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In den Tagen von Harald Schönhaar Alleinherrscher über Norwegen seit 872. wurde fast ganz Island besiedelt. Die Leute wollten seinen Zwang und seine Übermacht nicht ertragen, besonders die nicht, die aus großem Geschlecht und stolzen Sinnes waren und in guten Verhältnissen lebten. Die wollten lieber mit Hab und Gut flüchten als Angriff und Gewalttat leiden, vom König so wenig wie von andern. Einer von ihnen war Björn Gullberi (das heißt Goldträger). Er fuhr aus dem Orkital nach Island und nahm dort das südliche Rauchtal von der Grimsache bis zur Flokitalsache in Besitz und wohnte auf Gullberishofen. Seine Söhne waren Svarthöfdi, Geirmund und Thjostolf, die kommen in dieser Geschichte nicht vor. Björns ältester Sohn hieß Grimkel. Er war groß und stark. Björn Gullberi brachte es zu Reichtum und Ansehen. Sein Sohn Grimkel freite um Rannveig, die Tochter Thorbjörns von Adlerfels und bekam sie zur Frau, und sie waren noch nicht lange beisammen, so wurde Rannveig krank und starb. Sie hinterließ Grimkel eine Tochter, die wurde Thurid genannt und wuchs bei einem Manne auf, der Sigurd Rüssel hieß und auf dem Hof unterm Berge wohnte. Sie war ein schönes Mädchen und geschickt mit den Händen, etwas herben Sinnes, und dabei doch beliebt.
Grimkel wohnte zuerst auf Berg, nicht weit vom Ölfussee Im Südwesten der Insel., da wo jetzt die Schafställe sind, die noch heute Grimkelshofen heißen. Er hatte ein großes Godentum; er war reich und ein großer Häuptling, und man sagte von ihm, er halte sich nicht immer ans Recht. Nach dem Tode seines Weibes siedelte er an den Ölfussee über, denn das Land schien ihm dort besser zu sein. Dort wohnte er dann bis an seinen Tod. Er hatte den Beinamen der Gode.
Ein Mann namens Högni wohnte in Weidlandbucht, nicht weit vom Ölfussee; seine Frau hieß Thorbjörg, und sie hatten eine Tochter namens Gudrid, die war ein schönes Mädchen und überall beliebt. Högni war aus geringem Hause, dabei aber ein tüchtiger Mann; seine Frau Thorbjörg aber war sichtlich aus vornehmerem Hause als er, und doch kamen sie gut miteinander aus. Högni war sehr reich.
Ein Mann namens Valbrand wohnte auf Breitenfarmstedt im nördlichen Rauchtal. Er war der Sohn Valthjofs des Alten. Sein Sohn hieß Torfi. Valbrand und Torfi hatten ein Godentum. Torfi war klug und weithin bekannt. Bei den beiden wuchs auch ein Knabe auf, der hieß Sigurd, der Sohn der Gunnhild; er war mit Torfi verwandt und hatte den Beinamen Torfis Pflegesohn. Er ließ viel von sich erwarten und war in allerlei Künsten geschickt. Noch ein zweites Kind hatte Valbrand, das war eine Tochter namens Signy. Sie war die Frau des Thorgeir von Mittelberg, des Sohnes Finns des Reichen, des Sohnes Halldors, des Sohnes Högnis. Thorgeir war damals schon gestorben, als diese Geschichte sich zutrug. Ein Sohn der beiden hieß Grim, ein viel versprechender Bursch, der wuchs bei seiner Mutter auf. Signy wohnte auf Signyshofen, nicht weit von Breitenfarmstedt. Sie war ein Weib von männlicher Sinnesart, schroff und hochmütig und mit schneller Zunge. Ein Knabe wuchs bei ihr auf, der hieß Grim mit dem Beinamen der Kleine. Er war Signys Pflegesohn, von großer Art und behendem Wesen, doch meist bedächtig.
Koll Kjarlaks Sohn wohnte damals auf Hain im südlichen Rauchtal; er war ein großer Häuptling.
Ein Mann namens Thorvald wohnte auf Seespitz im Elsterntal; er war groß und stark; seine Frau hieß Thorgrima mit dem Beinamen die Schmiedin, sie verstand sich auf Zauberei. Ihr Sohn hieß Indridi; er war groß und gut veranlagt. Thorgrima überlebte ihren Gatten, und nachdem sie Witwe geworden war, wohnte sie in der Mulde im Elsterntal und brachte es dort zu großem Reichtum und Ansehen.
