John Stuart Mill, Harriet Taylor Mill, Helen Taylor
Die Hörigkeit der Frau (The subjection of women)
John Stuart Mill, Harriet Taylor Mill, Helen Taylor

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Zweites Kapitel

Es wird gut sein, die detaillierte Untersuchung unseres Gegenstandes mit dem Punkte zu beginnen, zu welchem uns der Gang unserer Betrachtungen zunächst geführt hat, nämlich mit den Bedingungen, welche die Gesetze aller Länder mit dem Ehekontrakte verbinden. Da die Ehe von der Gesellschaft als einzige Bestimmung der Frauen bezeichnet wird, man sie mit der Aussicht darauf erzieht, sie ihnen als das Ziel hinstellt, das jede, die nicht gar zu stiefmütterlich von der Natur behandelt ist, zu erreichen suchen muß, so sollte man denken, es sei alles geschehen, um ihnen dieses Lebenslos so angenehm wie möglich zu machen und in ihnen kein Bedauern darüber aufkommen zu lassen, daß jedes andere ihnen versagt ist. Die Gesellschaft dagegen hat in diesem wie zuerst in jedem anderen Falle es vorgezogen, ihren Zweck durch unredliche statt durch redliche Mittel zu erreichen; dieser Fall ist jedoch der einzige, in welchem sie bis auf den heutigen Tag im wesentlichen dabei geblieben ist. Ursprünglich nahmen sich die Männer die Frauen mit Gewalt, oder die Väter verkauften ihre Tochter den Gatten. Bis zu einer späten Periode in der Geschichte Europas hatte der Vater die Macht, ohne jede Rücksicht auf den Willen seiner Tochter über deren Hand zu bestimmen. Die Kirche erwies sich den Gesetzen einer höheren Moralität insofern gehorsam, als sie bei der Trauung von der Frau ein förmliches »Ja« forderte; dadurch ward jedoch keineswegs bewiesen, ob die Zustimmung eine freiwillige oder erzwungene sei, und praktisch blieb es dem Mädchen total unmöglich, den väterlichen Geboten den Gehorsam zu versagen, ausgenommen vielleicht, wenn sie sich des Schutzes der Religion durch den bestimmten Entschluß, das Klostergelübde abzulegen, versicherte. In vorchristlichen Zeiten erhielt der Mann durch die Ehe Macht über Leben und Tod der Frau. Sie konnte kein Gesetz gegen ihn anrufen, er war ihr einziges Tribunal. Lange Zeit hindurch konnte er sie verstoßen, ohne daß ihr ein ähnliches Recht ihm gegenüber zustand. Das alte englische Gesetz nennt den Mann den Herrn (lord) seiner Frau, er wurde buchstäblich wie ihr Souverän betrachtet, und man nannte den von einer Frau an ihrem Manne begangenen Mord Verrat und bestrafte ihn grausamer als selbst den Hochverrat, indem man die Verbrecherin lebendig verbrannte. Weil diese verschiedenen Ungeheuerlichkeiten außer Gebrauch gekommen sind (denn viele sind gar nicht förmlich abgeschafft worden, oder doch lange nachdem man sie nicht mehr in Anwendung brachte), glauben die Leute, es sei jetzt mit dem Ehekontrakte alles, wie es sein solle, und man hört fortwährend die Behauptung, die Zivilisation und das Christentum hätten die Frauen in die ihnen gebührenden Rechte eingesetzt. In Wahrheit ist aber die Frau tatsächlich noch heute die Leibeigene ihres Mannes, und zwar, soweit gesetzliche Verpflichtungen gehen, in keinem geringeren Grade als diejenigen, welche man gewöhnlich mit dem Namen Sklaven bezeichnet. Sie gelobt ihm am Altare Gehorsam für das ganze Leben und wird auch ihr ganzes Leben hindurch durch das Gesetz dazu angehalten.

Kasuisten könnten einwerfen, daß der Gehorsam sich nicht auf die Teilnahme an Verbrechen erstrecke; außer dem gibt es aber nichts, was davon dispensiert. Sie kann nichts tun ohne seine, wenigstens stillschweigende, Erlaubnis. Sie kann für sich kein Eigentum erwerben; in dem Augenblick, wo es ihr zufällt, selbst durch Erbschaft, wird es ipso facto das seine. In dieser Beziehung ist die Lage der Frau unter dem gemeinen Gesetz von England übler, als die der Sklaven unter den Gesetzen verschiedener Länder. Das römische Gesetz gestattete zum Beispiel dem Sklaven sein Pekulium und sicherte es ihm bis zu einer gewissen Ausdehnung zu seinem ausschließlichen Gebrauch. Die höheren Klassen Englands haben ihren Frauen ähnliche Vorteile zu sichern gesucht, indem sie ihnen durch besondere Verträge mit Umgehung des Ehekontraktes Nadelgeld usw. aussetzten. Das väterliche Gefühl ist bei den Vätern eben doch stärker als der Kastengeist, und sie ziehen die eigene Tochter dem Schwiegersohne, der für sie ein Fremder ist, vor. Vermöge des Leibgedinges (settlement) entziehen die Reichen das ererbte Vermögen der Frau gewöhnlich entweder ganz oder teilweise der absoluten Kontrolle des Mannes, aber es gelingt ihnen dadurch nicht, es ihr gänzlich zur Verfügung zu lassen. Alles, was sie möglich machen können, ist, den Mann zu verhindern, das Geld zu verschwenden, während gleichzeitig die rechtmäßige Eigentümerin seiner Benutzung beraubt wird. Das Vermögen selbst wird außerhalb des Bereichs beider gestellt, und was dessen Ertrag anbetrifft, so ist diejenige Form des Vertrages die günstigste für die Frau, welche »zu ihrem Separat-Gebrauche« lautet und den Mann verhindert, ihn statt ihrer in Empfang zu nehmen. Das Geld muß durch ihre Hände gehen; nimmt er es ihr jedoch, sobald sie es empfangen, mit Gewalt ab, so kann er dafür weder bestraft noch zur Wiedererstattung angehalten werden. So weit erstreckt sich also der Schutz, den nach den Gesetzen Englands der mächtigste Edelmann seiner Tochter gegen ihren Gatten zu gewähren vermag. In einer überwiegend größeren Anzahl von Fällen gibt es aber kein Leibgedinge, und der Frau ist und bleibt jede Verfügung über ihr Vermögen, wie alle andere Freiheit, absolut entzogen. Das Gesetz betrachtet die beiden als »Eine Person«, um daraus die Folgerung herzuleiten, was ihr gehöre, sei auch das Seinige, der Parallelschluß, was sein sei, gehöre ihr, wird aber niemals daraus gezogen. Diese Maxime wird niemals gegen den Mann angewendet, außer um ihn dritten Personen gegenüber für ihre Handlungen verantwortlich zu machen, gerade ebenso, wie ein Herr für das, was seine Sklaven oder seine Haustiere tun, verantwortlich ist. Ich bin weit entfernt, behaupten zu wollen, die Frauen würden im allgemeinen nicht besser behandelt als Sklaven; aber kein Sklave ist Sklave in solcher Ausdehnung und in so vollem Sinne des Wortes, wie es die Frau ist. So leicht ist kein Sklave, vielleicht mit alleiniger Ausnahme dessen, welcher den Herrn persönlich bedient, in jeder Stunde, jeder Minute Sklave; im allgemeinen hat er sein bestimmtes Tagewerk, und ist dies vollbracht, so verfügt er innerhalb gewisser Grenzen über seine übrige Zeit und hat ein Familienleben, in das der Herr selten störend eingreift. »Onkel Tom« hat bei seinem ersten Herrn seine »Hütte« und lebt darin beinahe ebenso, wie jeder Mann, dessen Beruf ihn vom Hause entfernt, in seiner Familie zu leben imstande ist. Ganz anders ist dies mit der Frau. Vor allen Dingen hat in christlichen Landern die Sklavin das Recht, ja sogar die moralische Verpflichtung, ihrem Herrn die äußerste Vertraulichkeit zu verweigern.

