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Neuntes Kapitel.

Die beiden Tome unterhandeln mit einander. – Friedenstraktat, abgeschlossen zwischen zwei kriegführenden Mächten. – Die größte Masse Braten seit Menschengedenken. – Lieder die Menge, und ein Nachtessen.

Tom stieß den Nachen vom Lande. Als er halbwegs zwischen dem Lichter und der Küste war, legte er die Ruder weg. Seine Mutter beobachtete uns und rief mit aufgehobener Faust, während er sich bückte:

»Tom, Tom! Wenn du es thust, Tom!«

»Tom, Tom, wenn du dich unterstehst, Tom!« drohte sein Vater ebenfalls mit geballter Faust.

Aber Tom stand außerhalb des Bereiches von Beiden; er zog daher eine Flasche aus dem Korbe, den ihm seine Mutter anvertraut hatte, setzte sie an den Mund und that einen langen Zug.

»Genug, Tom!« kreischte seine Mutter an der Küste.

»Zu viel, du Schurke!« rief sein Vater von der Barke.

Allein keine von beiden Ermahnungen wurde beachtet. Tom trank so viel, als er für seine Gebühr hielt, fuhr dann ganz kaltblütig an den Lichter heran und bot den Korb nebst einem Bündel meiner Wäsche auf das Verdeck. Dann reichte er seinem Vater das Lien. Dieser hatte, wie ich bemerkte, keine andere Absicht, als ihn mit dem Ende desselben zu begrüßen, sobald er an Bord kommen würde; allein Tom war etwas zu schlau. Er legte das Boot vorn an, und ehe der Vater zu ihm hinhumpeln konnte, stand er auf dem Verdeck. Die Hauptlucke war offen, weßhalb er dieses Hinderniß zwischen sich und seinen Vater brachte, bevor er du Unterhandlungen eröffnete.

»Was habt Ihr, Vater,« fragte er lächelnd mit einem Seitenblick auf mich.

»Was ich habe, du Schurke? Wie kannst du dich unterstehen, die Flasche anzurühren?«

»Die Flasche? Der Flasche ist nichts geschehen.«

»Den Grog meine ich; wie kannst du dich unterstehen, Grog zu trinken?«

»Ich war halbwegs zwischen meiner Mutter und Euch, und so trank ich auf Euer beiderseitiges Wohl und langes Leben. Heißt das nicht seine kindlichen Pflichten erfüllen?«

»Ich wollte, ich hätte meine Beine noch, du Schurke.«

»Ihr wolltet, Ihr hättet den Grog noch, meint Ihr; allein Ihr müßt zwischen beiden eine Wahl treffen – denn wenn Ihr den Grog habt, könnt Ihr Euch nicht auf den Beinen halten.«

»Was den Grog betrifft, du Schlingel, so scheint es, als seist du entschlossen, in meine Schuhe zu treten.«

»Nun, was wollt Ihr mit den Schuhen machen, mein Vater – warum sollte ich nicht? Ihr dürftet mir nur trauen. Hättet Ihr den Schrank nicht verschlossen, so wäre ich nicht zur Selbfthülfe geschritten.«

Bei diesen Worten bückte sich Tom, um seine Schuhriemen zu binden, welche sich abgelöst hatten.

Der alte Tom, der noch immer erzürnt war, hielt dies für eine treffliche Gelegenheit, seinen Sohn zu überrumpeln, dessen Gesicht nach einer andern Seite gekehrt war. Er schritt über die Backsteine weg, mit denen, wie oben gesagt, der Lichter bis an den Rand der Hauptlucke angefüllt war, und ohne Zweifel würde Tom, der keine Ahnung von dieser Bewegung des Feindes hatte, in die Falle gerathen sein, wäre nicht zum Glück für ihn einer der oberen Backsteine überschlagen, und dadurch eines der hölzernen Beine seines Vaters zwischen zwei Schichten festgeklemmt worden. Der alte Tom suchte sich loszumachen, aber er vermochte es nicht.

»Tom, Tom,« rief er, »komm und hilf mir heraus.«

»Ich nicht,« erwiederte Tom kaltblütig.

»Jacob, Jacob, komm; geschwinde komm, Tom, ergreife das Steuer.«

»Ich nicht,« versetzte Tom.

