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Es war ein Mann namens Odd, Sohn des Önund Breitbart, der war Sohn von Ulfar, der von Ulf in Fitje, der von Skeggi, der von Thorir dem Lärmer. Dieses besonders vornehme Geschlecht wird drei Stufen über den Besiedler zurück verfolgt. Odd hatte seine Wirtschaft in Breitfarm im Rauchtal im Borgföhrdeland. Er hatte eine Frau, die hieß Jorun; ein kluges und hochgeachtetes Weib. Die beiden hatten vier Kinder, zwei gut entwickelte Söhne und zwei Töchter. Der eine der Söhne hieß Thorodd, der andere Thorwald. Von den Töchtern Odds hieß die eine Thurid, die andere Jofrid. Er selbst war zubenannt der Zungen-Odd. Der von zwei Flüssen eingefaßte Landstrich heißt Zunge. Als Freund von Recht und Billigkeit galt er nicht.
Es war ein Mann namens Torfi, Sohn des Walbrand, des Sohnes des Walthjof, des Sohnes des Örlyg vom Esjaberg. Zur Frau hatte er die Thurid, Tochter des Zungen-Odd. Sie wirtschafteten in dem zweiten Breitfarmhof.
Es war ein Mann namens Arngrim, Sohn Helgis, des Sohnes von Högni, der mit Hromund hier herausgekommen war. Arngrim wirtschaftete in Norderzunge. Er ging unter dem Namen Gode Arngrim. Nicht jeder Gode führte den Amtstitel als gewohnheitsmäßigen Beinamen. Er hatte einen Sohn namens Helgi.
Es war ein Mann namens Blundketil, Sohn des reichen Geir aus Geirshalde, des Sohnes von Ketil dem Blinzler, nach welchem der Blinzlersee benannt ist. Blundketil hatte seine Wirtschaft in Örnolfstal; das war etwas weiter oben, als heute das Gehöft steht; es gab dort noch viele Höfe oberhalb. Sein Sohn hieß Herstein. Blundketil war ein steinreicher Mann und einer der edelsten in der Heidenzeit. Er besaß dreißig Pachtgüter. Er war der beliebteste Mann in der Landschaft.
Es war ein Mann namens Thorkel Zipfel; er war der Sohn des Raudabjörn. Er wirtschaftete in Swignascharte außerhalb der Norderach. Ein Bruder Thorkels war Helgi, der in Kessel im Norderachtal wirtschaftete. Thorkel Zipfel war ein gescheiter und recht beliebter Mann, reich begütert.
Es war ein Mann namens Thorir. Er war arm an Habe und nicht sehr beliebt bei den Leuten insgemein. Er warf sich darauf, daß er des Sommers mit seiner Ware von Landschaft zu Landschaft zog und in der einen verkaufte, was er in der andern gekauft hatte, und bald wuchs ihm ein Vermögen an von diesem Handel. Einmal, als Thorir übers Hochland nach dem Norden zog, führte er Hühner mit sich fort ins Nordviertel und verkaufte sie mit anderer Handelsware: davon bekam er den Beinamen Hühnerthorir.
Mit der Zeit erwarb Thorir so viel, daß er sich Land kaufen konnte, dort wo es Zum See heißt, oberhalb von Norderzunge. Wenige Jahre hatte er gewirtschaftet, da war er ein so vermögender Mann geworden, daß er so ziemlich bei jedermann große Summen stehen hatte. Aber mochte er auch zu Reichtum kommen, er blieb doch unbeliebt; und es gab auch kaum einen unangenehmeren Menschen als diesen Hühnerthorir.
Eines Tages machte sich Thorir auf den Weg und ritt nach Norderzunge. Er suchte den Goden Arngrim auf und trug sich ihm als Kindspfleger an: Über diese Sitte s. Niedners Einleitungsband S. 66 f. »Ich möchte deinen Sohn Helgi zu mir nehmen und Acht auf ihn haben, so gut ich kann; aber zum Entgelt will ich deine Freundschaft haben und deinen Schutz, damit ich zu meinem Recht komme bei den Leuten.« Arngrim antwortete: »Es will mir scheinen, viel Ehre würde mir diese Kindspflege nicht bringen.« Thorir antwortete: »So will ich dem Knaben die Hälfte meines Vermögens schenken, wenn ich nur als Pflegevater angenommen werde. Du aber mußt mir zu meinem Recht verhelfen und mußt für mich eintreten, mit wem ichs immer zu tun habe.« Arngrim antwortete: »Das ist wahrhaftig wahr: ein so gutes Angebot soll niemand ausschlagen.«
Darauf zog der junge Helgi zu Thorir ins Haus; und seither heißt nun der Hof dort Zum Helgisee. Arngrim nahm den Thorir unter seinen Schutz, und man merkte gleich, daß er jetzt schwieriger wurde, und zu seinem Recht kam er nun bei jedermann. Sein Vermögen wuchs immer noch an; er wurde einer der reichsten Männer. Unbeliebt blieb er nach wie vor.
Eines Sommers geschah es, daß ein Schiff von der hohen See in die Borgföhrde einlief, und sie steuerten nicht in die Flußmündung hinein, sondern weiter außen in den Hafen. Der Schiffsherr hieß Örn Daß er Norweger ist, wird stillschweigend vorausgesetzt.. Er war beliebt und ein hochanständiger Kaufmann. Odd erfuhr die Ankunft des Schiffes. Er war gewohnt, früher als andere zu den Kaufstellen zu kommen und den Kaufpreis der Waren zu bestimmen; denn er war der Leiter des Bezirkes Als Gode.; keiner fand es geraten, eher zu kaufen, als bis man wußte, wie Odd es zu halten wünschte.
Odd traf die Kaufleute und erkundigte sich, wie sie es mit ihrer Fahrt vorhätten, und wie bald sie zum Verkauf schreiten wollten; er erklärte, es sei Brauch, daß er den Kaufpreis der Waren bestimme. Örn antwortete: »Über unser Eigentum gedenken wir selbst zu schalten, denn du hast keinen Pfennig in unserer Ware stecken; über Worte wirst du wohl für diesmal nicht hinauskommen.« Odd erwiderte: »Mir schwant, das wird dir schlimmer bekommen als mir. Gut denn! Ich tue hiermit kund, daß ich jedermann untersage, bei euch zu kaufen oder euch und eure Fracht von der Stelle zu bringen. Ich werde von denen eine Geldbuße erheben, die euch irgendwelche Hilfe zuwenden. Aber das weiß ich, daß ihr euch vor der nächsten Hochflut beim Neumond nicht aus dem Hafen hinausschafft.« Örn antwortete: »Mit deinen Reden kannst du's halten, wie du willst, wir lassen uns darum doch nicht vergewaltigen.«
Odd ritt heim, die Norweger aber lagen dort im Hafen und saßen mit ihren Schiffen fest.
Am nächsten Tage ritt Herstein, der Sohn des Blundketil, nach der Landspitze hinaus. Auf dem Rückweg traf er auf die Norweger. Er machte Bekanntschaft mit dem Schiffsherrn, und der gefiel ihm gut. Örn erzählte dem Herstein, wie unbillig sich Odd gegen sie benommen habe: »jetzt wissen wir nicht recht, was wir anfangen sollen«. Sie unterhielten sich den Tag über. Gegen Abend ritt Herstein heim und berichtete seinem Vater von den Seeleuten, wie es mit ihrer Sache stehe.
Blundketil antwortete: »Der Mann ist mir bekannt nach deiner Erzählung: ich war nämlich als Kind mit seinem Vater zusammen, und einen trefflicheren Gesellen hab ich nie gekannt als seinen Vater. Es ist schlimm, daß er in die Klemme geraten ist, und darauf würde sein Vater zählen, daß ich mich seiner ein wenig annähme, wo er's nötig hat. Reite du morgen früh hinaus zum Hafen und lade ihn zu uns ein mit so vielen von seinen Leuten, als er will; und möcht er's lieber anders, so schaffen wir ihn, wohin er nur wünscht, landauf oder landab: ich will alles daran setzen, ihm zu helfen, soweit es in meinen Kräften steht.« Herstein sagte, das sei ein guter und hochherziger Beschluß: »Aber doch sollte mich's nicht wundern, wenn wir uns damit die anderen zu Feinden machen.« Blundketil erwiderte: »Da wir hier keine schlechtere Sache vertreten als Odd, mag es noch gut für uns ablaufen.«
Die Nacht verstrich, und gleich am Morgen in der Frühe ließ Blundketil Pferde von der Weide zusammentreiben: man machte sich reisefertig, und es trieb Herstein hundertundzwanzig Pferde zu den Kaufleuten hin, ohne daß man ein einziges von auswärts zu erbitten brauchte. Er kam dort hinaus und sagte dem Örn das Anerbieten seines Vaters. Örn erklärte, darauf gehe er gern ein, aber er meinte doch, Herstein und sein Vater würden sich damit andere zu Feinden machen. Herstein meinte, daran kehre man sich dann nicht. Da sagte Örn: »So sollen sich meine Matrosen nach andern Bezirken schaffen: es steht schon genug auf dem Spiel, wenn wir nicht alle in einer Landschaft sind.«
Herstein schaffte nun den Örn und seine Ware zu sich heim und ging nicht eher von der Stelle, als bis die Kaufleute alle fort waren, das Schiff auf dem Lande befestigt und alles in Ordnung gebracht war. Blundketil nahm den Örn aufs beste auf; er saß nun da in guter Verpflegung.
