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Dem Himmel sey Dank, lieber guter Leser! wir sind uns nun nicht mehr so fremd, als da ich mit meinem Siegfriedbüchlein zum erstenmal ins Publikum schritt. Du glaubst nicht, wie behaglich mir das sey, mir, der ich nirgend lieber als unter alten Bekannten bin, daß ich, da Du mit dem, was ich Dir nach meiner Wenigkeit in gedachtem Werklein aufzuschüsseln vermogte, so ziemlich freundlich fürlieb nahmst, nunmehro Deiner Majestät, Durchlaucht, Hochgebohrnen, oder – Hochedlen – was Du nun gerade bist, als ein alter Bekannter treuherzig die Hand bieten kann.
Zwar, wärest Du – und das kann sich gar wohl zutragen, da ich diesen meinen neuen ersten Theil so gut als den alten, und auf eben den Fuß, dem guten biedern Nicolai und der hohen Ottomanischen Pforte hiermit, respektive ergebenst und in tiefster Devotion, dediciret haben will; – wärest Du also gerade eine Majestät, so mögte mancher, der noch nicht weiß, wie kordat die Schriftstellerchen heuer mit Königen und Kronprinzen in Büchern, Vorreden und Dedikationen zu reden pflegen, es für sehr zutäppisch erklären, daß ich so antik und Deutsch Dir die Hand biete. Aber mögen sie doch, lieber Sultan! Wenn nur Deine Majestät sich nicht dran stößt, so mag sich meinetwegen die eingebildete Majestät jedes Mufti, Iman, Thorschreibers, Kommissionsraths, – oder wer sonst wähnet, ein rechtschaffner Mann ehre ihn mehr durch einen krummen Rücken als durch einen biedern Gruß, dran stoßen. (Diese Leutlein kennen meine Art nicht: wem ich die Hand biete, von dem hab ich sicher eine gute Meynung – denn ich halte meine Hand ein wenig in Ehren, einen neuen Hut aber kann ich für etliche wenige Gulden wieder kaufen, drum nehm ichs mit dem nicht so genau.) Da wollt ich ohnehin drauf schwören, daß ich überall schiedlicher und friedlicher mit Dir aus einander kommen werde, als mein erstes Siegfriedbüchlein mit den Einwohnern eines kleinen Fleckens im Lande zu Schwaben. Denn, wir können nichts mit einander auszumachen haben, sobald Deine Majestät – wie sie denn ohne die größeste Ungerechtigkeit nicht anders kann – sich nur versichert hält, daß ich Dich, obgleich Du Sultan bist und ein Muselman, wegen des wichtigen Postens eines Monarchen, welchen Dir eben der Gott vertrauete, der dem Muselman so wohl als dem heiligen Vater zu Rom und dem Oberrabbiner zu Berlin Leben und Daseyn gab, eben so herzlich ehre, als wenn Du der Allerchristlichste König wärest, – wenn Du anders, wie ich zu Deiner Kaiserlichen Majestät das veste Vertrauen habe, ein guter Mann bist. Und – nimm mir das nicht übel, großer Sultan! – ein guter Mann zu seyn, ist Deine Schuldigkeit nicht mehr und nicht weniger, als es die meinige ist. Zwar giebt es einige Leute, die dafür halten, je größer und vermögender einer sey, desto mehr sey er verbunden, ein guter Mann zu seyn: ich aber mögte wohl hören, womit sie das beweisen wollten? Denn ich, der ich das Glück habe, kein König zu seyn, war, so lange ich Rechts und Links unterscheiden konnte, steif und vest der Meinung, es sey, was diesen Punkt betrift, keiner von allen, die aus Noah's Kosten herstammen, vor dem andern von Gott mit einem vorzüglichen Berufe begnadigt; und hier ist mein Beweis, von dem ich wohl einmal wenn Dirs nicht zu viel Mühe macht, zu erfahren wünschte, ob er Deiner Ottomanischen Majestät einleuchtet. Der Sultan, sag ich, ist Mensch, ehe er Sultan, und der Bettler ist Mensch, ehe er Bettler ist. Mensch ist also hier die Hauptsache; Despot oder Bettler sind zufällige Nebenumstände. Da nun gut seyn, so sehr er kann und vermag, des Menschen Pflicht ist, ( cf. Bibel, Koran, und Vernunft,) und der Bettler so wohl vom Weibe gebohren ist, als der Sultan: so fließt daraus der Schluß, daß einer wie der andre all sein bischen Kraft anstrengen müsse, so gut als möglich zu seyn. W. Z. E. W. Alles, was Deinesgleichen voraus haben, ist, daß jede Minute ihres Lebens ihnen Gelegenheit giebt, zu beweisen, daß sie gut sind; da im Gegentheil der Bettler oft sein ganzes Leben hindurch vergebens auf eine unzweydeutige Gelegenheit warten kann, darzuthun, daß Adel der Seele vielfältig mit Dürftigkeit gepaaret sey, und ächte Größe und Güte des Herzens gar wohl unter einer Hülle von Lumpen wohnen könne. Aber das ist auch vielleicht das Einzige, was Deinesgleichen neidenswerth macht – (wenn ihr bey allen eueren Lasten und Sorgen, und der schweren Rechenschaft, die ihr vor dem Throne des ewigen Monarchen zu geben habt, überall neidenswerth seyd –) und stehet der Wahrheit nicht im Wege, daß der Mann in Lumpen obgezeigtermaßen einerley großen Beruf mit Euren Majestäten, Durchlauchten, Hochgebohrnen, u. s. w. habe. – Bist Du also, wie ich sagte, überzeugt, daß ich, unbekümmert, ob Du und Deine Unterthanen beschnitten oder unbeschnitten sind, in Dir den Gesalbten Gottes ehre, den Mann, den die Vorsehung mit der Gewalt rüstete, Millionen meiner Brüder glücklich oder elend zu machen: so wüßt ich nicht, was wir mit einander zu theilen haben könnten. Indessen, was dickgedachter Marktflecken im Lande zu Schwaben mit mir und meiner unbedeutenden Autorschaft zu theilen haben könnte, wüßt ich eben so wenig, und doch erhoben einige Leutchen in demselben den Kamm, und kräheten so laut, daß ich, zu Handhabung der Gerechtigkeit, bey nächster Gelegenheit doch wohl einmal nachsehen muß, ob nicht ich irgend etwas mit ihnen zu theilen habe? – und wäre das der Fall, so wünsch ich herzlich, es möge das, was auf ihr Part kommen wird, ihnen keine Indigestionen verursachen.
