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»Jó napot, Herr Wagnermeschter«, sagte des Herrn Dechanten freundliche alte Wirtschafterin, die sogenannte Pfarrersköchin, »Téschek, der Herr Dechant ist zu Hause.« Und sie geleitete den Meister Jakob über den mit roten Ziegeln ausgelegten Gang in das spiegelblanke Vorzimmer, in dem ein Teppich lag. Meister Jakob redete kein Wort, seine Miene war vergrämt, und er schien um viele Jahre gealtert zu sein seit den vorjährigen Kirweihtagen. Schüchtern pochte er an die Tür des Pfarrers, und als von drinnen ein kräftiges »Herein« ertönte, schöpfte er noch einmal Atem ehe er auf die Klinke drückte.
Die Rosina schaute ihm kopfschüttelnd nach. Was hat der Mann?
War ihm denn wer gestorben? Man hat doch nichts gehört. Plötzlich fiel ihr die Susi ein. »Ejnye! Ejnye! Wie schade um das schöne Mädchen...« Sie ging in ihr Zimmer. Und sie schimpfte in sich hinein über diese bäuerlichen Hartköpfe, diese feldhungrige Bande, wie sie die Schwaben nannte, die nur reich und reich zusammentaten, die nur Sessionen heirateten und nichts nach der Liebe fragten. Da würde wohl wieder eine Patenschaft für sie herausschauen, sie war dessen gewiss.
Und sie irrte sich nicht. Die Sitte verlangte, dass ein Kind am Tage nach seiner Geburt getauft werde, aber Meister Jakob, den der Pfarrer sogleich niedersetzen ließ, so bewegt war der Mann, wusste keinen Paten zu nennen. Er getraue sich nicht, jemanden aus seiner Freundschaft um diese Christenpflicht zu bitten, denn er sei sicher, dass ihm seine Bitte abgeschlagen werde.
»Ja, ja!« grollte der Dechant, »so schamhaft sind meine Schwaben, aber ihre Kirweih feiern sie jedes Jahr wie die Heiden. Wieder so eine Kirweihsünde. Was rede ich jedes Jahr gegen diese Sittenlosigkeit? Und da sagt man, ich wäre zu streng. Nichts ist diesem Geschlecht mehr heilig. Und weil sie sich der Folgen schämen, treten sie immer jünger vor den Traualtar. Habe diesen Winter fünf Bräute getraut, die noch nicht sechzehn waren. Ist das recht? Was können das für Mütter und Hausfrauen werden? Es wird eine Volksverderbnis daraus entstehen. Ich werde beim Konsistorium ein Verbot erwirken auf solche Heiraten. Vor dem neunzehnten Jahre darf mir keine mehr vor den Altar. Vielleicht nützt das. Die Furcht vor der Sünde ist gering, aber die vor der Schande um so größer. Und die macht hart und grausam. Wem sagen Sie das, lieber Meister! Aber nun zu Ihrem Fall. Also sie haben keinen Paten?« »Nein... Was machen wir, Hochwürden?« fragte Jakob Weidmann, der seiner Strafrede nur beistimmen konnte, zaghaft. »Es ist ein Bub.«
Der Dechant merkte aus dieser Wendung, dass der Meister schon ahne, was er ihn vorschlagen würde. Aber er hatte vorher noch eine andere Frage. »Und wird der Luckhaup ihre Tochter nicht heiraten?«
»Bis vor ein paar Tagen haben wir es gehofft. Der Sohn wollte. Aber sein Vater hat ihn jetzt für eine andere Heirat losgekauft vom Militär. Die andere kriegt einen Hof und einen halben Grund mit... Mein armes Mädel hat alle Hoffnung aufgegeben.«
»So eine bäuerliche Lumperei!« sprach der Dechant derb und fest. »Aber ich werde mir den Kaspar Luckhaup kommen lassen. Wie kann er einem so geachteten Haus wie dem Ihren so etwas antun? Das darf man nicht ruhig hinnehmen! Und nur wegen der besseren Partie! Ich kenne doch Ihre Töchter. Lauter brave Kinder. Hab meine Freude an Ihrer Anmerich gehabt als Braut. Das wird eine tüchtige Hausfrau und eine christliche Mutter werden.«
Meister Jakob wischte sich die Augen. »Ja, Herr Dechant, sagt Ihr's dem Kaspar. Bitt schön. Vielleicht nutzt es noch...«
»Das geschieht. Aber, lieber Weidmann, ich habe bemerkt, dass Sie aus der Kirche ausbleiben. Tun Sie das nicht! Entfernen Sie sich nicht von Gott aus Furcht vor den Menschen. Nehmen Sie aufrecht Ihren Platz ein in der Gemeinde, Sie sind ohne Schuld. Ich will Ihre Stimme wieder hören, wenn wir am nächsten Sonntag das Tedeum Laudamus singen.«
»Ich werde kommen, Hochwürden«, schluchzte der Meister auf. »Es war eine Schwachheit von mir.«
»Und das Kind bringen Sie morgen zur Messe herüber. Meine Rosina wird die Patenstelle übernehmen, wenn es auch ein Bub ist, das macht nichts.«
»Ein Kind, das keinen Vater hat, sollte doch wenigstens einen Taufpaten haben«, sagte der Meister betrübt. »Aber ich weiß keinen.«
»Lassen Sie das gut sein. Wenn aus dem Kind ein braver Schulbub wird, werden wir ihm dann einen ordentlichen Firmpaten suchen.« Und der Dechant trat an die Tür und rief hinaus: »Rosina!«
Diese kam und machte ihren Knix. Der Pfarrer sagte ihr nur ein paar madjarische Worte, und sie nickte dem Meister freundlich zu. »Teschék, gern«, sagte sie.
