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An den Ufern Gitche Gumees,
An dem blanken Groß-See-Wasser,
Stand Nokomis, die Bejahrte,
Weisend mit dem Finger westwärts.
Übers Wasser weisend westwärts,
In die Glut des Sonnenhingangs.
Brannte grimm die rote Sonne,
Niedersinkend, ihren Weg sich,
Ihren Pfad entlang die Himmel,
Steckte hinter sich in Brand sie,
Wie Kriegstrupps, im Fliehn, die Steppe
Zünden an auf ihrer Kriegsspur;
Und der Mond, die Nachtsonn', ostwärts,
Jach dem Hinterhalt entstürzend,
Folgte rasch den blut'gen Stapfen,
Folgte jener brand'gen Kriegsspur,
Ihren Schein auf seinen Zügen.
Und Nokomis, die Bejahrte,
Weisend mit dem Finger westwärts,
Sprach dies Wort zu Hiawatha:
»Wohnt Perlfeder dort, der Große,
Megissogwon, er der Zaubrer,
Er der Manito des Reichtums,
Herrscher über Gut und Wampum,
Seine Leibwacht glüh'nde Schlangen,
Seine Wacht die schwarze Pechflut.
Sehn kannst du die glüh'nden Schlangen,
Die gewaltigen, Kenabeek,
Spielend, ringelnd sich im Wasser;
Sehn kannst du die schwarze Pechflut,
Hinter ihnen weit sich dehnend
In die Glut des Sonnenhingangs.
»Er war's, der mir meinen Vater
Tötete durch Trug und Tücke,
Als vom Mondrund er herabkam,
Kam zur Erde, mich zu suchen.
Er, der Mächtigste der Zaubrer,
Schickt das Fieber aus den Marschen,
Schickt die krankheitschwangern Dünste,
Schickt die giftbeladnen Dämpfe,
Schickt den Nebel aus dem Sumpfland,
Schickt uns Siechtum, schickt uns Sterben!
»Nimm den Bogen, Hiawatha,
Nimm die Pfeile, spitz von Jaspis,
Nimm die Kriegskeul', Puggawaugun,
Und die Handschuh, Minjekahwun,
Und dein Bastboot nimm zum Segeln,
Und das Öl des Mishe-Nahma,
So zu salben es, daß eilends
Du durchfahren magst die Pechflut;
Töte diesen Unbarmherz'gen,
Rette du das Volk vom Fieber,
Das er herhaucht durch das Sumpfland;
Räche meines Vaters Totschlag!«
Alsobald mein Hiawatha
Tat die Wehr an, all' sein Kriegszeug,
Schob sein Boot hinaus zum Segeln,
Klopfte schmeichelnd seine Seiten,
Sprach vergnügt: »Cheemaun, mein Liebling,
O mein Bastboot! spring nun vorwärts,
Wo du siehst die glüh'nden Schlangen,
Wo du siehst die schwarze Pechflut!«
Vorwärts sprang Cheemann mit Jauchzen,
Und der edle Hiawatha
Sang den Kriegssang wild und wehvoll,
Und zu Häupten ihm der Kriegsaar,
Der Keneu, der große Kriegsaar,
Herr der Vögel all' mit Federn,
Krisch und schwang sich durch die Himmel.
Bald die glüh'nden Schlangen traf er,
Die gewaltigen, Kenabeek,
Riesig liegend auf dem Wasser,
Blitzend, Funken sprüh'nd im Wasser,
Knäu'lgleich liegend vor der Durchfahrt,
Ausgestreckt die Flammenkämme,
Atmend glüh'nden Dunst und Nebel,
Jedem so den Weg versperrend.
Doch der kühne Hiawatha
Rief ganz laut, sprach solchermaßen:
»Laßt mich ziehn des Wegs, Kenabeek,
Laßt mich gehn auf meine Reise!«
Und sie zischten grimmig Antwort,
Antwort mit dem glüh'nden Atem:
»Rückwärts, rückwärts, Shaugodaya!
Rückwärts zur Nokomis, Mattherz!«
Drauf der zorn'ge Hiawatha
Hub den mächt'gen eschenen Bogen,
Nahm die Pfeile, spitz von Jaspis,
Schoß sie eilends auf die Schlangen,
Jedes Dröhnen seiner Senne
War ein Schrei des Kriegs, des Todes;
Jedes Zischen eines Pfeiles
Todessang der Brut Kenabeek.
In der blut'gen Flut sich wälzend,
Lagen tot die glüh'nden Schlangen,
Und mein Hiawatha harmlos
Fuhr hindurch, und rief mit Jauchzen:
»Vorwärts, o Cheemaun, mein Liebling!