Aber vielleicht amüsirt es Deine Majestät und befördert Dir die Digestion, wenn ich Dir das Döhnchen wenigstens zum Theil erzähle. Und weil es leichtlich zu Etwas gut seyn kann, wenn du an dem Tage, da Dir diese meine renovirte Dedikation zu Gesichte kömmt, gut verdauest – sollte Dir auch nur ein von allen Menschen und Freunden verlaßner oder unterdrückter armer Teufel (traue das meiner Weltkenntniß, die ohne Zweifel, so gering sie ist, ein bischen mehr umspannt, als die Weltkenntniß aller Sultane zusammen genommen, solchen Leuten bist Du die mehrste Aufmerksamkeit schuldig, weil die Großen und Reichen schon für sich selbst sorgen werden, und die Dummköpfe und Schurken vom Himmel versorgt zu seyn pflegen;) ein Memorial präsentiren, oder ein von Buben kommentirter Autor ein Buch dediciren – so thät ich Sünde, guter Sultan, Deiner Hoheit das Geschichtchen vorzuenthalten. Ich erzähle Dirs übrigens ohne allen Eigennutz, und will eben nicht, daß Du mich aus Dankbarkeit, daß ich Dich zu amüsiren suche – denn ich weiß, ihr Sultane seyd sehr erkenntlich – zum Bassa von einem Vierteldutzend Roßschweifen ernennest, wie weiland einer von Deinen glorwürdigen Vorfahren dem Bassa Bonneval thät, der ihn – eben nicht amüsirte.
Daß ein saubergebundnes Exemplar meines Büchleins nach Konstantinopel kam, war nun wohl kein Mirakel, weil mein damaliger Verleger Deiner Majestät das Dedikationsexemplar zugefertiget hat. Aber, wie sich mein Werkchen in die Hände gewisser Schwäbischer – Leser verirret haben mag, das würde mir vielleicht in eben dem Maaße zu rund seyn, als diesen – Lesern meine Schrift, wenn ich mich nicht ein wenig besser aufs Quadriren verstände, als diese Leutlein auf Bücher. Doch, im Grunde verschlägt mir das auch nichts; und gesetzt auch, es läge mir so viel an diesem Wie? als meinem Nachbar, so findet sich wohl an einem andern Orte Gelegenheit davon zu reden. Genug, mein Büchlein kam durch Vorschub einiger Leute, die was bessers hätten thun mögen, als ihr ohnedem schon vollgerütteltes Sündenmaaß zugleich mit dem der armen Sünder im Schwäbischen Kraise zu häufen, vermuthlich unter einer Partey kontrebander Waaren, in jenen Winkel des Landes zu Schwaben.
Nun residirten unter dem Thore des Oertleins ein kleines winziges Ding von Visitaterchen, und ein großer Lümmel von Thorschreiber. – Umgekehrt wär's besser gewesen: aber es war nun so. Dieser mogte Kammerdiener bey einem Deutschfranzosen gewesen seyn, denn er französirte excellent. Jener, das weiß ich gewiß, war etliche Tage in Gesellschaft eines Savojarden, dem eine Marmotte sein tägliches Brodt bescherete, gewandert, und hatte dem lüstigen Burschen ein Paar Bissen Italiänisch abgestolen, mit welchen er wundersam stolzierte, und kecklich vorgab, er habe Florenz und Rom und des heiligen Peters ganzes Patrimonium gesehen.
» Corpo di Bacco! sprach der Visitator zum Thorschreiber, was ist das? – S, i, e, g, Sie; f, r, i, e, d, vert, Sievert von Lindenberg? – Che mi venga la rabbia, Herr Konfrater, wenn ich weiß, ob ich das Dings einpassiren lassen darf! Sievert von Lindenberg! – Cospetto! das könnte wohl gar auf unsers Herrn Gerichtsschultheiß Gestrengen gehen, denn es klingt akkerat als Sievert von Lünzelberg.«
» Parbleu! thät der Thorschreiber repliciren, Vous avez verdammt viel Kopf, Monsieur Confratèr! 's Teufels bin ich, wenn Sie nicht alle Tage kapabel wären, Thorschreiber zu werden.«
» Vossignoria belieben zu scherzen, Herr Konfrater! Aber .....«
» Je me donne au diable, wenns nicht mein Ernst ist, Herr Konfrater! Malpeste! Vous n'avez pas l'esprit bouché.«
»Nu, nu! kann seyn. – Aber mit vostra licenza, Signore Confratello, daß ich nach Ihrer Meynung frage: was denken Sie, soll ichs einpassiren lassen?«
» Eh! Vertu de ma vie! pourquoi non? vor allen, wenns wirklich auf den Gerichtsschultheiß gehet. Pardi! lassens immer passiren. u. s. w.«
Die beyden Esel beleuchteten das Ding noch ein wenig, und bekonfraterten einander nach der Tablatur, bis zuletzt der skrupulöse Visitator, der so schön buchstabiren konnte, die Argumenta des politischen Thorschreibers, der so gern französisch sprach, goutirte; und so kam das Büchlein in den Ort. Aber die Untersuchung des Gesindels im Thor war doch noch früher hineingekommen, und schnell wie ein Lauffeuer lief das Gerücht von Schnabel zu Schnabel, von Haus zu Haus: es sey ein leidiges, verdammtes, vermaledeietes Ding von einem Buche angekommen, worinn das ganze Oertlein Mann für Mann auf eine unerhörte Art seinen Lex bekäme.
