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»Denkt an die alten Zeiten in Bergedorf!« – Der »Admiral Prinz Adalbert.« – »Erzähle, Willy, erzähle!« – Alvarados Ende.
Im ersten Augenblick war ich so überrascht, ja, so erschrocken, daß ich kein Wort hervorzubringen vermochte. Dann aber taute ich auf – ich vergaß Rufino, die Piraten, den Kampf, das Schießen und das Blut, alles, alles, und stürzte vor Freude weinend in die Arme des so lange verloren gewesenen Freundes.
»Mein Willy! Mein Willy!«
»Mein Heinz! Mein lieber, guter Heinz!«
Das war unsere erste Begrüßung.
Der Kampf war zu Ende, der »Luzifer« in unseren Händen. Rufino Garillas und einige dem Tode nahe Banditen bildeten unsere einzigen Gefangenen. Die Mehrzahl der Seeräuber in den Booten war erschlagen oder ersäuft, denn die Bark hatte sich so nachdrücklich verteidigt, als ob sie ein wohlbewaffnetes Kriegsschiff gewesen wäre.
Der »Dickson« hielt sich mit einer kleinen Reservemannschaft dicht in der Nähe des Schoners, von dessen Großtopp jetzt die brasilianische Flagge wehte. Von Alvarado fanden wir keine Spur; er mußte sich in einem der Boote befunden haben und war jetzt entweder gefangen an Bord der Bark, oder trieb als Leiche in der vom ersten Morgengrauen matt erhellten See.
Unsere Araukaner warfen die gefallenen Feinde über Bord und gingen dabei mit so wenig Umständen zu Werke, als ob sie tote Hunde oder Katzen beseitigten.
Ich hatte mich mit Willy auf das Achterdeck zurückgezogen, und hier standen wir, an die Regeling gelehnt; Hand in Hand und in leisem, innigem Gespräch, ganz unbeachtet von dem siegreichen Kommandanten des »Dickson«, der, sein Monokel im Auge, nach allen Seiten hin seine Befehle erteilte.
Da tönte ein klagender, gebrochener Ruf in unsere Ohren. Er kam von Rufino, unserem ehemaligen Schulkameraden, der sich auf allen vieren zu uns herangeschleppt hatte.
»Arnold!« rief er. »Lubau! Gebt nicht zu, daß sie mich aufhängen! Ich sterbe ja auch ohnedies schon! Denkt an die alten Zeiten in Bergedorf! Habt Erbarmen!«
Wir dachten der alten Zeiten, wir erinnerten uns aufs neue, daß Rufinos Diebstahl und seines Onkels Betrug allein die Ursache zu unserer Fahrt mit dem »Perseus« gewesen waren, so reich an Opfern, an Not und Gefahren, an Blut und Tod und Entsetzen. Rufino hatte uns alles dieses sehr zur Unzeit ins Gedächtnis zurückgerufen.
»Wir haben keine Stimme in der Entscheidung über dein Schicksal,« antwortete ich finster. »Dem Kommandanten allein steht es zu, darüber zu befinden. Du bist von jeher ein meuchlerischer Schurke gewesen, Rufino, dir wird geschehen, wie du verdient hast.«
»O, laßt mich wenigstens in Frieden sterben!« heulte der Elende. »Ich bin ja noch so jung, noch viel zu jung zum Hängen! Erbarmen, Arnold, Lubau!«
Korkfender, der in diesem Augenblick vorüberkam, hörte dieses Gewinsel. Er trat herzu und richtete, ohne Rufino, der heftig blutete, weiter zu beachten, an Willy Arnold die Frage, wie er während seiner Gefangenschaft von den Piraten behandelt worden sei.
»Aber die Wahrheit bitte ich mir aus,« schloß er in seiner »vierkantigen« Weise, wie der Seeausdruck lautet.
»Ich habe noch nie gelogen,« entgegnete Willy kalt und abweisend. »Alvarado und dieser Mensch hier haben mich schlechter behandelt wie einen Hund; sie haben mich gepeitscht und hätten mich auch ermordet, wenn Gott in seiner Gnade dies nicht verhindert hätte.«
»Ermordet! Mein armer Freund!« rief ich ergriffen.
