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Zwei lichte Sterne weiß ich,
Die haben's mir angetan,
Zwei strahlende, goldne Augen –
Der Waldfrau gehören sie an!
Sie leuchten mir hell zur Arbeit
Und strahlen mir spät zur Ruh –
Die goldnen Augen sind deine,
Die Waldfrau, Herzlieb, bist du!
Es war um die Mittagsstunde desselben Tages, als zwei Gardedukorps dem Faubourg St. Germain zuschritten. Sie trugen Paradeuniform, die seidenen Schärpen flatterten im Winde, Helm und Waffe blinkten, als funkelte die Sonne darauf, und doch verbarg sie sich hinter den Wolken, die schwer über der Erde hingen, als müßten sie sich in jedem Augenblick entladen. Die beiden jungen Offiziere hatten des trüben Wetters nicht acht. In ihr Gespräch vertieft, machten sie vor dem Hause des Marquis de Saint Hilaire Halt, wanderten noch einmal, eifrig aufeinander einredend, die Front des alten Renaissancebaues auf und nieder und trennten sich endlich mit einem letzten Händedruck.
»Glück auf, Adalbert,« rief der ältere der beiden dem Davoneilenden nach, »mein Ehrenwort darauf, du wirst keine Fehlbitte tun – au revoir, wenn wir beide gesiegt!«
Er winkte dem Freunde ein letztes Mal, schritt die Marmorstufen hinan und ließ sich bei dem Herrn des Hauses melden.
Gleich darauf führte ihn der Kammerdiener, dessen Blick mit unverhohlenem Erstaunen auf seiner Galauniform ruhte, in das weite, behagliche Gemach, in welchem der Marquis seine Gäste zu empfangen pflegte.
» A la bonheur,« flüsterte Jean, als er die Tür hinter dem jungen Offizier geschlossen, » à la bonheur! in voller Gala am hellen Mittag – dahinter verbergen sich ungewöhnliche Dinge – une affaire de coeur – ah, ich hab's – Mademoiselle Aimée verbarg eine gelbe Rose, als ich ihr den Pelz abnahm – es unterliegt keinem Zweifel!« –
Der Marquis de Saint Hilaire war eine jener vornehmen Royalistenerscheinungen, einer jener letzten, ehrwürdigen Vertreter der alten Geschlechter, denen es die höchste Ehre war, das Lilienbanner zu schützen und für Altar und Thron mit ihrem Leben einzutreten. Es gab nicht mehr viel solcher Männer zur Zeit des fünfzehnten Ludwig; die französische Ritterschaft war längst ein verweichlichtes, genußsüchtiges Geschlecht geworden, das die Königstreue wohl im Munde führte, aber weit entfernt war, wie seine Vorfahren, in der Not den Thron zu stützen. Es waren nicht mehr die Royalisten vergangener Tage, die den Herrscher umgaben, es war eine ehrgeizige, habsüchtige Generation, die ihn im Glück umschmeichelte und im Unglück verließ und sich ohne Besinnen einem neuen Stern zuwandte. Das damalige Christentum Frankreichs war der Mode unterworfen, den Zeitströmungen, den wechselvollen Stimmungen lasterhafter Monarchen, die heute die Sünde durch ihr königliches Beispiel sanktionierten und morgen zerknirscht vor dem Beichtiger knieten. Die Frömmigkeit ward vielen zum Deckmantel ihrer Schuld, und manches Werk der Finsternis schmückte sich mit edlem Namen. Die wenigen vornehmen Familien, die diesem verderblichen Vorbilde nicht folgten, standen isoliert. Sie ließen sich so selten wie möglich bei Hofe blicken, erschienen sie aber, so waren sie die alten, treuen Royalisten und bezeugten dem versunkenen Manne auf Frankreichs Thron die Ehrerbietung, die sie der gesalbten Majestät schuldeten. Sie empfingen Ehrenbezeugungen wie andere, aber im Grunde ihrer Seele wohnte die Sorge, die keine Freude an Glanz und Genuß aufkommen läßt. Sie wurden vielfach verkannt, ihre Ansichten oft mißdeutet – daß sie die letzten Stützen des zerfallenen Reiches, die letzten Getreuen des Königs – auch des verachteten – waren, das bedachte keiner, und jene Männer begehrten auch keine Beachtung. Sie hielten ihren Glauben und ihre Königstreue hoch, ihr reines Gewissen war ihr höchstes Kleinod, und Ruhm- und Ehrsucht kannten sie nicht. –
Adalbert Clémens de Saint Hilaire war ein Mann Mitte der Sechziger, sein Haar war stark ergraut, Sorgen und Arbeitslast hatten ihn vor der Zeit alt gemacht. Aber der feste, klare Blick der dunklen Augen war ihm geblieben, und seine Haltung war ungebeugt. Ein Lächeln lag auf seinem geistvollen Antlitz, als er, sich vom Schreibtisch erhebend, dem jungen Freunde entgegenging. Fragend ruhte sein Auge auf Sérévans ungewohnt ernsten Zügen, eine gewisse feierliche Förmlichkeit lag in der Haltung des Gardedukorps, als dieser ihn begrüßte und ihn bat, ihm seine Angelegenheit vortragen zu dürfen.