Man erzählt, eines Sommers sei der Gode Grimkel wie auch sonst aufs Ding geritten. Eines Tages verließ er mit einer großen Schar von Leuten seine Hütte. Er ging zur Hütte Valbrands hinüber und trat dort ein. Valbrand begrüßte ihn freundlich, denn er kannte Grimkel von früher her; man setzte sich und begann ein Gespräch. Grimkel sagte: »Man hat mir erzählt, Valbrand, du habest eine Tochter namens Signy, und sie sei ein tüchtiges Weib. Ich möchte um sie anhalten, wenn du sie mir geben willst.« Valbrand antwortete: »Wir wissen von dir, daß du aus gutem Geschlecht bist und viel Geld hast, und auch selber ein tüchtiger Kerl bist; ich will's dir nicht abschlagen.« Ihr Gespräch endete damit, daß Valbrand dem Grimkel seine Tochter Signy verlobte; die Hochzeit sollte zwei Monate später auf Ölfussee gefeiert werden.
Valbrands Sohn, Torfi, war nicht auf dem Ding gewesen. Und als Valbrand heimkam, erzählte er seinem Sohn die Neuigkeit. Da antwortete Torfi: »Recht wenig Wert scheint ihr auf meinen Rat zu legen, daß ihr mich bei so etwas gar nicht befragt. Auch scheint mir diese Heirat, die du deiner Tochter verschafft hast, nicht ganz so passend wie dir, und auch Signy wird nicht sehr damit zufrieden sein, denn Grimkel ist ein alter Mann und hartherzig.« Dann sagte Torfi die Strophe:
Grimkeln gab der Alte
Goldspang'ns Ruderbank
Sitz der Goldspange = Frau, hier Signy. da,
Heischer von Brünn'strick-Brandes
Bö':
Der Brand (das Feuer) des Brünnenstrickes (hier für Brünne überhaupt) ist das Schwert; dessen Böe (Sturm) der Kampf; der Kampffordrer = Krieger (hier der greise Valbrand). der Skald'
Torfi selbst. dies hörte.
Schatzes Schalter
Grimkel. besitzt nun
Stein-Njörun.
Die Njörun (Göttin) der Steine (d. h. der Bernsteinperlen) ist Signy. Doch einbringt
Ich wähns, Freud' und Wonne
Wenig der Greis
Grimkel. jener.
Signy erfuhr nun von ihrer Verlobung und ließ sich wenig anmerken, was sie davon hielt. Und als die Geschwister sich trafen, sagte Torfi, ihm sei dieser Heiratsplan nicht recht. »Wir beide haben uns immer geliebt,« sagte er, »und es gefällt mir nicht, daß du jetzt aus unserm Bezirk fortziehen sollst mit all deinem Geld.« Sie antwortete: »Ich sehe hier einen Ausweg, Bruder. Leg du diesem Heiratsplan nichts in den Weg, so will ich all mein Vermögen auf dich übertragen mit der Bedingung, daß du mir die Mitgift bezahlst in der Höhe, wie sie der Vater ausgemacht hat; da werden gewiß noch zwanzig Hunderter übrig bleiben. Die will ich dir um unserer Freundschaft willen schenken und außerdem meine beiden kostbarsten Stücke, meinen schönen Halsschmuck und meinen Hengst Schwarzmähne.« Torfi zeigte sich damit zufrieden und redete freundlich mit ihr.