»Jawohl, ermordet,« wiederholte Willy. »Der Satan Alvarado ließ einige von der ehemaligen Mannschaft der ›Medusa‹ über die Planke spazieren – Sie wissen, was das heißt, Herr Kommandant. Auch ich war unter den Verurteilten, weil ich seinen Klauen zu entfliehen versucht hatte, was mir leider mißglückt war. Aber ehe ich noch auf die Planke kam, packte mich Wittmarsch, Alvarados Steuermann, und warf mich über Bord; er wollte in der letzten Minute auch noch seine Wut an mir auslassen, auch mochte es ihm zu lange gedauert haben, ehe ich an die Reihe kam.«
Ein Gemurmel des Zornes lief durch den kleinen Kreis von Zuhörern, der sich um uns gebildet hatte und der hauptsächlich aus den Seeleuten bestand, die mit einer Botschaft von der Bark an Bord des »Luzifer« gekommen waren und nun warteten, bis Korkfender sie anhören würde.
Als Willy schwieg, fing Rufino wieder sein Klag- und Bittgewinsel an.
»Ich wollte euch ja retten,« rief er. »Glaub mir's doch, Arnold, glaub mir's doch! Kapitän Alvarado aber jagte mich in die Kajüte und drohte mir, auch mich ins Wasser zu werfen!«
»Ist das wahr?« fragte Korkfender ungeduldig. Man sah ihm an, daß er wie auf Kohlen stand; er brannte darauf, die ihm angewiesene Station im Archipel aufzusuchen, um so mehr, als er vorher noch der Bark einen Besuch abzustatten hatte.
»Ich muß zugeben, daß er Einwendungen machte, als Alvarado die Matrosen zur Planke verurteilte,« antwortete Willy.
»Genug. Mag man ihn in Ruhe lassen. Lange macht er's doch nicht mehr, wie es scheint. – Nun also,« wendete Korkfender sich an die von der Bark gekommenen Leute, »was habt ihr mir auszurichten? Ihr seid Deutsche, wie ich sehe. Wie heißt euer Schiff?«
»›Admiral Prinz Adalbert‹ von Danzig,« antwortete ein junger, muskulöser Mann, dem unter einer Kopfbinde hervor ein dünner Blutstreif über das pulvergeschwärzte Gesicht lief. »Kapitän Fürst wünscht zu wissen, ob er zu Ihnen an Bord kommen darf, oder ob Sie befehlen, daß die Seeräuber an Bord unserer Bark bestraft werden sollen. Der Piratenkapitän ist auch unter den Gefangenen.«
»Alvarado lebt also noch!« rief Willy erregt. »O, dann lassen Sie das Scheusal baumeln, und so hoch als möglich!«
»Warten Sie doch, bis Sie um Ihre Meinung gefragt werden,« schnarrte Korkfender ihn an. »Ich gehe jetzt an Bord der Bark und lasse den Schoner in Ihren Händen, Lubau, bis ich zurückkomme. Lassen Sie im Takelwerk aufklaren und alle Leinwand bergen, damit er nicht zu weit wegtreibt. Den ›Dickson‹ halten Sie in unmittelbarer Nähe.«
Damit stieg er über die Fallreep hinab in das Boot des »Admiral Prinz Adalbert«, von unten aus dem Toqui der Araukaner noch einige Instruktionen zurufend.
Ich traf die mir aufgetragenen Anordnungen gewissenhaft und in möglichster Eile, dann zog ich den wiedergefundenen Freund auf die Seite.
»Nun aber erzähle, Willy, erzähle,« rief ich, »wir werden jetzt hoffentlich eine halbe Stunde Ruhe haben. Doch halt, erst will ich den Rufino, der dort noch immer an Deck liegt, in seine Koje tragen lassen!«
Dies geschah; der arme Teufel hatte an seiner Wunde große Schmerzen auszustehen, war aber sonst zufrieden und dankbar, da er sich nun nicht mehr vor dem Gehängtwerden zu fürchten brauchte. Ich versprach ihm auch, einen Arzt von der Bark kommen zu lassen, sofern dort einer an Bord wäre.
»Der ehemalige Schiffsarzt der ›Medusa‹, der Doktor Schuster, ist an Bord des ›Adalbert‹,« sagte Willy; »ich glaube aber, daß der Mohr froh sein wird, wenn er dem nicht unter die Finger zu kommen braucht. Du sollst bald hören, warum.«
»Erzähle, Willy, erzähle!« drängte ich. »Willst du mich denn vor Neugier umkommen lassen?«
Willy lächelte, drückte mir die Hand und begann dann mit der Erzählung seiner Erlebnisse und Schicksale, die den Lesern zum Teil bereits bekannt sind. Ich will des Freundes Schilderung von dem Zeitpunkte an hier aufnehmen, wo Wittmarsch, Alvarados Spießgeselle, von dem Doktor Schuster über Bord gerissen wurde, nachdem er Willy ins Meer geschleudert hatte.
