Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Am anderen Morgen trat die Kastellanin in das Zimmer Sternaus, um ihm den Kaffee zu bringen.
»Ich danke Euch, Señora«, sagte er. »Gebt mir ein Glas Milch; ich darf keinen Kaffee trinken.« – »Keinen Kaffee?« fragte sie verwundert. »Fühlt Ihr Euch vielleicht krank, lieber Señor?« – »Nein. Es ist etwas anderes. Ich habe etwas zu tun, wobei die außerordentliche Ruhe aller Nerven erforderlich ist, und Ihr wißt ja, daß der Kaffee das Blut erregt.« – »Das muß etwas sehr Wichtiges sein!« – »Allerdings, bittet Gott, daß es mir gelingen möge, Señora! Ich werde die Augen unseres guten Grafen Emanuel operieren.«
Da ließ Elvira das Kaffeebrett zur Erde fallen und schlug erschrocken die Hände zusammen.
»Die Augen operieren!« rief sie. »O Gott! Ist es wahr?« – »Ja. Aber was hat dies mit dem Kaffeebrett zu tun?« – »Ich kann doch das Kaffeebrett nicht mit den Händen über dem Kopf zusammenschlagen! Das sagt Alimpo auch; darum habe ich es fallen lassen.« – »Ihr konntet es ja vorher auf den Tisch stellen. Übrigens ersuche ich Euch, den Kastellan dafür sorgen zu lassen, daß unbedingte Ruhe und Stille im Schloß herrscht. Die Fenster im Krankenzimmer werden nach der Operation sofort verhängt. Wendet Euch in dieser Angelegenheit an die Condesa, die das Nötige veranlassen wird. Und jetzt bitte ich um meine Milch!« – »Ja, ja, die sollt Ihr sofort erhalten, Señor. Oh, was wird mein Alimpo sagen, wenn er von der Operation hört! Ich eile, ich laufe, ich fliege bereits! Gott gebe Gelingen und Segen!«
Sie ließ das zerbrochene Geschirr einstweilen liegen und verließ das Zimmer mit einer Bewegung, die sie »Fliegen« nannte, die aber mehr einem »Kugeln« glich.
Als der Arzt nach einiger Zeit den Salon betrat, wurde er von den Anwesenden mit lauten, stürmischen Fragen empfangen.
»Ist es wahr, Señor, daß der gnädige Graf heute operiert wird?« rief Señor Gasparino Cortejo. – »Wirklich!« antwortete Sternau.
Da trat der junge Graf an ihn heran und sagte mit finsterer Miene und strengem Ton:
»Señor, ich fordere Euch auf, die Sache noch zu überlegen. Seid Ihr überzeugt, daß Euch die Operation gelingen wird?« – »Nein, aber ich hoffe es.« – »Hoffe es! Also auf Grund einer vagen Hoffnung tretet Ihr an ein so hochwichtiges Unternehmen. Könnt Ihr dies vor Gott und Eurem Gewissen verantworten?« – »Ja«, lautete die ernste und bestimmte Antwort. – »So fordere ich als Sohn des Kranken, daß Ihr Euch wenigstens durch einige hervorragende Operateure assistieren laßt!«
Sternau blickte ihm mit einem Lächeln, das die Gewalt eines Lanzenstoßes hatte, in das Gesicht und antwortete:
»Ich habe nicht die mindeste Lust, Szenen zu wiederholen, die glücklicherweise vorübergegangen sind. Übrigens ist mir der Wunsch Seiner Erlaucht so vollständig maßgebend, daß ich die Ansicht eines zweiten nicht berücksichtigen kann.« – »Ah, soll das eine Beleidigung sein?« zischte der Graf. – »Eine Beleidigung kann nicht in meiner Absicht liegen«, antwortete Sternau sehr gleichmütig. – »Auch ich bestehe darauf, daß noch weitere chirurgische Kräfte herbeigezogen werden!« rief der Notar. »Ich ebenso!« stimmte die fromme Schwester bei. – »Meine Entscheidung ist gefallen, und ich habe keine Veranlassung, das Geringste an ihr zu ändern«, erklärte Sternau. – »Oho! Wer hat hier zu befehlen?« fragte Alfonzo. »Ich meine doch, hier mehr zu gelten, als jeder andere!« – »Und ich als Sachwalter Seiner Erlaucht bin auch nicht gewöhnt, überhört zu werden!« fügte Cortejo hinzu.
