagt!« – hier lugte das lange, gelbe Gesicht mit seinen von eigenen Ansichten blinkenden Augen über die Kaffeetasse; »aber so, wie's jetzt ist, ist für den Arbeiter der Tag länger geworden! Pfui Teufel! wie sie früher in Höfen und Stuben im Dunkel hockten mit ihrem Kienspan an der Schornsteinmauer, um beim Schnitzen und Spinnen sehen zu können; – und da lagen die Jungens den lieben Winter lang und räkelten sich und gähnten in ihren Bettverschlägen von drei, vier Uhr nachmittags, bis sie endlich mit dem Lichte herausmußten, um am Abend die Pferde zu besorgen ... Das Erdöl dagegen, das hat sie aus den Federn gebracht! Es ist, als sollten wir jetzt den ganzen Winter Sonne haben, und die Leute können wenigstens noch einen Schilling verdienen!«
»Ja, aber dadurch ist auch nicht alles herrlich geworden ... wenn sie sitzen und Karten spielen und würfeln und in den Wirtshäusern zechen!«
»Das kommt nicht vom Erdöl, das kommt vom Gas! – Und doch ist das wohl auch zu etwas nutze – als Straßenbeleuchtung und droben in der Fabrik.«
»Und zu Völlerei und Tanz und Sünde!« ...
Mutter Bäkken knickte zusammen – so tief, daß sie mit Wange und Kinn ihre Tasse berührte – und reckte sich wieder hoch, um recht sinnreich zu widersprechen.
Aber da kam die Totengräber-Anna vor den Tresen, die die Ausschmückung des Kirchhofs zu besorgen hatte, – und da hieß es Obacht geben, auf das, was man sagte.
Warum nicht? wenn's angeboten wird! – sie hatte nichts dagegen, bei der Kälte ein Schälchen »Heißen« zu genießen. Sie hatte es heute sauer gehabt ... wegen der großen Beerdigung; ob sie das Läuten am Mittag gehört hätten? Es war ein etwas sonderbarer Mann! Sie erging sich, unter Benutzung etlicher Reminiszenzen aus der Grabrede, über seinen Wert und seine Bedeutung als Mensch und Mitbürger. Reden hätte es gegeben ... und so viele Zylinderhüte und Blumen, daß man den Sarg überhaupt nicht sehen konnte ... Ja, das wäre nun schon der dritte im neuen Jahre, den sie ausgenommen hätten! – sie seufzte tief.
»Man erfährt nie, unter was für Leuten man lebt, ehe sie tot sind!« äußerte Mutter Bäkken. – »Hätte er sich wirklich so viel um die Armen gekümmert, so hätten sie es gern zu seinen Lebzeiten ein bißchen ausposaunen können ... Das mag verdreht sein, aber –« sie beugte langsam ihr immer ausdrucksvoller werdendes Gesicht über die Kaffeetasse.
Mutter Bäkken mußte nun einmal für all und jedes ihre eigene Erklärung haben! – und so sprang Mutter Taraldsen, um des lieben Friedens willen ablenkend, taktvoll unvermittelt auf das Fabrikviertel über ... Gestern abend war sie, ihre Egel in einer zugebundenen Tasse in der Hand, durch die Straßen gegangen, und da sollte einer doch meinen, wenn er auf dem langen Wege von der Apotheke hier herauf weder unter die Räuber noch unter die Mörder fiele, daß er dann auch hier oben unbehelligt gehen könnte! ... aber sonst was! da kamen sie angerast, die großen, erwachsenen Frauenzimmer, eine hinter der andern die ganze Straße entlang auf der Schlitterbahn, mit Geschrei und Spektakel, so daß sie die Leute um und um rannten! ... Ihr war denn auch die Tasse mit den fünf Egeln aus der Hand gefallen, und hätte der Mond nicht geschienen, so daß sie sie auf dem weißen Schnee sehen und wieder aufsammeln konnte, würden sie alle zusammen futsch gewesen sein! Diese Josefa und Gunda und Kalla da unten aus der Straße waren es gewesen und dann die lange Silla, – die kam wie ein Gespenst angesaust. »Ja – ha, Frau Holman, die sonst so genau ist, sollte nur aufpassen, was sie für eine Tochter hat, – wenn's dunkel wird!«
Barbro nickte stumm vor sich hin und dachte, Nikolai sollte schon zu hören bekommen, was die Leute sagten!
