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Ich komme zu dem zweiten Falle: wenn nämlich Einer aus dem Volke nicht durch Verbrechen und Schandthaten, sondern durch die Gunst seiner Mitbürger Fürst in seinem Vaterlande wird. Dieses Fürstenthum von ganz eigner Art könnte man allenfalls ein bürgerliches nennen. Es wird nicht blos durch Talente oder Glück, sondern vielmehr nur durch eine glückliche und schlaue Geschicklichkeit erworben. Man gelangt dazu mittelst einer Begünstigung, entweder des Volks, oder der Großen in ihm. Denn in jedem Staate gibt es zwei verschiedene Gemüthsbewegungen, die daher rühren, daß das Volk die Herrschaft und Unterdrückung des Großen nicht ertragen mag, die Großen aber das Volk zu beherrschen und zu unterdrücken trachten. Aus dem Streite dieser verschiedenen Bestrebungen entsteht entweder eine Alleinherrschaft, oder die Freiheit, oder unbändige Gesetzlosigkeit. Die Herrschaft wird entweder vom Volke oder von den Großen herbeigeführt, nachdem der eine oder andre Theil dazu Veranlassung erhält. Denn wenn die Großen sehen, daß sie dem Volke nicht widerstehen können, so suchen sie Einem unter sich einen großen Namen zu machen und erheben ihn zum Fürsten, um unter dem Schutze seines Ansehns ihre eignen Begierden zu befriedigen. Ebenfalls das Volk macht, wenn es sieht, daß es den Großen nicht widerstehen kann, einen vorzüglich Angesehenen zum Fürsten, um von ihm geschützt zu werden. Wer durch Hilfe der Großen Fürst wird, erhält sich schwerer als der, den das Volk dazu gemacht hat. Denn er findet sich umgeben von Vielen, die sich ihm gleich dünken, und die er nicht nach seinem Sinne zu behandeln und ihnen zu befehlen vermag. Aber derjenige, welcher durch die Gunst des Volks Fürst wird, steht ganz allein so hoch, und ist mit wenigen Ausnahmen von lauter Leuten umgeben, die ihm zu gehorchen bereit sind. Außerdem kann er auch die Großen nicht befriedigen, ohne Andre zu beleidigen; wohl aber das Volk: denn die Wünsche desselben sind viel billiger, als die Wünsche der Großen. Diese wollen unterdrücken: jenes aber ist zufrieden, wenn es nur nicht unterdrückt wird. Hierzu kommt noch, daß der Fürst sich eines feindselig gesinnten Volkes gar nicht versichern kann, weil dessen zu viele sind: wohl aber deren, die nur wenige sind. Das Schlimmste, was derjenige zu fürchten hat, dem das Volk abgeneigt ist, besteht darin, von ihm verlassen zu werden: aber wem die Großen feind sind, der läuft Gefahr, daß sie ihn nicht allein verlassen, sondern selbst gegen ihn aufstehen: weil sie mehr Einsicht und mehr Schlauheit haben, zum Voraus auf ihre Sicherheit denken, und sich bei demjenigen beliebt zu machen suchen, von dem sie glauben, er werde den Sieg davontragen. Der Fürst ist außerdem genöthigt, beständig mit dem nämlichen Volke verbunden zu bleiben; er kann hingegen ohne die Großen fertig werden, weil er darunter nach Gefallen erheben und erniedrigen, Ansehn geben und nehmen mag. Um dieses noch in helleres Licht zu setzen, sage ich, daß es zwei Arten gibt, die Großen zu behandeln. Sie betragen sich nämlich also, daß sie sich entweder ganz an dich hängen oder nicht. Diejenigen, welche sich dir verpflichten und nicht habsüchtig sind, müssen in Ehren gehalten werden und verdienen große Zuneigung. Diejenigen hingegen, welche sich dir nicht verpflichten wollen, müssen wieder auf zwei verschiedene Arten betrachtet werden. Entweder sie thun dies aus Feigheit und natürlichem Mangel des Muthes. Solcher muß man sich bedienen: absonderlich wenn sie Verstand haben; denn so lange es gut geht, wird man von ihnen geehrt, und im Unglücke hat man sie nicht zu fürchten. Wenn sie sich aber aus ehrgeizigen Absichten nicht verpflichten wollen, beweisen sie damit, daß sie mehr an sich selbst, als an