»Jacob, kümmere dich nicht um das Steuer; der Lichter wird schon einige Minuten lang allein fortkommen,« rief der alte Tom, »komm und hilf mir.«

Allein der Auftritt ergötzte mich zu sehr, und da der junge Tom einen Stein bei mir im Brette hatte, erklärte ich, es sei unmöglich, das Steuer zu verlassen, wenn wir nicht auf die Sandbänke treiben wollten. Ich blieb, um zu sehen, wie sich beide Tome aus ihren betreffenden Klemmen ziehen würden.

»Daß euch der Teufel! Tom, du Schurke, soll ich den ganzen Tag stecken bleiben?«

»Nein, Vater, das vermuthe ich nicht. Ich will Euch sogleich helfen.«

»Nun, warum thust du es denn nicht?«

»Weil ich zuerst einen Vergleich abschließen muß, Ihr werdet doch nicht glauben, daß ich mir zu einer Prügelsuppe helfen werde?«

»Ich thue dir nichts, Tom. Du darfst meine Hölzer zerbrechen, wenn ich dir etwas thue.«

»Nun, die sind eben auf dem besten Wege zum Zerbrechen. – So stehen wir also jetzt wieder gleich, Vater.«

»Wieso?«

»Nun, diesen Morgen habt Ihr mir einen Riegel vorgeschoben, und jetzt habt Ihr's Euch selbst gethan!«

»Gut, so schiebe den meinigen zurück, und ich will es auch bei dem deinigen so machen.«

»Ihr wollt also den Schrankschlüssel stecken lassen, wenn ich Euch nicht steckenlasse?«

»Ja.« »Und Ihr versprechet mir ein Steifes nach dem Mittagessen?«

»Ja, ja, so steif, als ich hier stehe.«

»Nein, das wäre zu viel für mich, denn es würde mich werfen. Ich will's nur halb und halb, wie ich's eben nahm.«

Tom war überzeugt, daß sein Vater die Bedingungen halten würde, er eilte daher alsbald zu seinem Beistande herbei, räumte einige von den Backsteinen weg und erlöste ihn aus seiner Gefangenschaft.

Als der alte Tom auf dem Boden und seinen Beinen stand, bemerkte er:

»Es muß ein böser Wind sein, der Niemanden Gutes bringt. Der Verlust meiner Beine ist schon oft dein Gewinn gewesen, Musje Tom.«

Es war jetzt Zeit, Anker zu werfen, denn die Fluth brach herein. Tom, der das Küchenamt verwaltete, trug das Essen auf, das bereits auf uns wartete, und wir waren insgesammt guter Dinge. Tom legte das vollkommenste Zutrauen zu seinem Vater an den Tag. Wir konnten vor mehreren Stunden nicht lichten, und eilten daher nicht sehr mit unserer Mahlzeit. Der alte Tom hatte sein Versprechen wegen des Steifen erfüllt, und nahm selbst ein paar Steife zu sich, die ihn sehr gesprächig machten.

»Spinnt uns einen hübschen Faden, Vater,« sagte der jüngere Tom, »wir haben nichts zu thun, und Jacob hört Euch gerne zu.«

»Nun, so will ich's thun,« antwortete er, »aus welchem Stoffe soll er sein?«

»Natürlich aus Feuer und Wasser,« erwiederte Tom.

