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IV

 

61

Im kalten Morgendüster,
da ich am Fenstervorhang schlafenttaumelt lehnte,
überraschte mich eine Gestalt
und küßte mich.
Und ich fühlte wunderbares Licht auf meinem Haupt,
ich sank erstarrt, von Bildern überschüttet:
von Chaos-Wundern:
am Vorhang in den Sessel.

Weltspät, nach silbernen Ewigkeiten,
blies ein ferner Hirte seine Flöte.
Draußen vor dem halberschlossenen Vorhang
stieg der Glutball aus dem grünen Meer herauf.

 

62

Von der Sonne,
die jetzt am Strand des Meeres glühend sinkt
neben einer Fischerhütte,
eilst du zu mir herauf die strahlende Steinhalde.
Du trägst einen glühenden Kranz,
du Nackte Schwebende.
So glutstrahlend.

daß dein Antlitz dämmerig verschwimmt:
Herantanzende.
Hier oben:
meine Hand auf der Lehne meines Thrones,
die schöpferische,
versinkt grausig ganz in die tiefe Nacht.
Aber das Haupt, der Gedanken-Sieger
strahlt krönungselig, entgegen,
zu empfangen den glühenden Kranz.

 

63

Ich lehne aus einem Fenster in den Weltraum.
Ein bunter Falter durchschwebt die Welt.
Er schwebt schaukelnd heran.
Er läßt sich nieder auf der Fensterbrüstung.
Auf seinen gläsernen Augen,
auf seidenen Schwingen haftet das Farben-Licht
aller buntschillernden Gestirne.
Er schlägt die Schwingen: und es sprühen Farben
über mein berauschtes Angesicht:
Grün, und fremdes Rot der fernsten Sterne
über mich herein in das Gemach.

 

64

Während ihr redet in der Dämmerung,
ihr zwei Frauen, sitzend im offenen Kiosk
mit nacktem Leibe und mit blühenden Sinnen:
Sprießen Blumen auf in den weiten Ländern,
überdeckt von Krokus und Narzissen
seltsam weiß und rötlich schillern die Länder.
Ich tauche aus dem Meer mit goldenem Kranz,
da noch Sternbilder auf den Wogen schwimmen.
Meergrün blinken meine Augen,
mein Haupt erscheint mitten in der Runde
großer Ostenfahrer, ankernd auf dem Meer
windstill sicher in tiefem Schlaf –
mein dunkles Haupt unter goldenem Kranz.
Und ihr sitzt redend – horch! – in der Dämmerung
mit nacktem Leibe im Blumenkiosk.

 

66

Ich saß in weißem Zelte
auf den Marmortisch gestützt. Ich weinte
einen Strom der Tränen.
Draußen auf die morgenrote Heide
senkte sich kristallen eine Sfäre
hohen Himmels. Daraus sprossen
buntkristallne Blüten; rote; blaue.
Ein kristallner Klang beglitt die Woge,
wann ganz fern ein Farbenkelch sich aufschloß.
Lieblich blühte dann und klang ein Garten
um mein weinend Haupt, weh ruhend
auf dem Marmortisch im weißen Zelte;
in dem kühldurchwehten offnen Zelte.

 

66

Ich war im wundervollen klaren Licht,
in Farbe, Wärme, in Bewegung.
Ich schritt auf sanftem Kies in hohem Glashaus,
mein Geist war ferngerichtet in eine Landschaft.
In meinen Nähen atmeten die Blumen,
die Palmen,
sie drängten sich zu seliger Entfaltung,
und rührten sich, und rührten mich.
Und mir zuseiten wandelten zwei Frauen.
Sie liebten mich. Ich fühlte ihre Lippen
auf meiner Lippe.
Sie flüsterten und dachten nur die Liebe,
ich sah die Regung ihrer Seelen,
das zitternde Spiel, das Menschlich-Herrliche.
Manchmal verstand ich auch ihr menschlich Wort,
manchmal sah ich die Farben ihrer Kleider,
den nackten Fuß, des Leibes warme Rundung.
Mein Geist war ferngerichtet in eine Landschaft,
die im Entstehen war.
Ich zog sie an wie ein Gewand.
Ich sah aus wilden Felsen,
sah aus blauen Strömen
durch große Augen in den jungen Silber-Äther.