Sternau machte eine abwehrende Handbewegung und erwiderte sehr ernst und nachdrücklich:
»Señores, ich gebe Ihnen zu bedenken, daß nur der Arzt zu befehlen hat, kein anderer! Die Operation wird in zehn Minuten beginnen. Ich werde jede Störung energisch zurückweisen.« – »Das wollen wir sehen!« rief Alfonzo. – »Ja, das werden wir sehen!« erklang die scharfe Antwort. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die kleinste Aufregung dem Grafen gefährlich werden muß, ich mache Sie verantwortlich für alles, was geschehen könnte!« – »Wir werden der Operation beiwohnen!« meinte der Graf Alfonzo. – »Ich werde einiger Handreichungen bedürfen; wer dieselben zu leisten hat, habe nur ich zu bestimmen. Ich erkläre mit Aufrichtigkeit, daß es mir scheint, als ob es hier Personen gebe, die an einer Wiederherstellung Seiner Erlaucht keinen Gefallen finden, und werde demnach meine Maßregeln treffen. Condesa Rosa, darf ich Sie bitten, mir bei der Operation behilflich zu sein?« – »Oh, wie gern werde ich dies tun, wenn es in meinen Kräften steht«, antwortete sie. – »Es wird nicht über Ihre Kräfte und Gefühle gehen. Damenhilfe ist notwendig. Vielleicht ist Miß Amy so freundlich, sich Ihnen anzuschließen?« – »Ich danke Ihnen, daß Sie mir dieses Vertrauen schenken!« antwortete die Engländerin zustimmend. – »Und ich?« fragte die Schwester Clarissa. – »Sie darf ich nicht bemühen, Señora!« antwortete Sternau kurz und kalt. – »Warum nicht?« fragte sie scharf. – »Ihre Nerven entbehren der notwendigen Festigkeit.« – »Wie wollen Sie mir dies beweisen?« fragte Clarissa in einem geradezu herausfordernden Ton. – »Sie wurden beim Anblick meiner kleinen Wunde so schwach, daß ich Sie stützen mußte. Wie wollen Sie bei einer lange Zeit in Anspruch nehmenden Operation aushalten!« – »Aber ich muß ganz entschieden darauf dringen, dabeizusein!« sagte Alfonzo. – »Und ich muß es Ihnen ganz entschieden verweigern. Ich brauche keine Herren. Nur einen einzigen werde ich um eine kleine Gefälligkeit ersuchen. Señor de Lautreville, darf ich mich an Sie wenden?« – »Ich stelle mich zur Verfügung!« antwortete Mariano schnell.« – »Ich habe Ihnen eine Bitte vorzutragen, aber ich bin überzeugt, daß Sie mir dieselbe erfüllen werden.« – »Sprechen Sie!« – »Sie kennen die Fenster, die zu den Zimmern Seiner Erlaucht führen!« – »Ja.« – »Dann bitte, richten Sie es ein, unter diesen Fenstern während der Operation einen kleinen Spaziergang zu machen. Ihre Anwesenheit wird mir die beste Bürgschaft sein, daß jede gefährliche Störung von dieser Seite abgehalten wird.«
Der Leutnant verneigte sich mit einem verständnisvollen Blick und sagte:
»Ich errate, was Sie meinen, und stelle mich gern zur Verfügung, denn es kann nur eine Ehre für mich sein, einen Vorgang in Schutz zu nehmen, der einem edlen Mann das kostbare Gut des Augenlichts wiedergeben soll.« – »Eine Ehre?« fragte Alfonzo höhnisch. »Eine Schande ist es vielmehr, ja geradezu eine Schande, sich als Kettenhund eines Arztes brauchen zu lassen.«
Da trat Mariano mit zwei raschen Schritten auf ihn zu und fragte:
»Werden Sie dieses Wort augenblicklich zurücknehmen?« – »Nein!« lautete die zornige Antwort. »Ich wiederhole es sogar!« – »Wohl, so werden Sie mir diejenige Antwort geben, die unter Kavalieren gebräuchlich ist!« – »Sie? Ein Kavalier!« rief Alfonzo. »Sie sind ja ...«
Er konnte nicht weiterreden, denn der Notar trat auf ihn zu und legte ihm die Hand fest auf den Mund.
»Halt, Graf!« warnte er. »Wir haben weder die richtige Zeit, noch den rechten Ort zu einem solchen Gespräch.« – »Das ist auch meine Meinung«, erklärte der Arzt. »Übrigens, Señor de Lautreville, wenn Sie eines Sekundanten bedürfen, so stelle ich mich Ihnen gern zur Verfügung. Ich ersuche Sie und die Damen, mir zu folgen.«
Die beiden Mädchen waren so bestürzt und erschrocken, daß sie ihm wortlos folgten; auch der Leutnant ging, ohne einen einzigen Blick auf die Zurückbleibenden zu richten. Diese warteten lautlos, bis die Schritte der sich Entfernenden verklungen waren, dann sagte der Notar:
»Unvorsichtiger! Fast hättest du alles verraten!« – »Was hätte dies geschadet!« grollte Alfonzo. »Welche Wonne, die Gesichter dieser Menschen zu sehen, wenn sie erfahren hätten, daß der Kerl ein Räuber ist.« – »Und welche Wonne, wenn er ihnen dann gesagt hätte, daß er an deine Stelle gehört. Er ahnt dies nicht bloß, sondern er weiß es sogar und scheint nur noch entdecken zu wollen, welcher Abstammung du bist. Ich werde dafür sorgen, daß er uns nicht mehr belästigen kann.« – »Und dieser Mensch, dieser Arzt!« zürnte Schwester Clarissa. »Trat er nicht auf, als ob er Herr von Rodriganda seit? Ja, diese Sünder gehen in der Welt umher wie brüllende Löwen. Aber der Gerechte wird seines Glaubens leben und sie alle besiegen.« – »Wie er dafür sorgte, daß keine Störung eintreten kann!« grollte der Notar. »Und doch, dennoch soll die Heilung gestört werden. Er hat selbst gesagt, daß jede Aufregung dem Kranken schädlich werden könne. Oh, wir werden bemüht sein, eine Aufregung hervorzubringen, die groß genug ist, die Operation wieder auszugleichen.«
Während im Salon diese feindseligen Worte fielen, trat der Arzt mit den beiden Damen bei dem Grafen ein. Er postierte zwei Diener vor die Tür des Vorzimmers und verschloß dieselbe. Der Graf hatte ihn bereits erwartet und erwiderte seinen Gruß mit Freundlichkeit.