Diese Neuigkeiten kamen vor Odd, wie Blundketil gehandelt habe, und die Leute redeten darüber und fanden, er habe sich widersetzlich gegen Odd bewiesen. Odd antwortete: »So kann man's nennen. Aber wir haben's hier mit einem Manne zu tun, der beliebt ist und auch auf seine Ehre hält: ich will es für diesmal noch so lassen wie es steht.«
Und so blieb es ruhig.
In diesem Sommer gab es wenig Gras und kein gutes, denn es war selten trockenes Wetter. Die Heuernte der Leute wurde sehr gering. Blundketil zog zur Herbstzeit zu seinen Pächtern und erklärte, er wolle sich die Abgaben von allen seinen Gütern in Heu entrichten lassen: »Wir haben viel Vieh zu füttern, und Heu ist wenig zu haben. Ich will auch selbst bestimmen, wieviel geschlachtet werden soll diesen Herbst auf jedem meiner Pachthöfe; dann wird sich's gut schicken.«
Der Herbst verstrich, und es kam der Winter und war früh schon bitterlich streng dort am Nordabhang, und man war wenig auf ihn gerüstet. Es ließ sich bedenklich an für die Leute. So ging es bis über die Julzeit hinaus. Und als der Jänner kam, da packte es die Leute hart an, und manche waren da schon matt gesetzt.
Am Abend eines Tages kam einer der Pächter zu Blundketil und sagte, das Heu sei ihm ausgegangen; er brauche Hilfe. Der Bauer erwiderte: »Wie kommt das? ich glaubte es so zu berechnen im Herbst, daß ich annahm, es würde sich gut schicken.« Der andere bemerkte, es sei weniger geschlachtet worden, als er vorgeschrieben habe. Blundketil sagte: »Wir wollen einen Handel schließen: ich befreie dich aus der Notlage für diesmal, aber du darfst es niemand sagen. Denn ich will die Leute nicht daran gewöhnen, sich an mich zu hängen, am allerwenigsten jetzt, wo ihr meine Vorschriften nicht befolgt habt.«
Der Mann ging heim und erzählte seinem Freund, Blundketil sei doch ein Ausbund von Bauer bei allen Anlässen; ihm habe er jetzt auch aus der Klemme geholfen. Der aber erzählte es seinem Freunde; und so wurde es bekannt in der ganzen Gegend.
Die Zeit ging hin, und es kam der Hornung. Da kamen zwei von Blundketils Pächtern und sagten, sie seien mit ihrem Heu zu Ende. Blundketil antwortete: »Das war schlecht von euch, daß ihr von meiner Weisung abgegangen seid. Denn die Sache ist die: ich habe wohl noch viel Heu, aber auch eine Menge Vieh; wenn ich nun mit euch teile, so hab ich nichts für mein eigenes Vieh; eine andere Wahl hab ich nicht.« Sie wurden dringlich und stellten ihm ihr Elend vor. Ihm aber wurde es betrüblich, ihr Gewinsel anzuhören. Da ließ er hundertundsechzig Rosse zum Hofe treiben und die vierzig schlechtesten davon schlachten und gab seinen Pächtern das Futter, das für diese Rosse bestimmt gewesen war. Da zogen sie voll Freude ab.
Der Winter wurde je länger je härter, und bei manchem schaute die Not zu allen Ecken heraus.
Es war im März, da kamen zwei Pächter Blundketils: sie waren noch am leidlichsten gestellt in Geldsachen, und doch war ihnen jetzt das Heu ausgegangen, und sie baten um Hilfe. Der Bauer antwortete, er habe nichts vorrätig, und noch mehr Vieh wolle er nicht schlachten. Sie fragten nach, ob er vielleicht Leute wisse, die Heu zum Verkauf hätten. Er sagte, er wisse nicht recht. Sie drangen in ihn und sagten, ihr Vieh würde abstehn, wenn sie bei ihm keine Hilfe fänden. Er meinte, das sei ihre eigene Schuld: »übrigens hat man mir berichtet, der Hühnerthorir habe wohl Heu zu verkaufen«. Sie erwiderten: »Von ihm bekommen wir nichts, außer wenn du mit uns gehst: dann wird er gleich verkaufen, wenn du Bürgschaft für uns übernimmst.« Er antwortete: »Das kann ich tun und mit euch gehen; es ist nur billig, daß die verkaufen, die Vorrat haben.«
Sie machten sich früh am Morgen auf den Weg; es blies ein Nordwind, ein recht kalter. Dies verstärkt das Ungastliche an Thorirs Benehmen. Bauer Thorir stand gerade draußen vor dem Hause; er sah die Leute auf die Hofmauer zureiten, da ging er hinein, schloß die Tür hinter sich und schob den Riegel vor. Er setzte sich zum Frühstück.
Jetzt wurde an die Tür geklopft. Der kleine Helgi fing an und sagte: »Geh hinaus, Pflegevater! es werden dich Leute besuchen wollen.« Thorir sagte, er wolle zuerst essen. Der Knabe aber lief hinter dem Tisch hervor und ging zur Tür und hieß die draußen freundlich willkommen. Blundketil fragte, ob Thorir drinnen sei. Er sagte, ja. »Da sag ihm, er möge herauskommen«, sagte er. Der Knabe tat so und sagte, Blundketil sei draußen gekommen und wolle ihn sprechen. Thorir antwortete: »Wonach hat wohl Blundketil hier zu schnüffeln? Soll mich wundern, wenn er Gutes bringt! Ich habe kein Geschäft mit ihm.« Der Knabe ging hin und sagte, Thorir wolle nicht herauskommen. »Ach so«, sagte Blundketil, »da wollen wir hineingehen.«
Sie gingen in die Stube; man begrüßte sie, nur Thorir schwieg. »So liegt die Sache«, sagte Blundketil, »wir möchten Heu bei dir kaufen, Thorir!« Thorir antwortete: »Dein Vieh ist mir nicht lieber als meines!« Blundketil sagte: »Es macht sich mal so, mal so.« Thorir antwortete: »Warum hast du reicher Mann Heumangel?« Blundketil sagte: »Ich habe nicht eigentlich Heumangel: ich will für meine Pächter kaufen, die hilfsbedürftig sind. Ich möchte ihnen gern etwas verschaffen, wenn es zu haben wäre.« »Das wird dir völlig frei und unverwehrt sein, anderen das deine zu spenden, aber nicht das meine!« Blundketil antwortete: »Ich will es nicht als Geschenk erbitten: laß Odd und Arngrim den Kaufpreis in deinem Namen bestimmen, und obendrein will ich dir noch Geschenke machen.« Thorir sagte, er habe kein Heu zu verkaufen: »und ich will auch keines verkaufen«.
Da ging Blundketil hinaus und seine Begleiter, und der Knabe mit ihnen. Da fing Blundketil an: »Wie ist's? hat dein Pflegevater kein Heu zum Verkauf, oder will er nicht verkaufen?« Der Knabe erwiderte: »Gewiß hat er, wenn er nur will!« Blundketil sagte: »Führ uns einmal zu dem Heu hin.« Er tat so. Nun berechnete Blundketil das Futter für Thorirs Vieh, und es wollte ihm scheinen, auch wenn bis zum Allding hin Mitte Juni. im Stalle gefüttert würde, so würden doch fünf Fuder übrig bleiben. Darauf gingen sie wieder hinein.
Blundketil sagte: »Mir will's so scheinen mit deinem Heuvorrat, Thorir, daß ein guter Posten übrig bleiben wird, auch wenn all dein Vieh drinnen gefüttert wird bis zum Allding; und diesen Rest möcht ich kaufen.« Thorir erwiderte: »Was soll ich da im nächsten Winter haben, wenn der ebenso wird oder noch schlimmer?« Blundketil antwortete: »Ich biete dir an, dir im Sommer Heu zu verschaffen, ebenso viel und genau ebenso gutes wie das hier, und es dir ins Haus zu führen.« Thorir antwortete: »Wenn euch jetzt das Heu nicht langt, was werdet ihr da im Sommer besser dran sein? Aber ich weiß, du bist so viel mächtiger, daß du mir das Heu wegnehmen kannst, wenn du willst.« Blundketil antwortete: »So ist's nicht gemeint. Du weißt, Silber deckt alle Schulden hier zu Land; damit bezahl ich dich.« Thorir antwortete: »Ich begehre dein Silber nicht.« »So nimm an Ware, was Odd und Arngrim dir zu Handen berechnen.« Ware kurzweg meint Wollenstoff, Fries. Der diente ganz gewöhnlich an Zahlungsstatt. »Es sind hier wenig Arbeiter«, sagte Thorir, »und ich selbst habe keine Lust zum Hin- und Herziehen und will mich mit so etwas nicht abrackern.« Blundketil erwiderte: »So will ich dirs heimbringen lassen.« Thorir sagte: »Ich habe nicht die Räume dazu, daß man sicher sein könnte, daß es nicht verdorben geht.« Blundketil antwortete: »Ich will Häute dazu geben und die Ware so einschlagen, daß nichts geschieht.« Thorir antwortete: »Ich will nicht das Getrampel von anderen Leuten in meiner Wohnung haben.« Blundketil entgegnete: »So soll es den Winter über bei mir sein, und ich will's in Verwahrung haben.« »Ich kenne dein Schönreden«, sagte Thorir, »und ich will kein Geschäft mit dir.« Blundketil sagte: »Dann um so schlimmer! wir werden nichtsdestoweniger das Heu mitnehmen, magst du's auch verbieten; den Wert legen wir an seine Stelle; wir wollen's uns zu Nutze machen, daß wir in der Mehrheit sind.« Da schwieg Thorir, und es wurde ihm bös zumute. Blundketil ließ Stricke holen und das Heu zusammenbinden. Danach luden sie die Lasten auf die Pferde und führten das Heu weg; aber für Thorirs Vieh hatten sie es reichlich berechnet.