Nun rüstete man sich zur Hochzeitsfahrt. Als einer der geehrtesten Gäste war Koll vom Hain zur Hochzeit geladen. Den baten Vater und Sohn, die Führung der Geladenen zu übernehmen, denn Valbrand war schon so alt, daß er sich die Reise nicht mehr zumuten mochte, und Torfi wollte nicht mit. So machte sich Koll mit der Braut auf den Weg, und es waren ihrer dreißig beisammen. Sie blieben die Nacht auf Querberg im südlichen Rauchtal. Grim der Kleine, Signys Pflegesohn, hatte dort die Wache bei den Pferden, und als er sie am Morgen zusammensuchte, konnte er Signys Hengst Schwarzmähne nicht finden. Da machte er sich auf die Suche und ging den Spuren im Tau über den Bergrücken nach bis ins Flokital, und dort im Tal fand er den Hengst tot in einem Erdrutsch. Er nahm ihm die Fessel ab, die er die Nacht über an den Füßen gehabt hatte, und kehrte damit zurück und erzählte der Signy, daß ihr schöner Hengst tot sei, und wie es zugegangen war. Sie antwortete: »Das ist ganz schrecklich und bedeutet gewiß nichts Gutes! Ich will umkehren und nicht weiter reisen.« Koll sagte, das sei nicht möglich, sie dürfe eine solche Fahrt nicht um so etwas aufgeben. Und da es nach Kolls Willen gehen mußte, so zogen sie alle zusammen weiter und kamen nach Ölfussee. Dort hatte Grimkel schon eine Menge Gäste. Nun gab es ein großartiges Fest, und es wurde tüchtig gefeiert. Als das Fest vorüber war, zogen Koll und die andern Gäste wieder heim; Signy aber blieb dort zurück mit ihrer Pflegemutter Thordis und mit Grim dem Kleinen. Grimkel hatte den Koll reich beschenkt und freundschaftlich mit ihm gesprochen; dagegen schien es ihm, als hätten Valbrand und Torfi ihm sichtlich eine Schande angetan, daß sie nicht zur Hochzeit gekommen waren. Er bekam auch die Strophe Torfis zu hören und konnte nichts dagegen tun. So blieb es kühl zwischen den Gatten: Grimkel war rauh und Signy wortkarg, und sie kamen nicht recht zusammen, weil sie nicht die gleichen Freunde haben konnten; außer Grim dem Kleinen: der brachte es fertig, daß sie sich beide zufrieden gaben. So verging das erste Jahr.
Gegen das Frühjahr kam Grim der Kleine mit Signy ins Gespräch. Er sagte, er wolle fort. »Ich bin es leid«, sagte er, »den Vermittler zwischen euch zu spielen; übrigens ist es am besten auseinanderzugehn, solange man einander noch Freund ist.« Signy antwortete: »Sprich darüber zuerst mit Grimkel und tu, was er dir rät, das wird das Beste für dich sein. Ich möchte gern, daß es dir gut ginge, und es scheint mir, als wolle er dir wohl.« Grim tats und sprach mit dem Bauern; er sagte, er wolle fort, wenn es ihm recht wäre. Grimkel antwortete: »Ich möchte dir raten, hier zu bleiben. Ich will dich auch besser stellen als bisher, denn du bist der Signy unentbehrlich, und wir haben dich beide sehr nötig zur Besänftigung unserer Gemüter.« Grim blieb also das Jahr über noch dort, und die beiden Gatten hatten es gut mit ihm.
Im Frühjahr darauf sprach Grim wieder mit dem Bauern; jetzt wolle er aber wirklich fort; aber Grimkel wollte wieder nichts davon hören. »Dann freie du für mich um Gudrid Högnis Tochter«, sagte Grim, »wenn du willst, daß ich hier bleibe.« Grimkel antwortete: »Du schätzst dich ja hoch ein! denn der Abstand zwischen euch ist groß: du bist arm, und Högni ist sehr reich.« Da sagte Grim: »Du wirst es schon zustande bringen«, und Grimkel antwortete: »Versuchen kann ich es ja.«
Er ritt also nach Weidlandbucht und wurde dort gut aufgenommen. Dann warb er für Grim um Gudrid: »Von ihm wäre zu sagen, daß er ein kluger und geschickter Mensch ist; er wird sich auch in der Wirtschaft nützlich machen und alles was dazu gehört, tüchtig vorwärts bringen. Du aber fängst an schon recht alt zu werden. Er scheint mir ein passender Schwiegersohn für dich.« Högni antwortete: »Du hast meine Ehre schon besser im Auge gehabt als hiermit, aber die Frauen mögens entscheiden.« Grimkel sagte, sie brauchten nicht viel Geld herauszurücken: »es soll sich hier nicht um große Summen handeln, sondern du sollst selber bestimmen, was du deiner Tochter mitgeben willst. Mir sagt übrigens ein Gefühl, daß Grim seinen Freunden Glück bringt; es braucht hier kein langes Verhandeln.« Ihr Gespräch endete damit, daß Grim Gudrid bekam. Die Hochzeit war auf Ölfussee und es gab ein schönes Fest. Ihre Ehe war glücklich. Sie blieben den Winter über dort, und alle waren einander gut Freund. Gegen das Frühjahr aber wollten Grim und Gudrid fort. Grim sagte es der Signy, die aber sagte, er solle mit Grimkel sprechen; es werde alles am besten gehen, wenn er Grimkel entscheiden lasse. Da brachte er es also beim Bauern vor, daß er fort wolle. Grimkel antwortete: »Jetzt scheint es mir richtig, es dir leicht zu machen und dir freie Hand zu lassen, denn du siehst mir aus, wie einer, der Glück hat.« Da kaufte sich Grim südlich von Schluft an und nannte die Stelle Grimshofen und wohnte seitdem dort. Grimkel schaffte ihm das ganze Bauholz, und Högni bezahlte das Land. Grim kam bald zu Vermögen; es schien sich ihm alles unter der Hand zu verdoppeln, und er zählte bald zu den besten Bauern.