Der Marquis erwartete, daß Gérard um Cécile anhalten werde, denn obgleich derselbe nie Veranlassung zu dieser Vermutung gegeben, hatte auch ihm diese Verbindung seit Jahren als ein Zukunftsbild vorgeschwebt, das nur seiner Verwirklichung harrte. Vielleicht hatte das ablehnende Verhalten seiner ältesten Tochter anderen Anträgen gegenüber ihn in seinem Glauben bestärkt. Er liebte Gérard wie einen Sohn; der Gedanke, ihn in seine Familie aufzunehmen, war ihm längst vertraut. Das Liebste wäre ihm gewesen, Aimée dem Sohn seines Jugendfreundes zu vermählen, aber dieser Wunsch schien ihm nicht erfüllt werden zu sollen. Wie erstaunte er daher, als der junge Gardedukorps ihm in feurigen Worten seine Liebe gestand und um die Hand seiner Lieblingstochter warb. Eine Frage schwebte ihm auf den Lippen, aber er drängte sie zurück, Gérard war Cécile nie anders als der Jugendgespiele, als der Freund ihres Bruders begegnet, das Verhältnis der beiden jungen Leute war stets ein kameradschaftliches geblieben. Dagegen fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, und er verstand sich nicht, daß ihm Sérévans Liebe so lange ein Geheimnis geblieben. Die ganze letzte Zeit, der gestrige Ball standen plötzlich vor ihm und gaben ihm auf seine Fragen Antwort. Von Herzen hieß er Gérard als Sohn seines Hauses willkommen, dann verließ er ihn, um seine Gemahlin aufzusuchen und Aimée zu holen.
Nach kurzer Zeit erschien die Marquise. Keine Spur einer Enttäuschung lag auf ihrem schönen, klassischen Antlitz, als sie dem Gardedukorps die Hand zum Kusse reichte und ihm versicherte, die alte Freundin werde ihm eine treue Mutter sein. Dann setzte sie sich und lud ihn mit einer Handbewegung ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen.
»Wir leben in einer ungewissen Zeit,« sprach sie ernst, »keiner weiß, was die Zukunft dem Vaterlande und dem einzelnen bringt – da ist's ein Großes, seine Kinder in starken, treuen Händen zu wissen. Wir vertrauen Ihnen heute ein Kleinod an, Gérard, aber wir wissen auch, wen wir zum Hüter desselben erwählen.«
Er zog die Hand, die sie ihm reichte, an die Lippen.
»Nächst der Treue gegen Gott und meinen König wird es meines Lebens größte und schönste Aufgabe sein, dies Kleinod zu lieben und zu schützen! Dazu helfe mir Gott!«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie blickte in das junge, glückliche Antlitz mit dem festen, klaren Ausdruck in den Augen; der Lebenswandel des echten Edelmannes und treuen Royalisten spiegelte sich darin. Wäre ihr Gérard als ein Fremder gegenübergetreten, sie hätte diesem Antlitz doch getraut.