»Ich dank recht schön«, sprach der Meister und reichte ihr die Hand.
»Das Vortänzerin vom Kirweih? Die schöne Susi? Oh! Oh! Und der Mamlaß nimmt sie nicht?« sprudelte sie halb deutsch, halb madjarisch heraus.
Der Meister nickte nur. Die Rosina aber ließ durch den Pfarrherrn der jungen Mutter ihre schönsten Grüße verdolmetschen. Sie werde sie besuchen. Und der Dechant reichte seinem Gast die Hand zum Abschied. »Kopf hoch lieber Weidmann!«
Als dieser gegangen war, schickte der Dechant nach dem Kirchenvater, dem alten Wagner, und ließ ihm sagen, dass er ihn zu sprechen wünsche.
Der Kirchenvater Johann Wagner, der die Mesnerdienste und sonstigen Obliegenheiten der Kirchenverwaltung ohne Entgelt besorgte, war ein frommer, wohlhabender Mann. Er hatte sein Haus im Gässel hinter der Kirche und war von Beruf Schneider. Aber er trieb noch ein anderes Geschäft, er hielt die Herberge für die Handwerksgesellen, in seinem Hause waren die beiden Zünfte sesshaft, ihre Truhen und alten Urkunden verwahrte er. Die Aufnahme der Lehrjungen und die Freisprechung derselben erfolgte bei ihm, und die fremden Wanderburschen und Fechtbrüder hatten hier ihr Asyl. Es war damit ein ansehnlicher Wirtsbetrieb verbunden, namentlich am Sonntagnachmittag, wo die Zunftsitzungen stattfanden, die Freisprechungen und die feuchtfröhlichen Aufnahmen der Jünglinge in den Stand der Gesellen. Die Einstandszechen waren nicht gering, da gingen oft die ersten vier Wochenlöhne eines jungen Gesellen darauf. Es gab Meister und Gesellen, die sehr lange in der Fremd' gewesen waren, dort einen städtischen Schliff angenommen hatten und sich für etwas Besseres hielten. Sie gingen fast nie in das Große Wirtshaus, wo die Bauern ihren Sammelort hatten. Diese waren ihnen zu hochmütig, und sie setzten ihnen den eigenen Stolz entgegen. Das waren die eigentlichen Kundschaften Wagners, der sich durch einen schmalen weißen Bart, der sein Gesicht umrahmte, auch als Herrischer kennzeichnete. Er stammte nicht aus dem Dorfe und redete reines Hochdeutsch. »Womit kann ich dem Herrn Dechant dienen?« fragte er verbindlich.
Jakob Schuh sagte seinem Kirchenvater kurz, um was es sich handelte. Es war ihm in einem ähnlichen Fall begegnet, dass der Berufene einfach nicht kam, denn er hatte ihm bloss durch die Magd sagen lassen, er möchte einmal zu ihm kommen. Dem setzte er sich nicht wieder aus, er durfte es namentlich bei dem Kaspar Luckhaup nicht wagen. Und so schickte er ihm den alten Wagner und ließ ihn ersuchen, noch heute ins Pfarrhaus zu kommen.