Man erzählt, Signy, Valbrands Tochter, habe einen Traum gehabt. Es war ihr, als wüchse ein großer Baum aus ihrem und Grimkels Bett, der war wunderschön und hatte Wurzeln, die sich durch alle Räume auf ihrem Hofe erstreckten, seine Blüte aber schien ihr nicht so groß, wie sie es gewünscht hätte. Sie erzählte den Traum ihrer Pflegemutter Thordis, und die deutete ihn dahin, daß sie mit Grimkel ein Kind haben würde, das würde groß und berühmt werden; sie sagte, sie glaube, es würde ein Knabe werden; »und viele werden sich über ihn verwundern, wie er emporsteigt; aber es würde mir nicht unerwartet kommen, wenn es mit ihm aus wäre, ehe er die höchste Blüte erreicht, weil es dir vorkam, als habe jener große Baum keine so große Blüte, wie du gewünscht hättest; und es ist nicht sicher, ob er bei allen seinen Verwandten große Liebe findet.«
Bald darauf gebar Signy einen Knaben, der wurde Hörd genannt. Er wuchs schnell und war ein schöner Knabe, nur in einem entwickelte er sich anfangs langsam: er konnte noch nicht allein laufen, als er schon drei Jahre alt war. Das schien den Leuten ganz auffallend langsam, wo er doch in allem andern so schnell vorankam. Und an dem Tag, wo auf Ölfussee das Opferfest gefeiert wurde – Grimkel war nämlich ein großer Opferer – saß Signy mitten in der Stube auf ihrem Stuhl; sie kleidete sich da an, und ihr schöner Halsschmuck lag dabei auf ihrem Schoß. Der kleine Hörd stand am Bettrahmen und ließ nun zum erstenmal das Bett los und lief zu seiner Mutter und stieß gegen ihre Knie; da fiel der Schmuck auf den Boden und sprang in drei Stücke. Signy wurde sehr zornig und sagte: »Schlimm war dein erster Gang, und viele schlimme werden ihm folgen, der schlimmste aber wird der letzte sein!« Dann sagte sie die Strophe:
Halses Schmuck zerstückt' er
Schier der Frau. Kein Sirnir-
Laut-Vergeuder
Sirnir: ein Riese; dessen Rede: Gold; Goldes Vergeuder = Mann. Sinn der Umschreibung: niemand.'s Gut ja
Golds Hald'
Der Frau. wieder gestaltet.
Schafft ihr Ersatz.
Gut nicht der Gang war des jungen
Goldgewährers
Hörds., sein erster.
Schlimm wird jeder spätre
Stets: am ärgsten der letzte.
Prophezeiung von Hörds Abenteuerleben.
Darüber trat Grimkel ein und hörte, was sie sagte. Er hob den Knaben schweigend auf und wurde über ihre Worte sehr zornig und sagte die Strophe:
Nie zu Golds Vergeuder
Freigebiger Mann, hier: Hörd.
Gut war seine Mutter.
Schmähwort' Frauens frühste
Frucht
Signys Erstgeborner. – (kaum ging er) – empfing schon.
Der'n Fluch wohl einst fühlen
Flußbrands Schenker
Flußbrands (d. h. Goldes) Schenker: Hörd. muß dann.
Der Leut' Bannsprüch'
Schlimme Prophezeiungen. länger
Leben denn irgend ein Mensch ja.
