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Reichthal, Pfrim, Wendelin.
Reichthal (zur Mitteltüre eintretend). Wendelin! (Zu Pfrim.) Guter Alter –! Erkennt Ihr mich?!
Wendelin (mit freudigem Staunen). Unser Wohltäter –!
Pfrim. Der gnädige Herr Baron –!?
Wendelin. Die Freud', das hab' ich mir nicht erwart't.
Reichthal. Und doch ist nichts Freudiges in meinem Wiedererscheinen, es war ein voreiliger Schritt, noch gibt es hier keine Hoffnung für mich! Ich irre hilflos umher, und hätt' ich euch nicht, gute Leute, ich müßte mich meinen Feinden in die Hände liefern, um nicht Hungers zu sterben.
Pfrim. So ein guter Baron hat nix zu essen.
Wendelin. Während der böse Baron sich gut g'schehn laßt.
Pfrim. Der Güterrauber! Das wissen Sie noch gar nicht, auch meiner Alten ihr' Ammel-Pension hat er eingezogen.
Reichthal. Wie?
Pfrim. So weit is es gekommen, daß ich dann und wann völlig arbeiten muß.
Reichthal. Nein, wenn ihr selbst darbt, liebe Freunde, dann kann ich euch nicht zur Last fallen.
Wendelin. Ah, der Herr Baron haben sich schon an die rechten gewendet –! (Auf das auf dem Tisch liegende Geld zeigend.) Da schaun S' her –!
Reichthal. Was ist das –? Eine solche Summe in euren Händen –? Eben war aber noch von tiefem Elend die Rede.
Wendelin. Is alles wahr g'wesen vor fünf Minuten; aber was is seitdem alls g'schehn! Auf Erden stolziert jetzt ein Geldmensch mehr herum, dafür is an alle himmlischen Straßeneck' eine verlorne Seel' ang'schlag'n.
Reichthal. Wendelin –! Wo hast du das Geld her?
Wendelin. Ich bin ein entsetzlicher Handelsmann, ich hab' ein schauderhaft's G'schäft abg'schlossen. – Sie brauchen sich deßtwegen nicht zu scheuchen vor mir; was ich verkauft hab', war mein Eigentum, und jetzt wollen wir brüderlich teilen miteinand'.
Reichthal. Ich begreife dich nicht –
Pfrim. Das wichtigste beim Gold is aber immer, daß man probiert, ob's echt is. Gold aus solchen Händen hat sich schon oft in Steiner und Kohlen verwandelt. Bei die Dukaten is das die beste Prob' (indem er einen vom Tische nimmt), man geht damit ins Wirtshaus. Geben s' einem ordentlich drauf heraus, dann war der Dukaten echt. (Zu Wendelin.) Diese Sorge kannst du ganz deinem Vater überlassen. (Geht zur Mitte ab.)
Reichthal (zu Wendelin). Ehrlicher Handel, verlorenes Seelenheil, wie reimt sich das –?
Wendelin (die Kammertüre öffnend). Da schaun S', mein' Frau Mutter bet't für mich – zu spät, wenn die Kuh einmal aus' n Stall is –!
Reichthal. Er scheint geistesverwirrt.
Wendelin. Gehn S' zu der Frau Mutter!
Reichthal (für sich). Eh' ich die Gastfreundschaft dieser guten Leute annehme, muß ich wissen, was hier vorgefallen ist. (Geht rechts durch die Seitentüre ab.)
Wendelin.
Wendelin. Meinem Wohltäter will ich helfen, und der Frau Mutter mach' ich a Freud', ich kauf' jetzt ein, was gut und teuer is. Ich mach' ein' guten Gebrauch von sein' Geld, das wird ihn am meisten giften, den Beelzebuben! Mein G'wand hat er an, jetzt nehm' ich das seine. (Indem er Thurmings zurückgelassenen Überrock anzieht und dessen Mütze aufsetzt.) Man sagt, »das Kleid macht den Mann« – ich weiß nit, ich seh' hint' und vorn keinem Teufel gleich. So seelengute Seelen, wie die meinige, wird er noch nicht viel kriegt hab'n. (Steckt die Börse mit einigen Dukaten zu sich.) Ich glaub' immer, wenn er mich einmal holt, sie b'halten mich gar nicht in der Höll' – a bisserl Fegfeuer, das is's höchste, auf was ich's bringen kann. Und am End' – vielleicht war das Ganze doch nur ein Hirngespinst –!? Ich zweifle noch immer – na ja, warum soll ich denn nicht zweifeln, wenn's mir eine Erleichterung verschafft? Zweifeln kann man an allem, und unter zehnmal zweifelt man neunmal gewiß mit vollem Recht.