Jetzt ist zu erzählen, was Thorir anfing. Er machte sich auf den Weg, und sein Pflegesohn Helgi mit ihm. Sie ritten nach Norderzunge und wurden dort aufs beste aufgenommen. Arngrim fragte, was es neues gebe. Thorir antwortete: »Neueres hab ich nichts gehört als den Raub.« »Was war das für ein Raub?« sagte Arngrim. Thorir antwortete: »Blundketil hat mir die ganzen Heuvorräte geraubt, so daß nichts übrig ist, glaub ich, für die Kühe, wenn das Wetter kalt bleibt.« »Ist es so, Helgi?« sagte Arngrim. »Ganz und gar nicht«, sagte Helgi, »Blundketil hat sich ehrenhaft benommen.« Und nun erzählte Helgi, wie es zwischen ihnen gegangen sei. Da sagte Arngrim: »So wars zu erwarten! Das Heu ist in besseren Händen, wenn er es hat, als wenn es bei dir verfault.«
Thorir antwortete: »Zur bösen Stunde hab ich dir die Kindspflege angeboten! man mag mir daheim noch so übel mitspielen, ich habe darum doch keine Zuflucht bei dir, und meinem Recht hilft niemand auf. Das sind unerhörte Dinge!« Arngrim antwortete: »Es war von Anfang an zum Unglück; denn wer dir hilft, hilft keinem wackern Manne.« Thorir entgegnete: »Ich bin keiner von den Empfindlichen; aber das kränkt mich doch, daß du meine Tat so lohnst, – und nun gar noch, daß mich die Leute berauben! Übrigens ist das ebenso gut dir weggenommen.« Und damit gingen sie auseinander.
Thorir ritt davon, und kam nach Breitfarm. Odd hieß ihn freundlich willkommen und fragte, was es neues gebe. »Neueres hab ich nicht vernommen als den Raub.« »Was für ein Raub war das?« sagte Odd. Thorir erwiderte: »Blundketil hat mir all mein Heu weggenommen, so daß ich jetzt gänzlich entblößt bin. Ich möchte gerne deinen Schutz haben. Die Sache geht dich auch an, da du der Vorsteher hier im Kreise bist und hast das Krumme gerad zu machen. Auch magst du dich dran erinnern, daß er als dein Widerpart auftrat.« Odd fragte: »War es so, Helgi?« Dieser sagte, Thorir entstelle gewaltig; er beschrieb dann, wie es zugegangen war. Odd antwortete: »Da misch ich mich nicht ein; ich hätt es auch so gemacht, wenn ich's nötig hatte.«
Thorir antwortete: »Es ist wahr, wie es im Sprichwort heißt: ›Je weiter weg von schlechten Gesellen, um so besser‹ und ›Der üble Gefährt kommt vom eignen Herd.‹ Im Urtext stabend. Soll es hier auf Helgi zielen? In dem allgemeineren Sinne »Gott behüte mich vor meinen Freunden« könnte das Sprichwort auch auf Odd gehn. Damit ritt Thorir davon, und Helgi mit ihm; er kam nach Haus und war gewaltig unzufrieden.
Im Sommer vorher war Thorwald, der Sohn des Zungen-Odd, nach Island zurückgekehrt und hatte im Nordviertel den Winter über Quartier genommen. Als es gegen das Frühjahr ging, brach er nach dem Südlande auf, zu seinem Vater. Er war eine Nacht zu Herberge in Norderzunge, in guter Verpflegung. Dort befand sich ein Mann in Quartier, der hieß Widfari. Er war ein Landstreicher, trieb sich herum von Ost bis West. Er war ein naher Verwandter von Thorir und glich ihm auch in seinem Wesen.
Diesen selben Abend packte Widfari sein Bündel und machte sich aus dem Staube; er ruhte nicht, bis er zu Thorir kam. Der nahm ihn mit offenen Armen auf: »Ich weiß, deine Ankunft bringt mir Gutes.« Er antwortete: »So könnte es werden! jetzt ist nämlich Thorwald, der Sohn des Odd, nach Norderzunge gekommen und befindet sich dort zu Herberge.« Thorir antwortete: »Das sah ich beim ersten Blick, daß mir irgend etwas Gutes zustoßen werde; denn mir wurde froh zu Mut, als ich dich sah.«
Die Nacht verstrich, und alsbald am Morgen ritt Thorir mit seinem Pflegesohn nach Norderzunge. Dort war eine Menge Leute gekommen. Dem Knaben gab man einen Sitzplatz, Thorir aber ging im Mittelraum auf und ab. Dies fiel Thorwald in die Augen, während er auf der Bankbühne neben Arngrim saß und mit ihm plauderte. »Wer ist der Mann, der da im Mittelraum auf und ab geht?« fragte Thorwald. Arngrim antwortete: »Das ist mein Kindspfleger.« »Ach so«, sagte Thorwald, »warum soll er keinen Platz bekommen?« Arngrim sagte, daran liege dem gar nichts. »Nicht doch«, sagte Thorwald und ließ ihn zu sich rufen und machte ihm Platz neben sich zu sitzen. Dann fragten sie einander nach landläufigen Neuigkeiten.
Thorir sagte: »Das war eine Prüfung, als Blundketil mich beraubte!« Thorwald fragte: »Ist's beigelegt?« »Weit entfernt davon!« sagte Thorir. »Wie kommt das, Arngrim«, sagte Thorwald, »daß ihr Häuptlinge solchen Schimpf geschehn laßt?« Arngrim erwiderte: »Das Meiste lügt er davon, und es ist wenig an der Sache!« »Aber das ist doch wahr, daß Blundketil das Heu mitnahm?« sagte Thorwald. »Gewiß tat er das«, sagte Arngrim. »Jeder ist Herr über sein Eigentum«, sagte Thorwald, »und er hat wenig von der Freundschaft mit dir, wenn er sich dennoch muß treten lassen.«
Da sagte Thorir: »Du machst mir einen sehr guten Eindruck, Thorwald! und wenn's mir recht ist, wirst du vielleicht meine Sache ins Gleis bringen.« Thorwald sagte: »Bei mir ist wenig Schutz zu holen!« Thorir sagte: »Ich will dir mein halbes Vermögen schenken unter der Bedingung, daß du mir zu meinem Recht verhilfst und entweder Ächtung oder Selbsturteil durchsetzest, Ächtung des Beklagten durch Gerichtsurteil oder Einräumung des unbeschränkten Schiedsspruches an den Kläger, dies waren die begehrtesten Ziele bei einem Rechtshandel. so daß meine Gegner nicht länger auf dem Meinen sitzen.«
Da sagte Arngrim: »Tu das nicht, Thorwald! denn das ist kein wackerer Bursch, dem du da helfen willst, und du nimmst es auf mit einem, der nicht nur gescheit ist und ehrenhaft, sondern auch überall in Gunst steht.« »Ich sehe«, sagte Thorwald, »bei dir regt sich der Neid, wenn ich sein Geld annehme: du gönnst mir das nicht.« Thorir sagte: »Du mußt bedenken, Thorwald: mein Vermögen wird sich in gutem Stande finden, und die anderen können's bezeugen, daß mein Eigentum nicht weit herum verschuldet ist!« Arngrim sagte: »Ich will dir noch einmal abraten, Thorwald: übernimm den Handel nicht. Aber du wirst tun, wie dir beliebt. Mir bangt, daß dies große Folgen haben wird.« Thorwald erwiderte: »Die Annahme des Geldes schlag ich nicht aus.«
Darauf übertrug ihm Thorir mit Handschlag sein halbes Vermögen und zugleich die Klage gegen Blundketil. Da sprach Arngrim noch einmal: »Wie gedenkst dus mit dieser Klage anzufangen?« Thorwald antwortete: »Ich will zuerst meinen Vater aufsuchen und dort das weitere überlegen.« Da sagte Thorir: »Das behagt mir nicht. Ich will kein Trödeln. Ich hab's mich viel kosten lassen; und ich will, daß man gleich morgen gehe und Blundketil vorlade.« Thorwald erwiderte: »Das wird in der Tat so sein, daß du wohl kein Segenbringer bist! Schlimmes wird von dir ausgehen. Aber – so muß es nun wohl sein.« Und er machte mit Thorir aus, sich am nächsten Morgen an verabredeter Stelle zu treffen.