 

67

Da sitzest du, und hast des großen Lebens
wilde Sonnen ganz in dich getrunken.
Trunken bist du, dein Auge schleiert.
Als ich des Saales Fenstervorhang aufzog,
saßest du, vom Lichte überrascht,
zwischen deinen fremden bunten Blumen,
du nahmst dein blau-unirdisches Gewand
fester an dich – bargst dein Antlitz
hinter einer großen scheuen Blüte.
Zitternd schwankten, tagverwirrt die Stengel.
Ich aber wußte nicht, wohin ich drang,
ich ließ bestürzt den Vorhang nieder,
nun kommt vom heißen Strand des sonnigen Meeres
ein Fischerknabe, nackt und schlank gelaufen,
im kühlen Schatten dieses Blumensaales
bietet er mir dar
eine große klare Perle.
Wir reden mit schattigen Stimmen von Meer und Perlenfischern:
immer im wunderbar verhüllten Schimmer
deiner weltgestirnten Augen.

Draußen über der Gebirge Gipfelketten
jagt auf goldenem Roß
ein verschleiert winkend Weib.
Es hebt sich steil und sprengt in den Äther.

 

68

Du saßest unter dem donnernden Wasserfall
auf breitem Felsenstuhl mit ruhendem Haupt,
als draußen die Sonne ihre goldnen Stiere
vorübertrieb in der Stille des schwebenden Mittags.
Über deine Stirne zog das Licht
bunte Farbenflecke – über deine Augen
unergründlich – deine ruhenden Hände.
Du sprachst ein Wort im Donner des Wasserfalls:
als wären jene goldnen Stiere,
zugetrieben einer irdischen Nacht:
und wäre die gekrönte Königin:
Bunte Figuren, gewirkt in dein Gewand,
das weit und kühl an dir herniederfließt
und als sanfter Hauch im Äther fächelt.

 

69

Ach klimme hinan auf eiserner Brücke
über dem Ton-Meer der Posaunen.
Es schwingt die Wölbung, tief klirrt Wind
im Pfeilerwerk;
auf meinem Haupte thront der eherne Sturmhelm.
Noch einen Schritt – Alles wird herrliche Freiheit,
drunten auf leuchtendem Meer sitzt die Gorgone,
die schöne Hirtin in den Himmel-Tiefen.
Es blüht ihr Schoos. Unzählige Geschlechter
goldener Wolken
quirlen auf dem Meer. Sie träumt.
Da schallt mein Höhenruf. Errötend glänzt die Göttin.
Sehnsüchtige Arme öffnen sich.
Und mächtig ist mein Geist an diesem Tag.

 

70

Nur noch in meinem Traum hast du dein Leben.
Drin aus dem Dunkel glänzende Kristallaugen
dich liebend anschaun. Und das Meergras säuselt
in wolkiger Herbstnacht um verfallne Tempelstufen.
Dann öffnet sich die Pforte des Palastes.
Du trittst hervor ans Meer. In scheuer Ferne
lehnt ein Wächter, starr an einer Säule.
Dort lagern nackte Frauen bei den Wogen.
Und Eine, deine hohe Königin,
hält eine goldene Krone in den Händen;
die spiegelt wider tiefes Nacht-Gewölk.
Du lächelst Traum. Dich rührt die Zeit
mit kühlem Hauch. Und Menschen-Sein
atmet groß im Einklang mit dem Meer.
's ist Alles großes Sein, 's ist seliges Sein!
Du pflückst des Chaos wundervolle Blüte
und heftest sie an das Gewölb der Brust.