Lied 1. |
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Wie mein' Wirtschaft'rin, d' Nanny – Sagt ein Alter – gibt's kani, Mach' i ein' Huster, beim ersten Kocht s' mir glei' g'rollte Gersten, Wann i auf d' Nacht ins Bett geh', Bringt s' mir a Schalerl ein' Tee, Druckt's mi im Mag'n ung'stüm, Raucht s' mir a Tuch auf mit Kümm. Dreizehn Jahr' pflegt s' mich schon, Diese brave Person, Und hat gar nix davon, Grad nur das bisserl Lohn. Und mein' grausliche Sippschaft Bild't sich ein, 's is a Liebschaft, Und macht a Getös, Und d' böse Welt is gar bös! Sie können sich denken, Wie das d' Nanny muß kränken. Mich kränkt's auch, wegen mein' Ruf, in dem Punkt bin ich eig'n – Na, da müssen ein' bescheidne Zweifel aufsteig'n. |
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2. | |
Ein' Gelehrten, ganz grau, G'freut sein' lichtblonde Frau, Er sagt zu d' Leut': »Diese Gespansin Liebt mich fast bis zum Wahnsinn; Da hat d' Verführung ka Macht, Ich sitz' oft d' halbe Nacht Auf 'm astronomischen Turm, Entdeck' Fixstern' ein' Surm, Derweil kennt sie sich z' Haus Vor lauter Sehnsucht nicht aus, Drum neckt s' mich dann oft, Komm' ich früh'r unverhofft – Da muß ich klopfen an der Tür D' längste Zeit oft bei ihr – Endli erscheint 's treue Weiberl In einem g'schmackvollen Putzhäuberl, Selbst d' Locken schön g'macht, Das is viel bei der Nacht, Mir zu Ehren in ein' Spitzen-Negligee, in ein' neug'n – Na, da müssen ein' bescheidne Zweifel aufsteig'n. |
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3. | |
In Europa, im gesamten – So sagen die Beamten – Wird's, weil der Kampf gar, So ruhig wie vor zwei Jahr'. Wie bescheiden beweisen Sich jetzt schon die Preußen, Rom kriegt Konstitution Mit etwas Inquisition, In Neapel die Verwirrung Weicht der guten Regierung, Und was Wühler nur heißt, Nach Amerika reist – Doch in Frankreich steht d' junge Republik noch am Sprunge, Holstein ist schon halb dänisch, England denkt muselmänisch, In London d' Punschgläser klingen, »God save the Sultan!« tun s' singen. Wie das alls soll zur Pazifizierung sich neig'n, Na, da müssen ein' bescheidne Zweifel aufsteig'n. |
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4. | |
In der Zeitung schreib'n s' viel, Allein glauben kann's, wer will. Heut' schreib'n s', wirkliche drei König' Gift'n im Grab sich nicht wenig, Weil s' parodiert werden jetzund Durch 'n Dreikönigbund – Gleich drauf heißt's: »Deutschland wird Ganz neu zentralisiert.« Dann is wieder nix dran, 's wird Kongreß in Kagran, Die deutsche Flotte is hin, Kommt auf der Spree nach Berlin. Heut' superbe Bilanzen, Morgen g'schwächte Finanzen, Heut' machen s' viel Worte Von der Ohnmacht der Pforte, Gleich drauf schreib'n s' von der Massen Der Truppen aller Klassen, Wie dick in Widdin sich die Türken schon zeig'n, Na, da müssen ein' bescheidne Zweifel aufsteig'n. |
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5. | |
Einer schreit: »Freiheitspest, I wollt', du hätt'st schon den Rest! A Verfassung, freie Press', Zu was braucht das Volk dös? Volksbewaffnung, zu was? 's Volk hat g'lebt ohne alles das, Wenn ich könnt', so stürzt' ich 's ganze Jahr Achtundvierzig. Leicht nur Atem ich schöpf', Seh' ich Zöpf an die Köpf' Und Zensur, die den Geist Mit der Wurzel ausreißt – Vorigs Jahr hat derselbe Räsoniert gegen 's Schwarzgelbe, Den Kalabreser geschwungen, 's »deutsche Vaterland« g'sungen Und war rein Terrorismus Gegen den Absolutismus. Ist's denn Ernst, daß 'r jetzt gar so gutg'sinnt sich tut zeig'n? – Na, da müssen ein' bescheidne Zweifel aufsteig'n. |
Dekoration wie im Anfang des Aktes.
