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III

 

53

Plejaden-Gott: du legtest dich zur Ruhe
mitten in die Glut deiner geliebten Gestirne.
Während du schläfst, drängen sich die Welt-Geister
um dein Lager, sie bestaunen dich,
schütten noch die Gluten fernerer Sonnen
über dich aus, dich zu glückseligen.

Derweilen wandre ich auf der grünen Erde.
Ich sammle die Blumen und die sanften Schilfe
an Wasserfällen und an stillen Weihern.
Jungfrauen stehen hoch auf Felsen,
lächeln herab, und segnen,
da mir Müdigkeit hellschäumenden Frühlings
hold, hold die Lider schließt.

Und wir Beide träumen voneinander.
Aus deinem Traum reckst du Hände
hin nach dem grünen Blattwerk meiner Erde:
möchtest die Wasser schöpfen, möchtest die Moose sammeln,
möchtest Nebelwölkchen umarmen.
Die Schmetterlinge!
Die schwankenden Baumwipfel!! – –

Ich sitze schlafend unter einer Buche.
An mein Herz pressen meine Hände
einen Strauß der bunten Passifloren;
bis sie plötzlich von der Erde sich lösen.
Du Leuchtend-Ferner beugst dich über mich.
Es wird aber jetzt die Seele von deinen Blicken
ganz durchstirnt, ganz durchgefunkelt,
sie ist Flammen-Trägerin der Geister,
und verflicht sich in das Haar des Morgensterns.

Wunderbar vermählt sich alles Welt-All:
Der Plejaden-Gott und der Held der Erde.

 

54

Hier im Thal der Thale,
hier im Hain der Haine,
unter kühlen Eichen, Ahornbäumen:
Alter Vater, steht dein Grab.

Vater aller Menschen,
Vater vieler Völker:
Sommer ist, es glüht die Zeit der Rosen,
herrlich schlägt die Nachtigall.

Hier bei dir zu lagern
mit Gesang und Tänzen,
kommen wir aus ruhelosen Landen.
Festlich nimmt uns an dein Grab.

Pauke tönt und Geige
vor den Wander-Zelten.
Frauen drehen sich im Anmut-Reigen,
Kinder, Greise, um dein Grab.

Ist ein kurzes Rasten
und ein schnell Verschwinden.
Nach uns eine Herde wilder Rosse
weidet dann an deinem Grab.

Du wirst weiter leben,
wenn wir alle gingen.
Unter alten Eichen, Ahornbäumen
sommer-glüht und -blüht dein Grab.

 

55

Wegen des Schattens und Duftens dieser Haine.
Wegen der Quelle, die hier fröhlich springt.
Wegen dieser Myrten, dieser Eichen:
Möchte ich leben, möcht' ich leben.

Wegen der Herde werdend in diesem Thale.
Wegen der Jungfrau, die hier sitzt und sinnt.
Wegen dieser Wolke weiß im Blauen:
Möchte ich leben, möcht' ich leben.

Wegen des Pilgers hier auf diesem Pfade.
Wegen der Fische in diesem klaren See.
Wegen des Zitterlaubes auf diesen Büschen,
und wegen des Abend-Regens, der jetzt säuselt:
Möchte ich leben, möcht' ich noch leben.

 

56

Alles ist hier.
Hier sind Berge, sind ziehende Wolken.
Viele Seen, weite Frucht-Ebenen.

Alles ist hier.
Wälder, Wald-Wiesen, liebliche Weiden.
Thäler voll Vogelsang.

Und hier steht mein Zelt:
Bei einem klaren Brunnen
rein erbaut aus Element:
Aus Äther, Meer, aus Licht;
aus Geist des Menschen.
Da wehen die Winde.
Veilchen und Tulpen beblühen seinen Strand.

Drinnen sitze ich nachts.
Dann ruht die Mond-Sichel
silbernfromm auf meiner Schulter.
Bei mir sitzt die himmlische Tänzerin.
Vollendet ist die Zeit in meinem Herzen.
Draußen ist der Gesang aller Sänger der Welt.