Nur noch in meinem Traum hast du ein Leben.
Der währt – Jahre.
Bis der Bilderstürmer kommt mit flammender Fackel.
Da flammst du bildlos in die leere Luft.
Und die große Kupferkrone auf meinem Schädel
wird rostig grün.
Sie gleitet leise an den Schläfen nieder;
sie sinkt und schließt den zeitgefüllten Mund.
Der aber dann dich übernimmt –:
Über mein verseufzendes Hirn,
über mein verherrlichtes Antlitz,
über mein beseligtes Gebein –
über meinen grausig dunklen Moder
streifend mit den Schwingen
schwebt er heran:
der Vogel

 

71

Wie lange? – Ach sitze im Saal.
An den Wänden erblickt mein Auge
bunte Bilder: Thaten meines Lebens.
Meerfahrten. Schlachten. Und Erstürmungen.
Auf hohen Türmen wache Glanz-Nächte.
Mein nackter Leib in Armen liebender Männer.
Eine Königin bin ich im Alter,
Semiramis im innern Geist;
in mein Auge schaut kein Krieger mehr.
Ich entzog mich her in einen Saal.
Zerstreut hat sich mein Volk. Nur Einer noch,
ein alter Krieger noch, kann nicht vergessen.
Er steht am Strand des Meeres. Er blickt immer nach mir,
nach dem erzenen Dache des Palastes.
Er sieht ein Volk von fremden Vögeln,
das sich niederließ über mir.
Ihr droben Alle: euren Gesang
hör' ich im Schlafen wie im Wachen:
Herrscherloses Volk, im weiten Äther
schattenwerfend flatternd zwischen Gestirnen:
eine Königin sucht ihr im Alter,
Semiramis im innern Geist.

Es wird sein. Ein Krieger wird es schauen
und Jubel schmettern in die obern Wolken:
In einen Adler werd' ich mich verwandeln
und mich erheben in die Lüfte,
daß ich von Neuem blühe und herrsche
in einem andern – in einem Vogel-Reiche.

 

72

Aus tiefem Dunkel-Schlummer aufzufliehn,
oh hell erwacht,
einen glänzenden Strom entlang zu ziehn
mit Glut und Macht,
durch ungeheure Weiten,
die Seele rein nur Glanz, oh so zu schreiten
über schwarze Flächen
hinauf zu glänzenden Gebirgbächen,
die von dem Großen Allergrößten sprechen,
durch ungeheure Nacht –
oh hell erwacht.

 

73

Mein Haupt sank zurück,
ich lag dann Tag- und Nachtzeiten
zwischen glänzenden Gebirgbächen
in zitterndem Glück.
Hörte die Tiere durch die Wälder brechen,
sah ihren Augenglanz über meine Seele gleiten.
Die Schleier waren von mir abgesponnen,
ein neu Bewußtsein war in mir erklommen.
Eherne Stillen
überwölbten meinen Willen.

Mein Haupt lag im Schoose eines geborstenen Felsen.
Meine Hände ruhten in einem kühlen See.
Aus dem Schneegebirge stiegen die weißen Elefanten,
lautlos vorüber, zu Thal, eine glänzende Herde.
Lautlos vorüber eine Herde schwarzer Schlangen.
Es kamen verschollene Garderegimenter,
in roten Sänften von nackten Weibern vorübergetragen.
Die Wilden sangen in der Mondhelle.
Manchmal sah ich den Brand von fernen Leuchttürmen.
Manchmal sandigen Strand, und uferlose Meere.

 

74

Weither schimmert mir dein gestirntes Auge.
Ich bin berührt; ich bin beträumt.
Ich bin ein Weib in blutrotem Gewand.
Ich lächle. Aus dem tiefen Himmel
sinkt ein silbernes Seil. Es tönt
hinter mir im wehenden Raum.
Es kriecht ein grüngoldschimmernder Riesenkäfer
auf mich zu mit des Seiles Ende.
Er windet sein Silber um meinen schlanken Leib
oft umkriechend das rote Gewand;
schillernd ruht er jetzt auf meiner Brust:
eine wundervoll lebendige Spange.
Wieder tönt das silberne Seil, und schwingt:
trägt mich durch die Luft, über blaue Meere,
auf dem kühlen Schaum von Kräuselwogen
spielen meine nackten Füße.
Nieder trägt es mich auf grüne Wiesen:
Ich lieg' in Gras zwischen wehenden Blumen,
bunte Farben beugen sich thauglitzernd
über mein rotes Gewand.