Es ist Morgendämmerung.
Pfrim, Ignaz (treten von links aus dem Hintergrunde auf).
Ignaz. Ich gratulier' zum heimlichen Terno, oder was es g'wesen is –, aber auf Ehr', ich war ganz baff.
Pfrim. Der Wirt gar! Der hat noch ein dümmeres G'sicht g'macht als Sie. Wetten S' was, daß ich ihm jetzt zehn Gulden schuldig bleib', und er traut sich nix zu sag'n? Ja, ein' Dukaten wechseln lassen, das erweckt Respekt.
Ignaz. Kurios! (Beiseite.) Aber auch Verdacht! – Unser Herr is verschwunden – bei dem Proletarier kommt ein Dukaten zum Vorschein – (bedenklich den Kopf schüttelnd) hm –
Pfrim (hat den Wein aus der Flasche gekostet). Meiner Seel', der Wirt hat mir statt ein' Achtundvierz'ger a Maß Taler eing'schenkt – das is ihm rein aus Hochachtung g'schehn.
Ignaz. Sie sind Schuster?
Pfrim. So sagt die Welt.
Ignaz. Haben vermutlich ein' unverhofften Engländer gedoppelt?
Pfrim. Ah, Sie möchten gern wissen, wie ein ehrlicher Schuster zu ein' Dukaten kommt?
Ignaz. Na ja – auffallend is es – das heißt, interessant nämlich –
Pfrim. Als fremder Mensch geht's Ihnen eigentlich nix an; – aber nein, ich betrachte jeden, den ich im Wirtshaus find', als eine verwandte Seele. (Ihm die Hand drückend.) Sie sollen alles wissen!
Ignaz (in neugieriger Spannung). Na, also?
Pfrim. Sehn Sie, die Sach' is die. Es liegt hier eine Begebenheit zugrunde – eine im Grund' fürchterliche Begebenheit, die kein Mensch auf Erden je erfahren darf, folglich Sie auch nicht.
Ignaz. Ja, aber –
Pfrim. Drum zeigen Sie sich meines Vertrauens würdig und forschen Sie nicht weiter.
Ignaz (nach rechts im Vordergrund in die Szene sehend). Was is das –?! Meiner Seel' –! Nein, er is's nicht.
Pfrim (ebenfalls hinsehend). Na, freilich is er's, mein Sohn –
Ignaz (für sich). Das is unsern Herrn sein Anzug, wie er leibt und lebt.
Pfrim (zu Ignaz geheimnisvoll). Sehn Sie, der is eigentlich die Begebenheit, ich bin nur der Vater, aber er –
Ignaz (beiseite). Da is eine Untat g'schehn –
Pfrim. Was schaun S' denn so? Warum soll mein Sohn keinen schwarzen Rock anhab'n? Und daß er rot g'füttert is, das hat durchaus keinen republikanischen Grund. Fahren Sie jetzt gefälligst ab, ich hab' mit meinem Sohn allein zu sprechen.
Ignaz (indem er abgeht, für sich). Da ruf' ich an der Stell' meine Kam'raden z'samm'. (Nach links ab.)
Pfrim, Wendelin.
Pfrim. Wendelin, Bub'! Wie hast du dich z'samm'gestampert –!? Ich hätt' dich bald nicht kennt.