Gleich am frühen Morgen ritt Thorwald ab und mit ihm Arngrim mit dreißig Mann. Sie trafen den Thorir, und der war selbdritt: er hatte den jungen Helgi bei sich und seinen Verwandten Widfari. Da sagte Thorwald: »Warum seid ihr so wenige, Thorir?« Er antwortete: »Ich wußte, daß es dir nicht an Mannschaft fehlen würde.«
Sie ritten nun hinauf der Halde entlang. Von den Höfen aus sah man die Schar daherziehen, und es sprengte ein Jeder von seinem Hof: Jeder wollte als erster zu Blundketil kommen. So war dort viel Volks beisammen. Blundketil wäre also in der Lage gewesen, die Vorladung mit tätlichem Angriff zu erwidern, wie dergleichen in anderen Sagas vorkommt.
Thorwald und seine Begleiter ritten zur Hofmauer und stiegen dort von ihren Pferden und gingen zum Gehöft hin. Sobald Blundketil dies sah, ging er ihnen entgegen und lud sie ein, sich's bei ihm wohl sein zu lassen. Thorwald sagte: »Uns führt anderes her, als ans Essen zu sitzen. Ich möchte wissen, was du antworten willst in der Sache, daß du Thorirs Heu an dich nahmst.« Blundketil antwortete: »Dasselbe dir wie ihm: verhänge selbst so viel, als dir beliebt. Und obendrein will ich dir noch Geschenke geben, umso bessere und größere, als du über Thorir stehst. So hoch will ich deine Stellung anschlagen, daß jedermann sagen soll, du gehest wohlgeehrt aus der Sache.«
Thorwald schwieg und fand, das sei ein gutes Anerbieten. Da versetzte Thorir: »Darauf kann man nicht eingehen – da braucht man sich nicht erst zu besinnen – das hätte ich schon lange haben können! Das rechne ich dir nicht als Hilfe an, wenn's nur das ist! Ich hatte wenig davon, dir mein Vermögen zu schenken!«
Darauf sagte Thorwald zu Blundketil: »Und was willst du tun für die Forderung des Gesetzes?« Blundketil sagte: »Nichts anderes, als daß du verhängen und verfügen sollst, so viel du willst.«
Da entgegnete Thorwald: »Mir scheint, es gibt keine andere Wahl, als vorzuladen.« Vgl. die Einleitung S. 6.
Er lud nun Blundketil vor Gericht wegen Raubes und ernannte sich Zeugen und brauchte Worte und Ausdrücke, so scharf sie zu Gebote standen.
Da kehrte sich Blundketil dem Hause zu. Er begegnete dem Norweger Örn, als der eben zu seiner Ware ging. Die Waren wurden in einem Schuppen getrennt vom Hauptgebäude untergebracht; s. Kap. 10. Örn fragte: »Bist du verwundet, Bauer, daß du so rot bist wie Blut?« Er erwiderte: »Verwundet nicht, aber das da ist eben so schlimm: man hat Worte gegen mich gebraucht, wie sie früher nie gebraucht worden sind: Dieb und Räuber bin ich genannt worden.«
Örn holte seinen Bogen und setzte einen Pfeil an die Sehne; er trat aus dem Hause, als die Männer eben aufsaßen. Er schoß ab – und es traf einen, der ließ sich vom Pferde heruntergleiten: das war Helgi, der Sohn des Goden Arngrim. Die andern liefen auf ihn zu. Thorir drängte sich durch die Leute und stieß die Leute von sich und sagte, man solle ihm Platz machen: »denn mir liegt's am meisten am Herzen«. Er beugte sich zu Helgi nieder; da war der schon tot. Thorir sagte: »Steht's bös mit den Kräften, mein Junge?« Dann richtete sich Thorir von ihm auf und sagte: »Der Knabe hat zu mir gesprochen: er sagte zweimal dasselbe, dies da:
Laßt brennen, brennen
Blundketil drinnen!«
Da antwortete Arngrim: »Jetzt kams, wie ich voraussah, nach dem Wort: ›von Bösen erntet man Böses‹; mir schwante, daß man viel Böses von dir ernten werde, Thorir! Was der Knabe gesprochen hat, weiß ich nicht, magst du irgendwas flunkern; aber unwahrscheinlich ist's nicht, daß es dazu kommt. Die Sache fing schlecht an: kann sein, daß sie auch so ausgeht.« Thorir erwiderte: »Ich glaube, du hast Nötigeres zu tun, als mich auszuzanken.«
Arngrim und seine Schar ritten nun fort, unter einen Waldvorsprung. Dort stiegen sie von den Pferden und blieben da, bis es Nacht wurde. Blundketil aber dankte den Leuten aufs Beste für ihren Zuzug und sagte, jetzt könne jeder heimreiten, wie es ihm passe.
So wird berichtet, daß, sobald es Nacht war, ritt Thorwald und seine Schar zum Hofe Örnolfstal. Dort lagen alle Leute schon im Schlaf. Sie schleppten einen Holzstoß zum Hause und setzten ihn in Brand. Als Blundketil und die Seinen erwachten, da standen schon die Dächer über ihnen in Flammen. Blundketil fragte, wer diese Gluthitze anrichte. Thorir nannte die Namen. Blundketil wollte wissen, ob etwa ein Vergleich zu haben sei. Thorir erklärte, es sei keine andere Wahl als zu verbrennen.
Sie gingen nicht eher von der Stelle, als bis jedes Menschenkind drinnen verbrannt war.
Herstein, der Sohn Blundketils, war am Abend zu seinem Pflegevater gegangen, der Thorbjörn hieß, zubenannt der Steiger. Es heißt, bei diesem Thorbjörn sei es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen. Herstein erwachte am frühen Morgen und fragte, ob sein Pflegevater wach sei. Er sagte, er sei wach: »was willst du denn?« »Mir träumte, und es war mir, als ob mein Vater hier herein trete, und die Kleider an ihm standen alle in Flammen, und es war mir, als sei er von Kopf bis zu Fuß ein Feuer.«
Sie standen auf und traten vors Haus und sahen gleich die Glut. Da nahmen sie ihre Waffen und ritten scharf. Als sie hin kamen, da waren alle schon weg.
Da sagte Herstein: »Hier haben sich traurige Dinge zugetragen! Wie ist's, was ist jetzt zu tun?« Thorbjörn antwortete: »Jetzt wollen wir uns Odds Versprechen zu nutze machen: er hat mir oft gesagt, ich solle zu ihm kommen, wenn ich etwas nötig hätte.« Herstein antwortete: »Davon verspreche ich mir nichts.« Zu der folgenden Episode vergleiche die Einleitung S. 5. Dennoch ritten sie ab, kamen nach Breitfarm und ließen Odd herausrufen. Er kam heraus, hieß sie willkommen und fragte, was es neues gebe. Sie erzählten, was geschehen war. Er fand das schlimm.
Da fing der alte Thorbjörn an: »So steht es, Bauer Odd«, sagte er: »du hast mir einmal deinen Schutz versprochen: so bitt ich denn nun, daß du uns etwas gutes rätst und es ausführst.« Odd sagte, das wolle er tun.
Darauf ritten sie nach Ornolfstal und langten noch vor Tage an. Da waren die Gebäude eingefallen und das Feuer so ziemlich unter der Asche verglommen. Odd ritt zu einem der Gebäude, das nicht ganz verbrannt war. Er reckte sich nach einem Birkenbalken und zog ihn mit einem Ruck aus dem Gebäude, ritt alsdann, dem Sonnenlauf entgegen, mit dem lohenden Brande um die Häuser und sprach: »Hier nehm ich mir Land, dieweil ich hier nun keine bewohnte Heimstätte sehe. Es sollen's hören, die als Zeugen zugegen sind!« Darauf spornte er sein Pferd und ritt davon. Da sprach Herstein: »Was ist jetzt zu tun? Dies hat sich nicht gut bewährt!« Thorbjörn sagte: »Schweig jetzt, wenn du kannst, was auch geschehn mag!« Zauberische Handlungen, wie die folgende, wurden durch Reden gestört. Herstein bemerkte, er habe doch gewiß nicht zu viel gesagt.
Eine Außenkammer war vom Feuer verschont: da war die Ware des Norwegers drin und viel anderes Gut. Auf einmal verschwand der alte Thorbjörn. Herstein schaute nach dem Gehöft hin: er sah die Kammer offen stehen und die Habe heraustragen, aber Menschen sah er keine. Es wurden da die Sattelpacke gebunden. Darauf hörte er ein großes Getrappel in den Hof herein: da sah er, daß alle Pferde aus dem Besitz seines Vaters heimgetrieben wurden, die Schafe und die Rinder aus dem Stalle, der ganze Viehstand. Danach wurden die Lasten auf die Pferde gehoben, alles setzte sich in Bewegung, und alles was Geldwert hatte, wurde davon geführt. Herstein ging hinterher – und sah, daß der alte Thorbjörn die Herde trieb! Der Zweck dieses Zauberstückchens ist die schnelle Bergung der Herde; es gilt ja bei den Helfern in Kap. 11 f. der Nachricht vom Mordbrande zuvorzukommen. Man glaubte, wer seine sichtbare Gestalt ablege, der bewege sich mit der Geschwindigkeit des Gedankens. Der Logik im einzelnen darf man nicht nachrechnen!
Sie nahmen ihre Richtung talabwärts durch die bewohnte Landschaft nach den Pfeilerfelszungen und dann hinaus über die Norderach.