»Wen bringen Sie mit, Señor?« fragte er, als er den Schritt der Damen hörte. – »Condesa Rosa und Miß Amy Lindsay, auf deren zarte Hände ich mich mehr verlassen kann als auf andere Hilfe.« – »Ich danke Ihnen, Doktor! Sie sind meinem Herzenswunsch entgegengekommen. Wo ist mein Sohn?« – »Er befindet sich im Salon und läßt sich entschuldigen. Ich mußte mir seine Begleitung verbitten.« – »Werden die Damen standhaft genug sein, Señor?« – »Ich glaube, Sie darüber beruhigen zu können, Don Emanuel. Diese Operation ist keine Amputation, die die Nerven des Zuschauers beängstigt. Die Damen haben mir nur kleine Handreichungen zu leisten. Gestatten Sie mir aber die Frage, in welcher Stimmung Sie sich befinden.«
Über das Gesicht des Grafen ging ein helles, vertrauensvolles Lächeln, und er antwortete, indem er die Hände faltete:
»Ich bin mit mir und meinem Gott zu Rate gegangen und lege mein Schicksal ohne Zagen in Ihre Hände. Der Schlaf bemächtigt sich des Körpers, aber der Geist beschäftigt sich im Traum mit allem, was man im Wachen fühlt, denkt und tut. Es träumte mir, daß Sie mir die Augen öffneten. Ich sah die schöne Gotteswelt; ich erblickte das Angesicht meines guten Kindes; ich sah auch Sie und den Leutnant – aber«, setzte er seufzend hinzu, »ich sah nicht meinen Sohn, sondern einen Fremden, dessen Angesicht und Rede ich nicht verstand. Was haben Sie da? Ich höre es klirren.« – »Es sind meine Instrumente.« – »Darf ich sie befühlen?« – »Ich gehöre nicht zu den Ärzten, die den Patienten stets für schwächer halten, als er ist. Sie dürfen diese Instrumente getrost kennenlernen, bevor ich sie anwende.«
Er überreichte dem Grafen die Werkzeuge einzeln. Dieser betastete nacheinander Augenspiegel, Nadeln, Messer, Schnepper, Augenhalter, Liderhaken, Scheren, Pinzetten und die übrigen Instrumente und sagte ruhig:
»Diese Instrumente erschrecken mich nicht. Sie sind Gehilfen Ihres Geistes und Ihrer Geschicklichkeit, die ich liebhaben muß und denen ich mich gern anvertraue. Wann können wir beginnen?« – »Sogleich. Doch erlauben Sie mir vorher eine Probe!«
Sternau zog sich ein Haar aus dem Kopf und hielt es gegen die silberweiße Tapete des Gemaches, um zu sehen, ob seine Hand fest sei oder zittere. Das Experiment hatte ein befriedigendes Resultat, und darum gab er dem Ruhebett, das der Graf einnehmen sollte, die richtige Lage, legte sich die Instrumente handlich zurecht und erklärte den Damen, worin die Hilfeleistungen bestanden, die er von ihnen erwartete. Als er sich nun nochmals überzeugt hatte, daß nicht das Geringste vergessen sei, trat er an das Fenster und richtete seine Augen hinauf zum Himmelsblau. Er sagte kein hörbares Wort; seine Lippen bewegten sich nicht, aber dennoch stieg es den beiden Mädchen siedendheiß aus dem Herzen in die Augen herauf, und Rosa umarmte leise den Vater und flüsterte ihm zu, während einige schwere Tränentropfen aus ihrem Auge auf seine Wangen fielen:
»Vater, er betet.« – »Ich ahnte es«, antwortete er ebenso leise. »Er wird mich retten oder keiner!«
Außer den drei Verschworenen gab es in diesem Augenblick wohl keinen Menschen im Schloß, der nicht aus tiefstem Herzensgrund gebetet hätte, daß das schwere Werk gelingen möge.