 

57

Vor mir auf dem Halse des schreitenden Pferdes
ruht sich ein Zitronenfalter.
Ich sehe: er hebt, er senkt Flügel-Geäder.
Genuß der Welt: er ruht.

Schießende Schwalben!
Mein Leben geleiten rechts, links Jungfrauen-Birken.

Jetzt reiten wir ein in einen Eichenwald,
bewohnt von purpurblühenden Rhododendron.
Es springen mir entgegen zwei Kinder-Quellen.
Nachtigallen-Schlag. Gezwitscher der Finken.
Meine Krieger schmücken sich die Helme
mit Blüten-Sträußen. Manche finden auch Veilchen.
Einer hat am Wams Maiglöckchen.
Ich bedeute dunkelrote Anemonen.
Heitere Hörner. Gesang.

Immer bin ich ein Lauscher.
Einer, der horcht. Vielleicht Einer, der träumt – ? –

Hinter mir, auf weißem Zelter reitend,
folgt mir nach ein Weib: schwarz in Trauer.
Sie ist schön.
Ich höre in einem wunderbaren Traum
zarte, lichte, silberne Klingelglöckchen
an der Seide-Decke ihres Sattels läuten.
Immer bin ich ihr Lauscher.

Es verläßt der Zug die Waldumkränzungen.
Letzte Platane. Die letzte Silberpappel.
Ich reite längs der Brandung eines Meeres.
Ich reite durch das Brausen auf Gebirg-Höhen.
Ich reite durch Einöde. Ich reite durch Klippen-Landschaft.

Ich durchreite die alten Königreiche,
die wüste liegen; vorüber zertrümmerten Tempeln;
vorüber Felsentreppen; verfallenen Zisternen;
Lagern von Raubtieren.
Droben im Nebel Gesang der Kraniche.
Es jagen frei Rosse an den Horizonten.

Nachts beleuchten oftmals unsern Zug
brennende Städte, glutende Getreidefelder,
glutende Baumstümpfe, aufflammende Hütten.
Rechts und links in den züngelnden Glut-Winden
stehen viele Flucher; knieen Beter;
ringende Verdurstende und Sterbende;
lachende Wahnsinnige. Selbstmörder.
Trompeten-Geschmetter meiner Krieger!
Droben sind oft die guten, die ziehenden Wolken.
Und immer in den blauen Fernen beschließt unsern Zug
die Kette der ruhenden, glänzenden Eis-Gebirge.

Immer bin ich ein Lauscher:
als klängen die Sfären.
Ich lausche den zarten lichtsilbernen Klingelglöckchen
meiner traurigen Geliebten.
Mein Herz ist hold.
Mein Herz ist sanft und schön bewegt.
Die Reiche der Erde, die Meere, die Gestirne –
die Abend-Sterne, die Morgen-Sterne,
Ruhm und Ewigkeit,
All-Licht, All-Blume, aller Thau,
die Liebe,
der Mond:
Fließen vor mir zusammen in ein Auge.

Fließen zusammen in das strahlende,
das tränenfunkelnde Kristall-Auge
meiner traurigen Geliebten,
das zwischen wogenden Kriegerhelmen,
das zwischen Speeren ewig vor mir herzieht –:

Dem ich Glückseliger ewig nachziehe.

 

58

Aus dem Himmel sank ein Schleier
über das Haus.
Hüllte Dach, Thor,
Fenster, Wände.
Seine Säume treiben auf Wogen der brandenden Meere,
seine nachtgoldenen Quasten
haften im Geklipp, sie werden benagt
von den Haien.
Schiffe segeln ihm entlang,
zu erforschen das Geheimnis:
keines durchbricht diese Mauer.

Ich sitze im Haus. Am Tisch vor strahlenden Leuchtern.
Nie vorher hab' ich sie erblickt.
Ich habe sie nicht entzündet.
Sie sind Geschenke großer Mächte.