»Ich will doch abends auch mal hingehen und mir das Treiben ansehen ... ganz gewiß! – Wissen Sie: die Sache mit den Egeln mißbillige ich auch voll und ganz; da haben Sie durchaus recht! – Aber das junge Blut muß sich doch auch irgendwie austoben ... und darf ich mir die Frage erlauben,« – hier legte Mutter Bäkken den einen Zeigefinger über den andern – »haben sie irgendeine Möglichkeit, sich zu amüsieren, wenn sie nicht tanzen, nicht schlittern und nicht Schlitten fahren dürfen?«
Aber nun geriet Mutter Taraldsen in Hitze:
»Wenn sich das für anständige Mädchen schicken soll, daß sie sich mit Gejohl und Radau umhertreiben, dann muß das wohl nach der neuen Mode sein, von der Mutter Bäkken predige! ... Wenn man recht nachsieht, sind wohl welche unterwegs, um die Gänseherde zu treffen!«
»Dann wäre es richtiger, sich an diese zu halten statt an die armen Mädels!« kam es hartnäckig von Mutter Bäkken.
Was Barbro anbetrifft, so merkte sie sich gewissenhaft, was über Silla gesprochen wurde, und war sich einig, daß Nikolai gewarnt werden müsse; auf alle Fälle sollte er wissen, was er tat, wenn er hinging und sich dies Mädchen holte! ...
Sie hatte ihm heute abend wieder ein Teil davon aufgetischt, und er saß jetzt finster da und lauschte dem Lärmen draußen.
Eine Gesellschaft nach der andern sauste auf ihren Stahlschlitten unter Hallo und Hurra wie Schatten draußen im Mondschein die Landstraße hinab, – halberwachsene Burschen und Mädchen und dann und wann auch ein Rodelschlitten voll feiner Leute von drunten aus der Stadt. Einen Strick über der Schulter, mit den Hacken fest auf den Boden stampfend, zog ein langer Bengel einen Holzschlitten mit einer Ladung bergauf ...
Mit einem Auge schielte Nikolai unaufhörlich – er konnte nicht anders – durchs Küchenfenster hinaus und zuletzt ließ er seine Mutter, die drinnen bei der Paraffinlampe saß, ohne Antwort.
... Das waren Kristofa und Kalla, die beiden, die dort mitten auf der Straße standen und schwatzten und immer nur das kleine Stückchen hin und her schlitterten! Sie erwarteten jemand – vielleicht Silla? sie standen gerade an ihrer Straßenecke! ... Sie stritten wohl darum, wer von ihnen sich das Herz fassen sollte, Madam Holman mit vielen schönen, lieben, freundlichen Worten zu fragen, ob sie Silla erlauben wollte, heute abend ein Stündchen zu ihr hinüberzukommen? – Immer nur Lug und Trug!
Und nun wieder eine ganze Rodelgesellschaft mit feinen Hüten und glimmenden Zigarren ... direkt vor dem Fenster hielten sie an und lachten laut ...
Barbro hielt mit Stricken inne, um zu horchen.
»Solchen Spektakel haben wir nun jeden Abend bis tief in die Nacht hinein,« äußerte sie, »solange der Mond die Bahn bescheint!«
Es durchrieselte ihn kalt. – Wenn Silla dazwischen war, dann konnte er nur gleich den Hammer hinlegen und sich selbst auch!
Richtig – da kam sie und sah sich an der Ecke nach ihren beiden Freundinnen um ...
»Guten Abend, Mutter!« sagte er plötzlich und war zur Tür hinaus.