Wendelin. Ja, ich wart' jetzt nur, bis 's ganz Tag wird, dann stell' ich mich so unter der Sali ihr Fenster – (nimmt eine schmachtende Stellung an) seufzen in dem G'wand, da muß die Wirkung ungeheuer sein. Ein Blick hernach von ihr, und ich bin im Himmel trotz dem Satanas.
Pfrim. Dir steht ja jetzt alles zu Gebot.
Wendelin. Weiß der Vater, ich hab' mir's jetzt überlegt: Zu ändern is es nicht mehr, also lassen wir uns gut g'schehn, was kreuzmöglich is, bis er mich holt mit Haut und Haar.
Pfrim. Freilich, und der letzte hat ja noch nicht g'schoben. Wie oft is der Teufel schon prellt word'n.
Wendelin (Hoffnung schöpfend). Vater, wenn wir das z'samm'brächten –!
Pfrim. Nix leichter als das. Auf zehn Jahr' schließt er meistens seine Kontrakt', da machen wir das Ding so: Neun Jahr' leben wir recht flott und fidel, und im zehnten Jahr gehen wir auf Rom, nacher is der Teufel erst noch der G'foppte.
Wendelin. Ja, geht denn das? –
Pfrim. In Rom geht alles. Also g'scheit sein!
Wendelin. Mir fallt ein halbeter Stein von Herzen.
Pfrim. Wie g'sagt: Neun Jahr' fidel leben und im zehnten Jahr Buße, das is das Wahre.
Die Vorigen; Ignaz, zwei Bediente.
Ignaz (zu seinen Kameraden, mit welchen er aus dem Hintergrunde links auftritt, auf Wendelin zeigend). Sehts, Rauber, Dieb oder Mörder – eins von beiden muß er sein. (Zieht sich nach dem Vordergrunde rechts.)
Pfrim (zu Wendelin, ohne Ignaz und die Bedienten zu bemerken). Wenn du ihn sixt, mein' Respekt an 'n Spadifankerl! (Will rechts ab.)
Ignaz (zu Wendelin). Entschuldigen –
Pfrim (Ignaz bemerkend). Jetzt is der noch da!
Ignaz (zu Wendelin). Kommt billig, so ein Rock – nicht wahr? (Gibt seinen Kameraden einen Wink und spricht weiter zu Wendelin.), So ein Negligee-Kappel is auch nicht teuer?
Wendelin. Geht das wem was an? Ich hab' ein' Stichhandel g'macht.
Ignaz (zusammenschaudernd). Stichhandl –!? (Leise zu seinen Kameraden.) Der hat unsern Herrn erstochen.
Wendelin (bedenklich zu Pfrim). Was sie nur kacheln miteinand' –?
Ignaz (zu Wendelin). Sie gehn mit uns zum Herrn Oberrichter, Sie haben ein auffallendes Gewand.
Pfrim. Was wäre das –!?
Wendelin. Wär' mir nicht lieb! (Beiseite.) Gleich beim ersten Ausgang ein Malheur, ein frisch dem Teufel verschriebener Mensch –!?
Ignaz. Angepackt! (Er und seine Kameraden packen Wendelin.)
Wendelin. Zu Hilf'! Was wär' denn das!? Glaubt denn der Teufel, ich hab' meine Seel' g'stohl'n?
Ignaz (die Börse in Wendelins Tasche findend). Den Geldbeutel hast du g'stohl'n, Rauber!
Pfrim. Wo bist du? Erschein'! (Hält in einem Arm die Flasche und macht mit dem andern Beschwörungsgestikulationen.) Böser Feind, zeig' dich als unser guter Freund! – Erschein' –!!
Ignaz (zu ein paar Arbeitern, welche eben über die Straße gehen). Helfts uns den Rauher transportieren!
Die Bedienten. Nur fort mit ihm! (Wendelin wird gepackt.)
Wendelin (während er nach dem Hintergrunde geschleppt wird wütend). Wenn ich 'n jetzt da hätt', den Satanas –!
Pfrim (ganz perplex). Der Teufel kommt nicht –! Das is zum Teufelholen!!
(Im Orchester fällt Musik ein, während dem Tumult fällt der Vorhang.)