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»Nanu schlägt's dreizehn!«

So ein Herrendiner hat seine Vorzüge. Die Unterhaltungsthemen stellen sich von selbst ein, das Essen gestattet Konzentration, und wenn es vorbei ist, braucht man keine Dame nach Haus zu bringen. Diesmal hatten wir es besonders interessant getroffen, denn unter den Anwesenden befanden sich drei Tagesberühmtheiten, die soeben erst einen weithin hallenden Bühnenerfolg errungen hatten. Alle drei zusammen.

Einer der drei Autoren saß bei Tafel zu meiner Rechten. Ich lernte in ihm einen Herrn kennen, der Balduin Birch hieß und enorme Quantitäten Kaviar vertragen konnte. Ebenso rezeptiv verhielt er sich meinen Gratulationen gegenüber, die ich in reichlicher Fülle auf ihn einströmen ließ, denn das Stück der Trias-Kompagnie hatte mir wirklich ausgezeichnet gefallen.

»Sagen Sie, Herr Birch,« interpellierte ich ihn vor der Suppe, »wie machen Sie das eigentlich zu dreien? Ich denke mir das außerordentlich schwierig. Zwei Verfasser, – das kann ich mir vorstellen; die können sich immer auf einer mittleren Linie treffen; aber drei? das muß doch zu großen Komplikationen führen.«

»Es ist nicht so schwer, wie Sie annehmen«, entgegnete der andere. »Die Buchdruckerkunst ist ja auch von drei Männern erfunden worden. Ebenso konnte die Entdeckung Amerikas nur gelingen, nachdem drei Kapazitäten sich darum bemüht hatten. Ganz so einfach liegt die Sache natürlich bei einem Schauspiel nicht. Allein, wenn erst der Titel des Stückes feststeht, dann einigt man sich schließlich schon über den Rest.«

»Ja, das muß man sagen: der Titel Ihres Stückes ist famos: › Nanu schlägt's dreizehn!‹ Das prägt sich ein, klingt volkstümlich und drastisch, das wirkt wie eine Bombe. Man lacht schon, eh's anfängt.«

»Beiläufig bemerkt,« ergänzte Birch, »der Titel ist von mir. Meine Kompagnons hatten erst ganz andere Vorschläge. Unter uns, keinen Hund hinterm Ofen hätten wir damit hervorgelockt. Plötzlich stand es klar vor mir. Und nachdem ich einmal das erlösende Wort ausgesprochen hatte, gab es selbstverständlich keine Meinungsverschiedenheiten. In dieser Hinsicht, wie überhaupt, bildeten wir eine vollkommene Einheit.«

»Und dann fingen Sie sofort an, Szene für Szene aufzuschreiben?«

»Noch nicht; meinem Kollegen Daniel Dax schwebte eine schwere Tragödie in sechsfüßigen Jamben vor. Mein zweiter Kollege wiederum wollte absolut eine lyrische Oper daraus machen. In diesem Hinundher entschied ich: es wird ein Berliner Schwank. Und dabei ist es denn auch geblieben.«

»Sehr zum Vorteil der Sache, wie der Erfolg bewiesen hat. Und wie geschickt Sie drei dann die politische Aktualität hineinverwoben haben! Besonders die Entlarvung des jesuitischen Muckers fand ich ganz ausgezeichnet.«

»Gewiß. In allem Dramatischen kommt es heutzutage auf die Tendenz an. Mein Kollege Waldemar Watzki fabelte freilich von tendenzlosen Ewigkeitswerten. Das habe ich ihm aber gründlich ausgeredet. Mit einem Wort, die Tendenz des Ganzen, die von mir ist, drang durch. Ich muß übrigens anerkennen, daß der Kollege Dax mich hierin unterstützte, nachdem ich einmal die Hauptfigur erfunden hatte. Und so einigten wir uns denn rasch auf das Szenarium, wie es von mir ursprünglich skizziert und alsdann genau ausgearbeitet worden war.«

Nach aufgehobener Tafel lösten wir uns zur Mokka-Episode in zwanglose Gruppen auf. Ich geriet an Herrn Daniel Dax, den ich ebenso herzlich wie motiviert beglückwünschte, indem ich besonders die Feinheiten des Dialogs rühmend hervorhob.

»Ja, das haben mir schon manche gesagt«, entgegnete der Autor. »Was wäre aus dem Dialog geworden, wenn mir meine Mitarbeiter daran auch nur eine Silbe geändert hätten! Denn sehen Sie, darin liegt zugleich das Geheimnis der Charakteristik, die in diesem Stück völlig von mir ist. In dieser Hinsicht haben sich Birch und Watzki großartig bewährt, indem sie mir völlig freie Hand ließen. Es war wirklich ein ideales Zusammenarbeiten.«

»Ich glaube beinahe selbst, einer allein kriegt's niemals so heraus. Diese Fülle der Witzworte und Pointen! Da muß einer immer den Grundgedanken haben, der zweite die Fassetten daranschleifen und der dritte damit Fangball spielen; sonst wäre ja dieses beständige Glitzern und Funkeln gar nicht zu erklären.«

»Sie haben fast das Richtige getroffen. Nur muß ich Ihre Annahme dahin einschränken, daß sämtliche Pointen von mir sind, und zwar wortwörtlich. Wo ich so ein Schlagwort hinstelle, da steht es eisenfest. Gott, wir haben ja das Resultat schließlich gesehen: jeden Abend viertausend Mark Kasse und über achtzig Bühnen in der Provinz. Ich kann meinen beiden Mitarbeitern gar nicht genug für den intuitiven Scharfblick danken, der sie befähigte, zu jedem meiner Einfälle Bravo zu sagen.«

Nach Mitternacht stellte es sich heraus, daß der dritte im Bunde und ich den nämlichen Heimweg hatten. Wir plauderten auf der Straße sehr angeregt über das gefeierte Stück. Dabei fuhr es mir heraus, daß die Idee des Ganzen von Herrn Birch herrühre.

»Nanu schlägt's dreizehn!« rief Herr Waldemar Watzki. »Ich dränge mich wahrhaftig nicht in den Vordergrund, und rede kein Wort davon, daß das ganze Lokalkolorit und sämtliche Aktschlüsse von mir sind. Aber was die Idee des Ganzen anbetrifft, so handelt es sich – unter tiefster Diskretion natürlich – um eine uralte französische Posse aus dem Jahre 1813, die ich vorigen Sommer in Paris aufgestöbert habe. Und die Idee, diesen verstaubten Bühnenschmöker zu übersetzen und aktuell herauszuputzen, verstehen Sie wohl, diese Idee ist von mir!«


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