Grimkel war so in Zorn geraten, daß er den Knaben nicht länger im Hause haben mochte. Er ging also zu Grim und Gudrid und bat sie, Hörd zu sich zu nehmen und bei sich aufzuziehen. Sie waren gerne dazu bereit und nahmen ihn mit Freuden auf. Es schien ihnen ein ehrenvoller Auftrag. Ein Jahr vorher hatten sie einen Sohn bekommen, dem sie den Namen Geir gegeben hatten; der wuchs schnell und war ein schöner und geschickter Knabe, stand aber in jeder Weise gegen Hörd zurück. Die beiden wuchsen nun zusammen auf, und es gab bald große Liebe zwischen ihnen. Signy war danach noch weniger zufrieden als vorher, und ihr Verhältnis zu Grimkel wurde sichtlich noch kühler als es vorher gewesen war.
Noch einen zweiten Traum hatte Signy. Sie träumte, sie sähe einen Baum, groß wie das erste Mal, stark in den Wurzeln und reich in den Zweigen und mit großer Blüte. Diesen Traum deutete ihre Pflegemutter wieder dahin, sie würden ein Kind bekommen. Das würde eine Tochter sein, und es würde ein großes Geschlecht von ihr ausgehen, weil ihr der Baum so reich an Zweigen erschienen sei; »daß er aber die schöne Blüte zu haben schien, wird wohl den Glaubenswechsel bedeuten, der kommen wird, und ihre Nachkommenschaft wird den Glauben haben, der dann gelehrt wird, und das wird der bessere sein.«
Nach dem Ding im Sommer bat Signy Grimkel um die Erlaubnis, ihre Verwandten zu besuchen. Er sagte, er wolle ihr das erlauben, sie solle aber nicht länger als einen halben Monat fortbleiben. Zwei Knechte und ihre Pflegemutter Thordis begleiteten sie. Sie ritten ins Rauchtal hinüber. Torfi empfing sie mit Freuden und sagte, sie solle den Winter über bei ihm bleiben, sonst müsse er glauben, daß sie ihn nicht lieb hätte. Sie sagte, ihr sei nur erlaubt, einen halben Monat fortzubleiben und nicht länger. Torfi sagte, das mache nichts aus. Da gab sie seinem Bitten und Drängen nach. Sie gingen den Winter über auf Einladungen, und als sie drunten auf Hof zu Gaste waren, starb Signys Pflegemutter plötzlich und wurde in Thordishöh bestattet; das ist nicht weit von Hof. Der Signy ging das sehr nahe. Sie reiste nun wieder nach Breitenfarmstedt zurück. Bald darauf kam sie in die Wochen, und es stand sehr böse mit ihr. Torfi sprach mit ihr; er sagte, sein Herz habe ihm von Anfang an von dieser Heirat Böses geweissagt; er habe es dem Grimkel die ganze Zeit über nicht vergessen können. Sie sagte, es sei nicht unwahrscheinlich, daß noch Schlimmes nachkäme. Sie gebar ein Mädchen, das war groß und gesund. Torfi wollte das Kind nicht mit Wasser besprengen lassen, ehe Signys Leben in Sicherheit wäre; aber sie starb gleich darauf dort in ihrem Bette. Da geriet Torfi in solchen Zorn, daß er das Kind aussetzen lassen wollte. Er befahl seinem Pflegesohn Sigurd Vergl. Seite 192., das Kind zu nehmen und mit ihm zur Rauchtalsache zu gehen und es dort zu ertränken. Sigurd sagte, das sei sehr schlecht von Torfi, aber er wagte es ihm doch nicht abzuschlagen. Er nahm also das Kind und ging seines Weges; das Kind erschien ihm schön und darum brachte er es nicht übers Herz, es in den Fluß zu werfen. Er bog also nach Signyshofen ab und legte das Kind dort im Hoftor nieder, und hielt es für wahrscheinlich, daß man es bald finden würde. Bauer Grim, Signys Sohn Vergl. Seite 192., stand draußen unterm Hausgiebel und sah ihm zu; er ging hin und hob das Kind auf und nahm es mit heim. Sein Weib Helga mußte sich ins Wochenbett legen und sagen, sie habe dies Mädchen geboren. Dann ließ er es mit Wasser besprengen und nannte es Thorbjörg.