Willy also fuhr fort:
»Ich flog wie ein im Bogen geworfener Stein durch die Luft und hielt mich selbstverständlich für verloren, denn an den Rettungsgürtel, den ich noch immer auf dem Leibe trug, dachte ich in jenem Moment gar nicht. Und dennoch verdanke ich ihm mein Leben. Ich schoß ins Wasser hinab, kam im nächsten Augenblick aber wieder zur Oberfläche, wo ich ruhig liegen blieb. Gleich darauf plumpste eine schwarze Masse nicht weit von mir in die Fluten. Im Wasser teilte sie sich, und nun erkannte ich zwei Männer, die zusammen über Bord gekommen waren und jetzt auf einige Stücken Rundholz zuschwammen, die ein mitleidiger Matrose herabgeworfen hatte.
Sie erreichten die Spieren und hielten sich daran über Wasser. Ich für meine Person trieb wie ein Champagnerkork und hätte eigentlich ganz fidel sein können, wenn ich nicht eine so große Angst vor den Haien gehabt hätte; ich hatte nämlich in dem Moment, als Wittmarsch mich emporhob, in der Ferne eine große Bark gesehen, die direkt auf uns zusteuerte. Ich rief den Doktor an, den ich bald an der Stimme erkannt hatte, und forderte ihn auf, scharf nach dem nahenden Schiffe auszuspähen.
Die See war ziemlich ruhig, aber der Gedanke an die Haie und an all' die anderen tausend Möglichkeiten brachte mich auf die Länge der Zeit fast um meine paar Sinne. Wäre ich, wie die andern, auf ein Stück Rundholz angewiesen gewesen, ich hätte mich unmöglich über Wasser halten können; so aber schwamm ich ohne mein Zuthun, nolens volens, und darin allein lag meine Rettung. Ich hatte schließlich fast gar keine Empfindung mehr im Leibe und keinen Gedanken mehr im Gehirn, und ich wußte kaum noch, ob ich überhaupt jemals der Willy Arnold aus Steinwärder und nicht etwa schon von Anbeginn eine Seequalle oder sonst ein stumpfsinniges Wassertier gewesen sei – da hörte ich einen lauten Anruf.
Ich erhob meinen Kopf und gewahrte in dem grauen Morgenlichte den Doktor ganz in meiner Nähe. Er hatte stundenlang nach mir herumgesucht, mich aber erst entdeckt, als die Dämmerung die wogende Wasserfläche zu erhellen begann. Jetzt sah ich auch die unter vollen Segeln herankommende Bark, und neue Hoffnung belebte und stärkte mich. Wittmarsch trieb auf seiner Spiere dem Schiffe am nächsten, er schrie und winkte, und nach einigen Minuten, die mir wie Ewigkeiten erschienen, braßte die Bark ihre Großraa back und drehte bei. Ein Boot wurde zu Wasser gebracht, und man zog zuerst den Steuermann, dann den Doktor und dann mich und zuletzt noch einen Matrosen aus der See. Ich muß wohl ohnmächtig geworden sein, denn man staute mich einfach unter die Ducht, vielleicht war ich auch nur eingeschlafen, was so ziemlich dasselbe ist, genug, ich wußte nicht, was noch weiter mit mir geschah, und als ich endlich wieder aus dem Traume kam, lag ich in einer Koje, und vor mir stand Kapitän Fürst mit einem Medizinbuddel und einem Blechlöffel in der Hand.«
»Kapitän Fürst?« wiederholte ich, ihn unterbrechend. »Ist denn das nicht –«
»Jawohl, der Kapitän der Bark da drüben, denn das Schiff, das uns aufnahm, war der ›Admiral Prinz Adalbert‹ von Danzig, auf der Fahrt von Sankt Thomas nach San Franzisko.«
»Welch eine Fügung!« rief ich. »Euer Retter und euer Rächer! Und was wurde aus der Bestie, dem Wittmarsch?«
»Der desertierte vor zwei Tagen heimlich in einem unserer Boote; er hatte gehört, daß sein würdiger Kapitän hier herum sein Wesen trieb, und so mag er wohl versucht haben, zu ihm zu gelangen. Wenn's ihm glückte, dann befindet er sich hoffentlich drüben unter den Gefangenen. Gestern Nachmittag lief der ›Luzifer‹ uns auf und griff uns an. Der ›Adalbert‹ hat nur zwei alte, eiserne Geschütze an Bord, Kapitän Fürst aber focht und handhabte sein Schiff wie ein wahrer Wiking, und wenn du Typen nordischer Seehelden kennen lernen willst, dann schau dir seine zwanzig Matrosen an. Wie es dann weiter kam, das weißt du besser als ich.«
»Ganz recht, aber ich begreife noch nicht, wie du wieder an Bord des ›Luzifer‹ gekommen bist.«
»Das ist sehr einfach. Als Kapitän Fürst euer kleines Kanonenboot herankommen sah, sagte er sich sogleich, daß ihr Freunde wäret, und wie dann die Seeräuber Miene machten, uns mit ihren Booten anzugreifen, hieß er mich und seine beiden Schiffsjungen in die Jolle gehen, mit der Weisung, uns in sicherer Entfernung zu halten und, je nach dem Ausfall des Kampfes, später entweder wieder an Bord der Bark zurückzukehren oder aber euch um Schutz anzugehen. Es ließ uns aber keine Ruhe, und als wir euch den Schoner entern sahen, thaten wir dasselbe; in dem Getümmel habt ihr das gar nicht bemerkt.«
»Ich sah dich erst, als du so rechtzeitig hinter Rufino auftauchtest. Mein Gott, welchen Gefahren bist du entronnen, mein armer Willy! Du mußt wahrhaftig noch mehr als neun Leben im Leibe haben!«
Willy lachte.