Ich entsinne mich, wohl eher an der Stubenthür einer Dorfschenke einen zierlichen Holzschnitt gesehen zu haben, auf welchem eine ganze Gemeinde mit Spießen und Stangen, schwerem und leichtem Geschoß, Heugabeln, Dreschflegeln, und allem gerüstet, was nur irgend eine Trutzwehr vorzustellen bastant ist, zu Felde zog wider – einen Rochen. Zu frommen meiner oberländischen Leser merk ich an, eine Roche sey nichts mehr und nichts weniger, als – ein ganz unschädlicher, wehrloser, friedfertiger, und dabey nicht übel schmeckender Seefisch, der einem Steinbutt oder Scholle am ähnlichsten, aber freylich ein wenig abentheuerlich aussieht. Sogar, wenn ich nicht irre, war auch der Priester mit Sprengwedel und Weihkessel, und geweiheten Kerze bey der Hand, den argen Feind zu exkommuniciren. – Wer weiter keine Waffen hatte, brachte wenigstens ein ungezogenes Maul mit und schamlose Sitten. Natürlich so gemahnen mich die Herren aus jenem Winkel des Schwäbischen Kraises, denen wohl ein Buch ein eben so fremdes Ding seyn mag, als jenen Bauren, deren Heimath der Holzschnitt nicht angiebt, ein ehrlicher Seefisch. Denn, schauts! die Väter des Fleckens in ihren großen Perüken und Amtsmänteln thäten halter auf dem Stadthause drob deliberiren; der liebe geistliche Herr zog sich das Ding zu Gemüthe; die Bethschwestern vergaßen Schmolken und Verläumdung; Ursula erröthete zum erstenmal vor ihrem Wucher, und schlug kläglich, mit einem: Ach, Herr Jesus Christus! die Hände über den Kopf zusammen; und zusammen steckten ihre schaalen Köpfe selbst, in der Schumacherherberge und dem Schneidergildhause, halter die weisen Kannengießer unter den ehrsamen Bürgersleuten. Kurz, die Kreti und Plethi kakelten unter einander; die Spinnstuben schallten wieder; in den Wochenstuben hörte man nichts anders; bey den Gevatterschmäusen wars halter der ewige Fladen; die Stricknadel wackelte nicht, die Spindel stand still, und, schauts, der Eimer am Born blieb schweben. Das war ein Gehaltre und Geschautse vom Henker! Jeder wußte haarklein alle die heillosen Dinge, die in dem Buche – – nicht standen; wußte auf ein Haar, von wem der Edelmann seinen Sarras, der Justitiarius sein Kartonhütlein, und der Ludimagister seinen Dornstock entlehnt habe; wußte auf ein Haar, daß Freundschaft, Rechtschaffenheit, Achtung gegen würdige Männer, und was weiß ichs? von dem ruchlosen Verfasser dieses ehrvergessnen Buchs gottloser Weise unter den frevelnden Fuß getreten wären; wußte, daß Staat und Menschenliebe, Kaiser und Könige, Ludwig der sechzehnte und die Grafen von Reuß, – und ich glaube wahrhaftig gar der liebe Gott oben drein, ärgerlich und lästerlich in dem giftigen Büchlein angetastet wären. Ein Duns erzählte die neue Mähr dem andern Dunse, und, schauts! bey allen thäts halter so glatt hinunter gehen, als wärs ein Fadensüpple. – Zwar trat ein Biedermann auf, nahm eine Priese aus seinem Riechbüchsle, bot den Umstehenden desgleichen, und bewies: es sey der Menschheit nit sönderlich ehrsam, daß eine Menge Menschen sich selbst herabwürdige, bloß in Meinung und Absicht einen andern herabzuwürdigen, und – was das Abgeschmackteste sey, – alles das auf Hörensagen, alles das auf Treu und Glauben etlicher Laffen, die im Thore eins und anders aus dem geistreichen Dialog der beyden Genies aufgeschnappt, und bey der Gelegenheit etwa hie und da ins Büchl hineingeklotzt haben mögten. – Aber das war in den Wind geredet.
Unterdessen nun, lieber Sultan, daß das Geträtsch so einige Tage dauerte, lief allmählich das Buch von Hand in Hand, und einige Leute verwendeten sogar die etlichen Groschen an ein eignes Exemplar, welches sie um so leichter erhalten konten, da ein wohldenkender Mann zu Leipzig aus treuem Eifer fürs gemeine Beste so ehrlich es mit dem Verfasser meynte, durch einen Nachdruck die Exemplare der ersten Ausgabe zu vervielfältigen, die der Verfasser aus weit besserem Eifer fürs gemeine Beste in einer ersten Ausgabe nicht vielfältig haben wollte. Da sah denn nun allerdings, wer Augen hatte zu sehen, daß das Büchlein unter dem Zuschnitt eines Romans nichts weiter sey, als ein menschenfreundlicher Versuch, denen, die trauriges Herzens sind, ein halb Stündchen wegzuscherzen, dessen Verfasser allem, was Gut und Groß ist, gern und freudig Gerechtigkeit widerfahren läßt, ob er gleich hie und da über das seruum pecus imitatorum sein Gelächter hat, hie und da der Büberey einen Rippenstoß giebt, und der Geckenhaftigkeit ihr Schellchen an das Käppchen heftet. Man sah, daß er sich bemühe, aus der Welt hinauszulachen, was unsre Weisen hinausmoralisiren, und unsre Eifrer hinauspoltern wollen; daß er da und dort eine nicht unerhebliche, und unter andern den Eltern vorzüglich die Wahrheit predige, es sey nothwendig, den Charakter und die Anlagen ihrer Kinder sorgfältig auszubilden und zu entwickeln, oder durch Leute, die dazu tüchtig sind, ausbilden zu lassen, im Fall sie selbst sich zu einem so wichtigen Geschäft zu schwach fühlen; daß er zeige, man könne bey der edelsten Geburt und ungeheuren Glücksgütern, selbst bey der herrlichsten Anlage und dem treflichsten Herzen, ohne Bildung und nothdürftige Kenntnisse nichts anders als ein lächerliches Original und ein Spiel der Buben seyn. Man sah ferner, daß der Verfasser unglücklicher Weise ins Wespennest der Thoren stöhre, und andre dergleichen gar löbliche Dinge mehr, welches alles Du, weiser Sultan, ebenfalls gesehen haben wirst. Man sah auch, daß es seine Art sey, alles mit lachendem Munde zu sagen, und daß er sich in seiner Vorrede und sonst wider Buben und desgleichen hinlänglich verwahret habe. Aber kein einziger verständiger und redlicher Mann sah in irgend einem Winkel des Buchs ein Tittelchen, weswegen dem Verfasser, sogar unter dem willkührlichsten Despotismus eines Bassa in