Ich pflücke einen großen Blumenstrauß.
Das Silberseil – das schneide ich vom Leib
und winde sein Ende um meine Blumen.

Noch einen Schnitt –: das Seil entflieht im Äther.

Ich lehne aus einem Fenster in den Weltraum.
Blutrot mein Gewand; ein silbernes Seil
ist mein Gürtel.
Ich winke mit einem Farbenstrauß – umbunden
silbern – in die Welt.

Ich lehne rückwärts an den Regenbogen.
Ein wenig traurig – wenig schwermütig.
Ich löse das Silberband von meinen Blumen.
Sie wehen fort von meinen gebreiteten Händen.

Städte. Hinab auf Berge. Auf Wolken.

 

75

Eine sitzt da vor einem großen Vorhang
und wirkt mit bunter Seide, Gold und Silber,
schwebendes Gewölk und strahlende Sternbilder.
Durch hohe Scheiben fällt fernes Licht
herunter auf das Haupt der Wirkerin;
auf traumgeregte schlanke Finger.
Das Licht folgt hinterher, ergreift Besitz
von Welten im Entstehn, noch tief in Schatten.
Ich ruhe in dem Hintergrund des Saales.
Sinnend. Während das Licht zerrinnt,
und Sterne aufgehn, und im Höchsten strahlen;
Welt-Zeiten lang; und spät verbleichen;
und dann die rote Frühe anbricht – einbricht
über mein Haupt und meine ruhenden Hände.
's ist tiefes Glück, zeitstille Herrlichkeit.
Erinnerung –: dann ganz versenkendes Glück,
an silbernem Seil mich senkend in den tiefen Himmel.

 

76

Still ist hier im Marmor-Treppenhaus.
Dämmerung sinkt oben durch die Scheiben,
wälzt sich über viele Treppenstufen
lautlos nieder, windend um die Säulen,
bis es formlos mir zu Füßen ruht:
Tier der Ur-Zeit und erloschene Sonne.
Hochjetztoben unterm Himmeldach
neigt sich über die stützlos hangende Treppe
eine Frau, Gestirne in den Haaren:
traumhaft winkt die Tänzerin der Nacht.

Rückwärts lehnend, schlummernd an der Säule,
hör' ich Tritte, hör' ich selige Schritte:
Über Marmorstufen, sterneglitzernd,
schwebt herab die Tänzerin der Nacht.

 

77

Verhaltene Leidenschaft ist über mir,
und Glanz, der mich anstrahlt.
Vor einer Pforte: ehern. Eine Treppe,
die ich heraufstieg: marmorn. Und das Meer
schlafend an der untern alten Stufe.
Und Eine steht bei mir. Wohl eine Blume.
Ja; eine Blume. Wie du selig ruhst.
Doch blicken Augen frauenlieb mich an,
und ätherbläulich.
Du, die mich liebt, du Herrscherin der Halle
schillernder Träume:
dein Vater ist der hohe Zauberer
über den Planeten.
Ich lieb' es, menschlich so bei dir zu stehn,
wann die Sonne dort sinkt, wann glutrot
das kupferne Thor hinter uns strahlt.
Das ist die Stunde des erschienenen Geistes.
Ich erblicke im Spiegel
deine Blüte, deine winkende Göttin.
Ich erblicke an mir glutrot meine Hand.
Silbern schimmern Haare.
Und eine Trompete bläst: zeitlos auf dem Meer.