»Also haben Euer Hochwürden da wieder eine unsittliche Angelegenheit zu schlichten«, sagte Wagner, der jeden Klatsch kannte. »Undankbare Sache! Werde mich bemühen!« Und er rieb sich geschäftig die Hände.
»Bemühen Sie sich gar nicht, lieber Wagner«, sagte der Dechant ernst, »sie haben ihn bloss einzuladen. Die Predigt halte ich ihm schon selber.«
»Verstehe, Hochwürden.«
Und der Alte ging die Hauptstraße hinab und klopfte beim Kaspar Luckhaup an. Er traf ihn vor dem Tisch sitzend, viele Papiere vor sich ausgebreitet, einen Gänsekiel in der Hand, den er in ein großes Tintenfass tunkte. Er arbeitete an dem Vertrag, den er mit seinem Sohne Hannes schließen wollte bei der Übergabe, denn er mochte nicht länger warten. Ein Gichtanfall hatte ihn gemahnt, dass es Zeit wäre. Und da jetzt auch die Sache des Christof in das gewünschte Geleise kam, konnte er ruhig abschließen. Und da schrieb er sich indessen das Beste aus ähnlichen alten Vereinbarungen zwischen Vätern und Söhnen heraus. Er werde sich sein Altenteil schon sichern, hatte er immer gesagt. Denn es gab Väter im Dorfe, die gar seltsame Erfahrungen gemacht hatten mit ihren undankbaren Kindern. Davor werde er sich bewahren. Der Hannes war ein guter Lapp, aber seine Frau, die Klotzin, um so schiefriger. Er traute der Margret nicht. Wer weiß, was sich aus der noch alles entwickelt. Sie schien ihre Zunge zweimal auf des Herrgotts Schleifstein gelegt zu haben, als er die scharfen Weiberzungen schliff.
Was will denn der Schneider? dachte Kaspar Luckhaup, als Wagner auf der Türschwelle erschien. Kommt der schon ums Hochzeitsgewand für den Christof? Er erhob sich gar nicht und schrieb eine Zahlenreihe zu Ende.
»Nehmt Platz, Meister, ich bin gleich fertig«, sagte er. »Was bringt Ihr mir?« Und er legte die Feder erst fort, als dieser sich einen Stuhl genommen und sich ihm gegenüber gesetzt hatte.
»Vetter Luckhaup, ich komme im Auftrage des Herrn Dechanten.«
»Oho! Da bin ich aber neugierig! Was kann denn das sein?«
»Seine Hochwürdigen wünscht Sie noch heute in einer ihm offenbar sehr wichtigen Angelegenheit zu sprechen«, sagte Wagner, der seine kirchliche Amtsmiene aufgesetzt hatte.
»Wichtig? Und do hot er mer nit selber die Ehr' gäwe könne?« antwortete Luckhaup, der Lunte zu riechen schien. »Hätt' mich recht g'freut, ihn wieder einmal bei uns zu sehen!«
»Er lässt sie ersuchen, zu ihm zu kommen. Scheint eine kirchliche Sache zu sein.«
»Kirchliche Sach'? Wüßt' nit. Äwer ich werd schun kumma«, sagte er und stand auf. »Trinkt Ihr nit ein Schluck gute Raki?« Erholte die Flasche aus einem Spind in der Wand, schenkte ein und blickte Wagner fragend an. »So ein' habt Ihr nit!« Wagner trank ein Gläschen, und Luckhaup fuhr fort: »Ihr wisst doch, was es is. Sagt mer's, dass ich vorbereitet bin. 's red't sich viel leichter mit dem Herrn Dechant, wann m'r waaß, was er im Sinn hot.«
Der Kirchenvater schlug die Augen nieder und sagte: »Die Jungfrau Susi Weidmann hat einen Buben bekommen.«
»Was?!« schrie der Kaspar Luckhaup. »Hot se'n schun? Und deswege lässt mich der Parra rufa? Geiht mich nix an. Geiht mich gar nix an... Ihr sehgt, ich häb do a große Arweit vor, ich will übergäwe und mach ein Vertrag mit mei'm Hannes. Ich werd schun amol kumma. Äwer heunt nit. lch loss de Hochwürdige Herr schön grüßa.«
»Ihr tätet gut daran, Euch mit dem Herrn Dechant nicht zu verfeinden«, sprach Wagner gemessen. »Er hat nicht umsonst mich geschickt... Was kann er Euch denn tun? Eine Predigt wird er Euch halten.«
»Na ja, do häbt ihr wieder recht. Was kann er mer denn taun?« Er überlegte. Ein Pfarrer hat allerlei Mittel, einen zu treffen. »Die Foltze und die Luckhauwe sin in der Blutsfreundschaft«, sagte er sich. »Wer weiß...« Er fürchtete, der Pfarrer könne ihm seine Zukunftspläne vereiteln, wenn er ihn kränke. »Na, uf a Predich mehr soll's m'r nit a'kumme«, lachte er zuletzt. »Ich kimm.«
Der Kirchenvater entfernte sich voll Würde. Es war ihm schon bange, seine Sendung verfehlt zu haben. Er hätte sich nichts zu wissen machen sollen. Aber man muss doch zeigen, dass man im Vertrauen des Herrn Dechants ist.