»Gut, so will ich euch von Beidem erzählen, weil ihr es wünscht. Wie ich durch Feuer in die Dienste Seiner Majestät kam, und der Lieutenant, der mich gepreßt hatte, durch Wasser aus demselben gewiesen wurde. Ich war Lehrling und hatte noch ein Vierteljahr zu dienen, nach dessen Verfluß mich natürlich nichts mehr vor dem Dienste auf der Flotte gesichert hätte, als das Schiff, worauf ich mich befand, mit einer Ladung Ochsen nach der Ostsee steuerte. Wir hatten deren wenigstens zweihundert Stück an Bord, welche auf den Verdecken angebunden waren, wo sie, den Kopf gegen die See und das Hintertheil gegen das Innere des Schiffes gekehrt, auf Plattformen neben einander standen. Als sie eingeschifft wurden, waren sie fett genug, aber sie schmolzen bald zusammen. Das Wetter war sehr schlecht, weßhalb die armen Geschöpfe herumgeworfen und aneinander gestoßen wurden, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Indessen waren sie so dicht in einander gepfropft, daß sie einander gegenseitig auf den Beinen hielten. Dieß kam ihnen um so besser zu statten, da wir mit Stürmen kämpfen mußten, durch die das Schiff herumgeworfen wurde, wie eine Erbse in einer Kinderklapper. Wir hatten uns an ein großes Geschwader angeschlossen und fuhren eben in den Sund ein, als, wie gewöhnlich, Windstille eintrat und uns die dänischen Kanonenboote entgegen kamen, um uns in Empfang zu nehmen. Die Kriegsschiffe, welche das Geschwader zu beschützen hatten, hielten sich wacker, aber sie hatten noch mit der Windstille zu kämpfen, und viele Fahrzeuge waren weit zurückgeblieben. Unser Schiff war so ziemlich unter den vorderen, aber es fuhr zu nahe an der Küste, und die Dänen segelten auf uns los, in der Hoffnung, einen Fang zu machen. Die Kriegsschiffe sahen, was der Feind im Schilde führte, und sandten Boote aus, um ihn abzutreiben; aber es war zu spät. Er stieg bereits an Bord. Da wir keine Lust hatten, die Welt durch die Gitter der Gefängnisse von Kopenhagen zu beäugeln, so setzten wir unsere Boote aus und verließen das Schiff auf der einen Seite, während es die Dänen auf der andern erstiegen. Die Kriegsboote, die uns zu Hülfe kamen, eilten darauf zu, um es wieder zu nehmen, und nahmen es auch wirklich; allein der Feind hatte es bereits in Brand gesteckt und sich nach einem andern unserer Fahrzeuge gewendet. Als die Kriegsboote dieß bemerkten, jagten sie den Dänen nach, und überließen es uns, die Flammen zu löschen. Das Feuer schlug bereits hinten und vorn hinaus, und leckte das Haupttakelwerk mit seinen blutrothen Zungen. Wir fanden bald, daß wir es nicht mehr bemeistern konnten, und blieben, so lange es Hitze und Rauch gestatteten, um es endlich doch im Stiche zu lassen. Aber nie werde ich das Gebrüll der armen Thiere vergessen, welche lebendig gebraten wurden. Es war grausam von den Dänen, ein Schiff anzuzünden, das mit so vielen lebendigen Geschöpfen beladen war. Einige rissen ab, schossen auf den Verdecken auf und nieder, spießten andere mit ihren Hörnern und taumelten die Luken hinunter; andere blieben zitternd stehen und suchten ein Maul voll frische Luft unter dem Rauche aufzuschnappen; und als das Schiff von allen Seiten in Brand stand und zweihundert solche arme Kreaturen auf einmal versengte, wurde der Lärm und das Gebrüll am Ende so entsetzlich, daß man es eine Meile weit hörte. Wir thaten, was wir konnten. Ich schnitt einem Dutzend die Kehlen ab, aber sie schlugen und stampften nach allen Seiten, fielen auf die Leute nieder und traten sie unter die Füße. Auf einmal lag ich selbst unter einem Stück und glaubte bereits mit ihm verbrennen zu müssen, denn ich vermochte mich erst unter dem armen Thiere hervorzuarbeiten, als man mir zu Hülfe kam. Wir blieben, so lange wir konnten, und überließen sie endlich ihrem Schicksal. Der Geruch, der uns von dem Riesenbraten nachdampfte, war so schauderhaft, als das Jammergeheul der armen Thiere. Die Dänen waren verjagt, die Kriegsboote kehrten zurück und hatten die Güte, uns Allen eine Freistätte auf ihrem Schiffe anzubieten, weil wir unser eigenes verloren hatten. Und so seht ihr also, wie ich durch Feuer in den Dienst Sr. Majestät getrieben wurde. Das Boot, welches uns aufnahm, gehörte zu einer von den Fregatten, welche dem Geschwader als Sicherheitsgeleite beigegeben waren, und der Lieutenant, der das Schiff befehligte, war ein Stück Menschenfleisch voll Fluchen und Schwören, das ein Leben führte, als sollte es ewig dauern. Nachdem ich an Bord aufgenommen war, fragte mich der Kapitän, ob ich Dienste nehmen wollte. Ich dachte, es wäre am räthlichsten, wenn ich mich hübsch ordentlich drein gäbe, und trat als Freiwilliger ein. Dieß ist immer das Beste, wenn man an Bord genommen wird und nicht mehr anders kann; man setzt mehr Vertrauen in einen Freiwilligen, als in einen Gepreßten, welcher starrköpfig ist. Anfangs gefiel mir der Dienst. – Der Kapitän war