 

78

Hoch blitzt ein Glanz, und machtvoll ruht der Himmel,
weit reicht der Luftraum, fern der Wolkenraum,
und sinkt hinunter, tief bis auf das Meer.
Und Münder saugen dort des Meeres Feuchte
und schlürfen sie herauf zum oberen Äther.
Es rinnt und wandert hoch mit hellem Klang
das Wasser durch die lichten Wolkenhallen.
Nur eines Vogels Herz, nur der Gedanke
lehnt sich im Hochflug an das Wolkenthor
und lauscht ... und preßt sich stärker an – und lauscht ...
Da stumpf aus tiefem Grund ... es stört herauf
verirrt ein Schall geschlagenen Metalls.
Das Auge sinkt hinab; durch Wind und Glanz
des jungen Höhen-Äthers. Tiefe Ruhe
auf dem Meer; auf schmaler Küste
weißlich angestrahlt und wolkenüberhuscht.
Ein Fleck bewegt sich unten auf dem Küstensand.
Ein Wagen. Bunt umtobt und wirr umlärmt.
Bewaffnete. Und Zecher. Nackte Frauen.
Es bellen wilde Hunde aus den Wäldern.
Es blendet Glanz an wild geschwungenen Zimbeln.
Und obenauf steht Einer: Triumphator,
in weißem Kleide, dunkelgrünem Lorbeer.
Kaum regt er sich; ein Stäubchen vor dem Wind.
Doch sein Auge: seine ferne Seele
schwebt, und haftet oben an den Wolken.

 

79

Auf dem Grunde eines Sees
lag ich schlafstarr. Über mir die Decke
klares dünnes Eis.
An den Ufern standen hohe Tannen.
Weiß Verschneite. Ihre Bilder
wachten reglos um mich in der Tiefe.
Und ich sah die Sonne, sah die Sterne
winterweiß und kalt
über dem See.

*

Durch die Welt bewegte sich ein Schatten.
Stieg zu mir herunter in den See.
Einen großen Adler sah ich schweben
frei gebreitet auf weltstarken Schwingen
über dem See.

*

Tiefer schwebte jetzt der Adler.
Auf den Tannen knisterte der Schnee,
und die grünen Zweige rührten sich,
weiße Bällchen hüpften auf die Erde.
Tropfen blitzten.
Und die Wellen rührten sich im See,
eine wachte auf, sie sprach,
zur Schwester-Schläferin,
und die rollte; und die dritte klang.
Ganz zu mir herunter,
bis in meinen starren Leib und Geist
fühlte ich die mächtig warme Brust,
fühlte ich den Liebe-Blick des Adlers
über dem See.

*

Frühling ward. Nun glitzerte der See.
Wehten goldene Winde.
Und aus meinem Leib sproß eine Blume
dunkelrot empor.
Hoch. Durch glänzend rollende Gewässer.
Sie drang aus den Gewässern.
Schaute zu dem Adlerblick empor.

*

Nieder schoß der Adler. Riß die Blüte
aus dem Grund des Sees.
Riß mich aus, aus allen tiefen Wurzeln –:
lächelte und riß! –: und bebte! –
Schwebte:
schwebte mächtig fort vom See.

*

Ich sah die Gestalt.
Die pflückte an dem Himmel einen Strauß
bunter Gestirne.
Fühlend unsern Flug –: sie wandte sich –:
Es war mein Vater –:
Sterne fielen ihm zischend aus den Händen –
Er griff nach mir – in dem Heulen großer Stürme!
Er faßte mich – zwischen Gewitter-Wolken!
Zwischen Fittichen und Fängen meines Adlers!

*

Aus den Horizonten
stiegen finstere Blumen.
Schauten zu dem Adlerblick empor.

*

Einen Adler sah ich ferne schweben.
Eine dunkle Spätherbst-Wolke
hing er über einer welkenden Welt.
Schwarzen Blumen,
fernen Trauer-Blumen
entrieselten Sterne.
Der mich welthoch hielt, der hohe Zauberer
preßte mich an seine Vaterbrust,
küßte meine rote Blüte,
daß sie sanft zerfloß in feurige Wölkchen,
ihm umschwärmend, ihm umschleiernd
seine schönen Augen ....
                                Feurige Wölkchen!