»Du? Nikolai!« rief Silla überrascht aus ... »Hast du nichts von Kristofa und Kalla gesehen? – Ich hätte so gern mit ihnen gesprochen! Nicht? – Weißt du, wie ich von Hause weggekommen bin? Ich sagte, ich wolle die Katze für die Nacht hereinholen. In Wirklichkeit aber jagte ich sie zur Tür hinaus und sperrte sie draußen im Verschlag unter das Bükefaß. Wenn sie nun bloß nicht miaut!«
Sie schaute sich wieder eifrig um, und der langgestreckte Schatten auf dem Schnee zeichnete ihre schmale Gestalt ab und wiederholte ihre duckenden Bewegungen.
»Sie haben mir doch versprochen, auf mich zu warten!« ...
»Na, dann sind sie eben ganz einfach fortgegangen!«
»Ganz einfach? ... sie dachten, ich könnte heute abend mit ihnen ausgehen, und wenn sie nicht schon hier gewesen sind, müssen sie womöglich in der Kälte stehen und warten, – denn, siehst du, ich muß wieder hinein, sonst kommt Mutter hinter mir her! ... Nickelchen! willst du lieb sein, ja?« – sie faßte ihn an der Jacke und rüttelte ihn hin und her, – »dann such' sie und sag' ihnen von mir – aber nicht vergessen, du! – sag' ihnen, daß ich heute abend hübsch zu Hause bleiben muß; aber morgen und übermorgen, hurra! da bin ich frei! ... bestell ihnen, Mutter müßte die ganzen letzten Tage der Woche bei Antonisens waschen, – dann wissen sie schon Bescheid! – Aber siehe nur zu, daß du sie findest, Nikolai! sonst werden sie mir böse!«
Nikolai war nicht unempfänglich für ihre Liebenswürdigkeit, auch nicht für ihr nettes und hübsches Aussehen; aber es wirkte geradezu entgegengesetzt, während sie so stand und ihn an der Jacke rüttelte, hörte er die ganze Zeit über die Rufe auf der Landstraße.
»Recht so! recht so! Silla! Du willst dich nun völlig frei machen! ... Ja, laß dich nur ins Leben hinauslocken! – Aber daß ein ordentliches Mädchen sich in dieses Treiben hineinreißen läßt!« setzte er schroff hinzu.
»Ein ordentliches Mädchen? ... ordentliches Mädchen!
– Willst du mir bitte sagen, was für Vergnügen es haben soll? ... Es wundert mich wirklich, Nikolai, daß du dir nicht so 'n ordentliches Mädchen gesucht hast, so eine, die steif wie ein Ladestock einhergeht, die Hände brav unter der Schürze versteckt, und nur aus Versehen rutscht, wenn sie an eine Schlitterbahn kommt – die nicht einmal nach einem Schlitten zu schielen wagt, weil sie so ordentlich ist! ... Jawohl! so eine möchtest du wohl haben! – Und wenn du dann in der Schmiede ständest und den lieben langen Tag über hämmertest, und sie sich in ihre Arbeit vergrübe und auf allen Vieren im Hause hinter dem Waschfaß läge, dann hättest du es wohl, wie du's dir wünschtest! ... Aber das sage ich dir, Nikolai! wenn's kein Vergnügen mehr in der Welt geben soll – dann: Adieu! dann verzichte ich! ... Ich habe lange genug zu Hause eingesperrt gesessen!« ...
Er schüttelte den Kopf ... »Wenn nur nicht all die Wölfe wären, die dahinten suchen! Aber, siehst du, – die wollen auch ihr Vergnügen haben! und ... und wir kleinen Leute müssen uns das bewahren, was wir haben, mein' ich. – Und wenn du willst wie ich, Silla! dann gehen wir jetzt gleich vom Fleck weg zu deiner Mutter hinein!« Er faßte sie dabei an der Hand, um Ernst zu machen.