gerade nichts Besonderes; nach Begriffen, welche gewisse Leute vom Dienste haben, war nicht Alles, wie es auf einem Kriegsschiffe sein sollte; aber die Mannschaft war glücklich und Jeder wäre für den Kapitän durch's Feuer gelaufen. Diese Art von Schiffen ist für mich. Ich habe schon reinlichere Verdecke gesehen, aber nirgends frohere Herzen. Der Einzige unter den Offizieren, welchen die Mannschaft nicht liebte, war der Lieutenant, der mich gepreßt hatte. Er führte ein loses Maul, beobachtete keine Rücksicht, und was das Schwören betrifft, so war es wirklich fürchterlich, die Worte zu hören, die aus seinem Munde kamen. Ich habe nichts gegen einen Fluch, der in der Hitze des Augenblicks ausgestoßen wird; aber er erfand seine Flüche bei kaltem Blute und ließ sie vom Stapel, wenn er in Wuth kam. Nachdem das Geschwader sicher an Ort und Stelle war, traten wir unsern Rückweg an, als auf einmal einer der furchtbarsten Stürme gegen uns aufsprang, den ich je erlebte. Wir hatten bis jetzt heftigen Südwest gehabt, aber nun schlug der Wind nach Nordwest um und warf eine Sturzsee auf, welche ein wahres Entsetzen erregte. Nun war die Fregatte ein altes Schiff. Man hatte sie zwar schon oft zur Ausbesserung in der Werfte gehabt, aber flickte stets nur den Unterstock; das Oberwerk ließ man allmälig so faul werden, wie eine Mispel. Es war ungefähr drei Viertel in der Mittelwache, als der Wind durch das Takelwerk heulte, denn wir hatten keine Wandkleidung, als ein Setzsegel und ein Beisegel. Die Setzsegelschoten rissen, und ehe man es verhindern konnte, lag das Schiff breit vor dem Winde. Der Lieutenant, von dem ich gesprochen, hatte die Wache und seine Stimme war durch das Gebrüll des Windes vernehmlich. Er fluchte den Matrosen zu, das Setzsegel niederzulassen, und die Lumpen wieder herzurichten; allein die Fregatte lag, wie gesagt, breit vor dem Winde. Nun rollte eine Welle – ja, ich darf wohl sagen, beinahe so hoch als der Hauptmast, die ganze Breite des Schiffes hinauf, schnitt die Bollwerke des Hinterdeckes, die, wie gesagt, ganz faul waren, morsch an der Mittelwand ab, und schwemmte sie, Kanonen, Mannschaft und Alles mit einander über Bord. Der Besanmast wurde mit fortgerissen, aber der Hauptmast hielt, und ich stand gerade unter seinem Lee. Gleich einem Neger klammerte ich mich an und ward gerettet, nachdem ich eine Minute lang unter der Welle begraben gelegen, welche beinahe Alles nach der Leeseite über Bord geführt hatte. Sobald sich das Wasser über mich hingewälzt hatte, sah ich mich um. Es war ein furchtbarer Anblick. Das Hinterdeck war wie mit einem Messer abgeschnitten – keine Seele ließ sich blicken – kein Mann am Steuerbord – der Besanmast weg – die Taglichter fortgeschwemmt – die Wellen frei und offen hereinschlagend; die Boote vom Verdeck hinweggespült – oben Alles ruhig, unten auf dem Mitteldeck ein entsetzlicher Lärm; denn das Schiff war beinahe voll Wasser, und Alles stürzte im Hemde herauf, weil man der Meinung war, wir müßten untergehen. Zuletzt kroch auch der Kapitän auf's Verdeck und klammerte sich an das abgebrochene Gestänge. Ihm folgten der erste Lieutenant und die übrigen Offiziere. Nach und nach wurde es ruhig; das Schiff ward gesäubert und die Mannschaft unter dem Halbdecke zur Musterung versammelt. Sieben und vierzig Mann antworteten nicht auf ihre Namen – die armen Teufel hatten auf die Fragen über die Anwendung ihres Lebens zu antworten, – und unter ihnen befand sich auch der fluchende Lieutenant. Gut. Wir legten endlich Hand an die Arbeit und brachten das nackte Trümmerwerk unter den Wind. Als wir an's Taffarell kamen, dessen Bollwerk mit etwa sechs Fuß vom Hinterdeckbollwerke auf jeder Seite stehen geblieben war, bemerkten wir einen Gegenstand, der an der Sterntreppe hing und abwechselnd auf- und niedertauchte, wenn sie, von den Wellen bespült, das Ihrige dazu beitrug, das Fahrzeug vor den Wind zu bringen. Bald entdeckten wir, daß es ein Mensch war. Ich ging hinab und warf einen Schlingknoten um den armen Burschen. Mit einiger Mühe wurden wir mit einander hinaufgezogen. Es ergab sich, daß es der Lieutenant war, der, von der Sturzwelle hinweggeschwemmt, sich an der Sterntreppe festgeklammert hatte, und auf diese Art wunderbarer Weise erhalten worden war. Es währte lange, bis er zu sich selbst kam, und die ganze Woche, die wir noch auf der Fahrt zubrachten, that er keinen Dienst mehr, bis wir in Yarmouth-Roads einliefen. Ja er sprach kaum ein Wort mehr mit irgend Jemanden, und schien immer in düstere Gedanken vertieft. Bei unserer Ankunft gab er dem Kapitän seine Bestallung zurück, verfügte sich an's Land, ging, dem Vernehmen nach, wieder in die Schule und ließ sich zu einem Pfarrer machen. So viel ich weiß, wird er nächsten Sonntag irgendwo predigen. Also seht Ihr, Wasser warf ihn aus dem Dienste und Feuer trieb mich hinein. – Hier hast du einen Faden, Jacob.«