Auch der Leutnant, der mit leisen Schritten unter den Fenstern promenierte, hatte unwillkürlich die Hände gefaltet.
»Herr, mein Gott«, flüsterte er inbrünstig, »sei barmherzig und höre auch den Räuber an! Gib dem Kranken den Anblick des Sonnenlichts wieder, und ich will dich preisen in alle Ewigkeit. Amen!«
Eine halbe Stunde war bereits vergangen, seit Mariano sich auf seinem Posten befand, da trat der junge Graf aus dem Portal. Er hatte sich zur Jagd gerüstet und führte zwei Hunde an der Leine. Die Diener schüttelten die Köpfe, daß dieser Mann es über sein Herz brachte, auf die Jagd zu gehen, während das Schicksal seines Vaters entschieden wurde.
Eben als er in der Nähe des Leutnants vorüberging, erblickte er auf dem Gipfel eines Baumes eine Krähe. Rasch riß er das Doppelgewehr von der Schulter und legte an.
»Ein schönes Ziel! Paßt auf den Vogel, Pluto, Pollux! Apport!«
Er wollte losdrücken, kam aber nicht dazu.
»Schurke!« klang nämlich eine Stimme an sein Ohr. Weiter hörte er nichts, sondern es brauste und rauschte um ihn; es wurde ihm blutrot vor den Augen, und der Atem verging ihm.
Mariano war herbeigesprungen, hatte ihm die Hand um die Gurgel gelegt und mit der anderen das Gewehr ergriffen. Unter dem gewaltigen Druck der Faust des Jünglings sank der junge Graf laut- und leblos zu Boden. Nicht einmal die beiden Hunde hatten eine Bewegung zu seiner Verteidigung unternommen, er war sogar den Tieren verhaßt und zuwider.
Einige der Diener hatten es gesehen und kamen herbei. Unter ihnen befand sich auch der Kastellan.
»Oh, heilige Madonna, er wollte schießen!« wehklagte der brave Alimpo. »Er wollte den Señor Doktor stören! Das sagt auch meine Elvira! Was sollen wir mit ihm tun?« – »Nichts«, antwortete der Leutnant. »Wenn Ihr Euch an ihm vergreift, so wird er sich an Euch rächen!« – »So ist er noch nicht ganz tot?« – »Nein. Es fehlt ihm nur der Atem.« – »Ah, wenn er tot wäre – ah – ah – das wäre – das wäre jammerschade um den jungen Herrn!«
Man sah es dem guten Kastellan an, daß er eigentlich das Gegenteil hatte sagen wollen.
»Bekümmert Euch nicht um ihn. Ich werde ihn dahin bringen, wo er nicht schaden kann.«
Der Leutnant hob Alfonzo auf, trug ihn in das Schloß, stieg eine Treppe hinab, legte ihn in eins der dort befindlichen Kellergewölbe, das er verschloß, zog den Schlüssel ab und begab sich wieder auf seinen Posten.
Nur wenige Augenblicke später wurde die Kastellanin zur Condesa in die Zimmer des Grafen beordert. Als sie die Krankenstube mit unhörbaren Schritten betrat, saß der Graf in einem tiefen Polsterstuhl, und der Arzt war beschäftigt, ihm die Binde zurechtzurücken.
»Nun alles verhängen«, sagte der letztere. »Ich brauchte bisher das Licht; jetzt aber müssen sogar die hellen Wände verdeckt werden – aber ohne Geräusch, bitte ich!«
Es herrschte noch der eigentümliche Geruch des Chloroforms in dem Raum. Das Gesicht des Grafen war, so weit man es sehen konnte, leichenblaß, seine Stimme klang leise zwar, aber doch fest, als er fragte:
»Doktor, werden Sie aufrichtig sein?« – »Ja, Don Emanuel«, antwortete Sternau, indem seine Augen leuchteten. – »Ist – ist es – ist es gelungen?« – »Werden Sie stark genug sein, die Wahrheit zu hören?« – »Ja, Señor. Aber Ihre Frage sagt mir bereits, daß ich nichts zu hoffen habe!« – »Nein, Don Emanuel, das sagt sie nicht; aber auch die Freude ist schädlich!« – »Oh, mein Gott, also darf ich hoffen?« – »Hm, ja. – »Ein wenig?« – »Ganz, nachdem Sie sich verhalten, gar nichts, ein wenig oder auch sehr viel. Ich bitte Sie, recht ruhig zu sein. Morgen werde ich mehr sagen können.«
Der Graf seufzte leise. Aber Rosa faßte die Hand des Arztes und flüsterte, dem Vater unhörbar.