 

80

Ich stand auf den Gebirgen. Abend.
Felsen tauchten in Dämmerung,
aus hohen Fernen sank Schnee
auf meine Schulter – es begann zu schneien.
Und danach sank ich über eine weiße
Schneewolke. Und die Wolke schwebte
sanft tragend hoch.
Auf tiefem Firnfeld standen noch zwei Männer
in der Abendglut.
Wir trieben traumhaft entgegen einem Geflimmer,
zwischen Glanz und Helle, zwischen Lichtern,
ein Sterne-Leben, wundersam beglänzt.
Ich stieß einmal selig
an einen Stern –
die Wolke hing.
Am Rande
glitzern Tropfen, schmelzendes Geglitzer,
es quoll, es sickerte lebendig,
ich lag und sah's in Tiefen rinnen:
schillernd tropfend in das jähe Dunkel.
Ins Dunkel.
Ich stützte mich auf und hauchte in den Äther:
Schneeflocken wirbelten
in meinen Schoos.
Die Wolke schwebte wieder. Mitten hinein
zwischen Sterne-Blumen, blitzende Kelche.
Spielend haschte ich Flocken,
warf die in die Kelche.
Wann Flocke versank,
erlosch der Stern, und war ein Eiskristall.
So spielte ich lange. Und ich merkte kaum,
wie's dunkler um mich ward – wie ich die Welt
auslöschte – wie ein finsterer Riese
von einem Lager in der Tiefe aufstand – –
Glanz war nicht mehr, es war kein Spielen mehr,
ich lag nun ernst und horchend auf der Wolke
hoch über der Welt, hinunter spähend tief.
Alles zog an mir,
löste sich in mir: zum Sinken.
Und ich zerfloß in einen großen Regen,
in weiche Wärme-Tropfen, ich sank
in mächtigem Strich hinunter.
Städte, Wälder traf ich, Gärten,
jede Blatt-Berührung, Staub-Berührung
in Millionen Tropfen
ist bebender Genuß.
Auch Menschen rührte ich an. Erst Viele
mit Tieren. Dann noch Wenige, zerstreut
über Feldern; auf Wegen. Dann noch Einen
unter verdorrtem Baum. Dann Niemand mehr.
Still war's. Sehr ernst erstorben war's.
Nur Rauschen unaufhörlich hoch vom Himmel.
Und aus der Erde quoll jetzt vor ein Meer,
großmächtig überschwemmend alles Seiende
mit ernsten Fluten, wie Gesetz und Schicksal,
aufrauschend und aufblickend steil zum Himmel.
Aber gleich ernst, und gleich Gesetz und Schicksal,
antwortete ich von oben, und ich goß
in Tropfenfluten senkrecht in das Meer.

 

81

Blätter rauschen. Große dunkle Blätter
in der Laubwelt dieses schlafenden Baumes.
Tiefunten sehe ich bestrahltes Meer.
Felswände.
Es schimmert ein Licht. Es säuselt ein Wind.
Es saust.

Durch Zweige kriecht's heran.
Große Augen. Bunt im Märchenglanz.
Es hebt, es biegt sich Äste auseinander.
Ein Tier. Eine Riesenspinne.
Scheinende Flügel. Strahlendgrün. Geädert.

Ich liege schlafwach. Sie beginnt ein Werk.
Sie spinnt, sie webt.
Sie hebt sich, senkt sich.
Sie singt im Mondlicht.

Die Spinnerin sitzt traumhaft neben mir.
Strahlende Fäden, rötlich glänzend
spinnt sie um mich. Sie spinnt mich ein
in ein Glanznetz.
Doch immer saust noch Wind. Und Mondlicht spielt
draußen in der alten Welt.

*

Nun bin ich hier allein. Die Welt ward stumm.
Die Spinnerin ist fort. Ihr Werk vollbracht.
Ein Netz umzieht mich. Wundersam gewirkt
in Farben. In Lichtern.
In Bildern.

Eine Sonne mag dort draußen sein.
Der Menschengeist, den ich so sehr geliebt.
Er sitzt jetzt auf dem grünen Heimathügel.
Gedenket mein.


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