»Er gefällt mir sehr,« bemerkte ich.

»Und nun, Vater, gib uns ein ganzes Lied, keines von deinen Bruchstücken.«

Der alte Tom sang den »Tod Nelsons« auf eine Weise, daß mir Melodie und Worte den ganzen Abend in den Ohren klangen.

Ehe wir die Ebbe benützen konnten, stand der Mond am Himmel. Wir lichteten den Anker. Der alte Tom steuerte; sein Sohn bereitete das Abendessen, und ich stand vorn auf der Warte, auf Alles ein scharfes Auge haltend, damit wir nirgends anrennen möchten. Es war eine schöne Nacht, und als wir zwischen den verschiedenen Brücken durchfuhren, schien die Stadt festlich beleuchtet zu sein. Die Gasflamme bildete eine Art von Strahlenkranz über den Gipfeln der Gebäude, der die Hauptstraßen hin und wieder von der allgemeinen dunkeln Masse unterschied. – Von Zeit zu Zeit ließ sich die Stimme des alten Tom hören, je nachdem der Anblick Erinnerungen in seiner Seele weckte.

»Komm und flüst're mit mir, Liebchen mein,
Denn das Murmeln deiner süßen Lippen
Tönt wie Ruder in dem Mondenschein,
Welche plätschernd durch das Wasser wippen.«

Nie fühlte ich eine reinere Luft in meinem Herzen, als wenn ich die lieblichen Töne hörte, die von den Lippen des alten Toms strömten und in der Stille der Nacht über das Wasser dahinglitten. Ich wandte mich nach dem Sänger um. Sein Auge war nach oben gerichtet. Er betrachtete den Mond, der majestätisch durch das Blau dahinschwebte und sein Silberlicht über die Landschaft ausgoß. Das Wasser war glatt wie ein Spiegel, und die rasche Strömung hatte uns schnell durch die Schiffe an die Einfahrt dahingetragen. Beide Ufer waren frei, als der alte Tom wieder begann:

»Der Mond ist auf und läßt sein Silberlicht
Weit über Berg und Thäler niedersteigen;
Ein Strahlenmeer umfluthet sein Gesicht,
Den Pfad zu dem Geliebten dir zu zeigen.«