Wie steht es dagegen mit der Frau? Sie mag zu ihrem Unglück an den brutalsten Tyrannen gekettet sein, mag wissen, daß er sie haßt, mag täglich von ihm gequält und mißhandelt werden, so kann er doch von ihr die tiefste Erniedrigung, die einem menschlichen Wesen nur zugemutet werden kann, verlangen und sie dazu zwingen, nämlich sich gegen ihre Neigung als Werkzeug zur Befriedigung eines tierischen Bedürfnisses gebrauchen zu lassen. Und während sie nun in betreff ihrer eigenen Person im niedrigsten Grade der Sklaverei ist, in welcher Stellung befindet sie sich gegenüber den Kindern, an denen sie und ihr Gebieter ein gemeinschaftliches Interesse haben? Sie sind dem Gesetze nach seine Kinder. Er allein hat legale Rechte über sie. Sie kann nichts für oder in bezug auf sie bestimmen, ohne von ihm dazu beauftragt zu sein. Selbst nach seinem Tode ist sie nur dann ihre gesetzliche Vormündin, wenn er sie in seinem Testamente dazu bestimmt hat. Er konnte sie sogar von ihr fortsenden und sie der Mittel, sie zu sehen und mit ihnen zu korrespondieren, berauben, bis diese Maßregel durch Sergeant Talfourds Akt eingeschränkt ward.

So ist es um die gesetzliche Lage der Frau bestellt, und es steht ihr kein Mittel zu Gebote, sich derselben zu entziehen. Verläßt sie ihren Gatten, so kann sie nichts mit sich nehmen, weder ihre Kinder noch irgend etwas von ihrem rechtmäßigen Eigentum. Will er, daß sie zu ihm zurückkehre, so kann er sie durch das Gesetz oder durch Anwendung physischer Gewalt dazu zwingen, oder er kann ihr auch alles wegnehmen, was sie verdient oder was ihr von Verwandten gegeben wird. Nur eine gesetzliche, durch das Urteil eines Gerichtshofes ausgesprochene Scheidung kann ihr das Recht geben, für sich allein zu leben und nicht in die Gewalt eines erbitterten Kerkermeisters zurückkehren zu müssen, die Früchte ihrer Arbeit selbst zu genießen, ohne befürchten zu dürfen, daß ein Mann, den sie vielleicht zwanzig Jahre lang nicht gesehen hat, sie eines Tages überfällt und ihr alles, was sie besitzt, entreißt.

Eine solche gesetzliche Scheidung war aber bis vor kurzem mit solchen Kosten verknüpft, daß sie nur den höheren Ständen zugänglich war. Selbst jetzt wird sie nur in Fällen böswilliger Verlassung oder gar zu brutaler Behandlung ausgesprochen, und trotzdem werden Klagen laut, daß sie zu leicht zu erlangen sei. Wenn der Frau nur das eine Lebenslos gestattet ist, die persönliche Leibsklavin eines Mannes zu werden, und die einzige Chance, welche ihr dabei offen gelassen, nur die ist, einen Herrn zu finden, der sie mehr als Favoritin denn als Packtier behandelt, so ist es wahrlich eine grausame Erschwerung ihres Schicksals, daß man ihr nur gestatten will, diese Chance ein Mal zu versuchen. Die natürliche Folgerung aus diesem Zustand der Dinge wäre doch eigentlich die: »Da im Leben für die Frau alles darauf ankommt, einen guten Herrn zu finden, so müßte ihr gestattet sein, so lange zu wechseln, bis ihr ein solcher zuteil geworden wäre.« Ich sage nicht, daß ich für sie dies Vorrecht verlange. Die Frage der Scheidung im bezug auf die den Geschiedenen zu gestattende Freiheit der Wiederverheiratung gehört einem Gebiete an, das meiner gegenwärtigen Aufgabe fernliegt. Ich beschränke mich auf den Ausspruch: »Für diejenigen, denen man im Leben nur Dienstbarkeit gestattet hat, wäre die freie Wahl dieser Dienstbarkeit die einzige, obschon sehr unzureichende Erleichterung derselben.« Die Ablehnung dieses Zusatzes vervollständigt die Gleichheit des Loses der Frau und der Sklavin, und zwar der Sklavin nicht unter der mildesten Form der Sklaverei, denn nach manchen Sklavengesetzen konnten die Sklaven unter gewissen Umständen übler Behandlung ihre Herren gesetzlich zwingen, sie zu verkaufen. In England aber befreit selbst die fortgesetzteste schlechte Behandlung, wenn sich dazu nicht noch Ehebruch gesellt, die Frau nicht von ihrem Peiniger.

Ich habe durchaus nicht den Wunsch, zu übertreiben, auch bedarf die Sache der Übertreibung wahrlich nicht. Ich habe hier die rechtliche Stellung der Frauen geschildert, nicht die ihnen wirklich zuteil werdende Behandlung. Die Gesetze der meisten Länder sind weit schlimmer als die Leute, welche sie vollstrecken, und viele derselben können eben nur deshalb Gesetze bleiben, weil sie selten zur Ausführung gebracht werden. Wäre das Eheleben wirklich ein Zustand, wie er dem Gesetze nach sein könnte, so würde die Gesellschaft eine Hölle auf Erden sein. Glücklicherweise leben in der Menschenbrust Gefühle und Einflüsse, welche die Neigungen und Anreizungen zur Tyrannei in vielen Männern gar nicht aufkommen lassen und bei einer noch weit größern Anzahl bedeutend mäßigen; das stärkste Beispiel von dem Vorhandensein solcher Gefühle ist unzweifelhaft das Band, welches in einem normalen ehelichen Verhältnis den Mann mit seiner Frau verbindet. Das einzige andere Band, welches dem zwischen Mann und Frau am ähnlichsten ist, das zwischen Vater und Kindern, dient mit Abrechnung weniger Ausnahmsfälle nur dazu, das erstere zu stärken, statt es zu beeinträchtigen. Weil nun in der Wirklichkeit nicht all das Elend, das von dem Mann der Frau bereitet werden könnte, wenn er die ganze Tyrannei, zu welcher der Wortlaut der Gesetze ihn berechtigte, ausüben wollte, von dem erstern geschaffen, von der letztern erduldet wird, halten die Verteidiger des herrschenden Systems dessen Unbilligkeit für völlig gerechtfertigt und bezeichnen diejenigen als Querulanten, welche das kleine Übel für so vieles Gute nicht mit in den Kauf nehmen wollen. Die durch Praxis herbeigeführten Milderungen einer Tyrannei, die sich ganz gut mit ihrer gesetzlichen Aufrechthaltung in ihrer vollen Stärke vertragen, beweisen indes nur, welche Kraft der Reaktion selbst gegen die abscheulichsten Institutionen die menschliche Natur besitzt und mit welcher Lebenskraft die Saaten des Guten wie des Bösen sich im menschlichen Charakter ausbreiten und darin zur Entwicklung gelangen. Man kann für den Despotismus in der Familie nichts anführen, was sich nicht auch für den politischen Despotismus sagen läßt. Es sitzt auch nicht jeder absolute König am Fenster seines Palastes und ergötzt sich an den Seufzern der von ihm gequälten Untertanen, noch nimmt er ihnen ihr letztes Kleidungsstück und stößt sie nackt und bloß auf die Straße. Der Despotismus Ludwigs XVI. war nicht der Despotismus eines Philipp des Schönen oder eines Nadir Schah oder eines Caligula, er war aber immerhin schlimm genug, um die französische Revolution zu rechtfertigen und selbst ihre Schrecken zu entschuldigen. Darf man sich auf die zwischen Gatten existierende innige Liebe berufen, so ließe sich ganz dasselbe zugunsten der Sklaverei anführen. Es war bei den Griechen und Römern gar nichts Außergewöhnliches, daß Sklaven sich lieber zu Tode martern ließen, als daß sie ihre Herren verrieten.

Die Proskribierten der römischen Bürgerkriege fanden meistens eine heroische Treue bei ihren Frauen und Sklaven, während die Söhne sich gewöhnlich verräterisch erwiesen; und doch wissen wir, wie grausam viele Römer ihre Sklaven behandelten. Individuelle Gefühle, das ist eine Wahrheit, schießen nirgends zu einer solchen Üppigkeit empor als unter den abscheulichsten Institutionen. Es gehört mit zur Ironie des Lebens, daß die höchsten Gefühle ergebener Dankbarkeit, welche in der menschlichen Natur zur Erscheinung kommen können, in menschlichen Geschöpfen für diejenigen erwachen, welche die Macht besitzen, ihre ganze irdische Glückseligkeit zu vernichten, die sich aber freiwillig der Ausübung dieses Vorrechts begeben. Wir wollen auf die Untersuchung, einen wie bedeutenden Einfluß dieses Gefühl auch auf die Frömmigkeit der Menschen im allgemeinen ausübt, lieber nicht näher eingehen; so viel aber steht durch die tägliche Erfahrung fest, daß ihre Dankbarkeit gegen Gott sehr häufig rege gemacht wird durch die Betrachtung, daß er sich ihren Mitmenschen lange nicht so gnädig erwiesen hat wie ihnen.