»Bitte, mir gegenüber aufrichtig zu sein!«
Da leuchtete es wie eine hohe, stolze Freude aus dem männlich schönen Angesicht des Arztes; seine Brust hob sich unter einem tiefen, erlösenden Atemzug, und er antwortete, ebenso flüsternd:
»Es ist gelungen!« – »Oh, mein Gott, er wird sehen lernen?« – »Ja, aber pst, leise! Die Freude ist ebenso gefährlich wie jeder andere Affekt.«
Da konnte sie sich nicht halten. Trotz der Gegenwart der Freundin und der Kastellanin legte sie ihre Arme um ihn und bot ihm ihre vollen, blühenden Lippen zum leisen, leisen Kuß.
Die gute Elvira hätte, als sie dieses sah, beinahe vor Überraschung laut aufgeschrien; sie bezwang sie jedoch glücklicherweise noch und tröstete sich mit dem Gedanken:
»Das soll mein Alimpo erfahren. Oh, heilige Lauretta, wie wird er sich wundern und freuen!«
Auch Miß Amy war erstaunt, konnte aber nicht umhin, der Freundin recht zu geben. Sie zog dieselbe an sich und küßte sie wortlos auf die Lippen, die einige Augenblicke zuvor der Mund des Arztes berührt hatte. Dieser letztere verließ das Zimmer auf einige Augenblicke, um den Leutnant abzulösen.
»Ah, fertig, Señor?« fragte dieser, als er ihn erblickte. – »Ja.« – »Und wie ist ... ach, ich brauche nicht zu fragen, Eure Augen sagen deutlich, daß Ihr nicht unglücklich gewesen seid.« – »Nein, bei Gott nicht. Die Operation ist noch besser gelungen, als ich erwartete; dies muß jedoch dem Kranken noch verschwiegen bleiben. Was ist dies für ein Gewehr?« – »Es gehört Don Alfonzo, den ich arretiert habe«, antwortete Mariano finster. – »Arretiert? Weshalb? Wieso?«
Der Leutnant erzählte das Vorkommnis, und der Arzt hörte mit wachsendem Zorn zu. Als der erstere geendet hatte, sagte letzterer:
»Welch ein Mensch! Welch eine Schändlichkeit! Ohne Absicht kann dies gar nicht geschehen sein! Und das will der Sohn seines Vaters sein?«
Mariano hätte jetzt eine Bemerkung machen können, aber er hielt an sich und schwieg. Der Arzt fuhr fort:
»Was beabsichtigen Sie nun mit ihm zu tun?« – »Das zu bestimmen, überlasse ich Ihnen, Señor. Sie müssen am besten wissen, ob er schädlich ist.« – »Hätte er vorhin geschossen, so war es sehr leicht möglich, daß der Graf aus der Betäubung erwachte und die Operation gefährdet wurde. Jetzt aber – hm, führen Sie mich zu ihm. Ich werde mit ihm sprechen.«
Sie gingen nach dem Gewölbe, das der Leutnant öffnete. Graf Alfonzo hatte ihr Kommen gehört und stand hinter der Tür. Er wollte sich mit beiden Fäusten auf Mariano stürzen, aber in demselben Augenblick faßte ihn der Arzt bei den Armen und hielt ihn so fest, daß er sich kaum regen konnte.
»Räuber! Banditen!« knirschte er. – »Schimpft so viel Ihr wollt, Señor!« sagte Sternau. »Was so ein Mensch sagt, wie Ihr seid, berührt uns keinen Pfifferling. Wir werden Euch wieder freilassen, vorher aber habe ich noch ein Wort mit Euch zu reden.« – »Packt Euch fort, Ihr Schurken! Ich lasse Euch aus der Tür werfen!« – »Nur ruhig, mein Lieber! Ich lasse Euch nicht eher los, als bis Ihr mich ruhig angehört habt.« – »So redet!« herrschte Alfonzo den Arzt an. – »Ich habe Euch zu sagen, daß Euer Verhalten mir außerordentlich verdächtig vorkommt. Ich kann zwar die Ursache nicht ergründen, aber wenn Ihr Euch Eurem Vater naht, ehe ich es erlaube, oder wenn Ihr das Geringste unternehmt, was ihm schaden könnte, so mache ich Euer Verhalten in den Blättern öffentlich bekannt und übergebe Euch den Gerichten!« – »Tut es doch, tut es!« rief er. »Ich werde Euch beide dann dafür auspeitschen lassen!«
Das war dem Leutnant denn doch zu viel. Er hatte sein Geheimnis auf das strengste bewahren wollen, jetzt aber konnte er sich doch nicht ganz beherrschen. Er legte Alfonzo die Faust auf die Schulter und sagte:
»Mensch, wage noch eine solche Drohung, so schlage ich dich zu Boden! Meinst du etwa, die Gerichte nicht fürchten zu müssen, du und deine sauberen Eltern? Der Staatsankläger mag entscheiden, ob du wirklich ein geborener Graf de Rodriganda-Sevilla bist! Packe dich, Kanaille!«
Er gab Alfonzo einen so fürchterlichen Hieb, daß der Getroffene aus den Händen des Arztes, trotzdem ihn diese so fest gepackt hielten, an die Mauer flog. Er taumelte zurück, raffte sich jedoch schnell auf und sprang die Treppe empor.
