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Links von der Straße nach Lohorst liegt hinter dem Forsthause auf dem Laberge der Hof des Anbauers Just Rust.
Die hohen Fuhren, die ihre breiten Kronen über das ganz mit Moos bedeckte Strohdach breiten, der vor Alter grüne Brakenzaun, die Machandelbüsche, die rechts und links vor dem Eingang Wache halten, und der Efeu, der das Backhaus von oben bis unten bezieht, geben dem Hofe ein malerisches Aussehen.
Geht man aber näher heran, so wird man gewahr, daß hier etwas nicht in Ordnung ist; denn überall stößt man auf Verfall und Nachlässigkeit. Der Zaun weist ein Loch neben dem anderen auf, der Verputz ist an vielen Stellen abgefallen, mehr als ein Fenster ist mit Papier verklebt oder mit Stroh und Lumpen zugestopft, die Obstbäume sind voller Krebswuchs und Wasserreiser, im Garten wächst das Unkraut wie es will, im Herbst verfault das Obst an den Bäumen und ein Teil der Kartoffeln in der Erde, und das Land, das zu dem Hofe gehört, ist nur halb bestellt und das bestellte längst nicht so, wie sich das gehört.
Wer hinter den Büschen stehen bleibt und lauert, um hinter das Geheimnis des verwahrlosten Hofes zu kommen, der sieht dann wohl ein schlampiges Frauenzimmer mit wirrem Haare und ungewaschenem Gesichte aus dem Hause kommen und die Hühner füttern, oder den Bauern selber, einen langen Mann mit krummem Rücken, der einen Stoppelbart im Gesichte hat, und dessen Zeug mehr Löcher als Flicken vorweist, und der so faul und müde dahin geht, als wäre ihm das Atemholen eine schwere Last.
Es gab einmal eine Zeit, da es auf dem Lahberge anders aussah. Damals war keine Lücke im Zaun, da fiel nirgendwo der Kalk von der Wand; die Fenster blitzten nur so, und der Garten war bunt von allerlei Blumen. Das ist schon lange her, so daß sich nur die alten Leute im Ohlenhof daran erinnern können, wie das allmählich anders kam und aus welchem Grunde. Das junge Volk weiß das nicht und fragt auch nicht danach. Es hat Just Rust nicht anders gekannt und nimmt ihn so, wie er ist. Es weiß nur, daß Just Rust einen kleinen Sparren hat; denn er hat Geld genug, läßt sich aber dennoch wegen der Steuern und Gemeindelasten ein wie das andere Mal auspfänden.
Jeder Rust hat, soviel man sich erinnern kann, seine Eigenheit gehabt. Der Großvater des Bauern hielt es für hoffärtig, Knöpfe und Taschen zu tragen; er macht sein Zeug mit Haken und Ösen zu und trug Messer, Stahl und Stein in einem ledernen Beutel am Hosenqueder. Sein Sohn war vom Geizteufel besessen; er konnte sich nicht von einem roten Pfennig trennen, und es gab jedesmal Zank und Streit, wenn seine Frau bares Geld nötig hatte. Als er einmal drei Taler aus der Tasche verlor, hängte er sich auf, obgleich die paar Taler nichts für ihn bedeuteten, denn er besaß Geld genug.
Der jetzige Bauer hat den Prozeßrappel. Er hatte kaum den Hof angetreten, da bekam er mit dem Diesbauern Streit wegen einer ganz geringfügigen Grenzangelegenheit. Da Dies einen ebenso dicken Kopf hatte, wie Rust, und zudem im Rechte war, so zog sich der Prozeß einige Jahre hin, bis Rust ihn schließlich verlor, was ihn eine Menge Geld kostete. Er schickte deshalb an den Landrat, an den Regierungspräsidenten, an den Oberpräsidenten und an den Kaiser die unsinnigsten Eingaben, und als er überall abschlägig beschieden wurde, schrieb er an das Oberlandesgericht in Celle, daß es aus lauter Spitzbuben und Betrügern bestände, was ihn einige Zeit hinter Schloß und Riegel brachte. Da er sich in den Wirtschaften und auch anderswo ähnlich über den Diesbauern und die Bauern, die ihm als Zeugen zur Seite gestanden hatten, ausgelassen hatte, so brach das halbe Dorf schließlich mit ihm den Verkehr ab.
Bald darauf überwarf er sich mit seinem jüngeren Bruder. Christian war insoweit ein ganz vernünftiger und fleißiger Mann, nur war er überfromm, sang hinter dem Pfluge und bei anderer Arbeit Kirchenlieder, tat Sonntags, auch wenn es noch so nötig war, keinen Handschlag und bekam ab und zu Anfälle von Zerknirschung. Dann schloß er sich, selbst in der hillsten Zeit, in seiner Dönze ein, fastete und sang und bat Gott um Vergebung seiner Untaten, deren er gewißlich keine einzige aufzuweisen hatte; denn er war, außer in der Arbeit, das reine Lamm.