Bei der Verteidigung von Institutionen wie Sklaverei, politischer Absolutismus oder Absolutismus des Familienhauptes verlangt man immer, daß wir sie nach ihren besten Beispielen beurteilen sollen. Man entwirft uns idyllische Bilder liebender Autorität von der einen, liebender Unterwerfung von der andern Seite, von erhabener Weisheit, die alle Dinge zum höchsten Glücke für die Untergebenen ordnet, welche mit Lächeln und Anbetung zu ihr aufblicken. Behauptete jemand, daß es in der Welt gar keine guten Männer gäbe, so wären derartige Beispiele die besten Beweise für das Gegenteil; wer bezweifelt denn aber, daß unter der absoluten Herrschaft eines guten Mannes großes Glück, große Liebe, ein häusliches Paradies sich entfalten könne? Gesetze und Institutionen sind aber viel weniger auf die guten als auf die bösen Menschen zu berechnen. Die Ehe ist ja nicht eine für eine kleine Zahl Auserwählter bestimmte Einrichtung. Man verlangt ja von den Männern, bevor sie getraut werden, nicht den Nachweis, daß sie die Eigenschaften besitzen, vermöge deren man sie ohne Bedenken mit absoluter Gewalt betrauen darf. Das Band der Liebe und der Pflicht gegen Frau und Kinder ist stark bei allen, welche überhaupt ein lebhaftes Gefühl für ihre sozialen Pflichten haben, ja selbst bei vielen, die sonst für andere soziale Bande weniger empfänglich sind; wir begegnen allen Graden der Empfindlichkeit und Unempfindlichkeit dafür, je nach den Graden des Guten und Bösen im Charakter der Menschen, und gelangen endlich zu denen, für welche es überhaupt keine moralische Fessel gibt und für welche die Gesellschaft nur ihre ultima ratio, die gesetzlichen Strafen, hat. Jeder Grad dieser absteigenden Stufenleiter enthält nun Männer, denen die ganze ihnen vom Gesetz gewährleistete Macht des Ehegatten zusteht. Der abscheulichste Verbrecher hat ein unglückliches Weib, das an ihn gekettet ist, gegen das er jede Grausamkeit begehen kann, nur daß er es nicht töten darf; ja selbst das kann er, wenn er dabei nur mit der gehörigen Vorsicht zu Werke geht, ohne große Gefahr tun, dadurch mit den Strafgesetzen in Konflikt zu kommen. Und wieviel tausend Männer gibt es in den untersten Klassen jedes Landes, die, ohne im gesetzlichen Sinne in irgendeiner andern Hinsicht Verbrecher zu sein, weil sie sich nach keiner Seite hin, ohne Widerstand oder Strafe zu finden, etwas zuschulden kommen lassen dürfen, ganz gewohnheitsmäßig Exzesse tätlicher Gewalt gegen die unglückliche Frau begehen, welche die einzige erwachsene Person ist, die sich ihrer Brutalität weder erwehren noch derselben entfliehen kann! Solchen gemeinen, wilden Naturen flößt die grenzenlose Abhängigkeit der Frau nicht etwa eine großmütige Nachsicht ein, nicht etwa das Ehrgefühl, ein Wesen gut zu behandeln, dessen Leben gänzlich ihrer Güte anvertraut ist, sondern ganz im Gegenteil das Bewußtsein, daß das Gesetz sie ihnen als ihre Sache überliefert hat, mit der sie ganz nach ihrem Gefallen verfahren können und gegen die sie nicht die Rücksichten zu nehmen brauchen, die sie sonst gegen jedermann zu beobachten haben. Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß innerhalb der letzten Jahre das Gesetz, welches früher die häusliche Bedrückung in ihrem äußersten Extrem zuließ, einige schwache Versuche zu ihrer Beschränkung gemacht hat. Diese Versuche haben indes, wie dies auch nicht anders zu erwarten war, wenig gefruchtet, weil es gegen alle Vernunft und Erfahrung streitet, wenn man erwartet, der Brutalität einen wirksamen Damm entgegensetzen und doch das Opfer unausgesetzt in der Gewalt seines Henkers lassen zu können. Solange das Gesetz die Frau nicht nach jeder ersten erwiesenen Tätlichkeit des Mannes gegen sie, oder auf alle Fälle nach jeder ersten Tätlichkeit im Wiederholungsfall, ipso facto zu einer Scheidung oder wenigstens zu einer gerichtlichen Trennung berechtigt, so lange wird jeder Versuch, grobe Tätlichkeiten durch gesetzliche Strafen unterdrücken zu wollen, an dem Mangel eines Klägers oder eines Zeugen scheitern.

Bedenkt man, wie groß in jedem Lande die Zahl der Männer ist, welche nicht viel höher stehen als Tiere, und daß diese durch nichts verhindert sind, sobald es ihnen gefällt, kraft des Ehegesetzes ein unglückliches Opfer in ihre Gewalt zu bekommen, so dehnt sich die Breite und Tiefe des durch den Mißbrauch dieser einzigen Institution verursachten menschlichen Elends in einer entsetzlichen Weise aus. Und doch haben wir bis jetzt nur die extremsten Fälle ins Auge gefaßt. Wir haben in den tiefsten Abgrund geschaut, aber es gibt sehr viele Stufen, die man überschreiten muß, bis man zu ihm gelangt. Das Bild des absoluten Ungeheuers ist für die politische wie für die häusliche Tyrannei ein Spiegel, welcher zeigt, daß unter diesen Institutionen fast jede Greueltat geschehen kann, sobald es dem Despoten gefällt, und was die schrecklichen Folgen von nur sehr wenig geringern abscheulichen Dingen sein können. Vollkommene Bösewichter sind vielleicht ebenso selten wie Engel, vielleicht noch seltener; dagegen sind rohe, grausame Naturen mit gelegentlichen Spuren der Menschlichkeit an sich häufig genug, und nun die weite Kluft, welche zwischen diesen und den würdigen Repräsentanten des Menschengeschlechtes liegt! Durch wie viele verschiedene Formen und Grade der Brutalität und Selbstsucht wird sie ausgefüllt! Einer Brutalität und Selbstsucht, die sich oft unter dem äußern Firnis der Zivilisation, ja selbst der Bildung verbirgt, der hinreichend ist, alle, die nicht unter ihrer Botmäßigkeit stehen, zu täuschen, sie aber nicht zurückhält, die von ihnen Abhängigen zu quälen und ihnen das Leben zur Hölle zu machen.

Man hat seit Jahrhunderten die Behauptung, daß die Menschheit im allgemeinen den Besitz der Macht nicht vertragen könne, in so vielen Tonarten aufgestellt, daß es überflüssig erscheinen dürfte, Gemeinplätze zu wiederholen, die jeder auswendig kennt, geschähe dies nicht, weil fast niemand daran denkt, diese Maximen auf den Fall anzuwenden, auf den sie vor allen Dingen anwendbar wären, d.h. auf eine Macht, die nicht hier und da in die Hand eines Menschen gelegt ist, sondern die jedem erwachsenen Manne bis hinab zu dem rohesten und verworfensten übertragen wird. Weil ein Mann sich noch gegen keins der Zehn Gebote öffentlich vergangen, weil er im Verkehr mit denjenigen, die er in keiner Weise zu fernerem Umgange mit ihm zwingen kann, sich anständig benimmt, weil er sich gegen diejenigen, welche sich nichts von ihm gefallen zu lassen brauchen, keine Ausbrüche übler Laune zuschulden kommen läßt, braucht man noch nicht zu denken, daß er sich eines ähnlichen Betragens in seiner engeren Häuslichkeit befleißigt. Selbst die gewöhnlichsten Menschen kehren die mürrischen, heftigen, unverhüllt selbstsüchtigen Seiten ihres Charakters nur gegen diejenigen heraus, welche ohnmächtig sind, sich gegen sie aufzulehnen. Die Beziehungen der Höhergestellten zu den Untergebenen sind die Pflanzstätten dieser Charakterfehler, und wo sie sonst noch zum Vorschein kommen, sind sie nichts als ein derselben Quelle entsprungener Nebenstrom. Ein Mann, der heftig, eigenwillig und launenhaft gegen Seinesgleichen ist, hat gewiß mit Untergebenen gelebt, die er durch Furcht und Schikane seinem Willen beugen konnte. Ist die Familie in ihren besten Formen, wie so oft behauptet wird, eine Schule der Sympathie, der Zärtlichkeit, des liebevollsten Selbstvergessens, so ist sie, was ihr Oberhaupt anbetrifft, noch viel öfter eine Schule des Eigenwillens, der Herrschsucht, des Sichgehenlassens und einer zwiefach gefärbten idealisierten Selbstsucht, von der selbst die sogenannte Opferfreudigkeit nur eine andere Form ist. Die Sorge für Frau und Kinder ist für einen solchen Mann auch nur ein Teil der Sorge für sich, da sie ja ein Teil seines Eigentums, seiner Interessen sind und ihre irdische Glückseligkeit bis auf das kleinste Detail seinem bon plaisir aufgeopfert wird.