einer der Provinzen Deines großen Reichs, auch nur Ein Haar gekrümmet werden könne, geschweige denn im heiligen Römischen Reiche, in Pohlen (obgleich der böse Skribent dieses Land ärgerlicher Weise die Polackey nennet,) in Schweden, Dännemark, Berlin, Paris, der Moskowiterey, u. s. w. Kein vernünftiger Mann bemerkte, daß der Verfasser über Kaiserliche, Königliche und Fürstliche Verfügungen spotte; wohl aber sahen sie, daß er den Kindern die Ruthe gebe, die Gefahr liefen, in Großvaters Pantoffeln zu stolpern und das Näschen zu quetschen, indem er die flachen Kopien ächter Größe, die aufgebläheten Frösche neben dem Stier, zurecht zu weisen suche, die von der Spitze ihres Misthaufens soviel zu übersehen glauben, als vom Gipfel des Blocksberges; die oft aus guter Meynung, oft aus Baurenstolz, oft aus Unverstand mit wirklicher Größe des Charakters verbunden, in ihren armseligen vier Pfählen, und in dem Bezirk ihres Dörfleins den Monarchen machen, was im Großen möglich ist, im Kleinen für möglich halten, auf dem Schlosse Lindenberg einen Staatsrath errichten, und in einem abzuspannenden Dörfchen das Indigenat einführen, ihr Geld zu Stiftungen und Anstalten vertändeln, wodurch in der Welt – das heißt hier: in dem Cirkel, der sie umgränzt, nichts gebessert wird, u. s. w. Man sah, daß er sich bemühe, in ein und anderm auffallenden Exempelchen zu zeigen, wie kläglich es einem Manne von Stande, Vermögen, und einiger Bedeutung stehe, wenn es in seinem Hirn so öde und leer ist, daß man seine liebe Noth hat, ihm die faßlichsten Dinge begreiflich zu machen, u. s. w. Man sah, daß er es für ein ganz gutes Ding halte, Genie zu haben, obgleich er es sehr abgeschmackt finde, wenn Tölpel, Windflügel, Schwätzer und Hasen sich dünken, Genies zu seyn; obgleich er spotte über die Buben, die ihre Büberey, über die Gecken, die ihren Wurm, über die Schmierer, die ihre platten Fratzen, über die Tappse, die ihre Eseleyen, über die Händelecker, die ihre Hasenhaftigkeit für Züge des Genie geben, und über die Laffen, die, unbekannt mit den ersten Grundlinien irgend einer Disciplin, sich dem toleranten Publikum als Kunstrichter aufdringen, Schriftsteller, deren Superiorität sie fühlen, mit ihrem Geifer bespritzen, junge Leute, die oft nicht ohne Kopf und Talent sind, abschröcken, den noch nicht festen Leser irre führen, und zu urtheilen glauben, wenn sie eigentlich nur mit ihren langen Ohren gewackelt haben. Man sah, daß er mit einigem Gewicht über dergleichen Gesindel herfiel, und, wer sich hellen Kopfs und reinen Herzens fühlte, der bedaurte nur, daß der Verfasser nicht schwerer wog oder wiegen wollte.
Alles das und mehr dergleichen Dinge, ganz erlaubt zu sagen, und für Tausende gar erbaulich zu lesen, fanden gescheute und redliche Leute in dem Büchlein, weil sie wirklich drinn standen. Und eben weil sie redlich waren, übten sie die Gerechtigkeit, die man jedem Schriftsteller schuldig ist, nichts in sein Buch zu legen, was er ganz augenscheinlich nicht hineingeleget hatte.
Ganz anders aber nahmen sich die Genies, das lüftige Völklein der Windmichel und Hasen, der kleine Visitator, der so viel von Italien erzählte, der große Thorschreiber, der so gern französisch sprach, der liebe geistliche Herr, die Kreti und Plethi, und die trätschende Akademie der Wissenschaften im Schneidergildhause. Sie hatten nun das Büchlein nach Herzenslust begaffet, bekopfschüttelt, beachselzuckt, und mit ihren schmutzigen Fingern besudelt, auch sogar berandglosset, und nun war dieses ganze kopflose Häuflein Ein lebendiger Kommentar über mein armes Buch, das sich der Ehre nicht werth hielt noch versehen hatte. Es war ein natürliches Hexenfest in dem Oertlein. Jeder war geflissen, sein Schwefelhölzchen herbeyzutragen, um den Scheiterhaufen zu vergrössern, den ich ruchloser Mann, dem nichts heilig ist, verdienet hatte. Und, ohne Ruhm zu melden, der liebe fette geistliche Herr machte die giftigsten Kommentarien unter allen, denn, seine Frau hatte ihm gesagt, und seine Amme hatte es bestättiget, mein Buch sey gar ein gottloser ehrenschänderischer Quark von einem Buche.
Eine große, feiste, vierschrötige Excellenz glaubte sich in der Person des Pommerschen Junkers wie in einem Spiegel zu sehen, und drang beym ehrbaren des Oertleins Rath ernstlich auf ein Verbot meines Buches.
Ihro Excellenz erwiesen mir viel Gnade, daß Sie es nicht durch den unehrlichen Appendix der lieben Justiz verbrannt wissen wollten, und mich effigialiter dazu. – Ich bin sehr für Wörter, die sich in iter endigen. – Da Ihro Excellenz freylich wohl zu allen Schwachheiten und Mängeln meines Freundes, des guten Siegfried, aufgelegt seyn mögen, aber keine Spur seiner schönen Seele, seines großen herrlichen Charakters, seines Stolzes, der bey aller Unwissenheit des Mannes edel genug ist, an sich haben: – überdem, da mein Freund keine große, feiste, vierschrötige Excellenz, sondern ein schöner, wohlgewachsener Mann, von schlankem Wuchs, sehr edler Stellung, und majestätischem Ansehen ist: so kann ich Ihro Excellenz unmöglich die Ehre erwiesen haben, Dieselben zu schildern. So verschieden sind nicht Nachteule und Adler, als diese Excellenz und der Junker. Dünkt Dich das nicht auch, weiser Sultan?
Wo ein paar Leute einander in den Weg kamen, wars die erste Frage: »Haben Sie den Siegfried gelesen?« – Ja! – »Nun?« – Je nu! ich denke, schauts! unter allen hat er meinen Nachbar dort im Eckhause am besten getroffen. – »Schauts! mei Six! Aber das Peterl ist doch mit Haut und Haar der Hofrath**.« – Das Peterl? hm? Habs nit drinn abselvirt. Das Peterl? das Pet.... Ah! nu bin ich dran. Meynen das Fixerl! Ists nit? Mei Blut! Nu Sie 's sagen, ist mirs wärli, als wenn ich den Hofrath leibhaftig vor mir hätt'! Das Buch muß hier im Städtel geschrieben seyn, u.s.w.