dich denken. Vor diesen muß sich der Fürst hüten, und sie als heimliche Feinde behandeln, denn sie sind wirklich immer bereit, im Unglücke zuzutreten und ihn mit zu stürzen. Wer durch das Volk Fürst wird, muß das Volk zum Freunde zu behalten suchen. Dies ist leicht, da es zufrieden ist, wenn es nur nicht gedrückt wird. Wer aber gegen den Willen des Volks durch den Beistand der Großen Fürst wird, muß vor allen Dingen suchen das Volk zu gewinnen, was ja sehr leicht ist, wenn er es nur in Schutz nimmt. Und da die Menschen einem Wohlthäter, von dem sie Uebles erwarteten, desto dankbarer werden, so wird das Volk ihm noch mehr unterthan, als wenn es ihn selbst erhoben hätte. Die Mittel und Wege, wodurch der Fürst das Volk gewinnen kann, sind mannichfaltig, und richten sich ganz nach den Umständen, weshalb ich sie ganz übergehe. Ich ziehe indessen den allgemeinen Schluß, daß man suchen müsse, das Volk auf seine Seite zu ziehen, weil sonst im Unglück kein Rettungsmittel ist. Nabis, der Fürst der Spartaner, hielt eine Belagerung von allen Griechen aus und von einem siegreichen römischen Heere; er vertheidigte sich und seinen Staat dagegen, und dazu war es hinreichend, sich einiger weniger Personen zu versichern. Wäre das Volk ihm feind gewesen, so hätte jenes nicht hingereicht. Man setze mir auch nicht das bekannte Sprichwort entgegen, daß, wer sich auf das Volk verläßt, auf den Sand bauet. Denn dieses ist nur alsdann wahr, wenn ein Bürger etwa die Hilfe des Volks gegen die angebliche Unterdrückung seiner Feinde oder der Obrigkeit anruft. In diesem Falle kann er sich gar leicht mit falscher Hoffnung täuschen, so wie es dem Gracchus zu Rom und zu Florenz dem Georg Scali Ein großer Liebling des florentinischen Pöbels, den im Jahre 1381 die Obrigkeit wegen einer Gewaltthätigkeit, die er beging, um ihr einen verhafteten unruhigen Kopf zu entreißen (eine Unternehmung, an der der Pöbel Wohlgefallen zu finden pflegt), hinrichten ließ, ohne daß der Aufstand, auf den er hoffte, erfolgt wäre. Ja, es fand im Gegentheil auch diese Hinrichtung Beifall ging. Ein Fürst aber, der zu befehlen versteht und Herz hat, darf nur im Unglücke nicht weichen, sondern fahre fort Veranstaltungen zu treffen, halte dreist auf seine Anordnungen, und suche das Volk zu beleben. Er wird sich in seiner Erwartung von ihm nicht betrogen finden. Solche Herrschaften gerathen in Gefahr, wenn sie aus einer eingeschränkten Verfassung zur freien Alleinherrschaft aufzusteigen suchen. Denn diese Fürsten führen ihre Sache selbst oder durch Magistratspersonen. Im letztern Falle ist ihre Macht unsicher und schwach, weil sie von denen, welche die obrigkeitlichen Stellen verwalten, gar sehr abhängen. Diese können, absonderlich im Unglücke, leicht das Oberhaupt umwerfen, indem sie sich ihm widersetzen, oder auch nur den Gehorsam verweigern: der Fürst aber darf in den gefährlichen Augenblicken nicht daran denken, die unbeschränkte Herrschaft an sich zu reißen, weil die Bürger und Unterthanen, welche gewohnt sind, den obrigkeitlichen Personen zu gehorchen, ihm keine Folge leisten, und es ihm schwer wird, Personen zu finden, denen er trauen kann. Diese Fürsten können sich gar nicht auf das verlassen, was sie in ruhigen Zeiten sehen, da die Bürger der öffentlichen Ordnung bedürfen. Alsdann läuft Jeder, verspricht Alles und will für ihn das Leben lassen, so lange der Tod entfernt ist. In unglücklichen Zeiten aber, wo der Staat Bürger nöthig hat, finden sich wenige. Ein solches Experiment ist desto gefährlicher, da man es nur ein einziges Mal machen kann. Ein kluger Fürst muß daher auf Mittel denken, zu bewirken, daß seine Unterthanen seine Herrschaft beständig und zu allen Zeiten und unter allen Umständen bedürfen – dann werden sie ihm treu bleiben.