»Einen Buben hat sie! Und des waaß die Bas' Liesl noch nit?« fragte er sich. Er rief sie herbei und sagte es ihr. »Wie schad«, sagte sie, »dass er den nit mitnehme konn in sei Wertschaft.« Sie tat sich etwas zugute darauf, die gute Partie zusammengekuppelt zu haben, aber eigentlich war ihr doch leid um die Susi. Ein zweites Frauenzimmer wie die gebe es ja doch nicht im Ort, meinte sie. »Gott vergeb uns die Sünd', die mer do a'gschtift häwa.«
»Seid so gut und geiht valleicht jetzt noch zum Parra beichta. Mich hoter eh schon rufa lossa, der Paff.«
»Hot er?... Ja, was konn er denn mache?«
»Mache! Mache! Gar nix konn er mache. Ei'heize werd er mer halt wolle mit'm höllische Feuer. Äwer do kennt er mich schlecht... Gebt mer mein Sunntagspekesch' raus. Glei geh ich hin. Bin heunt grad im richtiga Schwung.«
Er wollte seine Papiere zusammenraffen, ließ sie aber liegen und sagte, niemand solle sie anrühren. Das werde heute noch gemacht. Dann zog er eine Kastenlade auf und steckte die rotlederne Brieftasche zu sich. Wer weiß, dachte er, dem Herrn Pfarrer lasse sich die Kurasche vielleicht abkaufen. Darauf soll es ihm nicht ankommen.
Als er das Haus verlassen wollte, trat ihm sein alter Vater entgegen. »Kaspar«, sagte er, »mir scheint, du geihscht zum Parra.«
»Is des schun wieder ausgatrummelt worde?«
»Geb acht uf dich. Die Sünd', die mer uf uns galoda häwa mit der alt Zengrafin ihrer Tochter hot dem Lippl koin Seega gabrunga. Jetzt soll die Enkelin aa durch ein' Luckhaup unglücklich wer'n? Ich möcht' des nit gern verleeba.«
»Losst's gut sein, Vatter«, sagte der Kaspar und zuckte die Achseln. »Mer werd halt was taun müssa far's Kind.« Und er ging seinen Weg weiter.
So rasch hatte der Dechant den Bauern gar nicht erwartet. Er stand noch aus der Zeit, da der Kaspar Luckhaup Dorfrichter war, auf gutem Fuß mit ihm, und sie hatten sich, obwohl es manchen Widerpart setzte, zuletzt doch immer verstanden. Und heute sollte er ihm so ernst entgegentreten? Es war wohl besser, das in Güte zu versuchen.
Mit einem biederen »G'lobt sei's Chrischt!« war Luckhaup eingetreten. »In Ewigkeit«, sagte der Pfarrer. Dann fuhr er fort: »Nehmen Sie Platz, Vetter Luckhaup. Ich habe Sie rufen lassen, weil ich eine Bitte an Sie habe, die man besser hier bespricht als bei Ihnen im Hause.«
»Eine Bitt'? Ihr macht mich neugierig, Hochwürde. Was wär' denn das?« Und er setzte sich.