Wir blickten zur Bark hinüber, die im hellen Morgenlichte kaum eine Kabellänge von uns entfernt lag.
»Willy, was geht dort vor?«
Willy antwortete nicht.
Der Toqui näherte sich mir schnellen Schrittes und deutete mit ernstem Antlitz zum »Adalbert« hinüber. Ich griff nach dem Teleskop.
Auf der Regeling, dicht vor der Großwant, stand ein Mensch, barhäuptig, bleich, mit wirrem schwarzen Haar und Bart; die Hände waren ihm vor dem Leibe gebunden, und zwei gigantische, blondbärtige Seeleute hielten ihn aufrecht, da die schlotternden Beine ihm den Dienst versagten. Unter der Menge von Leuten, die mittschiffs auf der Großluk standen, gewahrte ich den Leutnant Korkfender in seiner glitzernden Uniform. An der Nock der Fockraa war eine Jolle geschoren, deren Läufer an Deck führte und von einer Reihe von Matrosen gehalten wurde. Das andere Ende der Jolle lag um des schwarzbärtigen Mannes Hals.
Der Delinquent war Alvarado, der Seeräuberkönig des Chonos-Archipels ...
»Sieh!« rief Willy.
An der Nock der Fockraa des »Admiral Prinz Adalbert« schaukelte, am Halse aufgehängt, ein menschlicher Körper im Winde.
»Das ist Alvarados Ende!« flüsterte Willy. »Ein schnelles Gericht!«
»Es ist ihm recht geschehen,« entgegnete ich, das Glas zusammenschiebend. Ich heuchelte Festigkeit, allein ich vermochte nicht zu verhindern, daß mein Körper von Schauder geschüttelt wurde.
Der Toqui trug ebenfalls eine lebhafte Ergriffenheit zur Schau.
»Don Alvarado tot!« sagte er dumpf. »Mächtig Mann tot! War araukanischer Mann, Moluche wie ich. Böser Spitzbub, aber Moluche wie ich und Freund von König Orelio.«
»Alvarado also war ein araukanischer Indianer!« rief Willy erstaunt. »Daher sein gelbes Fell! Dann ist auch Rufino ein Moluche! Moloch wäre hier allerdings passender. Heinz, wir sind Schulkameraden eines blinden Heiden gewesen! Das erklärt vieles, und nun haben wir eigentlich kaum noch ein Recht, ihm zu zürnen! Er that eben, wie er klug war.«
Der Toqui sah ihn lange an, nickte dann und ging nach vorn. Ich wendete mich ab und erwartete schweigend Korkfenders Rückkehr.
Dieselbe erfolgte nach einer weiteren halben Stunde. Kapitän Fürst und eine Anzahl der preußischen Matrosen begleiteten ihn. Auch Doktor Schuster kam an Bord.