Was zwischen den beiden Brüdern vorgefallen ist, das weiß man nicht. Christian verließ eines Tages mit seinen Sachen den Hof, nahm in Krusenhagen Stellung als Großknecht, hatte einen Prozeß mit Just wegen der Abfindung, den er glatt gewann, und freite später in die Eggersche Anbauerstelle hinein, die er sehr emporbrachte.
Es geht ihm recht gut, und wenn er seinen Rappel bekommt, so läßt ihn seine Frau gewähren und sagt bloß: »Er hat's mal wieder mit dem Singen. Immer noch besser, als wenn er es mit dem Trinken kriegte!«
Von der Zeit an, daß Christian von dem Lahberge fortging, ging es mit dem Hofe zurück; denn Rust konnte keinen Knecht halten, weil er mit der Zeit ebenso geizig wurde wie sein Vater. Zudem verlor er viel Zeit vor Gericht; denn fast immer hatte er dort eine Rechtssache hängen. Bald klagte er mit dem Müller wegen eines Huhnes, das der Hund Kassens totgebissen haben sollte, bald mit der Forstverwaltung wegen einer Zufahrtsgelegenheit, dann wieder mit dem Lohörster Baron wegen einer Jagdsache und ein anderes Mal mit der Gemeinde wegen der Waldnutzung in der Gemeinheitsforst; denn er behauptete, er gehöre ebenso zu der Interessentengenossenschaft wie die altsässigen Bauern. Schließlich ging ihm jeder Mensch aus dem Wege aus Besorgnis, einen Prozeß an den Hals zu bekommen. Da er seine Prozesse einen nach dem anderen verlor, bildete er sich schließlich ein, alle Menschen in Ohlenhof seien seine Feinde und hätten sich verschworen, ihn um Hab und Gut zu bringen. Deshalb verkehrte er nicht in Ohlenhof im Kruge, kaufte nur in Krusenhagen oder in den anderen Dörfern, was er nötig hatte, bot keinem Menschen im Dorfe mehr die Tageszeit und trieb seine Unvernunft so weit, daß er zweimal zu Hause blieb, als Feuer geblasen wurde, wofür ihn das Bauernmal je mit einem Taler büßte. Er bezahlte die Strafe aber ebensowenig wie die Kosten aus seinen Prozessen, und wenn er dafür auch nicht gepfändet werden konnte, so wurde er doch dadurch gestraft, daß er für einen Mann ohne Recht und Stimme erklärt wurde.
Sofort kündigte ihm der Knecht, ein fleißiger und gutmütiger junger Mann aus Fladder, auf, desgleichen die Magd, ein Mädchen aus Horst, und der Hütejunge, ein Bruder von ihr, und er stand eine Weile ganz allein auf seinem Hofe, bis er schließlich einen polnischen Knecht und eine Magd aus Westpreußen bekam, die aber auch nicht lange blieben. Zuletzt blieb eine ältliche Magd, Dina Türs, die aus der Gegend von Celle gebürtig war und wegen ihrer Schmutzigkeit sich nirgendswo halten wollte, bei ihm hängen, und in der Erntezeit beschaffte er sich einen oder zwei fremde Arbeiter, mit denen er aber meist in Unfrieden auseinander kam.
Bis dahin war er noch halbwegs vernünftig gewesen. Seine Verbohrtheit wurde aber vollkommen, als die neue Landstraße gebaut wurde. Es ging wegen des Flusses auf der einen und der Sandberge auf der anderen Seite kaum anders, als daß sie über sein Land geführt wurde, und obgleich der die gebührende Entschädigung bekam und sehr großen Nutzen von der Straße hatte, so bildete er sich in seiner Verdrehtheit ein, die Straße sei ihm zum Ärger und Possen durch sein Eigentum gelegt. Er verweigerte die Annahme der Entschädigung, strengte einen Prozeß gegen die Verwaltung an, verlor ihn, wies die Bezahlung der Kosten von sich, ließ sich ein über das andere Mal pfänden und erklärte schließlich dem Staate und der Gemeinde den Krieg, indem er von da ab grundsätzlich keine Steuern bezahlte.
Damit ihm nun nicht Getreide und Vieh abgepfändet werden kann, baut er nur so viel Frucht, wie er für sich selbst braucht, und hält auch nicht mehr Vieh, als unbedingt nötig ist, läßt Haus und Hof verfallen und trägt sich, auch Sonntags, und wenn er vor Gericht muß, so schlecht wie ein Bettelmann, um aller Welt zu zeigen, wie ungerecht mit ihm verfahren werde. Vor einigen Jahren erbte er von einem Oheim, der in Hannover Kaufmann war und kinderlos starb, allerlei Geld, das er sofort auf den Namen von Dina Türs eintragen ließ, wie er es schon mit seinem übrigen Barvermögen gemacht hatte.
So lebt Just Rust zwischen Mulm und Moder wie ein Bettler dahin, stolz auf all das Unrecht, das er seiner Meinung nach leiden muß, und auf seine Hartnäckigkeit, und wartet auf den Tag, daß der Kaiser an den er alle paar Monate eine lange Eingabe schickt, die Gerichtsurteile umstößt und ihm schreiben läßt: »Denn Recht muß Recht bleiben!«