»Jacob, wie steht der dicke Thurm? Am Steuerbordbug?«

»Ja – quer über dem Bug. Ihr solltet Euch einen halben Strich höher halten, die Ebbe treibt rasch.«

»Du hast recht, Jacob, gib Acht und rufe, wenn's Zeit ist.«

»Und wenn ein Wölkchen seine Scheibe deckt,
Ist's, deiner Wangen Röthe zu umnachten,
Der Freund hat seine Arme ausgestreckt;
Der Mond ist auf – laß ihn nicht länger schmachten.«

»Tom, was hast du zum Abendessen, Junge? Was prasselt so in deiner Schmorpfanne? Riecht wenigstens nicht übel.«

»Ja, und ich hoffe, es soll eben so gut schmecken. Seht indessen nur nach dem Mond, Vater, und im Uebrigen laßt mich und die Schmorpfanne unsere Rolle spielen.«

»Während ich die meinige singe, nicht wahr, Junge?«

»Der Mond ist auf; im Tempel, den er baut,
Sieht man der Liebe Pilger auf den Knieen:
Der Himmel küßt die Erde, seine Braut,
Die Liebenden zu sich emporzuziehen.«

Der alte Tom hielt inne, während die Schmorpfanne fortprasselte und einen Geruch ausdampfte, der, wenn auch nicht dem Himmel, doch wenigstens uns, an denen die frische Abendluft zehrte, höchst angenehm war.

»Wie gehen wir jetzt, Jacob?«

»Nur so geblieben, und es ist Alles in Ordnung; aber im nächsten Revier werden wir Wind haben, und es wäre gut, wenn wir das große Segel aufzögen.«

»So gehe, Tom, und hilf Jacob.«

»Ich kann nicht von den Zwiebeln weg, Vater, und sollte der Lichter über Bord taumeln; es würde mich mehr Thränen kosten, sie verbrennen zu lassen, wo sie jetzt so lustig schmoren, als sie mir ausgepreßt haben, wo ich sie einschnitt. Auch die Leber würde schwarz, wie ein Bugholz.«

»Stelle die Pfanne auf das Verdeck, Tom, und hilf Jacob, das Segel aufziehen. Bist ja sonst ein guter Junge; kannst sie nachher noch ein paarmal schütteln.

›Wie sanft das Schiff hinuntergleitet,
Wo solch ein Strahlenaug' es leitet!‹

»So ist's recht, Jungen. Alles festgebunden, und nun wieder an eure Posten – Jacob auf die Warte, Tom an seine Schmorpfanne, und ich an das Steuerruder.«

»Der Zauber wird durch keinen Laut gestört,
Das murmeln nur der Fluth ist's, was man hört.
Die Mitternacht ist in den Tag verkleidet,
Und unser Pfad mit Mondlicht überbreitet.«

»Ja, der Mond ist eine schöne Kreatur – Gott segne ihn! Wie oft habe ich mich in den dunkeln Winternächten nach ihm gesehnt, wenn wir im Kanale kreuzten, während die Wellen am Eddystone emporschlagen und in ihrer Bosheit die Leuchte auszulöschen suchten. Mich wundert's nicht, daß man Lieder an den Mond macht und ich sie singe. Wenn wir auf das nächste Revier kommen, wollen wir ankern.«

Wir erreichten das nächste Revier mit der Ebbe, welche sich schnell zu verlaufen begann. Der Anker fiel, worauf wir uns zum Abendessen und von da zu Bette begaben.

Ich war sehr ausführlich bei der Schilderung des ersten Tages, den ich mit meinen neuen Schiffsgenossen an Bord zubrachte; denn ich wollte überhaupt ein Musterbild unseres alltäglichen Lebens geben. Tom und sein Vater hatten Streit mit einander und machten Frieden; man kochte, sang und spann Fäden; allein es fielen noch mehr Dinge vor, die ich zu schildern habe.

Unsere Fahrt war beendigt; wir nahmen Rückfracht ein und kamen in der Werfte unseres Herrn an, als es sich ergab, daß ich die nächste Reise nicht mitmachen konnte, da in wenigen Tagen über Fleming und Marables Gericht gehalten werden sollte. Der Lichter nahm seine Ladung ein und segelte ohne mich ab. Ich blieb wie gewöhnlich in Herrn Drummond's Hause.


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