Was ließe sich aber unter den gegenwärtigen Einrichtungen auch Besseres erwarten? Wir wissen es ja, die bösen Anlagen der menschlichen Natur lassen sich nur dann in Schranken halten, wenn ihnen für ihre Ausbreitung kein Spielraum gewährt ist. Wir wissen, daß jeder, dem andere sich nachgiebig zeigen, aus Gewohnheit und innerem Antriebe, wenn nicht aus Überlegung, in seinen Anforderungen an sie immer weiter geht, bis er an den Punkt gelangt, wo sie sich gezwungen sehen, ihm Widerstand entgegenzusetzen. Bei solchen Neigungen der menschlichen Natur mußte die beinahe unbegrenzte Macht, welche die gegenwärtige Einrichtung der Gesellschaft dem Manne über wenigstens ein menschliches Wesen gibt, und zwar über dasjenige, mit dem er zusammen wohnt, das er beständig um sich hat, mußte diese Macht, sage ich, alle, selbst die auf dem tiefsten Grunde seiner Seele schlummernden Keime der Selbstsucht erwecken und aufschießen lassen, ihm die Freiheit gewähren, diejenigen Seiten seines ursprünglichen Charakters zu entfalten, die er unter andern Bedingungen hätte unterdrücken und verbergen müssen und deren Unterdrückung ihm mit der Zeit zur zweiten Natur geworden wäre. Ich weiß sehr wohl, daß die Frage auch noch eine andere Seite hat. Ich gebe sehr gern zu, daß die Frau, wenn sie auch keinen offenen Widerstand zu leisten vermag, doch Wiedervergeltung üben und dem Manne das Leben unsäglich verbittern kann und auf diese Weise die Macht hat, vieles durchzusetzen, was sie will, und vieles zu hintertreiben, was sie nicht will. Diese Art der Selbstverteidigung hat jedoch den großen Fehler, daß sie meistens nur gegen die am allerwenigsten tyrannischen Oberhäupter und zugunsten der ihrer am wenigsten bedürftigen Untergebenen angewendet wird.

Es sind dies die Waffen eigensinniger und unverträglicher Frauen, solcher, die, wenn sie die Macht hätten, davon den übelsten Gebrauch machen würden, und die sie jedesmal zu einem bösen Zwecke in Bewegung setzen. Die liebenswürdigen, freundlichen Frauen können eine solche Waffe nicht gebrauchen, die hochgesinnten verachten sie. Von der andern Seite sind diejenigen Männer, gegen die sie am häufigsten und mit dem meisten Erfolge angewendet wird, die sanfteren und harmloseren, Männer, die, selbst wenn man sie provoziert, nicht zu einer rauhen Anwendung ihrer Autorität zu verleiten sind. Die Macht der Frau, unangenehm und unliebenswürdig zu sein, führt gewöhnlich nur eine Gegentyrannei ein und macht hauptsächlich solche Männer zu Opfern, die am wenigsten geneigt sind, den Tyrannen zu spielen.

Welche Einflüsse sind es denn nun aber, die die korrumpierenden Wirkungen der Macht wirklich mäßigen und sie neben einer solchen Summe des Guten, wie wir in der Tat sehen, bestehen lassen? Die weiblichen Reize, so groß ihr Einfluß in individuellen Fällen auch sein mag, haben doch im allgemeinen nur wenig Einwirkung auf die Situation im großen und ganzen, denn ihre Macht währt nur, solange die Frau jung und anziehend ist, oft auch nur, solange sie den Reiz der Neuheit für sich hat und nicht durch das Zusammenleben zur Alltäglichkeit geworden ist, und auf viele Männer haben sie zu keiner Zeit irgendeinen Einfluß. Die eigentlichen mildernden Elemente sind die mit der Zeit erwachsende persönliche Zärtlichkeit, die sich in dem Maße entwickelt, als der Charakter des Mannes derselben zugänglich und der Charakter der Frau dem seinigen hinlänglich sympathisch ist, um sie zu erregen; ferner ihr gemeinschaftliches Interesse an ihren Kindern, wie die Gemeinschaft ihrer Interessen dritten Personen gegenüber (wobei es indes sehr große Beschränkungen gibt), und außerdem die tatsächliche Wichtigkeit der Frau für sein tägliches Behagen und seine Annehmlichkeiten, sowie der Wert, den er ihr infolgedessen um seiner Person willen beimißt. Bei einem Manne, der überhaupt fähig ist, Gefühle für andere zu haben, wird letzteres die Grundlage, aus der sich die Liebe zu der Frau um ihrer selbst willen entwickelt. Endlich tritt dazu der Einfluß, den beinahe über alle menschlichen Wesen diejenigen gewinnen, welche am meisten um ihre Person sind und sowohl durch direkte Vorstellungen wie durch unmerkliche Mitteilung ihrer Gesinnungen und Ansichten, wenn ihnen nicht ein ebenso starker persönlicher Einfluß entgegengesetzt wird, häufig einen hohen und ebenso unvernünftigen Grad der Herrschaft über den Vorgesetzten gewinnen.

Durch diese verschiedenen Mittel erlangt die Frau zuweilen selbst einen zu großen Einfluß auf den Mann. Sie ist imstande, bestimmend auf sein Verhalten einzuwirken in Dingen, in welchen sie gar nicht qualifiziert sein mag, ihn zum Guten zu beeinflussen in Dingen, von denen sie vielleicht kein Verständnis hat, in denen sie moralisch nicht auf der rechten Seite steht und wo er besser nach seinen eigenen Eingebungen handeln würde.

Macht ist jedoch weder in Angelegenheiten der Familie noch in Angelegenheiten des Staates ein Ersatz für Freiheit. Die Frau erhält durch ihre Macht über den Mann oft das, worauf sie kein Recht hat, aber ihre eigenen Rechte werden ihr dadurch nicht gesichert. Die Favoritsklavin eines Sultans hat Sklavinnen unter sich, die sie tyrannisiert, das Wünschenswerteste wäre aber, sie besäße keine Sklavinnen und wäre selbst nicht eine solche. Eine Frau kann, wenn sie ihre Existenz ganz in die des Mannes aufgehen läßt, in allen gemeinschaftlichen Beziehungen keinen andern Willen hat als den seinigen (oder ihn wenigstens überredet, daß sie keinen andern Willen habe), und indem sie es zur Aufgabe ihres Lebens macht, seine Gesinnungen zu beeinflussen, sich vielleicht die Genugtuung verschaffen, auf sein Verhalten in äußern Dingen einzuwirken, selbst dann, wenn sie dieselben zu beurteilen gar nicht befähigt ist, sondern dabei wiederum von andern Personen oder von Vorurteil oder Parteilichkeit gänzlich beeinflußt wird. Demzufolge werden, wie die Dinge jetzt liegen, gerade diejenigen, welche sich gegen ihre Frauen am freundlichsten benehmen, durch dieselben in allen sich über die Familie hinaus erstreckenden Interessen öfter zum Bösen als zum Guten gelenkt. Man lehrt die Frau, sie habe sich nicht um Angelegenheiten, die außerhalb ihrer Sphäre liegen, zu bekümmern, sie hat deshalb selten eine redliche, gewissenhafte Ansicht darüber, und wenn sie sich in dieselben mischt, so tut sie dies selten in einer ehrenhaften Absicht, sondern hat gewöhnlich eigennützige Zwecke dabei. Sie weiß nicht und fragt auch nicht danach, auf welcher Seite in der Politik das Recht liege, aber sie weiß sehr genau, von welcher Geld oder Einladungen oder ein Titel für ihren Mann, eine Stellung für ihren Sohn oder eine gute Partie für ihre Tochter zu erwarten stehen.

Aber, wird man fragen, kann denn eine Gesellschaft ohne Regierung bestehen? In einer Familie, wie in einem Staate, muß doch einer der oberste Herrscher sein. Wer soll entscheiden, wenn Eheleute in ihren Meinungen voneinander abweichen? Sie können nicht jeder seinen Weg für sich gehen, also muß es doch eine Instanz geben, die bestimmt, wer sich dem andern zu fügen habe.