Grim ging nach Breitenfarmstedt hinüber; er sah viele Leute aus dem Hofe kommen; da geleitete man Signys Leiche zu Grabe. Torfi sagte dem Grim den Tod seiner Mutter an: »und du sollst all ihr Geld haben; wir müßten es zwar dem Grimkel auszahlen, aber wir wollen doch lieber dir etwas Gutes tun.« Grim antwortete, das sei recht gesprochen. Darauf bestatteten sie Signy und gingen dann auseinander.
Nun trafen sich Sigurd und Grim. Sigurd sagte, es sei sicher, daß Torfis Zorn ihn treffen werde, sobald er erfahre, daß er das Kind am Leben gelassen habe. »Da weiß ich Rat«, sagte Grim, »ich will dir zur Ausreise verhelfen und dir so das Glück lohnen, das mit dir gekommen ist.« Und das tat er auch: er sandte den Sigurd nach Strand und gab ihm zwei Hengste mit, von denen der eine beladen war, und von dort fuhr Sigurd außer Landes.
Zwei Tage darauf kam Torfi nach Signyshofen und fragte, warum Helga zu Bett läge, denn er wußte nichts davon, daß sie ihre Niederkunft erwartet hätte. Er erkannte nun das Kind neben ihr und sagte: »Das ist doch eine unerhörte Frechheit; ihr wagt ein Kind aufzuziehn, das ich habe aussetzen lassen!« Helga antwortete: »Dies Kind stand dem Grim sehr nah, und es war wohl zu entschuldigen, wenn er sich seiner annahm!« Da fragte Torfi, wo Grim sei. Sie antwortete, er sei bei den Arbeitern. Da ging Torfi dorthin und traf Grim; er zeigte sich sehr böse und sagte, Grim werde ja erstaunlich frech gegen ihn, und fragte ihn, was er von Sigurd wisse; der habe sich bösen Lohn damit verdient, daß er seine Absicht durchkreuzt habe, denn mit einer solchen Schmach wäre dem Grimkel ganz recht geschehen. Grim sagte, er habe Sigurd nach dem Westfjord und außer Landes geschickt. Torfi geriet darüber in Zorn; er nahm das Mädchen und wagte nicht es töten zu lassen; denn es galt als Mord, wenn man Kinder tötete, nachdem sie einmal mit Wasser besprengt waren. Er nahm das Mädchen mit heim und gab es seiner Magd in Pflege, aber Kleider gab er ihr nicht für das Kind und wollte sie auch nicht von der Mägdearbeit befreien.
Ein Mann hieß Sigmund; er ging mit seinem Weibe und seinem Sohn Helgi von zu Hof betteln. Meistens blieben sie im Gästehaus, wo sie auf einen Hof kamen, wenn man Sigmund nicht zur Unterhaltung hereinholte.
Diesen selben Herbst kamen die drei nach Breitenfarmstedt. Torfi nahm sie freundlich auf und sagte zu ihnen: »Ihr sollt nicht im Gästehaus bleiben, denn du gefällst mir, Sigmund, und siehst mir aus wie einer, der Glück bringt.« Sigmund antwortete: »Du dürftest nicht so Unrecht haben, wenn es dir wirklich so vorkommt.« Torfi sagte, er wolle ihm eine Ehre antun: »ich will dir nämlich ein Kind in Pflege geben.« Sigmund antwortete: »Der Unterschied zwischen uns ist da, wenn ich dir ein Kind aufziehe; denn man sagt ja, der sei der Geringere, der dem anderen ein Kind aufzieht.« Torfi sagte: »Geh mit dem Mädchen nach Ölfussee.« Das versprach Sigmund; dann nahm er Thorbjörg und band sie sich auf den Rücken und ging dann fort. Mit alledem wollte Torfi dem Grimkel eine Schmach antun, und gerade dieser Mann schien ihm geeignet, das Mädchen auf die Landstraße zu bringen: er wollte keinen besseren daran wagen als Sigmund, denn er wußte, daß dem Grimkel alles zuzutrauen war, wenn ihm ein Mann das Kind gebracht hätte, der ihm der Rache wert erschienen wäre.