Der Schafhirte des Thorkel Zipfel von Swignascharte war diesen Morgen dem Vieh nachgegangen. Er sah jene daherkommen und allerhand Vieh treiben. Er berichtete das dem Thorkel; der aber erwiderte: »Ich weiß, was dahinter steckt: das werden die Örnolfstaler sein, meine Freunde; sie haben stark unter dem Winter gelitten und werden ihr Vieh her treiben wollen. Das soll ihnen freihstehn: ich habe reichlich Heu, es fehlt auch nicht an aperen Plätzen für das Weidevieh.«
Er ging hinaus, als sie in den Hof kamen, hieß sie willkommen und bot ihnen Bewirtung an, so viel sie nur wünschten. Sie kamen kaum dazu abzusitzen, so dienstbeflissen war der Bauer! Thorbjörn sagte: »Du hast's ja wichtig mit deiner Gastfreundschaft, und wichtig wär es auch, daß du all das gut leistest, was du uns versprachst.« Die gastliche Aufnahme gilt, wie das folgende zeigt, als bindendes Versprechen der Hilfe. »Ich weiß, was euch herführt: das Vieh wird hier zurückbleiben sollen. Es ist hier auch kein Mangel an guten aperen Plätzen.« Thorbjörn sagte: »Das wollen wir annehmen.«
Dann zog er den Thorkel hinters Haus und sagte: »Es gibt große Neuigkeiten zu berichten.« Thorkel fragte, was für welche. »Bauer Blundketil wurde heut Nacht bei sich verbrannt«, sagte Thorbjörn. »Wer verübte diese Schurkentat?« fragte Thorkel. Da erzählte Thorbjörn alles, wie es ergangen war: »und jetzt hat Herstein deinen guten Rat nötig«. Thorkel sagte: »Es scheint mir nicht ausgemacht, ob ich mich so schnell zu dem Versprechen herbeigelassen hätte, wenn ich das vorher gewußt hätte! Aber jetzt will ich denn meine Mitwirkung gewähren. Gehen wir nun zuerst zum Essen!« Sie warens zufrieden.
Thorkel Zipfel war nun sehr einsilbig und so in Gedanken versunken. Als sie gegessen hatten, ließ er ihre Pferde holen; sie nahmen ihre Waffen an sich und saßen auf. Thorkel ritt voraus den Tag über; vorher hatte er noch gesagt, man solle das Vieh auf der Weide gut in Acht haben und das im Stalle gut mit Futter versehen.
Sie ritten nun hinaus nach dem Waldstrande, zu dem Hofe Gunnarsstätten: der liegt im inneren Teile des Strandes. Dort wirtschaftete ein Mann, namens Gunnar, Sohn der Hlif; der war groß, stark und streitbar wie nicht bald ein Zweiter. Er hatte die Schwester Thords des Brüllers zur Frau. Dieser Thord, einer der mächtigsten Häuptlinge der frühen Sagazeit, ist uns besonders aus den Geschichten von den Lachswassertalleuten und vom Goden Snorri bekannt: Thule Bd. 6 und 7. Gunnar hatte zwei Töchter, die eine hieß Jofrid, die andere Thurid.
Sie langten spät am Tage an und saßen ab oberhalb der Gebäude. Es ging ein Nordwind und zwar recht kalt. Eine Wetterangabe zu ähnlichem Zweck wie die in Kap. 5. Thorkel ging zum Eingang und klopfte; aber ein Knecht kam an die Tür, begrüßte den Ankömmling freundlich und fragte, wer er sei. Thorkel meinte, er werde um nichts klüger sein, auch wenn er's ihm sagte: »sag dem Gunnar, er möge heraus kommen.« Er erwiderte, Gunnar sei schon zu Bett. Thorkel sagte, er möge melden, es wolle ihn einer sprechen.
Der Knecht tat so: er ging hinein und meldete dem Gunnar, es wolle ihn einer sprechen. Gunnar fragte, wer es sei. Der Knecht sagte, das wisse er nicht: »aber ein groß gewachsener Mann ist es«. Gunnar sagte: »Geh und sag ihm, er solle hier über Nacht bleiben.« Der Knecht ging und tat, wie Gunnar ihm auftrug; aber Thorkel erklärte, er nehme keine Einladung von Sklaven an, nur vom Bauer selbst. Der Knecht sagte, das wäre ja in der Ordnung: »aber Gunnar hat nicht die Gewohnheit, zur Nachtzeit aufzustehen. Tu eins von beidem«, sagte der Knecht, »geh weiter oder komm herein und bleib hier über Nacht.« »Tu du eins von beidem«, sagte Thorkel, »bestell den Auftrag, wie sich's gehört, oder – ich setze dir den Schwertknauf auf die Nase.«
Der Knecht lief hinein und schlug die Tür hinter sich zu. Gunnar fragte, warum er's so hitzig habe. Er sagte, er wolle nicht länger mit dem draußen sprechen: »denn der führt eine gar schnelle Zunge!«
Da stand Gunnar auf und trat auf den Hofplatz hinaus: er war in Hemd und Leinenhosen, den Mantel übergeworfen und schwarze Schuhe an den Füßen, das Schwert in der Hand. Er hieß den Thorkel freundlich willkommen und sagte, er möge eintreten. Der erklärte, er sei zu mehreren. Gunnar trat auf den Hofplatz heraus, aber Thorkel griff nach dem Türring und warf die Tür zu.
Dann gingen sie hinter's Haus. Gunnar begrüßte die andern. Hier scheint sich der Erzähler noch Thorbjörns zu erinnern; im Folgenden verschwindet er. Thorkel sagte: »Setzen wir uns; denn wir haben viel mit dir zu bereden, Gunnar!« So taten sie; die Zweie setzten sich zu beiden Seiten Gunnars, und so nahe, daß sie auf dem Mantel saßen, den Gunnar übergeworfen hatte.
Da sprach Thorkel: »So liegt die Sache, Bauer Gunnar! Mein Begleiter hier heißt Herstein, Sohn des Blundketil. Wir wollen mit unserem Anliegen nicht zurückhalten: er möchte um deine Tochter Thurid werben. Ich bin auch deshalb mit ihm gegangen, weil ich nicht möchte, daß du den Mann abwiesest; denn mir scheint das eine überaus günstige Heirat. Ich meine auch, es liegt viel daran, daß man dieser Werbung die Ehre gönne und meiner Fürsprache und mit der Antwort nicht zögere.« Gunnar sagte: »Die Antwort in dieser Sache steht nicht bei mir allein; ich will mich erst mit der Mutter des Mädchens beraten und auch mit meiner Tochter selbst und ganz besonders mit ihrem Oheim, Thord Brüller. Übrigens ist mir lauter Gutes von dem jungen Manne zu Ohren gekommen und von seinem Vater ebenso, und die Sache ist der Erwägung wert.« Da antwortete Thorkel: »Bedenke das wohl, wir sind keine Freier auf lange Vertröstung; auch glauben wir ebenso gut für deine Ehre zu sorgen wie für die unsere. Ich finde es auch sonderbar von einem so gescheiten Mann, wie du bist, daß du dich erst noch besinnen willst bei einem so guten Anerbieten. Dazu haben wir auch diese Reise nicht angetreten, daß sie zwecklos verlaufen soll; und ich will dir, Herstein, allen Beistand leisten, den du nur wünschest, damit dies vonstatten gehe, wenn er nicht einsehen kann, was ihn ehrt.«
Gunnar antwortete: »Das kann ich nicht verstehn, warum ihr so hitzig tut und bis hart an Drohungen geht! Mir scheint dies doch eine Heirat zwischen Gleich und Gleich – aber bei euch muß ich mich ja alles Bösen versehen! So entschließ ich mich halt dazu, die Hand darzureichen.« Und so tat er. Herstein aber ernannte sich Zeugen und verlobte sich das Mädchen.
Danach standen sie auf und gingen in's Haus. Sie wurden gut bewirtet. Nun fragte Gunnar, was es Neues gebe. Thorkel sagte, das Neueste, was sie vernommen hätten, sei der Mordbrand bei Blundketil. Gunnar fragte, von wem das ausging. Thorkel sagte, der Urheber sei Thorwald, der Sohn des Odd, und Gode Arngrim. Gunnar antwortete nicht viel, tadelte es wenig, lobte es aber auch nicht.
Gleich am Morgen in der Frühe war Gunnar auf den Beinen, ging zu Thorkel und sagte, sie möchten sich ankleiden. Sie taten so und gingen dann zum Frühstück. Es waren auch schon ihre Pferde bereit, und sie saßen auf. Gunnar ritt voraus, landeinwärts der Föhrde entlang. Es war damals noch stark vereist. Die Angabe soll wohl erklären, weshalb sie nicht den nähern Weg zu Boot nehmen. Sie rasteten nicht, bis sie nach Kessel zu Thord Brüller kamen. Der hieß sie freundlich willkommen und fragte, was es Neues gebe; sie erzählten, so viel ihnen gut schien.