»Mein Gott, was war das?« fragte der Arzt. »Der Mensch ist nicht der Sohn des Grafen Emanuel?«
Jetzt erst merkte der junge Mann den Fehler, den er begangen hatte. Er fuhr sich mit der Hand nach der glühenden Stirn und sagte:
»Señor, könnt Ihr schweigen?« – »Ja«, sagte Sternau einfach und herzlich. – »Ich habe Euch lieb; Ihr seid ein ganzer Mann. Wollt Ihr mein Freund sein?« – »Gern, sehr gern, denn auch ich habe Euch lieb, Señor. Hier ist meine Hand!« – »So erfüllt mir eine Bitte!« bat Mariano, in die Rechte des Arztes einschlagend. – »Welche?« – »Schweigt jetzt noch von dem, was Ihr gehört habt!« – »Sagt mir vorher, ob Ihr die Wahrheit sprachet.« – »Ich glaube, daß es die Wahrheit ist. Ich muß noch Zeit haben, diese schwierige Angelegenheit zu untersuchen. Bis dahin aber ist unbedingte Verschwiegenheit notwendig.« – »Gut, ich werde schweigen, doch unter der Bedingung, daß ich als Freund dann später auf Euer Vertrauen rechnen kann!« – »Das könnt Ihr, ja, bei Gott, das könnt Ihr, Señor.« – »So mag diese Angelegenheit einstweilen ruhen, obgleich ich mich in Gedanken sehr mit ihr beschäftigen werde. Jetzt aber muß ich schleunigst zum Grafen, denn ich muß gewärtig sein, daß dieser Alfonzo zu ihm gegangen ist, um meine Erfolge zunichtezumachen.«
Sternau fand glücklicherweise, daß Alfonzo diesen Weg nicht eingeschlagen hatte, er war vielmehr sogleich zu der Schwester Clarissa geeilt.
»Mutter«, rief er beim Eintreten, »schicke sofort zum Vater! Es ist etwas ganz und gar Unerhörtes geschehen.«
Die fromme Schwester fuhr erschrocken von ihrem Sitz auf.
»Oh, du gütiger Himmel, welche Unvorsichtigkeit!« zürnte sie. »Du schreist ja, als ob dich niemand hören könnte. Was ist geschehen?« – »Eine Ruchlosigkeit, wie es keine zweite gibt, eine Nichtswürdigkeit sondergleichen. Dein Mädchen war nicht im Vorzimmer, ich werde den Vater gleich selbst holen.«
Alfonzo eilte fort und kehrte in kurzer Zeit mit dem Notar zurück, um zu erzählen, was ihm widerfahren war. Die beiden Alten erschraken auf das äußerste.
»Was tue ich? Sagt es mir!« rief Alfonzo noch immer ganz erregt.
Da erhob sich der Notar und sprach in strengstem Ton: »Schweigen, ja schweigen sollst du! Du hast einen fürchterlichen Fehler begangen. Wer hat dir befohlen, unter dem Fenster des Grafen zu schießen, he? Du bringst dich, uns und unseren ganzen Plan in Gefahr. Hier gibt es keine andere Hilfe, ich muß sofort nach Barcelona zum Kapitän Landola. Ich habe soeben eine Depesche erhalten, daß er nicht kommen kann, da er das Ausladen seiner Güter überwachen muß. Der Steuermann, dem diese Arbeit eigentlich zufällt, ist krank geworden.« – »Wann reist du?« fragte die fromme Schwester. – »Bereits in einer halben Stunde. Aber ich verlange unbedingten Gehorsam. Höre ich von einer weiteren Unvorsichtigkeit, so ziehe ich meine Hand von dir ab. Verstanden, Bursche? Jetzt gehe!«
Das hatte Alfonzo nicht erwartet. So hatte sein Vater noch nie mit ihm gesprochen, und er verließ das Gemach, ohne ein Wort der Entgegnung zu wagen.
*
Es war drei Tage später, als in der frühen Morgenstunde Sternau mit dem Leutnant im Park spazierenging. Er hatte während dieser Tage den Grafen keinen Augenblick verlassen und jetzt zum ersten Mal einen Mund voll Gartenluft haben wollen. Sie trafen vor einem Blumenboskett die Kastellanin, die Blüten pflückte.