Vorwärts in die schwarze Pechflut!«
Nahm er drauf das Öl des Nahma,
Salbte Bootes Bug und Seiten,
Strich sie Wohl mit Öl, daß rasch er
Glitte durch die schwarze Pechflut.
Auf der Flut die ganze Nacht durch
Fuhr er, auf der trägen Pechflut;
Lag sie da, bedeckt mit Moder,
Hundertjährigem Schlamm und Moder,
Schwarz von faulem Wasserröhricht,
Mißduftvoll von Lilienblättern,
Reglos, leblos, traurig, öde,
Bleich erhellt vom Mondenschimmer,
Und von Irrlichtflammen rötlich, –
Feuern, angefacht von Geistern,
Nachts in ihren müden Lagern.
Rings die Luft war weiß von Mondlicht,
Rings die Pechflut schwarz von Schatten,
Und rund um ihn die Suggema,
Die Moskito, sang ihr Kriegslied,
Und der Glühwurm, Wah-wah-taysee,
Schwang sein Licht, ihn zu mißleiten,
Und der Ochsenfrosch, Dahinda,
Hub sein Haupt auf in das Mondlicht,
Sah ihn an mit gelben Augen,
Schluchzt' und sank zurück ins Wasser;
Und im Umsehn tausend Pfiffe
Gaben Antwort übers Moorland,
Und der Reiher, der Shuh-shuh-gah,
Weitab auf dem schilfigen Ufer
Kündete des Helden Kommen.
Westwärts so fuhr Hiawatha,
Hin zum Reiche Megissogwons,
Hin zum Königreich Perlfeders,
Bis der tiefe Mond, nicht höher
Als er selber, stier ihn ansah,
Stierend in sein bleich Gesicht sah,
Bis die Sonn' in seinem Rücken
Heiß auf seine Schultern brannte,
Bis er vor sich auf den Hügeln
Sah den glänzendblanken Wigwam,
Drin der Wampumherrscher wohnte,
Er der Mächtigste der Zaubrer.
Wieder sein Cheemaun da klopft' er,
Sprach zu seinem Bastboot: »Vorwärts!«
Und es zuckt' in allen Fasern,
Und mit einem großen Satze
Sprang es durch die Wasserlilien,
Sprang es durch das wirre Röhricht,
Und jenseits mit trocknen Sohlen
Auf den Strand trat Hiawatha.
Stracks den eschenen Bogen nahm er,
Auf den Sand ein Ende stemmt' er,
Drückte mit dem Knie die Mitte,
Zog die treue Senne fester,
Nahm 'nen Pfeil dann, spitz von Jaspis,
Schoß ihn nach dem blanken Wigwam,
Sandt' ihn singend aus als Herold,
Als den Träger seiner Botschaft,
Seiner Fordrung laut und vornehm:
»Komm aus deinem Haus, Perlfeder!
Deines Nahns harrt Hiawatha!«
Stracks aus seinem blanken Wigwam
Kam der mächt'ge Megissogwon,
Hoch von Wuchse, breit von Schultern,
Finster anzusehn und schrecklich,
Wampum an von Kopf zu Fuße,
Tragend alle seine Waffen,
Farbig wie der Morgenhimmel,
Blau bemalt, und gelb, und purpurn,
Überwogt, von Adlerfedern,
Strömend aufwärts, strömend auswärts.
»Kenne wohl dich, Hiawatha!«
Rief er aus mit Donnerstimme,
In dem Tone lauten Hohnes.
»Rückwärts eil', o Shaugodaya!
Rückwärts eile zu den Weibern,
Rückwärts zur Nokomis, Mattherz!
Will dich töten wie du stehst da,
Wie vor Alters ihren Vater!«
Doch zurück sprach Hiawatha,
Furchtlos, ganz und gar erschreckt nicht:
»Stolzes Wort trifft nicht wie Keulen,
Prahlgeschnauf ist keine Senne,
Schmähn ist nicht so scharf wie Pfeile,
Besser Taten, traun! als Worte,
Handeln mächtiger, als Prahlen!«
Da begann das größte Treffen,
Drauf die Sonne je herabsah,
Das je sahn die Kriegesvögel.
Einen ganzen Tag des Sommers
Währt' es, früh von Sonnenaufgang
Nahezu bis Sonnenhingang.
Denn die Pfeile Hiawathas
Prallten ab vom Hemd aus Wampum;
Machtlos auf das Hemd aus Wampum
Fielen seine wucht'gen Streiche
Mit den Handschuhn, Minjekahwun,
Fiel der Streich der schweren Kriegskeul';
Felsen schlug sie auseinander,
Brach entzwei doch nicht die Maschen
Jenes Zauberhemds aus Wampum.