Sigmund fand nun überall gute Aufnahme; denn wohin das Kind kam, da fühlten sich alle verpflichtet, es gut zu behandeln und ebenso seine Begleiter, und darum wählte Sigmund den längsten Weg: er zog westwärts über die Entenbucht und die Kieshöfe und im äußersten Westen um alle Landspitzen herum, dann ostwärts über die Gitterbucht und Ölfus. Und eines Abends kamen sie auf Ölfussee an. Gigmund war durchnäßt und ganz erfroren; er blieb draußen sitzen; Grimkel aber saß drinnen im Zimmer und hatte ein Schwert auf den Knien. Er fragte, was da gekommen sei. Sigmund antwortete: »Sigmund ist da, der Pflegevater deines Kindes, werter Herr, und deine Tochter Thorbjörg, das beste aller Kinder.« Grimkel sagte: »hör einer den Landstreicher! du wärest der Pflegevater meines Kindes, elendester aller Bettler? Torfis Feindschaft gegen mich weiß mehr als einen Weg: erst brachte er die Mutter um, und jetzt treibt er das Kind auf den Bettelgang!« Dann sprach Grimkel die Strophe:
Tuchgewebes Träg'rin
Umschreibung für Frau.
Torfi gern wollt' morden.
Schmach, alle, Schwerts Brecher
D. h. Krieger.
Schuf, weiß es, zumeist er.
Nicht sollt' schicken Silber-
Sattens Gna
Gna: eine Göttin; die Göttin des Silbergefäßes = Frau.auf Wand'rung
Schwertes Schwinger.
D. h. Krieger. Den Angriff
Anschlag.
Schon ists Zeit zu lohnen.
Torfis Absicht durchschaute Grimkel vollkommen, und darum wollte er das Kind nicht bei sich behalten. Er sagte zu Sigmund, er solle möglichst schnell verschwinden, sonst würde er ihm die Knochen entzwei schlagen oder ihm noch Schlimmeres antun. Da mußten sie sich nun sofort mit dem Kinde davon machen. Sie gingen über Grims-Kap und durchs Quellental und kümmerten sich nicht mehr um das Kind, denn es kam ihnen vor, als würden sie es nun nie mehr vom Halse bekommen. In ihren Herbergen hatten sie es nun schlecht, und es kam dem Sigmund so vor, als habe er nach dem Köder geschnappt, als er das Kind von Torfi annahm.
Eines Tages kamen sie zum Frühmahl nach Grimshofen; Vergl. Seite 6. sie sagten dem Grim, sie hätten ein kleines Kind bei sich. Grim sagte, er wünsche das Kleine zu sehen, »von dem die Leute jetzt so viel reden«. Sigmund sagte, er wickle das Kind nicht gerne aus, es werde nachher nicht leicht wieder zu beruhigen sein. Aber Grim sagte, er solle sich daraus nichts machen. So wurde das Kind ausgewickelt und Grim gezeigt. Da sagte er: »Das ist in der Tat ein Kind der Signy; ihre Augen hat es, und sie würde von mir erwarten, daß ich ihr Kind nicht betteln gehn ließe, wenn ich es ändern könnte. Torfi aber will allen Verwandten dieses Kindes große Schande antun und schändet sich damit selber. Ich will dir das Kind abnehmen, Sigmund, das hilflose Ding.« Sigmund war darüber sehr froh. Sie blieben noch den Tag über dort; dann zogen sie die Winkelheide hinunter. Viele meinten, Grim werde es durch seinen Übereifer in dieser Sache beim Goden Grimkel verderben.
Die Ziehtage über ritt der Gode Grimkel über Mattenhof nach Ölfus, dann ostwärts über Adlerhorst und durchs Moor nach Oddgeirsbühl hinauf, von dort nach Grimskap und zur Nacht ins Quellental und von da wieder heim. Er berief alle Bauern, die er unterwegs antraf, auf den dritten Tag zu einer Zusammenkunft nach Mittelberg; denn er war über alle diese Bezirke Gode. Nach Mittelberg kamen sechzig von seinen Dingleuten. Grimkel erzählte ihnen seinen Streitfall mit Torfi und sagte, er habe die Absicht, Torfi vorzuladen. Das schien allen recht und billig. Sie ritten über Kluftufer und weiter durch die Schluft und über den Jochberg, dann den unteren Weg an Augenhofen vorbei und so nach Breitenfarmstedt. Torfi war nicht zu Hause, sondern droben an der Weißachseite. Grimkel lud ihn wegen Mordanschlages gegen Thorbjörg und wegen Vorenthaltung von Signys Mitgift vor, und zwar vor das Allding und ritt dann wieder heim, und nun gabs wenig, über das mehr geredet wurde, als über diese Sache zwischen Grimkel und Torfi.