»Guten Morgen, Señores!« rief sie ihnen bereits von weitem entgegen. »Seht diese prachtvollen Rosen! Ja, am heutigen Tag muß man die schönsten pflücken, das sagt mein Alimpo auch.« – »Was ist's mit dem heutigen Tag?« fragte Sternau. – »Wie? Das wißt Ihr nicht?« fragte sie ganz erstaunt. – »Nein.« – »Daß der Geburtstag unserer lieben, gnädigen Condesa ist?« – »Ah! Wirklich? Oh, da muß man ja gratulieren.« – »Natürlich! Sie ist bereits längst munter. Auch der gnädige Herr sind wach und haben mich eben in den Garten geschickt. Er will ihr in seinem Zimmer bescheren.« – »Davon hat er mir ja nicht das mindeste gesagt!« meinte der Arzt. – »Vielleicht hat er auch Euch überraschen wollen. Die Geschenke sind gestern angekommen. Geht hinauf, Señor, Ihr könnt mit Blumen legen helfen.«
Fünf Minuten später befand sich Sternau bei dem Grafen und war beschäftigt, den letzteren und die Kastellanin beim Ordnen und Dekorieren der reichen Geschenke zu unterstützen. Dann ging Frau Elvira, um Rosa zu holen. Sternau wollte sich zurückziehen, aber der Graf gab es nicht zu.
»Bleiben Sie, Doktor«, bat er. »Ihre Gegenwart macht mir die Freude zu einer doppelten.«
Die Condesa erschien. Sie trug ein einfaches, weißes Halbnegligé, das die schönen Formen ihrer königlichen Gestalt auf das entzückendste hervorhob. Sie reichte beiden Männern das Händchen, freute sich kindlich über die Überraschung und dankte dem Vater durch eine innige Umarmung.
»Elvira sagte mir, daß auch Sie besorgt gewesen seien, mich zu erfreuen. Ich danke Ihnen«, wandte sie sich jetzt zu Sternau.
Dieser zog die Hand, die sie ihm nochmals reichte, innig an die Lippen und antwortete:
»Was ich tat, ist nur eine Kleinigkeit, aber wenn Sie es mir gestatten, so würde ich es wagen, diesen Tag mit einer wirklichen Gabe zu feiern. Darf ich?«
Sie errötete, sagte aber:
»Aus Ihrer Hand ist mir jede Gabe, auch die kleinste, wert.« – »So wollen wir es wagen. Gott gebe seinen Segen.«
Damit trat Sternau zu dem Grafen und nahm ihm die Binde von den Augen.
»Wenden Sie sich vom Fenster ab, Erlaucht!« bat er, zitternd vor Erwartung. »Sehen Sie Ihr Kind?«
Das war so rasch gekommen, daß der Graf die Augen geschlossen hielt, als die Binde bereits entfernt war. Er stand an dem mit Blumen bedeckten Tisch, auf den er sich mit der Hand stützte, und wußte nicht, wie ihm geschah. Doch endlich faßte er sich und flüsterte:
»Welch großer Tag! Welch heiliger Augenblick! Mein Jesus und mein Gott, laß es gelingen!«
Zitternd am ganzen Körper schlug er langsam die Augen auf. Sternau stand hinter ihm und konnte sein Angesicht nicht beobachten, aber er sah, daß sich die Arme des Grafen voll Sehnsucht und Entzücken erhoben, daß er einige Schritte vorwärts tat, der Tochter entgegen, und mit inniger Genugtuung hörte er ihn rufen:
»Heiliger Himmel! Ist es wahr? Ist es kein Traum? Ich sehe! Ich sehe einen Engel, einen Engel, so schön, so licht, so rein und so herrlich! Señor, Doktor, ist dies Wirklichkeit?« – »Es ist Wirklichkeit!« antwortete Sternau mit tiefer, bebender Stimme, indem sein Auge feucht wurde. – »Oh, du hochgelobte Dreieinigkeit, ist es wahr? Dieser Engel, wer ist es?« – »Vater, du meinst doch mich! Du siehst mich! Ich sehe es deinen Augen an!« jubelte Rosa.
Sie warf sich in die Arme ihres Vaters. Diesen übermannte das Entzücken so, daß er in das Polster des Diwans sank und die Augen schloß.
»Um Gott«, rief da Rosa, »er ist ohnmächtig, es wird ihm und seinen Augen schaden.« – »Haben Sie keine Sorge, Condesa!« bat jedoch Sternau. »Er ist nur erschüttert, aber nicht ohnmächtig. Und seine Augen sind gesund, sie halten diese Freude sicher aus.« – »Ja, sie halten sie aus!« flüsterte der Graf mit seligem Lächeln. »Ich fühle es. Ich darf sie öffnen.«
Und wiederum schlug er die Augen langsam auf und trank die Seligkeit aus dem entzückten Blick seines Kindes. Rosa wechselte mit Jubeln und Weinen, sie küßte mit Inbrunst die erstarkten Augen ihres Vaters, sie sprang von demselben weg und warf sich unbesorgt in die Arme Sternaus, sie eilte zurück, um mit lauten Ausrufen den Vater abermals zu umfangen. Dieser konnte den Blick nicht von ihren Zügen wenden. Er drückte sie an sich, er herzte sie, er nannte sie bei den süßesten Namen. Dazwischen faltete er zehn- und zwanzigmal die Hände, um Gott zu danken für die unbeschreibliche Freude dieser Stunde. Und endlich rief er, sich auf seine jetzt so naheliegende Pflicht besinnend:
»Aber Señor, Sie vergesse ich ja ganz und gar! Bitte, treten Sie näher, daß ich den Mann sehe, dem ich dies alles zu verdanken habe!«
Sternau trat zu ihm und reichte ihm die Hand. Noch standen die schweren Tränentropfen in seinen Augen. Der Graf aber nahm die ausgestreckte Rechte des Arztes liebevoll zwischen seine Hände und blickte ihm lange, lange Zeit wortlos in das Angesicht.