Ich höre draußen rufen:
»Es ist die Zeit, o Richter unserer Jahre,
auf den Höhen der Berge,
komm hervor zu den Lebendigen,
in den Duft unserer Linden,
dein harren ungethane Werke,
die Wahrheit will dein Wort,
die Schönheit dein Bild –«

– Gewaffnete harren mit gesattelten Rossen;
viel Volk, mit Trommeln und Trompeten –

Wie ist das weltenvoll: So hier zu sitzen!
Es lebend: wie ein Leuchter auslischt.
Derweil draußen Völker kämpfen in Sand-Wüsten,
und an Eis-Polen.
Die Sieger sind lange verstummt, deren Nachfahren tot.
Es wechselten die Geschlechter der Erde.
Ihre Heilande starben an den Kreuzen.
Die Liebe von Mann und Weib hat sich verändert:
umformten sich die Kristalle der Augen
und brechen anders das Licht.
Wohl ruhen noch Paare auf Wiesen im Frühling
unter babylonischen Weiden.
Aber die Wälder tragen anderes Laub,
unirdisch ist dieser Frühling,
wo sind die Drossel-Lieder,
wo sind die Veilchen, die lieblichen Primeln,
man sieht keine Lilien auf dem Felde,
wo sind die Tage am blendenden Ätna,
die Gluten ziehender Flamingos am Azur-Himmel,
die Mittag-Wolke über den Eis-Gipfeln von Zermatt.
In Schluchten lagern dunkel verpuppte Wesen,
die Tiere sind eins geworden mit den Pflanzen.

Ein zweiter Leuchter erlosch. –
Rufer, einst geeint mit meinem Namen,
fernten sich blind in hauchlose Räume.
Sais ist tot.
Jerusalem vergessen tot.
Der Knabe Hylas tot.
Sternbild Perseus zersunken tot.

Wieder ein Leuchter erloschen. –
Ums Haus sind die Anstürme ätherischer Meere,
Feuerflammen rauchender Länder,
ewiger Gewässer Überwogung.
Drin treibt ein Nachen, drin sitzt eine Sängerin.
Gestütztes Haupt; sie träumt von Aeon,
und singt meine Sage.
Da tropft Gold aus den Augen lauschender Dämonen
auf den Schleier über mir. –

*

Unbewegt horcht Stille.

*

Bis nach Erlöschung aller Leuchter
– nach Umdrehung finsterer Ewigkeiten –
wieder einmal einer sich entzündet.
Ein Morgen dämmert auf. Ein Traum hebt an.
Da singt ein Harfner,
ein Windhauch streift lebendig mein Gewand.
Neben mir öffnet purpurne Glocken
eine gigantische Blume.
Und junge Geist-Macht bebrandet die Gestade
meines erglühenden Lebens.

Auf einem Viergespann fährt ein junges Weib
nackt vorüber, und blickt durch die Scheiben.

Denn der Schleier ist verschwunden.
Die schöne Mutter in Sirius-Himmeln
blickt lächelnd nach dem Helden.
Sieht sein helles Haus:
davor hat der Welt-Geist drei Tannen gepflanzt.
Sieht ihn sitzen vor den verblaßten Leuchtern:
jung und sanft und zeugerisch.


Sie sieht eine Sonne sich schmiegen an sein Knie,
und Quellen entspringen zu seinen Füßen.

Oh Herz in ätherischer Blüte!
Um sein Auge versammelten sich die Geister,
sich drin zu schauen.

 

59

Und jetzt steigt vor mir die große Brücke.
Mein Roß stampft auf dem schallenden Basalt-Pflaster,
es will nicht weiter.
Ich halte und entzäume.
Befreit vom Funkelrubin vor deiner Stirn,
dem Goldgeplätte deiner Lenden:
laufe zur Wiese, zu deiner Heide,
zu Gras und Busch und Bach,
zu den Schwarzamseln,
zu den frischen kühlen Lüften,
zu der Quelle, unter die Schatten-Bäume,
davor die Mücken tanzen in der Sonne.