Gunnar nahm Thord beiseite und sagte ihm, seine Begleiter seien Herstein, der Sohn des Blundketil, und Thorkel Zipfel: »ihr Anliegen ist, daß sich Herstein um die Verschwägerung mit mir bewirbt und um die Hand meiner Tochter Thurid. Was meinst du, scheint es dir rätlich? Der junge Mann ist stattlich und tüchtig, es fehlt ihm auch nicht an Vermögen, denn sein Vater hat erklärt, er wolle die Wirtschaft abgeben, und Herstein solle sie übernehmen.« Thord antwortete: »Mit Blundketil steh ich gut; denn einmal, als ich auf dem Allding mit Zungen-Odd stritt um die Todschlagsbuße für einen Knecht, die ihm auferlegt wurde, da zog ich aus, sie einzutreiben, bei heillosem Wetter, ich selbdritt, und da kamen wir nachts zu Blundketil und wurden dort vortrefflich aufgenommen und blieben eine Woche da. Er gab uns frische Pferde zum Wechseln und schenkte mir ein Paar gute Gestütpferde. Dies ist meine Erfahrung mit ihm. Aber doch hab ich den Eindruck, es könne nichts schaden, wenn dieser Handel unterbliebe.« »Bedenke das aber«, sagte Gunnar, »einem andern Manne wird sie nicht verlobt werden, auch wenn sich einer anbietet; denn dieser junge Mann scheint mir heldenhaft und ebenbürtig, und es steht viel auf dem Spiele, wenn wir ihn abweisen«.
Danach suchte Gunnar seine Tochter auf – die war nämlich bei Thord in Erziehung – und forschte bei ihr nach, wie sie sich dazu stelle. Sie antwortete, sie sei nicht so männersüchtig, daß sie nicht ebenso gern daheim bliebe: »denn bei meinem Oheim Thord bin ich gut aufgehoben. Aber was ihr beide wünscht, das will ich tun, in dem da wie sonst.«
Jetzt wurde Gunnar dringlicher bei Thord und sagte, er finde das eine sehr ehrenvolle Heirat. Thord antwortete: »Nun, warum gibst du ihm dann deine Tochter nicht, wenn es dir denn zusagt?« Gunnar erwiderte: »Nur dann geb ich sie ihm, wenn es ebensowohl dein Wille ist wie der meine.« Thord sagte, es solle ihr gemeinsamer Beschluß sein. »Ich möchte«, sagte Gunnar, »daß du, Thord, dem Herstein das Mädchen anverlobst.« Thord antwortete: »Das mußt du selber tun, deine eigene Tochter verloben!« Gunnar antwortete: »Ich finde mehr Ehre darin, wenn du sie verlobst; so steht es uns besser an.«
Da ließ denn Thord der Sache den Lauf, und die Verlobung ging vor sich.
Da sagte Gunnar: »Ich bitte noch darum, daß du die Hochzeit hier in Kessel abhaltest: dann wird sie besonders ehrenvoll werden.« Thord sagte, wie er denn wolle, wenn es ihm so lieber sei. Gunnar sagte: »Wir rechnen also drauf, daß wir sie gleich nach Ablauf einer Woche abhalten.«
Danach saßen sie auf und setzten sich in Bewegung; Thord begleitete sie auf den Weg hinaus und fragte noch einmal, ob nichts Neues zu berichten sei. Gunnar antwortete: »Das Neueste, was wir vernommen haben, ist der Mordbrand bei Bauer Blundketil.« Thord fragte, was es damit sei; aber Gunnar berichtete alle näheren Umstände bei dem Brande, wer ihn veranlaßt und wer ihn ausgeführt habe.
Thord sprach: »So schnell wäre diese Heirat nicht beschlossen worden, wenn ich das gewußt hätte! Ihr bildet euch jetzt ein, ihr hättet mich weit überholt in der Schlauheit und mich gut in die Falle gelockt. Aber doch, meine ich, ist es nicht so gewiß, ob ihr euch selbst genug seid in dem Handel!« Gunnar sagte: »Von dir darf man sich guten Schutz versprechen; auch ist es jetzt deine Pflicht, deinem Neffen beizustehen; denn viele haben es mit angehört, daß du das Mädchen verlobt hast, und alles dies geschah auf deinen Entscheid hin. Es ist auch ganz recht, wenn ihr einmal erprobt, ihr Häuptlinge, wer von euch obenauf kommt; denn ihr habt euch lange schon mit Wolfsrachen was abgezwackt.«
Darauf gingen sie auseinander; und Thord war in großem Zorn und fand, sie hätten ihn genarrt. Sie aber ritten zunächst nach Gunnarsstätten zurück und fanden, sie hätten ihre Sache gut gemacht, daß sie den Thord in den Handel zogen, und waren fröhlich und guter Dinge.
Sie ritten für diesmal nicht weiter dem Süden zu, sondern luden die Leute zur Hochzeit und stellten sich zur verabredeten Zeit in Kessel ein.
Thord hatte schon manche Gäste versammelt. Am Abend wies er den Leuten ihre Sitze an: er selbst saß auf der einen Sitzreihe mit seinem Schwager Gunnar und dessen Leuten, aber auf der andern Sitzreihe saß Thorkel Zipfel und neben ihm der Bräutigam und die von ihnen Eingeladenen; die Brautjungfern besetzten die Schmalbühne.
Sobald aber die Tische aufgepflanzt und alle Leute an ihren Sitz gekommen waren, sprang Herstein, der Bräutigam, hervor über den Tisch und schritt auf einen Steinblock zu. Auf dem Lehmboden des Mittelraums. Das Auftreten auf den Stein bekräftigt zeichenhaft das Gelübde. Er stieg mit dem einem Fuße auf den Stein und sprach: »Dieses Gelübde lege ich ab«, sagte er, »eh das Allding aus ist diesen Sommer, will ich den Goden Arngrim in volle Acht getan haben – oder dann das Selbsturteil!« Die nämlichen zwei Ziele in Kap. 7. Darauf stieg er an seinen Platz zurück.
Jetzt sprang Gunnar hervor und sprach: »Dieses Gelübde leg ich ab«, sagte er, »eh das Allding aus ist diesen Sommer, will ich die Friedlosigkeit des Thorwald Oddssohn erwirkt oder dann das Selbsturteil erlangt haben!«
Er stieg zurück über den Tisch und sprach zu Thord: »Warum sitzest du da, Thord, und äußerst dich nicht? Wir wissen doch, daß du Gleiches denkst wie wir.« Thord antwortete: »Es genügt für diesmal.« Gunnar erwiderte: »Wenn du willst, daß wir für dich reden, sind wir bereit; wir wissen ja, daß du dir den Zungen-Odd zudenkst!« Gesetzlich klageberechtigt ist ja nur Herstein, der Sohn des Verbrannten. Aber zu solchen Klagen brauchte es tätliche Hilfe, gegen die Beklagten wie ihre Helfer. Daran denkt Gunnar, wenn er sich und seinem Schwager einen Gegner ersieht. Die förmliche Vorladung Thorwalds besorgt in Kap. 15 Herstein. Thord sagte: »Was ihr erklären wollt, steht bei euch; aber was ich rede, steht bei mir. Führt das nur gut zu Ende, was ihr da gesprochen habt!«
Weiteres trug sich nicht zu an der Hochzeit, aber doch verlief sie glänzend; und als sie aus war, da zog ein Jeder seine Straße.
Der Winter verstrich. Und als es Frühling war, sammelten sie Mannschaft und zogen hinüber an die Borgföhrde, kamen nach Norderzunge und luden den Arngrim vor das Ding in Dingspitze, Die Dingstätte im Borgföhrdeland; vor dieses, dem Tatorte nächstgelegene Gericht mußte die Klage gebracht werden. sowie den Hühnerthorir. Herstein mit dreißig Mann trennte sich von der Schar und zog zu dem Hofe, der, wie er sagte, das letzte Nachtquartier des Thorwald Oddssohn gewesen war, denn der hatte damals seinen Aufenthalt verlassen. Dieser Umstand, für die Geschichte belanglos, sieht nach einem treu bewahrten Stückchen Rohstoff aus: Den Thorwald lud man nicht bei seinem Vater vor, weil er diesen Wohnsitz aufgegeben hatte.
Jetzt war es unruhig in der Landschaft und ein großes Hin- und Hergerede und ein Zusammenziehen von Mannschaft hüben und drüben.
Eines schönen Tages verschwand der Hühnerthorir aus dem Bezirk, selbzwölft, sobald er erfuhr, was für Leute die Klage übernommen hatten, und man hörte gar nichts mehr von ihm.
Odd sammelte nun Mannschaft in beiden Rauchtälern und im Skorrital, wie auch in allen übrigen Strichen südwärts der Weißach; dazu hatte er noch vieles aus andern Strichen. Gode Arngrim sammelte Leute an der Zwerchachhalde und in einem Teil des Norderachtals. Thorkel Zipfel Von der Partei der Kläger. sammelte Leute weiter unten im Moorland und in den Pfeilerfelszungen, auch einen Teil der Nordertalleute brachte er auf, denn sein Bruder Helgi hauste in Kessel, und den hatte er auch mit. Thord Brüller sammelte Mannschaft im Westlande und brachte nicht sehr viel zusammen. Als er und die Seinen sich trafen, da waren es im ganzen zweihundertundvierzig Mann.
Sie ritten hinunter seewärts der Norderach und über den Fluß bei der Inselfurt oberhalb von Pfeilerfels und wollten da über die Weißach, wo es Knechtestrudel heißt. Da sahen sie eine große Schar südwärts des Flusses heranziehen: das war der Zungen-Odd und hatte an die vierhundertachtzig Mann. Da beschleunigten sie ihren Ritt und wollten zuerst zu der Furt kommen. Sie trafen am Flusse zusammen; Odd und die Seinen sprangen ab und verwehrten ihnen die Furt; dem Thord und seiner Schar ging's mühsam mit dem Vorwärtsdringen, und doch wollten sie gern das Ding erreichen. Es kam zum Handgemenge und setzte auch gleich Verwundungen. Auf Seiten des Thord fielen vier Mann, darunter Thorolf der Fuchs, Bruder des Alf aus den Tälern, ein hochangesehener Mann. Und damit traten sie den Rückweg an. Auf Seiten Odds war einer gefallen und drei schwer verwundet.