»Mein lieber Luckhaup«, begann der Pfarrer, »man schätzt Ihre Familie als eine der ältesten in der Gemeinde. Alles blickt auf Ihr Haus. Was dieses tut, das tun auch die anderen, was diesem erlaubt scheint, das glauben sich alle erlauben zu dürfen. Darin liegt eine große Verantwortung für Sie. Wer eine so bevorzugte Stellung einnimmt in der Gemeinde, der ist doppelt verantwortlich für alles, was er tut. Darum bitte ich Sie, geben Sie ein gutes Beispiel. Reden wir nicht von Sittlichkeit, nicht von Christlichkeit, sondern von Menschlichkeit. Zeigen Sie allen, was man tut, wenn so ein Fall eintritt wie bei Ihrem Sohn Christof. Denken Sie auch daran, welch eine achtbare Familie aus Neurosenthal da gekränkt und der Schande preisgegeben wird. So wie Sie herüben, gehören die Weidmanns drüben zu den ältesten und untadelhaftesten Familien. Eine Verbindung zwischen beiden zu schließen wäre eine der größten Freuden, die mir dieses Pfarramt bisher gebracht hat. Es wäre auch eine weitere Annäherung von Alt- und Neurosenthal. Man sagt mir, Ihr Sohn wollte das Mädel heiraten, nur Sie hätten es hintertrieben. Ich kann das nicht glauben, lieber Vetter Luckhaup! Jedenfalls haben Sie sich das nicht genug überlegt.«
Der Sprecher machte eine Pause und sah den Gastgütig fragend an. »Herr Dechant«, erwiderte der Bauer, »ich häb gemaant, Ihr werdet mich recht auszanke und verdunnern. 's is mir gar nicht recht dass Ihr so sanft mit mir red't. Gar nit. Denn ich konn Euch de Wille nit taun.«
»Ihr könnt nicht? Warum könnt Ihr nicht, wenn die Kinder sich gern haben und ihre Sünde gutmachen wollen?«
»Herr Dechant, die Luckhauwe sin Bauern. Sin immer Bauern gawesa und müssa Bauern bleiwa. Des is nit annerscht zu macha, als dass in'r sich nur mit Bauern verschwägert und sein Grund und Bode vermehrt far die Kinner. Ein Luckhaup, der kein' Bauernhof erbt, muss ein'erheirate. Das is nit annerscht zu macha. Unser Famili wär schun lang nit mehr doo, wenn dem erschte Michel Luckhaup sei' Söhne Schuster und Schneidermamsella g'haiert hätte. Mei' Chrischtof hot nix annerscht galernt wie die Bauerei. Unser Grund is nie geteilt worde und werd a jetzt nit geteilt. Der Bu kriegt als zweiter Sohn nur a bissel Geld und kann sich a klani Bedelwirtschaft kaafa. Ein Bauer werd er sei Lebtag nit, wann er die Susi heirat'. Un sei' Kinner, Herr Dechant? Die sein die geborene Taglöhner. Des muss m'r doch versteihn. A Bauernfamili, die was uf sich halte tut, konn des doch nicht zugäwa. Des wär doch ihr End'.«
»Zugegeben, Herr Luckhaup, dass es so wäre. Aber die Kinder eines solchen Paares können ja ein Gewerbe lernen, können geschickte Handwerker werden. Ist das so gering zu achten? Was wäret ihr Bauern ohne das Handwerk? Und solche Kinder können auch studieren.«
»Studieren? Mit was?«
»Es gibt hundert billige Wege. Man braucht nicht einen ganzen Bauernhof hinter sich zu haben, um Pfarrer zu werden, Doktor oder Beamter. Unser hochwürdigster Herr Bischof ist armer Leute Kind.«
»Die Luckhauwe, Herr Dechant, solle Bauern bleiwa. Des is für uns der erscht Stand.«
Dem Pfarrer riss die Geduld.
»Dann sollen sie das auch bedenken«, sprach er mit erhobener Stimme, »und nicht nach etwas Verlangen tragen, was ihnen nicht zukommt, dann sollen sie nicht wie Wölfe in fremde Schafställe einbrechen. Hätten Sie das alles Ihrem Sohn beizeiten beigebracht! Hätten Sie ihm den Umgang mit anderen als Bauerntöchtern verboten!«
»Des häb ich hunnertmol getaun. Äwer die Jugend folgt nit. Sie folgt nit in der Schul, nit in der Kerch und nit im Elternhaus. Sie werd erscht g'scheit, wann se sich da Kopp or'ntlich a'garennt hot.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Mei Chrischtof ist in sich gange, wie er in der Patsch war, er will jetzt selber a Bauerntochter haiern.«
Der Dechant erhob sich rasch. Er bebte vor Unwillen. »Das sagen Sie so ohne weiteres? So soll ein junges Geschöpf um ein paar Joch Felder niedergetreten und ein Kind preisgegeben werden? Dagegen protestiere ich! Darüber werde ich am nächsten Sonntag von der Kanzel herab ein Wort sprechen! Leben wir in Sodom und Gomorrha?«
Zürnend stand der Dechant vor dem Bauern, und er ließ keinen Zweifel darüber, dass er ausgesprochen hatte, dass der Kaspar Luckhaup gehen konnte. Aber er ging noch nicht. Er trocknete den Schweiß auf der Stirne und sagte langsam:
»Dass Ihr so mit mir red't, Hochwürde, is mer viel lieber. Do waaß m'r doch glei', was m'r zu taun hot. In mei'm Haus gilt mei Wille und koin annerer. Was die zwa junge Leut getaun häwe, des geitet mich nix an. Äwer des Kind soll's nit büßa.« Und er griff nach der großen Rotledernen. »Wann der kloin Luckhaup getaaft werd, Herr Dechant, legt ehm die tausert Gulde do ins Kisse. Oder legt's ehm als G'schenk von sei'm Großvatter beim Waiseamt an. Ich zieh se dem Chrischtof ab. Is sei' Bu amol zwanzig Jahr alt, konn er sich zehn Joch Feld kaafe mit dem Kapatal Und wann Ihr von der Kanzel über die Sach' red't, vergesst mer die tausert Gulde nit, Herr Dechant. G'lobt sei's Chrischt.«
Und er ging stolzen Schrittes zur Tür.