»Du bist wohl verrückt, Nikolai!« stieß sie ängstlich aus; der Beschluß war ebenso entsetzlich wie unerwartet. – »Nein, nein! nur das nicht!« bat sie eifrig flüsternd ... »Denk doch an Mutter! ... Hast du ganz vergessen, wie sie ist! ... Es ist ja früh genug, wenn wir etwas haben, auf das hin wir heiraten können!«
»Früh genug? – nein, für mich ist es nicht früh genug, Silla! – ich muß es nun vom Herzen los werden.«
»Und wie sollte es mir nachher zu Hause gehen?« ...
»Oh! oh! nur keine Angst, Herr Nikolai! – ich darf doch wohl mit eigenen Augen sehen, wie hoch mein Töchterchen seine Mutter einzuschätzen beliebt, die jetzt als arme, schutzlose Witwe dasitzt!«
Es war Madam Holmans Stimme; sie stand, übernatürlich groß, in der Tür.
»Ich dachte, ich hätte mit dem Tode Holmans das Schlimmste hinter mir, und es würde mir erspart bleiben, mein eigen Fleisch und Blut draußen auf der Straße mitten im Schnee bei unerlaubten Gesprächen zu ertappen. Auch habe ich's mir nie träumen lassen, daß dieser M–ensch je wieder sich unterstehen würde, meinem Hause so nahe zu kommen! ... Sofort kommst du mit herein, Silla! ... herein! hörst du! herein mit dir! sofort!«
Hätte man die Bestandteile von Madam Holmans letzten, jammernden Fisteltönen zerlegen können, würde man eine Fundgrube seelischer Erregung entdeckt haben: gekränkte Mutterwürde, Wut, Verachtung, Haß und etwas Zentnerschweres, das ganz zermalmend wirken sollte und auch tatsächlich Sillas Knie erbeben machte; sie stand regungslos da.
Nikolai jedoch war ein wenig härter geworden als in früheren Tagen; er war zu der Überzeugung gelangt, daß es Leute gäbe, die er mehr fürchte als Madam Holman. Deshalb ließ er sich auch nicht bange machen:
»Trotzdem muß ich mir die Bitte erlauben, heute abend bei Ihnen mit eintreten zu dürfen, Frau Holman! – Denn ich bin heute nicht gekommen, um hier draußen im Schnee zu stehen. Mit Ihnen selbst habe ich zu sprechen.«
»Das ließe sich wohl gleich hier auf der Stelle erledigen, – solange wird's doch nicht dauern!« antwortete Frau Holman höhnisch. »Hierher, Silla!«
»O nein! so lange dauert's nicht; aber ich müßte doch das eine und andere erklären, das dazu gehört ...«
Als Frau Holman immer noch keine Miene machte, die Tür freizugeben, und bloß wiederum der Tochter winkte, ergriff Silla, aus ihrer Verwirrung und Angst erwachend, plötzlich Partei. Jetzt galt es lediglich, die Augen zu schließen und mit Nikolai zusammenzuhalten, und sie faßte ihn mutig am Arme.
»Ja, Frau Holman, es ist so, wie Sie sehen ... wir halten zusammen, wie wir's getan haben von ganz klein auf! Und heute abend wollte ich um sie anhalten und fragen, ob wir auf Ihre Einwilligung rechnen dürfen. Denn mit meinem Gesellenbrief und meinem guten Verdienst ... und wenn ich nie zu trinken anfange, und ...«
Jetzt handelte Silla mit dem Mute der Verzweiflung: von hinten drängte sie Nikolai, so daß sie alle drei – Frau Holman gab halb unfreiwillig nach – durch die Tür und in die Stube hinein gelangten, wo's zum Kampfe kam! ...
während Silla, das Gesicht in den Händen vergraben, im Dunkeln auf einem Stuhl zusammengesunken lag, und Nikolai mit ruhiger Sachlichkeit für sich plädierte und es so einleuchtend wie möglich machte, daß er jetzt die besten Aussichten habe, Werkmeister zu werden und eine Frau versorgen zu können – nahm Frau Holman eine ungeheuer vornehme, ablehnende Haltung ein. Sie ließ alle ihre Fähigkeiten spielen; sie reckte sich in ihrer ganzen Würde empor, spielte bald die Beleidigte, bald die Überraschte!