Schritte nahten. Die Vorhänge teilten sich – der Marquis erschien auf der Schwelle und führte seine Tochter dem Geliebten zu. Wie ein Kind stand sie in ihrem weißen Kleide im Türrahmen, das Antlitz von den goldenen Locken umspielt, die Wimpern tief gesenkt – eine junge, schöne Menschenblüte, in deren Tiefen die Liebe ahnungsvoll erwacht. Und dann verlobten sie sich, und die Eltern segneten den Bund ihrer Herzen.
Wohl eine Stunde mochte vergangen sein. Das Verlöbnis des jungen Paares war im Hause bekannt. In überströmender Zärtlichkeit hatte Cécile die Schwester umarmt, aber die Marquise bemerkte sorgend zwei brennende Punkte auf den Wangen ihrer Ältesten und fühlte aus ihrem Wesen die Gewalt, die das schöne, stolze Geschöpf sich antun mußte, um nicht weich zu werden. – –
Sie saßen noch beieinander, da ward dem Hausherrn der Gesandte der Krone Schwedens, Graf Creutz, gemeldet. Er erhob sich, dem Gast entgegenzugehen.
» Au revoir!« rief er, dem Brautpaar zunickend, im Vorübergehen, »es wird eine Weile dauern, bis ich zurück bin, Creutz kommt in Angelegenheiten des Königs!«
Da rauschte der Vorhang, zwei strahlende Gesichter blickten herein. Adalbert brachte seine junge Braut, von ihren Schwestern begleitet, den Eltern. Lachend und weinend flog Blanche Sérévan dem Marquis in die Arme und fragte den alten, väterlichen Freund einmal über das andere, ob er den Wildfang, den er so oft auf den Knien geschaukelt, auch als Braut des Sohnes anerkennen wolle.
Auch Adalbert drängte zum Vater, und es schien einen Augenblick, als sei König Gustavs Vertreter vergessen, aber es schien nur so.
»Kinder,« rief der Marquis, sich aus Blanches weichen Armen befreiend, »der Gesandte Seiner Schwedischen Majestät wartet!« und hinaus war er.
Aber er konnte die zwiefache Freude nicht lange für sich behalten. Nach Verlauf von kaum einer Viertelstunde kehrte er mit Graf Creutz in den Familienkreis zurück. Lachend erklärte der Gast, nachdem er der Hausfrau und den beiden Brautpaaren seine Glückwünsche ausgesprochen, es sei mit dem Marquis heute nichts anzufangen, und der Gescholtene widersprach nicht. –
Das frühe Dunkel des Novembertages breitete seine Schatten über die Straßen, und die Laternen leuchteten matt durch den Nebel, als man sich trennte.
Zum Abend waren die Hilaires in das Hotel Sérévan geladen. –
Aimée geleitete den Verlobten die Treppen hinab bis ins Vestibül. Glücklich sah der Marquis dem schönen Paar nach, es ward ihm plötzlich klar, daß ihm ein großer Wunsch erfüllt worden. Mit strahlenden Augen schritt Aimée an der Seite ihres Verlobten die Stufen hinab, und er hörte ihrem Geplauder zu, als sei es die wichtigste Botschaft, die sie ihm brächte. Unten am Eingang trennten sie sich.
» Au revoir, mon ami,« flüsterte sie, während er sie küßte, und winkte ihm mit der kleinen Hand, als er sich zum Gehen anschickte.
Ein letztes Mal wandte er sich um und sah auf sein Glück. Wie Sonnenlicht leuchteten ihm ihre Augen entgegen. »Aimée!« jubelte er.
Sie flog noch einmal zur Tür und rief: »Gérard, du wirst bei deiner Mutter sein, bevor wir eintreffen, sag ihr, ich küßte ihr die Hände, und ich hätte dem Glück in die Augen geschaut!«
»Ich werde ihr sagen, das Glück hätte goldene Augen,« erwiderte er, ihre Hand an die Lippen ziehend, dann verließ er das Haus.
Sie stand noch einen Augenblick auf dem Platz, wo er sie geküßt – das Glück war über sie gekommen, sie wußte nicht, wie, und noch konnte sie es nicht fassen, daß sie die Braut des Mannes war, den sie mit ganzer Seele liebte.