»In Ewigkeit!« sprach Jakob Schuh. Sein Blick haftete sinnend auf dem Tausendguldenschein, der auf seinem Tische lag. Das war viel Geld. Und wenn ein Bauer sich so leicht von dieser Summe trennte, so mussten auch seine Gründe in diesem Streit ein Gewicht haben, das schwer wog. Dagegen anzukämpfen war wohl nutzlos.
»Ich werde Ihren Wunsch erfüllen«, sagte er, »aber Dank erwarten Sie sich von mir keinen.«
Wortlos entfernte sich der Bauer. In seinen Augen blitzte es. Hatte er sie ihm doch abgekauft, die Kurasche. Er wird sich's überlegen, von der Kanzel was zu sagen. Und wenn? Wird das Dorf das Maul aufsperren über seine Großmut. So viel hat noch keiner gegeben... Jetzt waren wohl alle Hindernisse überwunden für die Zukunft.
Daheim angekommen, setzte er sich wieder an seinen Tisch zu den Papieren. Und jetzt vollendete er seine Sache für den Hannes. Dem Christof aber schrieb er die tausend Gulden auf.
Kaspar Luckhaup verlangte im Vorbehalt: Das alleinige Wohnrecht in einer Stube des Familienhauses, nach der Eltern Ableben aber das Vorbehalthaus für sich allein bis zu seinem Tode. Hofrecht, Stallrecht, Kellerrecht, Brunnenrecht, Küchenrecht, nichts durfte in Zweifel bleiben. Für einen Wagen, zwei Pferde und zwei Stück Hornvieh forderte er den Platz und das Futter. Ein Alter, der immer beim Sohn bitten muss, dass man auch für ihn einmal einspanne, wollte er nicht werden. Zehn Kübel reinen Weizen und zehn Kübel Kukuruz (im Korn) mussten ihm nach jeder Ernte auf den Boden geliefert werden. Zwei Fass Wein, ein Fass Raki in den Keller. Vierhundert Stück Eier sind ihm nach Bedarf auszuliefern.
Reichliches Futter für zwei Schweine, Stallreinigung durch die Knechte und der freie Gebrauch aller Wirtschaftsgeräte waren selbstverständlich.
Dafür übergibt er die ganze Session, angebaut, in vollem Stand, unbelastet, mit allem Wirtschafts- und sonstigem Geräte in das Eigentum des Hannes. Mit acht Pferden, vier Kühen und allem sonstigen Getier. Dieser aber hatte dem Christof durch vier Jahre, nach der Ernte, immer tausend Gulden hinauszuzahlen. Was der Vater etwa in Barem besitzt, wird erst nach seinem Tode geteilt. Zum Wirtschaftsbetrieb leiht er dem Hannes einstweilen zweitausend Gulden.
Als dieser abends heimkann, übergab ihm der Vater sein Schriftstück. »Zu Oschtern sagscht mer, ob du alles so annimmscht oder nit. Und ob du die Wertschaft schon jetzt willscht oder erscht im Oktober. Ich schenk' euch des halb Jahr Dienscht bei mer und die heurige Fechsung.«
Die Margret atmete auf, als sie das hörte. »Nur annehme! Ung'schaut annehme!« sagte sie. Sie wollte endlich die Bäuerin sein im Hause und nicht die Magd.