Brücke: Wer dich zeugte, war mein Vater.
Wer dich geboren hat, war meine Mutter.
Und ich habe, das Kind, in Urzeit-Tagen
droben auf deinem lichten Joch gespielt.

Morgens lächelnd, abends düster trauernd:
Brücke vor mir mit doppelten Türmen:
Steil schwebst du an, du hebst dich: in einen Himmel
über Abgrund Welten, die so tief sind,
daß nie ein Auge hinunter sah.
Drüben führt aus Strahlungen dein Gesenke
in Hoch-Zeiten, in Feste, in Tanz und Äther:
in die Glück-Hoffnungen, die unendlichen Zukünfte.

In den Pfeiler-Nischen sitzen Sängerinnen;
Ton-Gewaltige, die singen die Macht;
und die Sage der Gestirne.
Alles schwingt in Hall und Schall.
Einschläfernd! Daß mich Schlaf überwältigt –
mich steinern anlehnt an die Stein-Brücke.

*

Ich höre einen Sturz-Regen aus Wolken.
Das Auge eines Tigers funkelt aus Wäldern.
Um mich treten Gebirge, lagern sich Meere.
– Du im Gewitter droben! –
Mein Haupt schläft zwischen den Blitzen,
meine Füße stehen im gespiegelten Äther.

Menschen lagern auf Dächern vergangener Städte,
in Persia, in Gräcia,
in verblichenen Gewändern
strahlend von Juwelen.
Sie schauen mir nach ...

* * *

Aus einer Höhe:
Aus einer flimmernden Glanz-Höhe:
Aus strahlenden Spiegeln innerer Kristall-Höhe –:
Geister-Freuden-Ruf erschallt.
Zerrissenes Gewölk! Erschienene Sterne!
Ich! und wach! in Welt!
Hier steh' ich: auf hoher Granit-Klippe:
Schicksal-Klippe: Macht-Klippe.
Tief die Erde.
Tief die Brücke.
Tief das hallende Lied der Sängerinnen.

Freude der Plejaden
feiert im unermessenen Äther.
Die Erde füllt sich rund mit Tänzern,
Himmelauf schießt ein Farben-Blumenstrauß
in Gläsern, Kelchen, Kronen, Glocken;
darunter lustwandeln kristallhelle Geister.
Smaragdgrün beginnt ein Luna-Falter
himmelüber luftigen Flug.

Entfesselung des Geistes!
Alle, die sind, vernehmen meine Worte,
meine Gedanken in meinem Herzen:
Sie vereinigen sich: zum Zug
über die Brücke.

Voran im Wind eine goldene Fahne,
die Flatterin halten wunderbare Hände,
sie trägt ein unsichtbarer Geist.
Es folgen in Völkern anschwebend die Vögel des Himmels,
auf purpurnen Gold-Fittichen
mit sich führend Hoch-Äther-Bläue.
Es fluten heran die großen Brandung-Meere
im Trompeten-Schall, mit Pauken-Schlag,
haltend in gläserngrünen Häusern
tauchende Quallen; große Wale; Gewürme.
Es nahen die schweren, asiatischen Gebirge,
blendende Ararate, Himalaya:
unten dunkelblaue Raubtier-Forsten;
oben stille Höhen-Blumen-Welten.
Auf höchstem Silber-Grat klimmen zwei Wanderer
ins Abendrot. Eis-Nacht bricht herein.
Dann wirbeln sechs unnahbare Sand-Wüsten.
Zwischen ihren Gluten irrt die Verzweiflung
verwilderter Diamanten-Sucher:

Lasten strahlender Steine
gießen die Verbrannten hinter sich in die Trauer-Öde:
ins Chaotische Verlorene.
Es ziehen auf: die ländergroßen Wolken,
flimmernde Schnee-Stürme, und feurige Gewitter.
In sie einschreitend betritt die Brücke
Alexandros Abenteurer, der die Welt umarmte;
der nur einschlief neben Vulkanen.
Sein Schritt ist sieghaft, sein Haupt ist traumhaft;
er folgt innerer Musik.
Gestirne schweben ihm nach; Monde, und Sonnen,
immer eins aufgehend in des andern Untergang:
bewirkend Zeiten augenschließenden Glanzes.
Wann wieder Erdlicht dunkelt, wandelt ein Weib:
die schöne Semiramis:
jugend-nackt, in den Händen einen Spiegel:
drin beschauen sich blaue Augen,
Gold der Haare, rosa Brüste:
eine schön geründete Weib-Welt.
Hinter der babylonischen Dame
breiten Schaum-Vorhänge
sturzselige Wasserfälle.
Und jetzt klingen mächtige Walzerweisen,
es trommeln die Lüste, da posaunen die Wonnen,
da flötet himmlische Entzückung.
Sie sind da, der Menschheit gute Spielleute,
Beethoven führt sie auf und schlägt den Takt.

Anschweben die Schaaren der Sehnsucht-Tänzerinnen,
Durchscheinende in Silber-Schleiern
weisend, wonach das Herz begehrt.
Sie tanzen vor den Dichter-Denkern,
in deren höchsten Seelen-Augen
die Welt als Sinn-Bild ewigt.
Dehmel und Mombert kommen heran,
die führen ehrfürchtig am Arm eine Ur-Alte.
Riesin in verblichenem Sammtkleide,
vorgesteckt ein Veilchensträußchen,
schwarze Spitzenhaube auf dem Großhaupt;
an den Fingern die ägyptischen Goldringe.
Das ist Die, die Alles erlebt hat,
die alt ward auf Erden, alt in der Geschichte,
und nun das Eingeheimste mit sich fortträgt.
Was dann noch hinter Denen kommt, sind Freuden-Feuer,
sind Leucht-Türme, zahllos, zahllos, riesenhaft,
sind Nacht-Wandler, sind Mitternacht-Schwärmer, sind Ewigkeit-Träumer:
als ein letzter Geister-Jubel-Fackel-Tanz.

* * *

Von meiner Klippe lauschend:
Hör' ich Brausen, ein Dröhnen, ein Branden,
hör' ich Meere, Meere, Heere.
Sie wogen, sie schwärmen, sie ziehen auf die Brücke,
auf hinauf zum Joch,
sie ziehen über den Spielplatz meiner Kindheit,
wo noch meine goldenen Bälle liegen,
auch das silberne Kettlein, dran ich früh spannte
den himmlischen Löwen, den Stern-Widder und -Steinbock.
Ich höre auch ein fernes Wiehern.
Aus letzten Räumen, von einer zurückgelassenen Wiese
voll Thau und Mai und Blumen,
das Wiehern meines Rosses,
das zurückkommt, mir stetig näher kommt.
Auf dem ich über die Brücke reiten werde:
hochauf, Held der Erde:
am Tag des Blitzes,
in der Stunde des Gesanges.

*

Ich will zum Welt-Schlaf mein Lager breiten.
Denn der Vorüberzug währt – lange Zeiten.

 

60

In diesem seligen Welt-Alter,
das sich jetzt breitet über meinen Geist,
kann ich nicht bleiben in der tieferen Heimat.
Oh es ist die Seele voller Sterne
und hebt zur Höhe,
und drängt zum Aufbruch.

Die Hände sind wahre Wissende geworden,
sie lösen still das überwachsene Mond-Thor
aus seinen Myrten-Ranken:
früher Völker Pforte zu den Hoch-Ländern.