Thord machte jetzt die Klage beim Allding anhängig. Sie ritten heim; und man fand, das Ansehen der Leute aus der Westgegend habe einen argen Stoß bekommen.
Odd ritt auf das Ding. Er schickte seine Knechte mit den Pferden nach Hause. Dingspitze und Breitfarm liegen 20 Kilometer auseinander. Als sie heimkamen, fragte Jorun, Odds Frau, was es neues gebe. Die Knechte meinten, sie wüßten nichts anderes, als daß einer aus dem Westlande, von der Breitföhrde, gekommen sei, der habe es verstanden, dem Zungen-Odd zu antworten: »und seine Stimme, die klang so, wie wenn ein Stier brüllte. Die kleine Anekdote knüpft an Thords Beinamen ›Brüller‹ ( gellir) an.« Sie meinte, das sei keine Neuigkeit, wenn man ihm geantwortet habe wie jedem anderen; aber nach allem, was vorgefallen sei, meinte sie, wäre wohl anderes zu erwarten. »Es war da auch ein Gefecht,« sagten sie, »und es fielen fünf Mann im ganzen, und viele wurden verwundet.« Aber vorher hatten sie das mit keinem Worte erwähnt!
Das Ding ging vorüber, und es gab dort keine Neuigkeiten.
Als Gunnar mit seinem Schwiegersohn heim gekommen war, da tauschten sie ihre Wohnstätten: Herstein übernahm Gunnarsstätten; Gunnar zog nach Örnolfstal: er ließ all das Bauholz, das dem Norweger Örn gehört hatte, herüberschaffen, machte sich darauf an die Arbeit und führte die Gebäude des Hofes neu auf. Gunnar war nämlich handfertig wie nicht bald ein zweiter; auch in allem übrigen war er tüchtig und führte seine Waffe wie nur einer und war ein Mann von rechtem Heldensinn.
So verstrich die Zeit, bis man zum Allding reiten sollte. Der Erzähler scheint an das Allding desselben Sommers zu denken. Dann könnten seit dem landschaftlichen Ding in Kap. 15 ff. nur einige Wochen, höchstens zwei Monate, verflossen sein. Es wurde eifrig gerüstet in den Landschaften. Beide Parteien ritten mit ungeheuer großem Gefolge.
Als Thord Brüller mit seiner Schar nach Gunnarsstätten kam, da war Herstein krank und konnte nicht mit zum Ding. Er übertrug die Führung der Klagen auf einen anderen. Es blieben dreißig Mann bei ihm zurück.
Thord ritt nun aufs Ding. Er kam zeitig an und sammelte Freunde und Verwandte um sich; und sobald wieder neue Scharen kamen, warb er eifrig Mannschaft. Nun sah man den Zungen-Odd mit seiner Schar heranziehen.
Thord ritt ihm entgegen; denn er wollte ihn nicht den geheiligten Dingbezirk erreichen lassen. Odd ritt an der Spitze von dreihundertsechzig Mann. Thord und die Seinen verwehrten ihnen das Ding, und da kam es alsbald zum Handgemenge. Nicht lange, so gab es Tote, und sehr viele wurden verwundet. Es fielen sechs Mann auf seiten des Odd; denn Thord war ihm weit überlegen.
Da sahen friedliebende Männer, wenn die ganze Dinggemeinde sich schlüge, daraus würden Übelstände erwachsen, die nicht sobald zu heilen wären. Man legte sich ins Mittel; die Streitenden wurden getrennt und die Händel auf den Vergleichsweg geleitet. Odd mußte der Übermacht weichen und nachgeben: denn einmal fand man, er vertrete die bedenklichere Sache in dem Handel, und außerdem zog er mit seinen Streitkräften den kürzeren. Es wurde angeordnet, Odd solle außerhalb des geheiligten Dingbezirks seine Zelte aufschlagen Diese schiedliche Verfügung hat nichts zu tun mit der Forderung der späteren isländischen Rechtsbücher, daß der Beklagte das Ding meiden müsse. Denn Odd ist gar nicht Beklagter; auch wird den Seinen, gewiß auch den Beklagten Arngrim und Thorwald, erlaubt, zu den Gerichten zu kommen., dürfe aber zu den Gerichten kommen und seinen Geschäften nachgehen; nur sollten er und seine Leute sich gesittet verhalten und keine Streitsucht an den Tag legen.
Nun saß man über den Streitsachen und suchte einen Vergleich nach. Für Odd ließ sichs bedenklich an, besonders weil so große Übermacht ihm entgegenstand.
Jetzt aber ist einiges von Herstein zu berichten.
Seine Krankheit ließ bald nach, als die andern zum Ding abgezogen waren. Da ritt er nach Örnolfstal. Das folgende zeigt, daß er wieder gut auf den Beinen ist. Man fragt sich, warum er nicht gleich aufs Ding weiterreitet, um für seine eigne Sache einzutreten.
Eines Tages in der Frühe war er in der Schmiede; er war nämlich geschickt in Eisenarbeit wie nur einer. Da kam ein Bauer herein, namens Örnolf, der sagte: »Meine Kuh ist krank, ich möchte dich bitten, Herstein, komm doch und sieh sie dir an. Wir haben eine Freude, daß du wieder hier bist; das ist uns ein wenig ein Ersatz für deinen Vater, von dem wir so viel Gutes hatten.« Herstein antwortete: »Ich kümmere mich nicht um deine Kuh, und ich könnte auch nicht sehen, was ihr fehlt.« Der Bauer erwiderte: »Das ist doch ein großer Unterschied: dein Vater hat mir die Kuh geschenkt, und du willst sie dir nicht einmal ansehen.« Herstein antwortete: »Ich schenke dir eine andere Kuh, wenn die da stirbt.« Der Bauer erwiderte: »Fürs erste möcht ich lieber, daß du die da ansiehst.«
Da sprang Herstein auf, und die Sache verdroß ihn; er ging hinaus und der Bauer mit ihm. Sie schlugen den Weg nach dem Walde ein. Da zieht sich der Pfad im Zickzack hinauf, zu beiden Seiten Wald. Und wie nun Herstein den Weg durch die Felsen ging, da machte er Halt, – er war scharfäugig, wie nur einer. Er sagte: »Kam da nicht ein Schild zum Vorschein im Walde?« Der Bauer schwieg. Herstein sagte: »Hast du mich verraten, du Hund? – – Nun, wenn du dich eidlich gebunden hast, nichts zu sagen, so leg dich nieder hier auf dem Wege und sprich kein Wort; tust du das nicht, so bring ich dich um.«
Da legte sich der Bauer nieder, aber Herstein kehrte um und rief seine Leute zusammen: sie nahmen ihre Waffen und gingen nach dem Walde und fanden den Örnolf auf dem Wege. Sie sagten ihm, er solle sie dahin führen, wo es verabredet war, daß sie sich treffen sollten.
So gingen sie, bis sie zu einer Lichtung kamen. Da sagte Herstein zu Örnolf: »Ich will dich nicht zum Reden zwingen; aber geh jetzt, wohin man dich bestellt hatte.« Der Bauer lief auf einen Hügel hinauf und tat einen lauten Pfiff. Da liefen zwölf Männer hervor, an ihrer Spitze der Hühnerthorir. Herstein und die Seinen aber nahmen diese Leute fest und erschlugen sie. Herstein selbst hieb dem Thorir den Kopf ab und nahm ihn mit sich.
Darauf ritten sie zum Ding und erzählten dort diese Neuigkeiten. Herstein hatte viel Ruhm und Auszeichnung von dieser Tat, wie zu erwarten war.
Nun saß man über den Streitsachen der Leute, und der Abschluß der Sache war der, daß Gode Arngrim geächtet wurde mit voller Acht und ebenso all die anderen, die bei dem Mordbrand gewesen waren, außer Thorwald Oddssohn: er sollte drei Jahre außer Landes sein und dann freie Rückkehr haben. Man zahlte eine Summe für ihn und ebenso für die übrigen um freie Einschiffung. Wieviel man bezahlte, ist nicht angegeben. Über diesen Schiedsspruch vgl. die Einleitung S. 6.
Danach wurde das Ding aufgelöst, und die Leute fanden, Thord habe dem Handel gut und rühmlich zu Ende geholfen. So endete dieser Handel. Man ritt vom Ding nach Hause.
Die Geächteten aber fuhren außer Landes, wie es bestimmt war. Gode Arngrim fuhr noch den Sommer außer Landes. Auch Thorwald fuhr noch den Sommer außer Landes und wurde mit seinem Schiff an der schottischen Küste angetrieben und dort als Knecht gefangen gehalten.
Gunnar, der Sohn der Hlif, saß nun in Ornolfstal in dem guten Neubau.
Er hatte diesen Herbst die Sennhütten bezogen, und es war immer wenig Volk auf dem Hofe. Seine Tochter Jofrid hatte vor dem Hause ein Zelt für sich; sie fand es darin kurzweiliger.