Dieser Einwurf ist insofern nicht zutreffend, als nicht in allen Verbindungen, welche Menschen freiwillig miteinander eingehen, einer von ihnen absolut der Herr sein muß und noch weniger das Gesetz zu bestimmen hat, welcher von ihnen es sein soll. Die nächst der Ehe am häufigsten vorkommende freiwillige Verbindung ist Geschäftsteilhaberschaft, und man findet es in keinem solchen Falle für notwendig, einem der Teilhaber die ganze Leitung des Geschäftes zu übertragen und dem andern die Verpflichtung aufzuerlegen, seinen Befehlen zu gehorchen. Niemand würde in ein Verhältnis eintreten, das ihm die ganze Verantwortlichkeit des Prinzipals auferlegte und ihm nur die Macht und die Privilegien eines Kommis oder Agenten gewährte. Verführe das Gesetz bei allen Kontrakten nach denselben Grundsätzen wie bei dem Ehekontrakt, so würde es verordnen, daß ein Teilhaber das ganze Geschäft verwaltete, als ob es seine Privatangelegenheit sei, während der andere nur im Auftrage des erstem zu handeln befugt wäre, und diese ungleiche Teilung von einer allgemeinen Vorausbestimmung des Gesetzes abhängig machen, also z.B. die Macht dem Ältesten übertragen. Das Gesetz denkt an dergleichen nicht, und die Erfahrung lehrt, daß nicht die geringste Notwendigkeit für eine theoretische Ungleichheit der Macht zwischen den Geschäftsteilhabern vorhanden ist, oder daß die Teilhaberschaft noch anderer Bedingungen bedürfe, als die Beteiligten selbst in dem von ihnen eingegangenen Vertrage festzustellen für gut finden. Und doch wäre in diesem Falle die Erteilung der exklusiven Gewalt an den einen vielleicht mit weniger Gefahren für den Untergeordneten verbunden als bei der Ehe, da ihm die Freiheit bleibt, durch den Rücktritt von dem Geschäfte die Herrschaft von sich abzuschütteln. Die Frau hat diese Macht nicht, und selbst wenn sie solche hat, ist es doch wünschenswert, alle andern Maßregeln zu versuchen, ehe zu dieser gegriffen wird.

Es ist sehr richtig, daß in Dingen, die jeden Tag entschieden werden müssen, die nicht nach und nach beigelegt werden oder auf einen Kompromiß warten können, eine Person die erste, den Ausschlag gebende Stimme haben muß. Es folgt daraus jedoch keineswegs, daß dies immer dieselbe Person sein muß. Die natürlichste Einrichtung ist eine Teilung der Gewalt zwischen beiden, so daß jeder absolut in seinem Departement wäre und jede Veränderung im System und den Grundlagen der Zustimmung beider bedürfte. Eine derartige Teilung kann nicht und dürfte auch nicht vom Gesetze vorher bestimmt werden, da sie sehr von individuellen Fähigkeiten und von der Zweckmäßigkeit in jedem einzelnen Falle abhängen wird. Erscheint es den beiden Personen angemessen, so können sie ja Bestimmungen darüber in den Ehekontrakt aufnehmen, ebensogut, wie man darin jetzt so oft pekuniäre Arrangements trifft. Es dürfte sehr selten vorkommen, daß Dinge in der Ehe nicht durch die Zustimmung beider Teile zu erledigen wären, oder das Verhältnis der Ehegatten müßte eins jener trostlosen sein, wo alles zum Gegenstande des Streites und Haders wird. Der Teilung der Rechte würde notwendigerweise die Teilung der Pflichten und Funktionen folgen, und diese hat man in der Tat durch gegenseitige Einwilligung schon vorgenommen, nicht durch das Gesetz, sondern durch das allgemeine Herkommen, das nach dem Gefallen der dabei beteiligten Personen Veränderungen unterliegen kann.

Welcher Art der Entscheidung in den gemeinschaftlichen Angelegenheiten auch die gesetzliche Autorität verliehen werden möchte, in der praktischen Wirklichkeit wird sie doch immer, wie dies auch jetzt der Fall ist, am meisten von den beziehlichen Fähigkeiten abhängen. Schon der einfache Umstand, daß der Mann gewöhnlich der ältere ist, wird ihm in den meisten Fällen das Übergewicht geben, wenigstens so lange, bis beide ein Lebensalter erreicht haben, in dem der Unterschied der Jahre nicht mehr von Bedeutung ist. Ebenso wird ganz naturgemäß eine gewichtigere Stimme auf der Seite, sei es welche es wolle, sein, von welcher die Existenzmittel herkommen. Ungleichheit, die aus dieser Quelle stammt, hängt nicht vom Ehekontrakte ab, sondern von den allgemeinen Bedingungen der Gesellschaft, wie sie heute konstituiert ist. Von großem Gewichte wird selbstverständlich auch der Einfluß der geistigen Überlegenheit im allgemeinen wie in speziellen Fällen und ebenso die größere Entschiedenheit des Charakters sein. Es ist dies ja jetzt schon überall so. Und dieser Umstand beweist schon, wie hinfällig die Annahme ist, die Macht und Verantwortlichkeit könne zwischen Gefährten für das Leben nicht ebensogut wie zwischen Gefährten für ein Geschäft durch ein zwischen ihnen vereinbartes Übereinkommen geteilt werden. Tatsächlich vereinbart man sie ja so in allen Fällen, wo die Ehe nicht als ein leidiges Mißverhältnis zu betrachten ist. Eine Ehe, in welcher die zu treffenden Maßregeln nicht anders zur Ausführung kommen als durch strikte Gewalt von der einen und Gehorsam von der andern Seite, ist eine so unglückliche, daß es für beide Teile ein Segen wäre, von ihr erlöst zu werden. Man möchte vielleicht den Einwand erheben, das Bewußtsein der im Rückhalt befindlichen gesetzlichen Macht sei es eben, was ein freundschaftliches Übereinkommen bei Meinungsverschiedenheiten ermögliche, wie Leute sich einem schiedsrichterlichen Ausspruch fügen, weil sie wissen, daß im Hintergrund ein Gerichtshof ist, der Gehorsam von ihnen erzwingen kann. Wollen wir jedoch die beiden Fälle einander ganz parallel machen, so müssen wir auch annehmen, der im Hintergrund befindliche Gerichtshof sei nur da, um immer derselben Seite, sagen wir dem Verklagten, recht zu geben, nicht um die Sache zu untersuchen. Wäre dem so, dann würde die Rücksicht darauf den Kläger allerdings zur Annahme jedes schiedsrichterlichen Spruches bestimmen; ganz das Gegenteil dürfte aber bei dem Verklagten der Fall sein. Die durch das Gesetz dem Manne verliehene despotische Macht wird für die Frau allerdings ein Grund werden, jedem Kompromiß, durch welchen die Macht praktisch zwischen beiden geteilt wird, zuzustimmen; für den Mann kann aber daraus nimmermehr ein Anlaß dafür erwachsen. Der Umstand, daß unter anständigen, gebildeten Leuten praktisch schon solch ein Kompromiß stattgefunden hat, obgleich wenigstens der eine Teil weder unter einer moralischen noch physischen Notwendigkeit, darauf einzugehen, sich befand, zeigt wiederum, daß die natürlichen Motive, welche zu einem beiden Ehegatten gleich annehmbar erscheinenden Ausgleich führen, mit Ausnahme von sehr ungünstigen Fällen, im ganzen vorherrschend sind. Die Angelegenheit wird dadurch wahrlich nicht verbessert, wenn man es als eine gesetzliche Bestimmung feststellt, daß der Bau eines freien Gouvernements eine legale Basis des Despotismus auf der einen, der Unterwerfung auf der andern haben soll, und daß jedes Zugeständnis, welches zu machen dem Despoten vielleicht beliebt, nach seinem Gefallen und ohne jede Aufkündigung zurückgenommen werden kann. Eine Freiheit, die man in so prekärer Weise zum Lehen hat, taugt nicht viel, ihre Bedingungen können kaum die billigsten sein, sobald das Gesetz ein so großes Gewicht in die eine Waagschale wirft. Der Ausgleich zwischen zwei Personen, von denen die eine als die zu allem berechtigte erklärt wird, während man der andern kein Recht zugesteht als das, welches ihr durch den guten Willen der ersten, aber unter der strengsten moralischen und religiösen Verpflichtung, sich auch gegen die äußerste Bedrückung nicht aufzulehnen, gewährt wird, ist kaum als ein solcher zu betrachten.