Bis am Abend Hiawatha,
Lehnend auf dem eschenen Bogen,
Wund, ermüdet und verzagend,
Seine Kriegeskeul' zerbrochen,
Seine Handschuh ganz in Fetzen,
Nur drei Pfeile noch im Köcher,
Bis am Abend Halt er machte,
Auszuruhn an einer Tanne,
Einer mit lang weh'nden Moosen,
Deren Stamm gänzlich bedeckt war
Mit der Toten Moccasin-Leder,
Mit dem Baumschwamm weiß und gelblich.
Plötzlich aus den Zweigen ob ihm
Sang der Mama, sang der Waldspecht:
»Richte die Pfeile, Hiawatha,
Nach dem Haupte Megissogwons:
Triff den Haarbusch drauf, die langen
Schwarzen Locken an den Wurzeln;
Da nur ist er zu verwunden!«
Kraus von Federn, spitz von Jaspis,
Schnell flog Hiawathas Pfeil da,
Eben als sich jener bückte,
Einen Stein zum Wurf zu heben;
Grad aufs Haupt traf ihn der Pfeilschaft,
An den Wurzeln seiner Locken,
Und er schwankte taumelnd vorwärts,
Stürzte vor wie wund ein Bison,
Ja, wie Pezhekee, der Bison,
Wenn der Schnee liegt auf der Steppe.
Schneller flog der Pfeil, der zweite,
Flog den Pfad des ersten Pfeiles,
Fuhr noch tiefer, als der erste,
Traf noch schlimmer, als der erste;
Und die Knie des Meggissogwon
Bebten unter ihm wie Windrohr,
Knickten, zitterten wie Röhricht.
Doch der dritte Pfeil, der letzte,
Flog am schnellsten, traf am schlimmsten,
Und der mächt'ge Megissogwon
Sah die glüh'nden Augen Pauguks,
Sah die Augen sie des Todes,
Starr und fest auf sich gerichtet,
Hört' im Finstern seine Stimme;
Zu den Füßen Hiawathas
Leblos lag der Held Perlfeder,
Lag der Mächtigste der Zaubrer.
Drauf dankbarer Hiawatha
Rief den Mama, ihn den Waldspecht,
Her von wo er in den Asten
Saß der traurigöden Tanne,
Und, daß seinen Dienst er ehre.
Färbt' auf Mamas kleinem Haupte
Er mit Blut das Federbüschlein;
Heute noch trägt es der Waldspecht,
Trägt das rote Federbüschlein,
Als ein Sinnbild seines Dienstes.
Streift' er drauf das Hemd aus Wampum
Von dem Rücken Megissogwons,
Als ein Siegesmal des Treffens,
Als ein Zeichen der Erobrung.
Am Gestad ließ er den Leichnam,
Halb im Trocknen, halb im Wasser;
Staken tief im Sand die Füße,
Und das Antlitz lag im Wasser.
Und zu des Erschlagnen Häupten
Kreist und krisch Keneu, der Kriegsaar,
Segelnd stets in engern Kreisen,
Niederschwebend näher, näher.
Aus dem Wigwam Hiawatha
Trug den Reichtum Megissogwons,
All' sein Gut: Wampum und Rauchwerk,
Bisonhäute, Biberfelle,
Zobelpelz und Hermelinpelz,
Wampumgürtel, Schnüre, Taschen,
Köcher auch gestickt mit Wampum,
Voll von silberspitzigen Pfeilen.
Heimwärts dann fuhr er mit Jauchzen,
Heimwärts durch die schwarze Pechflut,
Heimwärts durch die toten Schlangen,
Mit dem Ehrenraub des Treffens,
Mit des Sieges Sang und Lustruf.
Stand am Ufer die Nokomis,
Stand am Ufer Chibiabos,
Und der äußerst Starke, Kwasind,
Harrend auf des Helden Ankunft,
Lauschend seinem Sang des Sieges.
Und das Dorf hieß ihn willkommen
Mit Gesängen und mit Tänzen,
Macht' ein Freudenfest, und jauchzte:
»Ehre sei dem Hiawatha!
Er erschlug uns den Perlfeder,
Schlug den Mächtigsten der Zaubrer,
Schlug ihn, der das Fieber schickte,
Schickte den Nebel aus dem Sumpfland,
Schickte Siechtum uns und Sterben!«
Allzeit wert dem Hiawatha
War des Föhrenspechts Gedächtnis!
Und zum Zeichen seiner Freundschaft,
Als ein Merkmal der Erinnrung,
Schmückt' und ziert' er seine Pfeife
Mit dem roten Federbüschlein,
Mit dem blut'gen Kopfbusch Mamas.
Doch in Megissogwons Reichtum,
In den Ehrenraub des Treffens,
Teilt' er sich mit seinem Volke,
Teilt' ihn aus zu gleichen Teilen.