Hugo Marti
Balder
Hugo Marti

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67 Vierte Nacht

        68 OWie sie lodern in den stillen Abend,
Wie sie steil hinan zum Himmel steigen,
Die entfachten, stolzen Feuerbrände
Auf den sieben Hügeln rings um Asgard!
Starke Jünglingsarme schleppen Stämme
Aus den Wäldern auf die nackten Felsen,
Bauen sie zu Türmen auf die Gluten,
Und die Flamme klettert prasselnd aufwärts
Ins Geäst und leckt mit roten Zungen
In die letzten, buschig dichten Zweige,
Dann mit jähem Schwunge wirft sie jauchzend
Sich empor auf goldbesäten Schwingen
In die dunkelblaue Nacht und sprühet
Von den Flügeln einen Strahlenregen
Nieder in die scheu geduckten Schatten.

Und die Mädchen mit den lichten Haaren
Und die jungen Männer ziehen singend
Durch die Nacht und schlingen ihre Arme
Ineinander zu geschmeidiger Kette,
Und sie tanzen um die hohe Flamme
Und sie springen durch die Flackerlohe,
Und es glühen ihre schlanken Leiber
Wie von eignem Feuer grell umzüngelt,
Und sie singen sich den Wechselreigen:

69 »Frühlingsflamme, brause auf zum Himmel!
Wir sind jung, und rot wie deine Schreie
Rauschen unsres Blutes heiße Lieder
In die Frühlingsnacht hinaus, die weite,
Die uns Antwort jubelt, innig leise. –
Springe, Mädchen, tanze durch die Lohe!
Wie die Flammen deinen Leib ergreifen
Und ihn gierig an sich reißen wollen,
Also werden meine starken Arme
Dich umfangend deine Glieder beugen,
Eh die Frühlingsnacht dem Tage weichet! –
Springe, Jüngling, tanze durch die Lohe!
Wie die Flammen über dir verschmelzen
Und dich in der roten Flut begraben,
Also wird die Liebe dich umbranden
Und zu mir dir deine Sinne beugen,
Eh die Frühlingsnacht dem Tage rufet! –
Brause auf zum Himmel, steile Flamme,
Brause auf mit unsrer Jugend Liedern!
Unser ist der Frühling, der die Welten
Neuem Lichte reift und jungem Leben!«

Also singen sie, und lauschend stehen
Weit im Kreis die Helden und die Alten
Und sie denken jener fernen Tage,
Wo sie selber jugendstarken Sprunges
Ihren Leib im Feuermeer gebadet,
Aber jetzt ist Reif auf sie gefallen
Und ihr Körper ist wie Stein geworden,
Dran sich manches harte Schwert zerschlagen
70 Und an den der Wünsche Wogen rollen
Leisen Rauschens nur und um zu sterben.

Lässig lagert nach dem wilden Tanze
Sich das Reigenvolk auf weichem Rasen,
Und die Becher mit dem kühlen Weine
Kreisen rascher in der lauten Runde,
Und die Alten mit gedämpftem Lachen
Heben frohe Mären an zu künden
Aus der eignen Jugend und sie schelten,
Wie ein jeder Frühling blasser werde,
Kürzer jeder Tanz, die Flamme matter.

»Sing uns, Mimir, von der Asen Liebe,
Wie in alten Zeiten Helden freiten
Oder Königstöchter hohen Sinnes
Leisen Wunsch und starken Willen einten
Und sich selber ihren Renner zäumten,
Um in dunkler Nacht dem trägen Schicksal
Eines Glückes Spanne vorzueilen.
Laß uns hören, Mimir, daß auch Lachen
In den weiten Hallen Asgards wohnte,
Lust ihr lieber Gast seit je gewesen!
Nicht in Trauer haben unsre Mütter
Ihre Söhne in die Welt getragen,
Nicht mit Tränen haben sie den Sprößling
Auf den Armen in das Licht gehoben!«

Mimirs Augen blicken weit und sinnen,
Und der Flammenschein erweckt ein Lächeln
Auf dem leidgefurchten Angesichte.

71 »Wie die Asen ihre Bräute raubten,
Brauch ich nicht dem jungen Volk zu künden,
Nicht zu lehren, wie die heiße Liebe
Leib und Willen strafft nach höchstem Ziele;
Dieses lehret sie ein größrer Meister,
Solches singt ihr eigen Blut viel reiner
Mit den alten Sängen des Geschlechtes,
Welche stumm in jedem Erben liegen,
Bis der Tag erstanden ist, an dem sie
Plötzlich leis erwachen und erklingen
In den Weisen, wie sie je erklangen,
Seit ein Mann das erste Weib erschaute.
Aber singen will ich euch von einer
Liebe, der auch Asenstärke weichen
Und den stillen Zoll bezahlen mußte.
Keine Gabe schenkt aus beiden Händen
Je das karge Leben einem Großen;
Was die eine bietet, raubt die andre,
Und was Väter stolz und froh geerntet,
Opfern Söhne aus dem eignen Blute.
Liebe hat in Asgard hell gejubelt
Und geblüht in tausend lichten Farben,
Liebe hat in Asgard eine Blume
Leis gebrochen, eh sie voll entfaltet
Ihren Kelch und wußte, daß sie lebte.«


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