Ein hartnäckiger, bis zum Äußersten getriebener Widersacher könnte nun noch sagen, Ehemänner wären in der Tat willig, ihren Lebensgefährtinnen billige Zugeständnisse zu machen, ohne dazu gezwungen zu sein, Frauen dagegen nicht. Diese würden, sobald man ihnen gewisse Rechte als ihnen zuständig einräumte, kein Recht für einen andern mehr anerkennen und nie in irgendeiner Hinsicht nachgeben, wenn sie nicht durch die Autorität des Mannes gezwungen würden, sich in jeder Hinsicht zu fügen. Einige Generationen früher, als Satiren auf Frauen an der Tagesordnung waren und Männer es für geistreich hielten, Frauen zu insultieren, weil sie das waren, wozu die Männer sie gemacht hatten, würde diese Behauptung wohl von vielen aufgestellt worden sein. Gegenwärtig wird es jedoch kein Mensch mehr sagen, der einer ernsthaften Antwort überhaupt wert ist. Die Jetztzeit lehrt nicht mehr, daß die Frauen guten Gefühlen und Rücksichten für diejenigen, mit denen sie durch die engsten Bande verbunden sind, sich weniger zugänglich zeigten als die Männer. Im Gegenteil, wir bekommen fortwährend zu hören, Frauen wären besser als Männer, und zwar von solchen, welche hartnäckig dagegen sind, sie so zu behandeln, als ob sie gut wären. Das Gerede wird dadurch in der Tat langweilig und hat anscheinend keinen andern Zweck, als eine Injurie in das Gewand einer Schmeichelei zu kleiden, ähnlich den feierlichen Akten königlicher Gnade, welche, wie Gulliver erzählt, der König der Liliputaner immer seinen blutigsten Dekreten voransetzte. Wenn Frauen in irgendeiner Hinsicht besser sind als Männer, so sind sie dies gewiß in ihrer persönlichen Aufopferung für die Glieder ihrer Familie. Ich lege darauf jedoch wenig Gewicht, solange man ihnen allgemein predigt, daß sie zur Aufopferung geboren und geschaffen seien. Ich glaube, die Gleichheit der Rechte würde die Übertreibungen der Selbstverleugnung, welche gegenwärtig das künstliche Ideal des Frauencharakters ist, auf ihr richtiges Maß zurückführen, und eine gute Frau würde nicht selbstverleugnender sein als ein guter Mann; dagegen bin ich überzeugt, die Männer würden weniger Selbstsucht und mehr Selbstverleugnung besitzen, als sie jetzt im allgemeinen haben, weil man sie nicht länger lehrte, ihren eigenen Willen als etwas so Erhabenes zu verehren, daß er einem andern vernünftigen Wesen als unumstößliches Gesetz zu gelten hat. Nichts lernen die Männer schneller als diese Selbstvergötterung, zu welcher alle bevorrechteten Personen und bevorrechteten Kasten nur gar zu leicht gelangen. Je tiefer wir die Stufenleiter der Menschheit hinabsteigen, desto intensiver wird sie, und am meisten bei denen, welche über niemand stehen und auch nicht erwarten dürfen, jemals über irgend jemand erhoben zu werden, als über ein armes Weib und Kinder. Die ehrenvollen Ausnahmen sind in diesem Falle geringer als bei irgendeiner andern menschlichen Schwäche. Philosophie und Religion sind, statt diesen Fehler zu bekämpfen, im Gegenteil im allgemeinen geneigt, ihn zu verteidigen, und nichts hält ihn in Schranken als das praktische Gefühl der Gleichheit aller Menschen, das zwar die Theorie des Christentums ist, das aber das Christentum niemals praktisch lehren wird, solange es Institutionen sanktioniert, die auf der willkürlichen Bevorzugung eines menschlichen Wesens gegen das andere begründet sind.

Ohne Zweifel gibt es Frauen, so gut wie es Männer gibt, denen mit einer gleichen Berücksichtigung kein Genüge geschieht, mit denen es keinen Frieden gibt, solange noch irgendein Wunsch oder Wille außer ihrem eigenen in Betracht kommt. Solche Personen sind ein geeigneter Gegenstand für das Scheidungsgesetz. Sie sind nur für das Alleinleben geschaffen, und kein menschliches Wesen sollte gezwungen sein, mit dem ihrigen sein Leben zu verbinden. Die gesetzliche Hörigkeit dient jedoch weit eher dazu, solche Charaktere unter den Frauen häufiger als seltener zu machen. Bedient sich der Mann seiner vollen Gewalt, so ist die Frau natürlich niedergehalten; wird sie dagegen nachsichtig behandelt, gestattet man ihr, sich selbst der Gewalt zu bemächtigen, so gibt es kein Gesetz, ihren Übergriffen Schranken zu ziehen. Indem das Gesetz ihr keine Rechte zumißt und theoretisch ihr gar keine erlaubt, erklärt es praktisch, das Maß dessen, was sie zu tun ein Recht habe, richte sich nach dem, was sie zu tun vermag.

Die Gleichheit der Eheleute vor dem Gesetz ist nicht allein die einzige Art, dieses Verhältnis nach beiden Seiten mit der Gerechtigkeit in Übereinstimmung zu bringen und zu einer Quelle wahren Glückes für beide Teile zu machen, sondern auch das einzige Mittel, das tägliche Leben der Menschheit im höheren Sinne des Wortes zu einer Schule moralischer Veredlung zu gestalten. Mag diese Wahrheit auch noch von mehr als einer Generation, die nach uns kommt, nicht gefühlt oder nicht allgemein anerkannt werden, es bleibt doch dabei: die einzige Schule einer edleren moralischen Gesinnung ist der Verkehr zwischen Gleichstehenden. Die moralische Erziehung des Menschengeschlechtes ging bis vor kurzem hauptsächlich von dem Gesetze der Gewalt aus und ist beinahe einzig den Beziehungen angepaßt, welche aus der Gewalt erwachsen. Auf den niedrigsten Stufen der Kultur erkennen die Menschen in der Gesellschaft Beziehungen zu ihnen Gleichstehenden nur sehr schwer an. Ein Gleichstehender ist soviel wie ein Feind. Die Gesellschaft von ihrem höchsten bis zu ihrem niedrigsten Platze ist eine lange Kette oder besser eine Leiter, auf welcher jedes Individuum entweder über oder unter seinem nächsten Nachbar steht und gehorchen muß, falls es nicht befiehlt.

Die existierende Sittenlehre ist demzufolge vornehmlich geeignet für die Beziehungen zwischen Befehlenden und Gehorchenden. Da aber Befehlen und Gehorchen nichts als unglückliche Notwendigkeiten des menschlichen Lebens sind, so ist Gleichheit sein Normalzustand. Schon werden im modernen Leben, je weiter es in seiner Vervollkommnung fortschreitet, Befehlen und Gehorchen mehr und mehr zu Ausnahmefällen und Verbindung unter Gleichstehenden zur allgemeinen Regel. Das Sittengesetz der ersten Jahrhunderte beruhte auf der Verpflichtung, sich der Gewalt zu unterwerfen; das der folgenden Jahrhunderte auf dem Rechte, das die Schwachen auf die Nachsicht und den Schutz der Starken hatten. Wieviel längere Zeit braucht eine Form der Gesellschaft und des Lebens, um sich mit dem für eine andere Form der Gesellschaft und des Lebens gegebenen Sittengesetz abzufinden! Wir hatten die Moralität der Hörigkeit und die Moralität der Ritterlichkeit und der Großmut; jetzt ist die Zeit für die Moralität der Gerechtigkeit gekommen.

Sooft in früheren Jahrhunderten ein Schritt vorwärts zur gesellschaftlichen Gleichheit getan ward, verteidigte die Gerechtigkeit ihre Ansprüche aufgrund der Tugend. So war es in den freien Republiken des Altertums; aber selbst in den besten beschränkten sich die Gleichstehenden auf die freien männlichen Bürger; Sklaven, Frauen und die freigelassenen Einwohner standen unter dem Gesetze der Gewalt. Der vereinte Einfluß des Christentums und der römischen Zivilisation vertilgte diesen Unterschied und verkündete in der Theorie (wenn auch nur teilweise in der Praxis), daß die Rechte jedes menschlichen Wesens als solches allen andern vorangingen, die sich aus dem Geschlecht, der Klasse, der politischen Stellung herleiten ließen. Die nordischen Eroberungen richteten die Schranken, welche man niederzulegen begonnen hatte, wieder auf, und die ganze neuere Geschichte besteht in dem langsamen Prozeß, sie hinwegzuräumen.