Rufinos Zustand war vorderhand kein sonderlich gefährlicher, der arme Teufel aber geriet in schreckliche Angst als er hörte, was aus seinem Vater geworden war – nach Aussage unseres Toqui war er nämlich nicht der Neffe, sondern der Sohn des Piratenführers – und daß er sowohl, wie die übrigen Gefangenen, den chilenischen Behörden überliefert werden sollte. Alvarado war ein zu gefährlicher Verbrecher gewesen, als daß er einer summarischen Exekution auf frischer That hätte entgehen können; mein Freund Korkfender aber hatte in der Folge unangenehme Vorwürfe darüber zu hören, daß er den Räuber mit Übergehung jeglicher gerichtlichen Prozedur an die Nock der Fockraa hatte baumeln lassen. Es wurde ihm unter anderem vorgehalten, daß er dem Verbrecher die Gelegenheit zur Umkehr und Buße genommen habe. Dieser Vorwurf aber war thöricht. Alvarado war ein heidnischer Halbwilder, trotz seiner äußerlichen Kultur, die ihm nur als Mittel zur Ausführung seiner Schurkenstreiche gedient hatte. Kann der Leopard seine Flecken ablegen? Der desperate Kerl wäre aus den sehr mangelhaften Gefängnissen sicher wieder ausgebrochen und hätte sein Räuberleben fortgesetzt, und schrecklicher noch als zuvor, das mußte sich jeder sagen, der ihn kennen gelernt. –
Der »Luzifer« bekam eine Prisenbesatzung von der Bark, die Schäden wurden ausgebessert, und zugleich erhielt ich von Korkfender den Befehl, das Kommando des Schoners zu übernehmen und mir demselben, unter dem Beistand des zweiten Steuermanns des »Adalbert« und des Toqui, der noch zehn von den Araukanern mit an Bord brachte, die Küste aufwärts nach Valparaiso zu segeln. Die Bark, welche größerer Reparaturen bedurfte, sollte mich dorthin begleiten.
Dieser Auftrag erfüllte mich zuerst mit Schrecken, dann aber mit Stolz und Freude.
»Nun nehmen Sie sich zusammen, Lubau,« sagte Korkfender, nachdem er sich an meinem wechselnden Gesichtsausdruck geweidet hatte. »Schützen Sie nicht etwa angeborene Dummheit vor, solche Ausreden gelten im Dienst nicht. Halten Sie Augen und Ohren auf, im Falle Sie angegriffen werden sollten. Andrerseits aber bringen Sie auch alle Piratenfahrzeuge auf, die Ihnen in die Quere kommen.«
»Zu Befehl,« antwortete ich stramm und dienstlich. »Warum sollte man mich aber angreifen?«
»Weil Sie sich an Bord des berüchtigten Seeräuber-Schoners befinden, Schäfchen,« erwiderte er. »Wenn ein Kreuzer Ihrer gewahr werden sollte, dürfte er Ihnen leicht eins auf den Pelz brennen.«
»Das sollte ihm übel bekommen, ich würde ihm mit Zinsen heimzahlen,« antwortete ich mit einem Blick auf die vorzüglichen Geschütze des »Luzifer«.
»Ich glaube gar Sie wollen auf Seiner brasilianischen Majestät Schiffe feuern, Sie junges Lama!« rief Korkfender, ganz entsetzt das Monokel ins Auge klemmend. »Wissen Sie nicht, daß Sie dann vors Standgericht kommen und erschossen werden würden?«
»Weil er sich nicht ruhig in den Grund bohren lassen wollte?« lachte Willy. »Na, da muß ich schon bei dir bleiben, Heinz, damit ich deinen kriegerischen Mut rechtzeitig zügeln kann.«
»Ich rede im Ernst mit Ihnen,« fuhr Korkfender fort. »Begehen Sie keinen Unsinn. Sie befinden sich in einer Lage von höchster Verantwortlichkeit.«
»Zu Befehl,« entgegnete ich, »es wird mir dies stets im Gedächtnis sein. Ich weiß die Ehre zu schätzen, die mir zu teil geworden.«
Das Aufbringen einer neuen Gaffel, einer neuen Marsstenge und des dazu gehörigen stehenden und laufenden Guts nahm fast den ganzen Tag in Anspruch. Der »Dickson« war bereits am Vormittag nach seinem Blockadegebiet abgesegelt, so daß, als der Tag sich neigte, der »Luzifer« und der »Admiral Prinz Adalbert«, der ebenfalls nach Möglichkeit repariert hatte, allein nach Valparaiso unter Segel gingen.
Während der Nacht hielten beide Schiffe so ziemlich gleiche Fahrt, als aber gegen Morgen der Wind auffrischte, da war der »Luzifer« nicht mehr zu halten. Er rauschte durch das Wasser wie ein Schwan und zeigte sich in seiner ganzen Glorie als der vielgerühmte Schnellsegler. Ich ließ ihn nur unter mäßiger Leinwand gehen, dennoch aber lief er der Bark so weit voraus, daß am Nachmittag fast nichts mehr von derselben zu sehen war.