So Einer früge, wo ich geboren sei:
Ich bin ewig in meiner Heimat.
Schreitend durch das Quellgebiet der Wälder
zwischen schwarzverhangenen Silbertannen,
denen niederträuft ein duftendes Harz,
auf ins Reich der Felsen-Klüfte:
angefüllt mit wilder Blumen-Glut.
Ich steige zwischen blauen Schieferbergen.
Der Fluß stürzt sich aus seinem Safir-Himmel
in die Sonne-Regenbogen-Pracht.
Nachts flackert das Feuer Beleuchtung meines Hauptes;
derweil in den Kalk-Höhlen unter mir tropft
unterirdischer, ewiger Regen.
Ich übersteige Einstürze von Gewölben,
donnernde Erderschütterungen;
der Mond verzaubert den überhangenden Fels.
Dort schießen dampfende Quellen aus Spalten
in steilen Geysiren.
Ich dringe in die zuckende Gewitter-Wolke.
Orgelnde Wasser feiern meine Ankunft
durch Freuden-Stürze.
Anheben die wundervollen Übersteigungen
demütiger Felsen – Nacht-Durchschreitungen
frommer Ströme.
Lawinen grüßen heiter von hochoben,
mein Haupt beschauen sich die Silber-Hörner
strahlender Dome in blendenden Himmeln.
Ich steige an. Ein Wandern von Gestirnen
hintergeht die Eis-Spitzen zärtlicher Firnen:
jetzt erschienen, schon verschwunden
in Feier-Stille.

Ich komme an am übereisten See
zwischen Vier-Zinnen.
Gletscher umfärben Schnee-Hyazinthen
im Sonneschein. Es gaukelt ein Schmetterling.
Hier steht meine Zauber-Hütte,
in den Eis-Gehängen
umtönt von rauschender Musik.
Vor der ich das Blüten-Opfer bringe.
In die einziehend ich singe.
In der mir wird die Gabe der Weissagung,
die Gabe der Durchdringung,
die Gabe der Verklärung.

Sieben Tage. Dann öffnet sich wieder die Hütte –
ich stürme hinaus, tanzend! jubelnd!
Reicht mir den Becher, der das Welt-All heißt!
Niemand rühre mich an! ich bin ein Himmlischer.

Hinauf! zum Ort »Himmlische Freude« –:
eine Glocke schlägt an,
mit ihrem Klang meldet ein Pförtner
meine Ankunft der Höhe.

Auf! hinauf! in die ätherische Schnee-Wiege! –
Und ich ruhe und ich liege.
Und meine Augen fliegen aus mir weit
als blaue Eis-Vögel in die Welt-Herrlichkeit.

* * *

Eis. Und Eis-Licht-Strahlen.
Aus dem lichten Eise seh' ich sprießen
einen Wunder-Blumenstrauß.
Sind das Rosen? sind das Lilien?
Sind es blaue Eis-Narzissen?
Dickicht wirrt von Dolden und Ähren.
Farben-Wälder: die bewegen sich:
die silbern, die golden einander,
die strahlen ineinander Wider-Flammen,
schleudern Perlen-Glanz, Rubin-Gefunkel:
Und zehntausend Glocken klingen an.

Mitten steht die Tänzerin.
Blütenzarte Krokus-Füße,
Lilien-Glieder regen sich.

Haupt-entschleiernd eine Veilchen-äugige
Geistin lächelt wunderbar.
Deutend auf die Brüste:
über ihre Myrten-Stirne streichend:
Meine heitere Geliebte winkt.
Und die Zeit wird immer göttlicher.
Immer gewölbter. Immer spiegelnder.
Die Stengel treiben seligere Blüten.
Der Blumenstrauß wächst höher, himmlischer.
Er durchblüht Orion, er duftet im Perseus.
Er funkelt in die Schöpfer-Welt-Sehnsüchte;
er glüht hinein in die Nacht sternloser Räume.
Und die Tänzerin beginnt den Tanz.
Sie dreht sich: zeigt sich: lächelt sich:
die Brüste kreisen schimmernd,
die Tilorama-Wangen glühen.
Sie zeigt der unteren Welt das Glück.
Da entströmt Musik dem Venus-Stern,
da tanzen die trunkenen Monde.
Weites Funken-Feuer tropft hochab.
Die Tänzerin wölbt ihre Freuden-Arme.
Spendet Sieg-Lächeln den oberen Himmeln.
Sie hat ihre Haare in Äther verliehen.
Sie hat alle Blüten in das All verschenkt.
Sie hat jetzt die heiterste Sfäre ertanzt.
Sie hat das himmlische Saitenspiel ergriffen.
Sie singt. Und sie klingt.


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