»Ja«, sagte er endlich. »So habe ich Sie mir gedacht, so hoch und stark, so stolz und mild, so wahr und klar, so offen und freundlich, Señor, ich kann Ihnen nicht danken, aber ich gehöre Ihnen, so lange ich lebe!«
Damit zog er Sternau an sich und küßte ihn, als ob er einen Sohn vor sich habe.
»Und nun die anderen, Señor!« bat er – »Don Emanuel, lassen Sie es einstweilen genug sein«, antwortete der Arzt. »Schonen Sie sich und warten Sie bis zum Nachmittag. Diese Entsagung wird sich belohnen.« – »Auch meinen Sohn nicht?« – »Auch diesen nicht!« bat Sternau, dem plötzlich ein Gedanke durch den Kopf ging. »Condesa Rosa gehört ja Ihnen, die anderen sehen Sie in der Dunkelstunde, wenn die Sonnenstrahlen ihre Schärfe verloren haben. Bitte, gehorchen Sie mir nur noch dieses Mal!« – »Ich gehorche«, sagte der Graf. »Aber ich will mich nicht allein freuen. Rosa, sorge dafür, daß ganz Rodriganda sich freut. Man soll ein Fest feiern, ein großes Fest, und wer eine Bitte hat, der soll sie dir sagen, nicht Señor Gasparino oder Alfonzo, sondern dir, und wenn es möglich ist, so werde ich sie erfüllen. Alle meine Beamten sollen heute ein Monatsgehalt gratis bekommen. Oh, ich werde – ich werde ...«
Er sann nach und wandte sich an Sternau:
»Señor, haben Sie Verwandte?« – »Eine Mutter und eine Schwester«, lautete die Antwort. – »In Deutschland?« – »Ja, in Mainz.« – »Glauben Sie, daß ich lesen kann?« – »Sie können es, aber Sie dürfen es noch nicht.« – »Auch nicht ein paar Worte?« – »Das kann ich gestatten.« – »Oder schreiben? Nur eine Zeile oder zwei, mehr nicht!« – »Ist es sehr notwendig?« – »Ja.« – »So schreiben Sie, aber nicht gegen das Fenster gewandt.«
Der Graf trat an seinen Schreibtisch, zog ein Blankett hervor und füllte es aus. Dann legte er es zusammen und reichte es seiner Tochter.
»Hier, Rosa, mein Kind«, sagte er, »bitte ihn, daß er diese Worte als eine Erinnerung an den heutigen Tag annehme, nicht von mir, sondern von dir, und nicht für sich, sondern für seine Mutter und Schwester. Was er getan hat, muß unvergolten bleiben, aber seiner Mutter und Schwester dürfen wir sagen, wie lieb wir ihn haben, und wie unvergeßlich er uns sein wird!«
Sie nahm den Zettel und überreichte ihn Sternau, der zwei Schritt zurücktrat und die Hand abwehrend ausstreckte.
»Ich wußte es«, sagte sie errötend, »aber verstehen Sie mich recht, nicht Ihnen soll eine Gabe werden, sondern Sie sollen uns eine Freundlichkeit erweisen, und Sie haben nicht das Recht, etwas zurückzuweisen, was nicht Ihnen, sondern anderen gehören soll.« Und als er in seiner Haltung verharrte, trat sie ganz nahe an ihn heran, legte ihm das Papier in die Hand und hauchte fast unhörbar:
»Carlos, bitte, nimm es!«
Da konnte er nicht widerstehen. Er gab den beiden eine Hand des Dankes, aber er ging, und erst als er auf sein Zimmer kam, sah er, daß er eine Anweisung auf zweimal hunderttausend Silberpiaster in den Händen hielt, ein wahrhaft fürstliches Honorar, das ihn sofort zum selbständigen Mann machte.
Rosa meinte, da er den Grafen so schnell verlassen hatte, daß er beleidigt sei.
»Weißt du, Vater«, sagte sie, »daß du ihn gekränkt hast?« – »Ich glaube nicht, mein Kind. Er soll nicht das Geld, sondern die Gesinnung beachten. Mein Herz ist zum Zerspringen, und ich konnte nicht anders. Es soll kein Honorar, keine Bezahlung sein, es ist ja alles sein, was mir gehört, sage ihm dies noch extra, Rosa! Jetzt aber eile und sorge dafür, daß man sich mit mir freue!«