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»Die Eiserne Ferse« ist der machtvolle Name, mit dem Jack London die Plutokratie bezeichnet. Das Buch, das diesen Titel trägt, erschien im Jahre 1907. Der Autor malt darin den Kampf, der eines Tages – wenn die Parzen es in ihrer Raserei erlauben – zwischen der Plutokratie und der Masse ausbrechen wird. Ach, Jack London besaß das seltene Genie, das zu erschauen, was der großen Menge verborgen bleibt, und sein seltenes Wissen befähigte ihn, die Zukunft vorauszuahnen. Er sah das Zusammentreffen der Ereignisse, wie sie sich gerade jetzt vor unserm Auge abrollen. Das furchtbare Drama, zu dem er uns in der »Eisernen Ferse« einlädt, hat noch nicht wirklich stattgefunden, und wir wissen nicht, wann die entsetzliche Prophezeiung dieses amerikanischen Marxisten in Erfüllung gehen wird.
Der Mann, der in diesem Buche die Wahrheit erkennt, wird Ernst Everhard genannt. Gleich dem Autor gehörte er der Arbeiterklasse an und lebte von der Arbeit seiner Hände – denn man muß wissen, daß Jack London, der in seinem kurzen Leben fünfzig aufsehenerregende, von Leben und Einsicht überschäumende Bände geschrieben hat, der Sohn eines Landarbeiters war und seine glänzende Laufbahn auf einer kleinen Farm begann.
Ernst Everhard ist voller Mut und Wissen, voller Kraft und Güte, alles Charakterzüge, die auch dem Dichter, der ihn schuf, angehörten. Und um die Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden vollkommen zu machen, gibt der Autor dem von ihm Erschaffenen ein Weib mit einer großen Seele und einer starken Intelligenz, das von seinem Gatten zu dessen Anschauungen bekehrt wird. Die beiden Revolutionen, die den Gegenstand dieses Buches bilden, sind so blutig, in den Reihen derer, die sie ins Leben riefen, herrscht soviel Verrat, und ihre Hinrichtungen sind von einer solchen Grausamkeit, daß man sich fragt, ob sie je in Amerika, in Europa möglich wären. Ich selbst würde es nicht glauben, ständen mir nicht jene Junitage des Jahres 1871 mit der Unterdrückung der Kommune vor Augen und erinnerten mich daran, daß gegen die Armen alles erlaubt ist. Das Proletariat eines jeden Landes, sei es in Amerika oder in Europa, hat sich als eine Versuchung für die Eiserne Ferse erwiesen.
In Frankreich, wie in Italien und Spanien, ist der Sozialismus augenblicklich zu schwach, um von der Eisernen Ferse etwas befürchten zu müssen, denn äußerste Schwäche ist der einzige Schutz der Schwachen. Keine Eiserne Ferse wird sich die Mühe geben, diesen Staub der Gesellschaft zu zertreten. Und was ist die Ursache dieser Schwäche? Wirklich, in Frankreich würde wenig dazu gehören, das an Zahl so geringe Proletariat ganz zu vernichten. Und der Krieg, der so grausam gegen die niederen und mittleren Kreise wütete, plünderte sie, ohne ihnen einen einzigen Schrei zu entlocken, denn sie sind stumm! Der Krieg war nicht zu hart gegen den Arbeiter, der in den großen Industrien sein Leben fristete, indem er Granaten drehte, aber nach Beendigung des Krieges konnte sein Lohn, der schon so mager war, nicht tief genug sinken: dafür sorgten die Herren der Stunde! Und diese Löhne waren alles in allem nichts als Papier, das die reichen Industriefürsten sich, in enger Verbindung mit den höheren Mächten, ohne Schwierigkeit verschafften. Und so lebte der Arbeiter denn, so gut er eben konnte. Er hatte so viele Lügen erzählen hören, daß er sich über nichts mehr wunderte. Gerade zu dieser Zeit war es, daß die Sozialisten sich erheben wollten, aber nur, um von selbst wieder in den Staub zu sinken. Es war eine große Niederlage für den Sozialismus, eine Niederlage, die sie ohne Tote und Verwundete hinnahmen! Wie war es möglich, daß alle Streitkräfte einer großen Klasse einschliefen? Die Gründe, die ich angegeben habe, genügen nicht, um die Ursache zu erklären. Es muß mit auf die Rechnung des Krieges kommen.
Eines Tages aber wird der Kampf zwischen Arbeit und Kapital wieder losbrechen. Dann werden wir Tage erleben, wie die in den Revolutionen von San Franzisko und Chikago, deren unbeschreibliches Grauen Jack London voraussah. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß der Sozialismus in dieser Stunde – komme sie früher oder später – unter der Eisernen Ferse zerschmettert oder in Blut ertränkt würde. Im Jahre 1907 wurde Jack London als schrecklicher Pessimist verschrien. Selbst wahre Sozialisten tadelten ihn, daß er Schrecken in die Reihen der Partei brächte. Sie hatten unrecht; wer die kostbare und seltene Gabe des Vorausschauens hat, ist verpflichtet, die Gefahren, die er kommen sieht, aufzudecken. Ich erinnere mich, mehrmals von dem großen Jaurès gehört zu haben:
»Die Macht der Klassen, gegen die wir kämpfen müssen, ist von uns nicht hinreichend erkannt. Sie sind stark, und sie gelten für tugendhaft; ihre Priester haben die Ethik der Kirche aufgegeben, um die der Maschine anzubeten, und wenn sie bedroht sind, wird die Gesellschaft geschlossen zu ihrer Verteidigung eilen.«
Er hatte ebenso recht wie Jack London, als er uns den prophetischen Spiegel vorhielt, der unsere Fehler und unsere Gemeinheiten spiegelt.
Laßt uns nicht die Zukunft aufs Spiel setzen, es ist die unsere. Die Plutokratie wird vergehen. Gerade in ihrer Stärke können wir schon die Anzeichen dafür sehen. Sie wird vergehen, weil jede Kastenherrschaft dem Tode geweiht ist. Sie wird vergehen, weil sie ungerecht ist. Sie wird, von Stolz geschwollen und auf der Höhe ihrer Macht, vergehen, wie Sklaverei und Leibeigenschaft vergangen sind. Als aufmerksamer Beobachter wird man gerade jetzt merken können, daß sie abgewirtschaftet hat. Dieser, durch die kommerziellen Interessen aller Länder der Welt hervorgerufene Krieg, der ihr Krieg war, dieser Krieg, in dem sie ihre Hoffnung auf die Neureichen setzten, hat so weitreichende und tiefe Zerstörungen verursacht, daß die internationale Oligarchie selbst erschüttert und der Tag nahe gerückt ist, da sie auf ein vernichtetes Europa herabbröckeln wird.
Diese Oligarchie wird nicht plötzlich und ohne Kampf vergehen. Sie wird kämpfen. Ihr letzter Kampf wird vielleicht lange dauern und von wechselndem Glück begleitet sein. Oh, ihr Erben des Proletariats! Oh, ihr Generationen der Zukunft, ihr Kinder der Tage, die da kommen werden! Ihr werdet kämpfen, und wenn Rückschläge euch am Erfolg eurer Sache zweifeln lassen, werdet ihr wieder Mut fassen und mit dem edlen Everhard sagen:
»Für diesmal verloren. Aber nicht für immer! Wir haben viel gelernt. Morgen wird unsere Sache, stärker in Wissen und Zucht, neu erstehen.«