So half immer ein Tapps dem andern auf die Sprünge. Aber, daß irgend einer in seinen Busen gegriffen, gesagt oder nur gedacht hätte: »Das bin ich! an diesen Zügen erkenn ich meine Büberey, meine Narrheit! Dank sey dem Schriftsteller, der mir mein eignes Herz aufschloß! ich will mich bessern! « – davon, lieber Sultan! ist mir nichts zu Ohren gekommen. Und, bey Gott! das hätte mir mehr Lohn seyn sollen, als wenn mir mein Buch eine Million eingebracht hätte. Denn was ist eine Million, die ich doch früh oder spät zurücklassen muß, was ist ein Königreich gegen ein Verdienst, das mich durch alle Ewigkeiten begleiten würde?
Ich würde so bald nicht fertig werden, wenn ich Deiner Majestät alle die Armseligkeiten vorlegen sollte, und alle die Bosheiten, die bey Gelegenheit des Siegfriedbüchleins zu Tage gefödert sind, und nach dem Willen jener Leute auf mein Konto laufen sollen. Nur die unbedeutendsten, die unschuldigsten hab ich ausgehoben; denn was die hämischen Kommentare meines Gönners, des lieben geistlichen Herrn, der mich nicht kennt, und den ich nicht kennen mag, betrift, so respektire ich theils mich und meine Feder, theils das Ohr und die Person Deiner Majestät zu sehr, als daß ich hier solchen giftigen Plunder mustern sollte.
Was ich den Herren im Lande zu Schwaben sagen werde? – Nichts, großer Sultan! Nichts in der Welt, kein Wort, kein Jota! Willst Du aber, daß ich mit Dir ein wenig über die Sache sprechen soll – außer allem Zweifel kann ich keinen unbefangenern Leser haben, als Dich, obgleich mein Freund Siegfried Dein Serail nachahmen wollte, weswegen mich aber Dein Mufti so wenig als Dein Hofderwisch in den Bann thun, oder bey Deiner erleuchteten Majestät verfuchsschwänzen wird – so bin ich bereit zu gehorchen.
Ich bin also der Meinung, daß den Herren im Städtlein zu Schwaben jeden sein eignes heimliches Geschwür jücken müsse. Denn Horaz sagt schon:
– – – – –
Quemuis media arripe turba;
Aut ab auaritia, aut miser ambitione laborat.
Hic nuptarum insanit amoribus, hic puerorum:
Hunc capit argenti splendor, und so weiter,
Omnes hi metuunt versus, odere Poetam.
Foenum habet in cornu! longe fuge! dummodo risum
Excutiat sibi, non hic cuiquam parcet amico, etc.
Ich wundre mich also gar nicht, wenn die Herren mich anfeinden und mein Buch fürchten. Eben dieses Quemuis media arripe turba des Menschenkenners ist Bürge, daß mein Buch, so wie ich es geschrieben habe, wenn es in Rom zu den Zeiten der Pisonen heraus gekommen wäre, seine Kommentatoren gefunden haben müßte, weil man ohne Mühe von jedem meiner Originale dort Kopien in Menge angetroffen haben würde; eben das würde geschehen, wenn ich tausend Jahr später lebte und schriebe. Denn es stehet nicht zu hoffen, daß binnen hier und tausend Jahren die Zünfte der Buben und Gecken so ganz aussterben werden, daß nicht in jedem kleinen Städtlein noch so viel übrig bleiben sollten, als nöthig sind, jede Schellenkappe, die in meinem Buche vorkömmt, wohl mehr als Einem Kopfe anpassen zu können.
Ich wundre mich auch nicht, daß die Herren sich versichert hielten, mein Buch sey dort im Städtel geschrieben, und es ist mir lieb um des Städtels willen; denn (wiewohl mirs leid thäte, wenn ein Unschuldiger jenen Herren bis jezt an meiner Stelle zum Sündenbock gedienet hätte) es kann immer für einen Beweis gelten, daß es in dem Oertlein einen Mann giebt, der im Stande ist, ein leidliches Buch zu schreiben. – Und daß ich mein Buch wenigstens für ein leidliches Produkt halte, wird mir wills Gott niemand verargen; denn wahrhaftig, ich müßte noch unverschämter seyn, als meine Kommentatoren, wenn ichs für schlecht hielte, und es dem ungeachtet dem Publikum vorlegte. Zudem bin ich mir bewußt, daß ich es so sorgfältig gearbeitet habe, als ich nach Maaßgabe der Umstände konnte, und so gut als ich durfte. – Um aber doch die Herren von ihrem Irrthum zu heilen, und zu Steuer der lieben Wahrheit, für deren Freund und Verehrer ich mich hiermit öffentlich und feierlich bekenne, sey hiermit jedem Anekdotenjäger, litterarischer Neuigkeiten Notizfabrikanten, u. s. w. kund und zu wissen, daß mein Buch nicht in Schwaben gebohren sey, sondern daß ichs hier, mitten unter dem frohen Haufen meiner Kinder, an meinem Pulte, in meinem Hause, belegen in der Stadt Itzehoe im Lande zu Holstein, elaboriret habe; in welcher Stadt man über mein Büchlein vor meinen Augen und Ohren wohl so liebreich kommentiret hat, als im Oertlein zu Schwaben, und wahrscheinlich in jedem Orte, wo man meinem Freunde Siegfried die Ehre that, ihn kennen zu lernen. Zwar kann ich nicht leugnen, daß ein weit größeres Theil meines Siegfriedbüchleins, als ich dem Publikum in diesen beyden Bändchen mittheile, bereits unter meinen Papieren lag, als ich noch an den Ufern des Guttalus lebte; aber in Schwaben ist kein Tittelchen, weder von dieser, noch von irgend einer meiner übrigen Schriften empfangen oder gar gebohren. Mein Beweis ist ganz simpel: Zeitlebens bin ich mit keinem Fuße nach Schwaben gekommen. Ich weiß sogar von Schwaben sehr wenig, weiß nicht, wie weit Burlefingen von Grimmelfingen entlegen sey, weiß nicht, ob Rabiosus Recht oder Unrecht habe, und schäme mich gar nicht, diese meine Ignoranz frank und frey zu gestehen, da ich zwanzig tausend weit gepriesenere Dinge weder weiß noch wissen mag, noch zu wissen brauche; da ich reisete, um Erfahrung und Menschenkenntniß zu sammeln und meines Berufs zu warten, nicht aber um Thurmspitzen und den Esel im Hamburger Dom zu besehen, oder das Männchen unter der Brücke zu Dresden.