Wir sind jetzt in einen Zustand der Dinge getreten, in dem die Gerechtigkeit wieder die erste aller Tugenden sein wird; ebenso wie früher auf Tugend, gleichzeitig aber auch auf teilnehmende Verbindungen sich gründend, wurzelt sie nicht länger im Instinkt der Gleichstehenden für den Selbstschutz, sondern in einer veredelten Sympathie zwischen ihnen, schließt niemand aus, sondern umfaßt alle in gleichem Maße. Es ist nichts Neues, daß die Menschheit die sich in ihr vollziehenden Veränderungen nicht deutlich vorhersieht und mit ihren Gesinnungen mehr der vergangenen als der kommenden Zeit angehört. Die Zukunft unseres Geschlechtes vorherzusehen, war immerdar das Privilegium der geistig Auserwählten oder derjenigen, die von ihnen gelernt hatten; die Gesinnungen der Zukunft zu haben, war aber stets die Auszeichnung und gewöhnlich auch das Märtyrertum Auserwählter noch seltener Art. Einrichtungen, Bücher, Erziehung und Gesellschaft, alles fährt fort, die Menschen noch für das Alte zu schulen, selbst wenn das Neue schon da, um wieviel mehr, wenn es nur erst im Kommen ist. Die wahre Tugend der Menschen besteht darin, daß sie geschickt sind, auf der Stufe der Gleichheit miteinander zu leben, nichts für sich selbst zu verlangen, als was sie willig auch jedem andern zugestehen; ferner darin, Herrschaft irgendwelcher Art als eine ausnahmsweise Notwendigkeit und in allen Fällen als etwas Zeitweiliges zu betrachten und, wenn irgend möglich, jedem andern Verkehr den Umgang mit solchen vorzuziehen, bei denen das Leiten und Folgen abwechselnd und gegenseitig sein kann. Das Leben, wie es jetzt eingerichtet ist, gibt aber nirgends Gelegenheit, sich durch Übung in dieser Tugend zu vervollkommnen. Die Familie ist eine Schule des Despotismus, in welcher alle Tugenden, aber auch alle Laster desselben die reichlichste Nahrung finden. Das Bürgertum in freien Staaten ist zum Teil die Schule der Gesellschaft in der Gleichheit; allein in unserem modernen Leben nimmt das Bürgertum nur einen kleinen Platz ein und berührt die täglichen Gewohnheiten oder innersten Empfindungen wenig oder gar nicht. Wäre die Familie in richtiger und gerechter Weise konstituiert, so würde sie eine Schule aller Tugenden der Freiheit sein, wie sie eine solche ganz gewiß für alle anderen Dinge ist. Die Familie wird stets eine Schule der Herrschaft für die Eltern, des Gehorsams für die Kinder sein; was aber not tut, ist, daß sie eine Schule der Sympathie in der Gleichheit, eines Zusammenlebens in Liebe, ohne Gewalt von der einen, ohne Gehorsam von der andern Seite werde, und zwar durch das Verhältnis der Eltern zueinander. Nur so kann sie zu einer Übung in allen den Tugenden werden, deren jeder bedarf, um für alle anderen Verbindungen geeignet zu sein, nur in diesem Sinne vermag sie den Kindern als Muster zu dienen für die Gesinnungen und das Betragen, welche die Erziehung vermittels des Gehorsams ihnen zur Gewohnheit und damit zur Natur zu machen bezweckt. Die sittliche Erziehung des Menschengeschlechtes wird niemals mit den Bedingungen des Lebens, für das alle andern menschlichen Fortschritte eine Vorbereitung sind, in Einklang gebracht werden, solange man nicht in der Familie dasselbe Gesetz der Moral übt, das der normalen Konstitution der menschlichen Gesellschaft entspricht. In einem Manne, der nur mit solchen in den nächsten und innigsten Beziehungen steht, deren absoluter Gebieter er ist, kann nicht jene erhabene Liebe zur Freiheit, die das Christentum lehrt, wohnen, sondern nur jene Freiheitsliebe des Altertums oder Mittelalters, bestehend aus einem sehr intensiven Gefühl der Würde und Wichtigkeit seiner eigenen Person, vermöge welcher er für sich selbst jedes Joch verachtet, eigentlich aber durchaus keinen Abscheu dagegen hat und stets bereit ist, es zum Zwecke seines eigenen Vorteils und seiner eigenen Verherrlichung andern im ausgedehntesten Maße aufzuerlegen. Ich gebe bereitwillig zu und gründe darauf sogar meine Hoffnungen, daß selbst unter dem gegenwärtigen Gesetz eine große Menge von Familien (von den höheren Klassen Englands wahrscheinlich die große Mehrzahl) im Sinne eines gerechten Gesetzes der Gleichheit leben. Die Gesetze würden niemals eine Verwässerung erfahren, wenn es nicht zu allen Zeiten Leute gäbe, deren moralische Gesinnungen besser sind als das bestehende Gesetz. Diese Personen sollten die hier befürworteten Grundsätze unterstützen, deren einziger Zweck ja nur ist, alle anderen Ehepaare zu dem zu machen, was sie bereits sind. Aber selbst Leute von ganz bedeutendem sittlichen Werte sind, wenn sie nicht zugleich auch Denker sind, sehr geneigt zu glauben, daß Gesetze und Einrichtungen, deren Nachteile sie nicht durch persönliche Erfahrungen kennengelernt haben, nicht allein nicht schädlich sind, sondern, besonders, wenn sie anscheinend allgemein gebilligt werden, wahrscheinlich Gutes stiften, und daß es daher unrecht sei, ihnen entgegenzutreten. Dergleichen Ehepaare befinden sich indes in einem großen Irrtume, wenn sie meinen, weil ihnen kaum alle Jahre einmal die legalen Bedingungen des sie vereinenden Bandes ins Gedächtnis kommen, weil sie in jeder Hinsicht sich einander völlig ebenbürtig fühlen und so miteinander leben, so müsse es ebenso sein bei allen andern Ehepaaren, wo der Mann nicht ein notorischer Schurke ist. Eine derartige Voraussetzung gäbe Zeugnis von einer großen Unkenntnis der menschlichen Natur und des menschlichen Charakters. Je weniger geeignet ein Mensch für den Besitz der Macht ist, je weniger wahrscheinlich es ist, daß jemand ihm freiwillig irgendwelche Macht über sich einräumen würde – um desto mehr liebäugelt er mit der Macht, die ihm das Gesetz zuspricht, besteht er auf seinen gesetzlichen Rechten bis zu dem äußersten Punkte, den der Gebrauch (und zwar der Gebrauch seinesgleichen) duldet, und hat ein Vergnügen an der Ausübung seiner Macht lediglich deshalb, weil er dadurch das angenehme Gefühl ihres Besitzes in sich immer wieder lebendig macht.

Noch mehr; bei dem von Natur am rohesten und moralisch am wenigsten erzogenen Teile der untersten Klassen ruft die gesetzliche Sklaverei der Frau und gewissermaßen auch schon der Umstand, daß dieselbe physisch seinem Willen als Werkzeug unterworfen ist, ein solches Gefühl der Geringschätzung und Verachtung des Mannes gegen die eigene Frau hervor, wie er gegen keine andere Frau und überhaupt keinen andern Menschen, mit dem er in Berührung kommt, empfindet und vermöge dessen er sie für einen geeigneten Ableiter für alle seine Launen und Roheiten hält. Ich ersuche jeden genauen Beobachter von Gefühlsäußerungen, der die dazu erforderliche Gelegenheit hat, sich durch eigene Anschauung zu überzeugen, ob die Sache sich nicht so verhält, und wenn er sie bestätigt gefunden hat, so wolle er sich nicht mehr wundern über die hohe Summe des Unwillens und Abscheus, die Institutionen zu erregen vermögen, welche das menschliche Herz naturgemäß zu einem solchen Zustande der Entartung führen müssen.

Man wird uns wahrscheinlich noch die Lehren der Religion entgegenhalten, welche auch die Pflicht der Frauen, ihren Männern Gehorsam zu leisten, stark betonen, wie ja jede bestehende Einrichtung, die zu schlecht ist, um irgendeine andere Verteidigung zuzulassen, uns stets als ein Gebot der Religion hingestellt wird. Im Ritual der Kirche befindet es sich allerdings, schwer sollte es aber sein, irgendein solches Gebot aus dem Christentum herzuleiten. Man wirft uns ein, Paulus habe gesagt: »Ihr Weiber seid gehorsam euren Ehemännern«; aber er hat auch gesagt: »Ihr Sklaven seid gehorsam euren Herren.« Des Apostels Zweck und Aufgabe war die Ausbreitung des Christentums, und um diese zu fördern, mußte er sich wohl hüten, aufrührerische Gesinnungen gegen die bestehenden Gesetze zu verbreiten.