Eines Tages trug es sich zu, daß Thorodd, der Sohn des Zungen-Odd, nach der Zwerchachhalde ritt. Er kam auf dem Landwege nach Örnolfstal und trat zu Jofrid in das Zelt ein. Sie hieß ihn freundlich willkommen. Er nahm Platz neben ihr, und sie unterhielten sich zusammen. Nicht lange, so kam ein Knabe von der Sennhütte herunter und sagte, Jofrid möge ihm doch helfen, die Sattellasten von den Pferden zu heben. Thorodd ging hinzu und hob die Lasten herunter.
Der Knabe ging zurück und kam zu der Sennhütte. Gunnar fragte ihn, warum er es so eilig habe. Er gab keine Antwort. Gunnar fragte: »Hast du irgend etwas gesehen?« »Gar nichts«, sagte der Knabe. »Nein nein«, sagte Gunnar, »du siehst mir so aus, als ob dir etwas über den Weg gelaufen sei, was du schon der Mühe wert fändest zu erzählen! Ist es so, so sag es mir. Ist vielleicht jemand zum Hofe gekommen?« »Ich habe niemand gesehen«, sagte der Knabe. »Du wirst es jetzt schon sagen«, sprach Gunnar und nahm eine große Gerte und schickte sich an, den Jungen zu schlagen. Auch damit brachte er nichts aus ihm heraus.
Da holte sich Gunnar ein Pferd, schwang sich auf und ritt in einer Eile die Halde hinunter zum Gehöft. Jofrid sah ihren Vater daherkommen und sagte es dem Thorodd und bat ihn, er möge fortreiten: »es täte mir leid, wenn ich an Schlimmem schuld würde!« Thorodd sagte, er wolle sogleich reiten. Aber Gunnar war schnell zur Stelle; er sprang ab und trat gleich ins Zelt ein. Thorodd grüßte ihn höflich; Gunnar erwiderte seinen Gruß und fragte dann, was ihn hergeführt habe. Thorodd sagte, es sei grade sein Weg gewesen: »doch will ich mir damit nicht deine Feindschaft zuziehen. Gern wüßt' ich aber, was du mir antworten wirst, wenn ich um deine Tochter Jofrid anhalte.« Gunnar antwortete: »Meine Tochter verheirat ich dir nicht nach einer solchen Handlungsweise. Es hat auch krumm zwischen uns gestanden die Zeit her.« Danach ritt Thorodd heim.
Eines Tages erklärte Odd, es würde sich nicht übel schicken, einige Nutznießung zu haben von dem Lande in Örnolfstal, – »wo sich andere widerrechtlich auf mein Eigentum gesetzt haben.« Vgl. Kap. 10. Die Weiber fanden das auch deshalb gut –: »das Vieh steht so schlecht in der Milch, und es wird viel mehr hergeben, wenn man's so macht.« »So soll man die Herde dorthin treiben«, sagte Odd, »denn dort gibt es gute Weideplätze«. Da sagte Thorodd: »Ich erbiete mich dazu, die Herde zu begleiten: dann wird man sich weniger an sie heran wagen.« Odd sagte, das sei ihm ganz lieb.
So zogen sie mit der Herde ab. Und als sie ein gut Stück weit gekommen waren, sagte Thorodd, sie sollten das Vieh dahin treiben, wo sie die schlechteste Weide trafen und am meisten kahle Stellen waren. Die Nacht verging, und am Morgen trieben sie das Vieh heim. Und als die Weiber gemolken hatten, da sagten sie, so schlechte Milch habe es nie gegeben wie diesmal. So wurde dies kein zweites Mal versucht. Und es ging wieder einige Zeit hin.
Das war eines Morgens früh, daß Odd seinen Sohn Thorodd ins Gespräch nahm: »Reite hinunter in die Landschaft und bring Männer zusammen; ich will jetzt die Leute von meinem Eigentum treiben. Aber Torfi soll talauf über die Joche reiten und die dort in Kenntnis setzen von unserm Stelldichein: wir treffen uns an der Steinfurt.«
So taten sie und sammelten Mannschaft; Thorodd bekam neunzig Mann zusammen, mit denen ritt er zur Furt, und sie kamen vor den andern an. Da sagte er, sie sollten voraus reiten: »aber ich will auf meinen Vater warten«. Sagt er das, um die Leute nicht mißtrauisch zu machen? Das Folgende zeigt, daß er ihnen bald nachgeritten ist.
Als sie auf die Hofmauer in Örnolfstal zukamen, war Gunnar eben dabei, eine Karrenfuhre zu laden. Da bemerkte ein Knabe, der bei Gunnar war: »Da kommen Leute auf den Hof zu, eine gehörige Zahl.« »Ja, ganz recht«, sagte Gunnar; er ging ins Haus und holte seinen Bogen; er war nämlich ein Bogenschütze wie kaum ein zweiter, und wird oft dem Gunnar von Haldenende an die Seite gestellt. Dem Helden im ersten Teil der Geschichte vom weisen Njal, Thule Bd. 4. Seinen Hof hatte er damals gut ausgebaut. An der äußern Tür war ein Guckloch, da konnte man eben den Kopf durchstecken. Er stellte sich jetzt mit dem Bogen an die Tür.
Nun kam Thorodd zum Hause und trat an die Tür mit ein paar Leuten und fragte, ob Gunnar einen Vergleich bieten wolle. Der antwortete: »Ich wüßte nicht, daß ich etwas zu büßen hätte! Dies aber ahne ich: eh ihr mich unterkriegt, werden meine Mägde ein paar von deinen Begleitern mit dem Schlafdorn gestochen haben Eine dichterisch gehobene Bildsprache, wie sie in den Sagas nur selten und nur in erregter Rede vorkommt. Die ›Pfeile‹ sind im Isländischen weiblich, daher die Umschreibung durch ›Mägde‹., eh ich im Staube liege!« Thorodd antwortete: »Wahr ist's ja, es leben nicht viele, die es mit dir aufnehmen. Aber doch kann so viel Volk gegen dich anrücken, daß du dich nicht zu halten vermagst; denn mein Vater reitet zum Hof mit großer Schar und hat vor, dich zu erschlagen.«
Gunnar erwiderte: »Gut denn! ich möchte nur wünschen, daß ich meinen Mann fände, eh ich zur Strecke komme! Darüber wundre ich mich nicht, daß dein Vater den Frieden schlecht hält!« »Im Gegenteil«, sagte Thorodd, »wir wollen gern Frieden schließen. Reich jetzt deine Hand dar in guten Treuen und sage mir deine Tochter Jofrid zu.« Gunnar erwiderte: »Du trotzest mir meine Tochter nicht ab! Aber kein unebenes Angebot wär es, was dich anlangt, denn du bist ein wackerer Bursch.« Thorodd antwortete: »So werdens friedliebende Männer nicht auffassen; und ich weiß dir großen Dank, wenn du dies annimmst unter all den Bedingungen, die der Sache anstehen.«
Und nun, wie seine Freunde ihm zuredeten und er außerdem bedachte, daß sich Thorodd immer ehrenhaft bewiesen habe, – da war das Ende, daß Gunnar die Hand darreichte, und sie schlossen diesen Handel ab.
Jetzt eben kam Odd auf den Hofplatz. Thorodd wandte sich gleich seinem Vater entgegen und fragte, was er vor habe. Er sagte, er habe vor, den Hof zu verbrennen mit samt den Leuten. Thorodd entgegnete: »Die Sache hat jetzt einen andern Lauf genommen; Gunnar und ich haben uns verglichen.« Und er erzählte, wie alles gekommen war. »Man traut seinen Ohren nicht!« sagte Odd: »wär es denn schlimmer für dich, das Mädchen zu haben, wenn Gunnar vorher getötet wäre – er, der unser größter Gegner war! Das ist der Lohn, daß wir dich mitmachen ließen!« Thorodd antwortete: »Mit mir mußt du dich nun zuerst schlagen, wenn es nicht anders sein kann.«
Jetzt legten sich Leute ins Mittel und versöhnten Vater und Sohn. Die Sache kam zu dem Abschluß, daß Jofrid dem Thorodd verlobt wurde. Den Odd aber verdroß das sehr. Nun zogen die Leute heim. Hernach fand man sich zur Hochzeit ein; dem Thorodd behagte seine Heirat wohl.
Nach Ablauf des Winters aber zog Thorodd außer Landes; denn er hatte erfahren, daß sein Bruder Thorwald in Gefangenschaft sitze, In Schottland, siehe Kap. 20. und wollte ihn mit Geld loskaufen. Er kam nach Norwegen – und kehrte nie wieder nach Island zurück, weder er noch sein Bruder.
Odd begann nun sehr zu altern. Und als er erfuhr, daß keiner seiner Söhne wiederkommen werde, da befiel ihn eine schwere Krankheit. Und als es ihm anfing eng zu werden, da sagte er zu seinen Freunden, sie sollten ihn hinauf schaffen auf den Schonenberg, Den grasigen Höhenzug zwischen Odds Gehöft und der Weißach. wenn er tot sei: von dort wolle er über das ganze Stromland hinschauen. So geschah es.
Jofrid aber, die Tochter Gunnars, wurde nachher an Thorstein, den Sohn des Egil in Borg, verheiratet Die Geschichte von Gunnlaug Schlangenzunge, Thule Bd. 9, Kap. 1. und war eine Frau von guter alter Art.
Und damit schließt die Geschichte vom Hühnerthorir.