Freund Richardson hätte seinen Sir Carl, und seinen Lovelace dazu, immer in Petto behalten mögen, denn der erstere ist, leider! nicht in der Natur, und der letztere, Gott sey Dank! noch weniger, wofern nicht etwa seit Klarissens Existenz sich einer gebildet hat. Nützlicher und besser ists, wenn man den Leuten erreichbare Ideale zur Nachfolge vorstellt, und hübsch bey den alltäglichen Thorheiten, denen so viele sich nur gar zu gern ergeben, stehen bleibt, und Buben, wie man sie an allen Ecken findet, die Geißel um die Ohren sausen läßt. Was wir tadeln, muß in der Natur seyn, muß nicht so selten seyn, daß es nicht der Mühe lohnet, davon zu reden; sonst ist im ersten Fall, wenigstens unsere Arbeit fruchtlos und ganz umsonst; und im zweyten läuft man Gefahr, Bübereyen zu lehren, an die kein Mensch gedacht haben würde. Ich gebe es zu, man kann, wenn man die Züge zu seinen Bildern aus der Natur nimmt, sie von alltäglichen Originalen abstrahiret, und so aus zehn und mehreren einen einzigen Gecken zusammen setzet – man kann, sag ich, auf den Fall unmöglich zwischen den Deutern ungehudelt hindurch kommen. – »Sieh! leibhaftig meines Nachbars Nase!« – Nimms indessen nicht übel, guter Freund, oft zupft der Autor deine eigne Wenigkeit beym Ohr, wo du des Nachbars Nase aufs eigentlichste zu erkennen glaubest. – Es muß aber schlechterdings einem Schriftsteller schmeichelhaft seyn, wenn er an manchem Orte Deuter findet. Zwar ists ein Zeichen, daß die Menschen nicht leicht zu bessern sind, weil jeder nicht sich, sondern seinen Nachbar im Spiegel sieht: aber es beweiset doch auch, daß ein solcher Autor ein treuer Maler der Natur sey; – freylich der fehlerhaften Natur: aber kein Aristoteles hat dem Sittenrichter das Gesetz gegeben, ins Schöne zu malen.
Mit welchem Rechte schreyet endlich dieser und jener wider den Mann, der mit lachendem Munde und heilsamen Spotte zu bessern sucht? Lieben wird ihn, wer Herz und Hände rein weiß; und wer nicht in dem glücklichen Falle ist, der bessre sich, und feinde keinen Schriftsteller wegen einer edlen Absicht an, oder schelte sein Buch für giftig. In meinem Buche kenne ich kein Gift; und zum Beweise, daß dem so sey, und daß ich bereit stehe, mein Herz, und die Moralität jeder Zeile, die ich gedruckt oder ungedruckt schrieb, gegen jeden Angriff zu vertheidigen und zu schützen, bekenn ich mich hiermit öffentlich zu diesem Buche; und wenn es erfoderlich seyn sollte, will ich mich gern zu allem bekennen, was ich jemals schrieb. Ich gebe willig zu, daß nicht alles meinem Verstande Ehre mache, denn ich bin ein Mensch; aber ich bin mir bewußt, daß ich durch keine Sylbe mein Herz entehret habe. Uebrigens ist Horaz ein Mann von größerem Gewichte als ich. Schon einmal hab ich ihn angeführet, und auch hier mag er für mich reden. Er sagt:
Nunc illud quaeram, meritone tibi sit
Suspectum genus hoc scribendi. Sulcius acer
Ambulat et Caprius, rauci male, cumque libellis;
Magnus vterque timor latronibus: at bene si quis
Et viuat puris manibus, contemnat vtrumque.
Vt sis tu similis Caeli Birrique latronum,
Non ego sim Caprii neque Sulci; cur metuas me?
– – – – – – – – »Laedere gaudes,
Inquis, et hoc studio pranus facis.« Vnde petitum
Hoc in me iacis! est auctor quis denique eorum
Vixi cum quibus? Absentem qui rodit amicum,
Qui non defendit alio culpante, solutos
Qui captat risus hominum, famamque dicacis,
Fingere qui non visa potest, comissa tacere
Qui nequit, hic niger est! hunc tu, Romane, caueto!
Saepe tribus lectis videas coenare quaternos,
E quibus vnus amet quauis adspergere cunctos
Praeter eum qui praebet aquam: post, hunc quoque potus,
Condita quum verax aperit praecordia Bacchus;
Hic tibi comis et vrbanus liberque videtur
Infesto nigris: ego si risi, quod ineptus
Pastillos Rusillus olet, Gorgonius hircum,
Liuidus ac mordax videor tibi? Mentio si qua
De Capitolini furtis iniecta Petilli
Te coram fuerit, defendas vt tuus est mos:
»Me Capitolinus conuictore vsus amicoque
a puero est, causaque mea permulta rogatus
Fecit, et incolumis laetor quod viuit in vrbe;
Sed tamen admiror, quo pacto iudicium illud
Fugerit.« Hic nigrae succus loliginis; haec est
Aerugo mera; quod vitium procul afore chartis,
Atque animo prius, vt si quid promittere de me
Possum aliud, vere promitto. Liberius si
Dixero quid, si forte iocosius, hoc mihi iuris
Cum venia dabis. etc.
Um Verzeihung, lieber Sultan, wegen dieser langen Citation. Ich citire sonst nicht gern, aber da die Stelle so passend ist, und ich mir nicht getraute, es besser zu sagen, so lässest Du mirs ja wohl ohne Bastonnade hingehen, daß ich einmal einen andern ehrlichen Mann für mich denken lasse, da ich so oft für andre Leute denken muß. Latein wirst Du freylich nicht verstehen: aber das geht vielen unsrer Gelehrten, d. i. Männern, die auf Universitäten gewesen sind, nicht besser. Dein Dragoman – vor allen wenn er kein Gelehrter ist – wird Dir schon aushelfen. O, es ist eine herrliche Sache um einen tüchtigen Dragoman!