Wenn Paulus die sozialen Einrichtungen so annahm, wie er sie vorfand, so darf dies ebensowenig als eine Mißbilligung der Versuche, sie zu geeigneter Zeit zu verbessern, gedeutet werden, wie seine Erklärung über »die von Gott eingesetzte Obrigkeit« den Militär-Despotismus als einzige christliche Form einer politischen Regierung sanktioniert und passiven Gehorsam gegen denselben befiehlt. Mit der Behauptung, das Christentum sei bestimmt gewesen, die bestehenden Formen der Regierung und Gesellschaft stereotyp zu machen und gegen jede Veränderung zu schützen, drückte man es auf den Standpunkt des Islam oder Brahmaismus hinab. Eben weil das Christentum dergleichen nicht getan hat, ist es die Religion des fortschreitenden Teiles der Menschheit, während Islam, Brahmaismus usw. die des stehenbleibenden oder vielmehr, da ein wirkliches Stehenbleiben in der Gesellschaft nicht möglich ist, die des zurückgehenden Teiles sind. In jedem Zeitalter des Christentums hat es Leute in Menge gegeben, die versucht haben, etwas Ähnliches daraus zu machen, uns in eine Art christlicher Muselmänner, deren Koran die Bibel ist, umzuwandeln und jeden Fortschritt zu verhindern; ihre Macht ist groß gewesen, und viele, die ihnen Widerstand leisteten, haben dafür ihr Leben zum Opfer bringen müssen. Aber es ist ihnen Widerstand geleistet worden, und dieser Widerstand hat uns zu dem gemacht, was wir sind, und wird uns noch zu dem machen, was wir sein sollen.

Nach allem, was über die Pflicht des Gehorsams gesagt ist, erscheint es beinahe überflüssig, noch etwas über einen in dem allgemeineren Punkte enthaltenen spezielleren Punkt zu erwähnen, nämlich über das Recht einer Frau auf ihr Eigentum, denn ich habe ohnehin nicht die Hoffnung, daß diese Abhandlung irgendeinen Eindruck auf diejenigen machen werde, welche erst noch überzeugt werden müssen, daß einer Frau ihr ererbtes oder erworbenes Vermögen ebensogut nach der Heirat wie vor derselben gehören sollte. Die Regel ist sehr einfach: Was Eigentum der Frau oder des Mannes sein würde, wenn sie nicht verheiratet wären, sollte auch in der Ehe unter ihrer ausschließlichen Verfügung bleiben, ohne damit dem Rechte, Vermögen als Leibgedinge festzustellen, um es den Kindern zu sichern, Eintrag zu tun. Die Idee, daß Eheleute in Geldangelegenheiten getrennte Interessen haben sollen, verletzt viele Leute, weil sie ihnen unvereinbar mit dem Ideal der Vereinigung zweier Leben zu einem einzigen dünkt. Was mich anbetrifft, so bin ich einer der lebhaftesten Verteidiger der Gütergemeinschaft, vorausgesetzt, dieselbe sei das Resultat einer vollständigen Übereinstimmung der Besitzer in den Gefühlen, welche alle Dinge zwischen ihnen gemeinsam machen. Ich kann jedoch einer Gütergemeinschaft keinen Geschmack abgewinnen, die auf dem Satze beruht: Was dein ist, ist mein, aber was mein ist, ist nicht dein! Wäre ich auch diejenige Person, welcher dabei der Vorteil zufiele, ich würde es doch ablehnen, ein derartiges Übereinkommen mit jemand zu schließen.

Dieser besonderen gegen die Frauen geübten Bedrückung, welche schon bei einer oberflächlicheren Beschäftigung mit dem Gegenstande als eine Ungerechtigkeit hervortritt, könnte man abhelfen, ohne an den andern Mißbräuchen zu rütteln, und hier wird auch ohne Zweifel zuerst Abhilfe geschaffen werden. Bereits sind in die geschriebenen Konstitutionen mehrerer der alten Staaten der Amerikanischen Konföderation Paragraphen aufgenommen worden, welche den Frauen in dieser Hinsicht gleiche Rechte sichern. Dadurch ist denn die materielle Stellung der Ehefrauen, wenigstens der begüterten, eine viel günstigere geworden; blieb ihnen doch ein Instrument der Macht. Außerdem wird dadurch auch jenem schmachvollen Mißbrauch der Ehegesetze vorgebeugt, dessen sich Männer schuldig machen, welche Mädchen in listiger Weise zu einer Heirat ohne besondere Sicherstellung ihres Vermögens verlocken, in der einzigen Absicht, sich des Geldes zu bemächtigen. Wird der Unterhalt einer Familie nicht durch die Zinsen des Vermögens, sondern durch den Ertrag der Arbeit bestritten, so scheint mir im allgemeinen die richtigste Teilung der Arbeit zwischen den beiden Personen die gewöhnliche Einrichtung zu sein, vermöge welcher der Mann erwirbt und die Frau den Haushalt führt. Unterzieht sich die Frau neben dem physischen Leiden des Gebärens der Kinder und der ganzen Verantwortlichkeit ihrer Pflege und Erziehung in den ersten Jahren noch zum allgemeinen Behagen der Familie der gewissenhaften und sparsamen Verwaltung dessen, was der Mann erwirbt, so übernimmt sie nicht allein ihren redlichen, sondern gewöhnlich den ungleich größeren Teil der körperlichen und geistigen Anstrengungen, welche ihre gemeinschaftliche Existenz erfordert.

Nimmt sie von dem andern Teile der Pflichten auch etwas auf sich, so befreit sie das selten von dem ihr zufallenden, sondern verhindert sie nur, ihm in geeigneter Weise gerecht zu werden. Die Sorge für den Haushalt und die Kinder übernimmt, wenn sie dazu selbst außerstande ist, niemand; die Kinder, welche nicht sterben, wachsen auf, so gut sie eben können, und die Führung der Wirtschaft geht so schlecht, daß dadurch schon in ökonomischer Beziehung ein großer Teil vom Gewinne der Frau wieder verloren wird. Mir scheint es daher bei einem anderweitig gerechten Zustande der Dinge kein wünschenswerter Gebrauch, daß die Frau durch ihre Arbeit zum Einkommen der Familie beitrage. Bei ungerechten Verhältnissen mag dergleichen ganz vorteilhaft für sie sein, indem es ihr einen höheren Wert in den Augen des Mannes gibt, der gesetzlich ihr Herr ist; von der andern Seite ermöglicht es ihm freilich auch, seine Macht in noch ausgedehnterem Maße zu mißbrauchen, indem er sie zwingt, zu arbeiten und durch den Ertrag ihrer Anstrengungen die Familie zu erhalten, während er die meiste Zeit in Trunkenheit und Trägheit zubringt. Die Fähigkeit des Erwerbens ist für die Würde einer Frau, wenn sie kein unabhängiges Vermögen hat, sehr wesentlich. Wäre aber die Ehe ein für beide Teile gleicher Kontrakt, der nicht dem einen die Herrschaft über den andern einräumte, würde die Verbindung nicht, auch gegen den augenscheinlich unterdrückten Teil, zwangsweise aufrechterhalten; sondern könnte vielmehr jede Frau, die moralisch dazu berechtigt ist, unter gerechten Bedingungen eine Trennung (ich spreche jetzt nicht von der Scheidung) ihrer Ehe erlangen und stünde ihr alsdann das Feld ehrenhafter Tätigkeit so ungehindert offen wie den Männern, es würde für ihren Schutz nicht nötig sein, daß sie, solange sie in der Ehe lebt, noch einen besonderen Gebrauch von ihren Kenntnissen und Fähigkeiten machte.

Wie sich ein Mann für irgendeine Wissenschaft oder ein Gewerbe als seinen Lebensberuf entscheidet, so sollte man im allgemeinen annehmen, daß eine Frau, indem sie heiratet, die Führung der Wirtschaft und die Pflege und Erziehung einer Familie für so viele Jahre ihres Lebens, als zu diesem Zwecke erforderlich sind, zu ihrer vornehmsten Lebensaufgabe mache, und daß sie zwar nicht allen andern Bestrebungen und Beschäftigungen entsage, wohl aber solchen, welche sich mit der Erfüllung jener nicht vertragen.

Dem größeren Teile der verheirateten Frauen wäre es nach diesem Prinzip praktisch verwehrt, in einer gewohnheitsmäßigen, systematischen Weise Beschäftigungen obzuliegen, die nicht im Hause verrichtet werden können. In der Anwendung allgemeiner Regeln auf individuelle Bedürfnisse muß indes selbstverständlich der größte Spielraum gelassen werden, und Fähigkeiten, die in ganz besonderer Weise für die Ausübung einer Tätigkeit geeignet sind, sollten derselben auch durch die Heirat nicht absolut entzogen werden müssen. In diesem Falle ließen sich ja Anordnungen treffen, durch welche der dadurch unvermeidliche Ausfall in der Erfüllung ihrer vollen Pflichten als Hausfrau ergänzt würde. Diese Dinge könnten, sobald nur erst die allgemeine Meinung über den Gegenstand richtig gelenkt sein wird, unbedenklich auch der individuellen Meinung als eine Sache, die sie zu regeln hat, überlassen bleiben und bedürften nicht der Einmischung der Gesetze.


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