Sie war gerade im Begriff, sich zur Verteidigung ihrer mütterlichen Rechte auf Tod und Leben aufzuraffen, als ihr plötzlich eine Erleuchtung kam. Ihren Augen eröffnete sich eine Zukunftsperspektive ... wenn Nikolai je die großen Worte und Gelübde, die er jetzt gab, erfüllte, dann mußte sie im schlimmsten Falle, wenn es so weit käme, verlangen können, bei ihnen zu wohnen!
Dieser Gedanke hinderte sie jedoch nicht, jedes Zugeständnis unter tiefem Seufzen um den höchsten Preis zu verkaufen.
Sie müsse gestehen, sie habe eigentlich an ganz etwas anderes für Silla gedacht! – und wie es auch kommen möge, von irgendwelchem Umherlaufen und irgendwelcher Liebelei zwischen ihnen wollte sie nichts wissen, ehe nicht Nikolai ebensoviel Bargeld auszuweisen hätte wie Holman. Er hätte hundert Taler gehabt und einen guten Lohn, und wenn Nikolai so viel Geld vor ihren Augen aus den Tisch zählen könnte, – dann wäre es Zeit, der Sache näherzutreten!
Hundert Taler ... das war doch endlich ein klares Wort. Damit hatte er sie am Bande! ...
Dieses Gefühl etwa beherrschte ihn, als er etwas später, um den Weg abzukürzen, quer durch den tiefsten Schnee lief, und bei Barbro anklopfte. Er mußte jemand haben, dem er es erzählen konnte, daß Frau Holman sich in seine Verlobung mit Silla gefunden hätte! ...
Als Barbro in der Nacht im Bette lag und sich langsam von ihrem Schrecken erholte, kam sie nach und nach zu ungefähr demselben Standpunkte ihrem wohlerwogenen Vorteil gegenüber. Sie richtete sich in ihrer ganzen Gewichtigkeit im Bette auf, von einer glänzenden Idee erleuchtet: Sie könnte ja doch bei Nikolai wohnen!
Dieser Kramladen fraß sie völlig auf – daß sie ihn auffraß, auf den Gedanken kam sie nicht.
Am folgenden Sonntag war Madam Holman bei Barbro zum Kaffee; alldieweil aber Madam Holman nichts von dem Vorgefallenen erwähnte, schwieg Barbro auch. Nur einmal leitete sie das Gespräch auf ihren Sohn Nikolai über und meinte, er würde möglicherweise im Herbst, wenn das Zimmer nebenan frei würde, dorthin ziehen. Das sei auch nur ganz in der Ordnung, wenn man bedenke, wie sie immer getrennt gewesen wären!
Weshalb Madam Holman augenblicklich in Nachdenken verfiel, die Lippen zusammenkniff und durchaus keinen Kaffee mehr haben wollte – nein danke! wirklich nicht! – und weshalb sie etwas unerwartet ihren Besuch abkürzte, bleibe dahingestellt. Es muß nur festgestellt werden, daß vom selben Augenblick an ein Kampf im Nebel zwischen ihnen begann – selbstverständlich in den freundschaftlichsten Formen (wie der gewissenhafte Chronist, schon Madam Holmans wegen, hinzufügen muß).
Die Kaffeebesuche wurden wenn möglich mit zunehmender Häufigkeit fortgesetzt, aber zu einem war jede von ihnen bei alledem immer fester entschlossen: Sollte sie selbst es nicht erreichen, bei ihnen wohnen zu können, so wollte sie unter allen Umständen einen Riegel davor schieben, daß die andere das Haus beziehe und ausfülle!
Die beiden Schwiegermütter in spe ließen es sich nach Kräften angelegen sein, sich gegenseitig unmöglich zu machen. Aber von dem stillen, berechnenden Kampfe, der tief im Untergründe ausgefochten wurde, hatten Nikolai und Silla nicht die leiseste Ahnung.