Ich bin – denn was gehen mich im Grunde die Dragomans an? reden wir lieber von andern Dingen. – Ich bin jetzt mehr als jemals der Meinung, daß der schöne Alcibiades ein gescheuter Kopf war. Damals, wie ich noch unter den Händen meiner Orbile, die Gott selig haben wolle! die klassischen Autoren manch schönes mal zum Henker wünschte, wollte mir das Ding nie einleuchten, daß ein Hundeschwanz je eine erhebliche Sache für eine ganze Republik, für die gesittetste, witzigste, urbaneste, gelehrteste, weiseste – ja, weiseste sag ich; es ist kein Druckfehler; – Stadt unter der Sonne seyn könne. Ich war ein ernsthafter Junge, und hatte, wie mans von einem Burschen, der die Welt nur aus einigen Büchern kennt, nicht anders erwarten kann, eine herrliche Meynung von dem Menschengeschlecht, und große Hochachtung vor demselben. Es thut mir leid, daß Erfahrung und Menschenkenntniß diese Meynung und Hochachtung um sehr viele Oktaven herabgestimmet haben, denn es war mir damals viel besser zu Muthe, so leicht ums Herz, so warm in der Brust, als mir nie wieder seyn wird! nie wieder seyn kann! Wie theuer kömmt mir dies arme bischen Erfahrung und Menschenkenntniß zu stehen! – – Jezt brauchts keines Hundeschwanzes mehr. Weisheit und Bildung sind so hoch gestiegen, daß ein Mückenfuß, und weniger als ein Mückenfuß – denn der ist doch immer ein Geschöpf Gottes – daß ein unbedeutendes Ding von Roman schon hinlänglich ausreicht, den gefährlichen Theil des Publikum zu beschäfftigen. Fast hätt ich Lust, Sultan zu werden! Traun, es muß eine herrliche Sache seyn, sehr schmeichelhaft für den Stolz eines Mannes, über so edle, wichtige, weise Geschöpfe zu herrschen.
Hör, lieber Sultan, ich bin – nicht Dein Sklav, sondern ein Mann, ders gut mit Dir meynet; und ich halte Dich für weise genug, einen guten Rath annehmen zu können. Und wenn Dein Mufti und alle Imans, Derwische, Fakirs und Kalenders, so viel ihrer in Deinem Reiche sind, toll darüber würden, und Dein Janitscharenaga die Gelbesucht davon bekäme, so kehre Dich nicht dran, sondern gieb jedem, ders nur fodert, Deinen Firman zu Anlegung einer Buchdruckerey, und leide dann nicht, daß die Preßfreyheit, die Du, nach dem weisen Beyspiele des Dänischen, Preußischen, und andrer Monarchen, erlauben wirst, im mindesten gekränket werde. Du glaubst nicht, welch ein nützliches Ding Preßfreyheit für euch Monarchen sey! aber versuchs ein Jahr oder zehn, und Du sollst mirs danken. Sieh, ich will mich spießen lassen, wenn je ein Sultan von den Janitscharen dethronisirt wird, so bald ihr Sultane die Druckereyen einführet und vernünftig zu handhaben wisset. Hast Du vor der Hand keine Schriftsteller in Deinen Staaten, so erzeige dem heiligen Römischen Reiche Deutscher Nation den Liebesdienst, uns ein zehn oder zwölftausend abzunehmen; wir behalten noch übrig die Hülle und die Fülle, denn hier ist ihr Name Legion. Das Gewerbe ist ansteckender, als die Pest, unter deren Geißel Dein Stambul so vielfältig seufzet. Bald werden Deine Moslems von ihnen lernen, wie man Papier verdirbt, um mit dem Magen zu diskontiren, und Deine Hoheit wird sich wohl dabey befinden.
Was die Preßfreyheit betrifft, so ziehe die Gränzen derselben hübsch eng zusammen in Sachen, die die Sitten angehen. Wenn z. E. Gedichte im Geschmack des Grekourt, ein Dom B..., und dergleichen bey Dir aufducken sollten, so laß den Unflath und seinen Verfasser, ohne weiters, auf einem und demselben Scheiterhaufen verbrennen. Tausend lüderliche Häuser, und tausend Kuplerinnen dazu, stiften nicht halb so viel Verderben, als Ein solcher Bube. Was den Staat anlanget, da kannst Du die Leute schreiben lassen, was sie wollen. Der Deinige müßte sehr schlecht gegründet seyn, wenn ein Mann aus der Dämmerung seiner Studierstube ihn niederschreiben könnte. Zudem unterbleiben dergleichen Schriften bald von selbst, wenn nicht darauf geachtet wird. Daß sie geschadet hätten, habe ich noch nicht erlebt. Sollte jemand die Reise Mahomed's auf dem Borak, durch alle die Himmel – ich weiß nicht gleich, sinds ihrer sieben oder neune, – die er in so kurzer Frist ablegte, daß aus seinem umgestoßnen Wassertopfe kein einziger Tropfen Zeit zum Herausfliessen gehabt hatte, – sollte jemand die übrigen Wunder des Propheten bezweifeln, so – – ich dächte, Du ließest ihn zweifeln; denn, Mahomed ist nichts, oder er wird seine Ehre schon selbst zu retten wissen. Aber, was wider solche Zweifler geschrieben wird, das laß genau prüfen, ehe es unter die Presse kömmt; denn eine elende Vertheidigung schadet gemeiniglich mehr, als der schärfste Angriff.
Mit den Schriftstellern von Genie und Talenten rathe ich Dir freundlich und herablassend umzugehen, ihnen gleichsam de pair à compagnon zu begegnen. Schmeichle ihrem Ehrgeize, und sey nicht geizig gegen sie, das wird Dir wohl thun. Die Leute sind nicht unerkenntlich; sie werden Dir in den Jahrbüchern der Welt ein rühmliches Zeugniß geben, und Du wirst nach Jahrtausenden noch als ein Muster der Sultane angeführet werden, da man von den mehrsten Deiner Vorfahren kaum den Namen und den kleinen Umstand weiß, daß sie auf Anstiften des Mufti oder eines müßigen Trunkenbolds von Janitscharen stranguliret sind. Kolbert war klug genug, dem vierzehnten Ludwig eben dieses unter den Fuß zu geben, und Ludwig heißt bis auf den heutigen Tag der Große. Das Klügste, was jener Dichter, dem die Verse so leicht abgiengen, als unsern Zeitgenossen die Kommentare, gesagt hat, ist sein Viuitur ingenio (gleichviel ob durch eignes oder andrer Leute Genie cetera mortis erunt.
Der Hauptnutzen, den Du von den Produkten der Schriftsteller hast, ist eben der, den Alcibiades vom Hundeschwanz hatte: sie beschäfftigen den müßigen Pöbel, der, unterdessen daß er über ein Buch herfällt, nicht Zeit hat, über den Staat herzufallen, oder Meutereyen anzuzetteln; nicht Zeit hat, es zu fühlen, wenn Du ihm durch Verordnungen oder Auflagen ein wenig hart fallen mußt; sich schon sattsam an Dir gerächet glaubt, wenn ein Autor ein und andern satirischen Zug wider Deine Auflagen niederschrieb, und nicht einmal im Traume sich beykommen läßt, daß Du selbst vielleicht, oder einer von Deinen erleuchteten Vezieren dem Autor wohl diesen Zug in die Feder diktiret haben könne. Halt demnach die Schriftsteller in Ehren, die die Kunst verstehen, den müßigen großen Haufen zu amüsiren, der Dir sonst leicht gefährlich werden kann, wenn er nichts hat, woran er seine Unart übet; sie sind Deine Wohlthäter. Weißt Du sie zu brauchen, so kannst Du mit dem größesten Theil Deines Volkes machen, was Du willst. Einem andren Theile opfre einen Hundeschwanz, oder des etwas, und für den kleinen Rest hast Du ja Roßschweife und andre Tändeleyen, die eigentlich Zeichen und Lohn des Verdienstes und der Treue sind, zuweilen auch Auffodrung zur Treue und zur Erwerbung des Verdienstes, und ein Band, das den Unterthan an seinen Souverain bindet; sehr oft aber auch von klugen Regenten als Zuckerbrodt gebraucht werden, bärtigen Kindern den Mund zu stopfen.
Ich könnte noch viel hinzusetzen, aber ich habe eine so erhabne Meynung von Deiner Weisheit, und werde in derselben durch Deine neuen Piasters, die Du um verschiedene Para's zu leicht ausmünzen lässest, so sehr bevestiget, daß ich fast glaube, schon viel Ueberflüßiges gesagt zu haben. Demnach küß ich Deiner Hoheit – nicht den Kaftan, denn ich verabscheue alles, was kriechend und eines freyen Mannes unwürdig ist, – sondern die Hand, und bitte Dich, lieber Sultan, dieses als das Zeichen der tiefsten Ehrfurcht anzusehen, zu der ich mich gegen jeden verpflichtet achte, den Gott mit dem Amte eines Monarchen belehnete; wobey ich mich zugleich Deiner Gnade empfehle, und von Herzen wünsche, daß Rußlands weise Katharina Deine neuen Piaster, obgleich sie um fünf Aspers zu leicht sind, für voll zu nehmen geruhen wolle, damit eine so herrliche Finanzoperation nicht in den Brunnen falle. Murren Deine Unterthanen über die neuen Medaillen, so bin ich erbötig, mit einigen meiner Herren Collegen in Dein Land zu kommen, und zu versuchen, ob wir durch ein paar komische Romane und einige beißende Züge wider Deinen Münzwardein ihre üble Laune wegscherzen können.
Meinen Deutschen Lesern hab ich wenig oder nichts zu sagen. Sie haben mir größtentheils die Ehre erzeigt, die erste Ausgabe meines Buches mit einigem Beyfall aufzunehmen. Ich bin kühn genug, eben dieses für gegenwärtige fast dreifach stärkere Ausgabe zu hoffen.
So viel ich weiß, bin ich der erste, der es wagte, unserer jetzigen Nation einen originalen Deutschen komischen Roman vorzulegen. (Von Nachahmungen und Uebersetzungen rede ich nicht.) Das ist nun zwar kein Verdienst, aber es könnte mir vielleicht einigermaßen Anspruch auf ein wenig Nachsicht geben – nicht gegen Fehler, denn die verdienen niemals Nachsicht, sondern da, wo ich den Geschmack des Publikum, den ich noch nicht kennen konnte, verfehlt haben mögte.
Ich wünsche, daß ich auf dieser Bahn, die ich nach meiner wenigen Einsicht für sehr nützlich halte, viel Nachfolger finden, und von jedem übertroffen werden möge.
Mit Vorsatz bin ich keinem Narren auf Gottes Erdboden zu nahe getreten, denn mein herzlicher Wunsch ist, nicht zu beleidigen, sondern zu bessern.
Uebrigens mögte ich die Herren Kommentatoren wohl bestens ersucht haben, mich inskünftige mit ihren Deutungen gütigst zu verschonen, sonderlich diejenigen, die ihre Wohlmeynung so weit trieben, daß sie ihre schamlosen Pasquille mir unterschoben.
– Einem Vorwurfe hätt' ich Lust vorzubeugen. Junker Siegfried ist ein Pommer, und spricht ungefähr Deutsch, wie ein ehrlicher Handwerksmann hier zu Lande zu thun pflegt, wenn er glaubt, daß man seine niedersächsische Sprache nicht verstehe. Das ist nicht lokal, ich gestehe es. Ich hätte den Junker eben so leicht den Pommerschen Dialekt, der mir geläufig genug ist, können reden lassen, und ich würde es thun, wenn ich in Pommern schriebe, und der Tummelplatz meines Helden in irgend einer andern Provinz läge. Aber ich lebe in Holstein, werde hier am meisten gelesen, und glaube, billigen Kritikern hiermit genug gesagt zu haben. – Der schulgerechte Leser wird meinem Buche das Wort Roman nimmer anpassen können; aber mein Büchlein ist überall kein schulgerechtes Buch, deß weiß ich mich gar wohl zu bescheiden.
Sonst hoff ich durch dieses Siegfriedbüchlein das Versprechen gewissenhaft erfüllet zu haben, das ich dem Publikum in der Vorrede zu meinem letzten komischen Roman, (der Ring, eine komische Geschichte) der 1777 in meinem eignen Verlage erschien, gegeben habe.
Ob vom Siegfried mehr Theile erscheinen werden? das ist eine Frage, deren Beantwortung von denen Lesern abhängt, die mich mit ihrer Subskription beehret haben, und denen ich hiermit, so gut ich kann, meinen Dank bezeuge. Wenigstens will ich hiermit den dritten und vierten Theil zu eben dem Subskriptionspreise ankündigen, welche in der Michaelis Messe erscheinen werden, im Fall die Herren Subskribenten mich nicht verlassen, sonst aber ruhig in meinem Pulte liegen bleiben sollen.
Weder vor dem Deutschen, für dessen Verfasser ich mich hiermit bekenne, noch vor einer der verschiednen Streifereyen, die ich ins Gebiet der Philosophie wagte, noch vor einer meiner übrigen Schriften, deren, leider, mehr sind, als mir lieb ist, hab ich mich genannt, denn ich bin mit keinem von allen diesen Werken sehr zufrieden, und verspreche ihnen keine Dauer. Auch von meinem Siegfried erwart ich nicht, daß er mich überleben wird, und nur Ursachen, wie ich oben angeführet habe, können mich bewegen, ihn unter meinem Namen drucken zu lassen.
Geschrieben zu Itzehoe,
im März, 1781.
Johann Gottwerth Müller,
Buchhändler.