Als Grim der Kleine davon hörte, ritt er nach Rauchbucht und suchte Thorkel Mond, den Rechtsberater, auf. Sie kamen auf die Sache zwischen Grimkel und Torfi, und Grim fragte, wie das seiner Meinung nach wohl ausgehen würde. Thorkel antwortete, bei der Streitsucht der Beteiligten sei das Schlimmste zu befürchten. Da antwortete Grim: »Es wäre mir lieb, wenn du bei einem Vergleich zwischen ihnen mittätest, denn du bist so klug wie wohlmeinend.« Thorkel antwortete: »Du führst deine Sache geschickt und angemessen, und ich will gern dabei mittun, daß sie sich vergleichen.« Grim sagte: »Ich will dir dafür Geld geben, daß du sie vergleichst.« Er schüttete ihm hundert Silberstücke in den Schoß und dankte ihm für sein Versprechen, daß er sie vergleichen wolle. Thorkel sagte, das sei recht getan: »aber beachte wohl, daß ich dir den Vergleich nur in Aussicht stellte, aber nicht versprach«. Grim antwortete: »Was du in Aussicht stellst, ist mehr wert, als was die meisten anderen feierlich versprechen.« Darauf ging er fort.
Nun ging es aufs Ding. Beide Parteien kamen in sehr großer Zahl. Auch Grim war da. Er suchte Thorkel Mond auf und bat ihn, den Vergleich zu versuchen. Er sagte, er würde große Ehre davon haben, wenn er zwischen zwei solchen Häuptlingen einen Vergleich zustande brächte. Thorkel tat es also; er ging zuerst zum Goden Grimkel und brachte bei ihm das Gespräch auf die Sache. Grimkel antwortete: »Das ist bald gesagt: um aller unserer Händel und um der Feindschaft willen, die Torfi gegen mich bewiesen hat, will ich keines anderen Schiedsspruch hierin annehmen als meinen eigenen, es sei denn, daß als Mindestes ausgemacht wird, daß er nicht weniger als zwölfhundert Unzen zu drei Ellen bezahlt.« Gemeint ist die Bezahlung in Fries, dem gängigsten Zahlungsmittel Altislands. Die Kaufkraft der Summe ergibt sich, wenn wir wissen, daß eine Kuh vierzig Unzen zu drei Ellen galt.
Da erbot sich Thorkel, den Schiedsspruch zu tun. »Bedenkt, was dabei auf dem Spiele steht«, sagte er; »es ist klar, daß es Kampf gibt, wenn ihr euch nicht vergleicht, und wir werden dem beistehen, der mehr auf unsere Worte gibt; unsere Worte wollen also beachtet sein – und das bedeutet mehr als die Summe, um die es sich zwischen euch handelt.« Da sagte Grimkel: »Ich bin damit einverstanden, daß Thorkel den Spruch fällt, er ist für vollkommene Rechtschaffenheit bekannt.« Nun sah Torfi, daß nichts anderes übrig blieb, und erklärte sich auch damit einverstanden. Da sagte Thorkel: »Das ist mein Spruch und Urteil, daß Torfi dem Grimkel sechshundert Unzen zu drei Ellen zu zahlen hat, die soll er sechs Winter von ihm leihen, und ihm dann zwölfhundert auszahlen;« damit habe er geurteilt, wie es ihm recht und billig scheine. Grimkel antwortete: »Ich muß mir diese Entscheidung gefallen lassen, denn ich selber habe sie ihm übertragen; aber mich dünkt, die Sache hat sich sehr verringert. Mag dies Geld meinem Sohne Hörd gehören und sein Muttererbe sein.« Torfi sagte, er würde dieses Geld dem Hörd nicht auszahlen, wenn er nicht besser würde als sein Vater. Aber Grimkel antwortete, das könne man nicht sicher wissen, wie es damit würde; jedenfalls sei es für Hörd kein Vorteil, wenn sich an ihm das Sprichwort bewahrheite, daß man am meisten nach den Mutterbrüdern artet: »denn du kannst die Gestalt wechseln, und nichts schiene mir schlimmer für ihn, als wenn er das von dir mitbekäme.« Da gab es großes Geschrei. Beiden Parteien mißfiel der Schiedsspruch, doch hielt man sich immerhin daran.
Das Jahr ging hin und das nächste kam heran. Da freite Grimkel um Sigrid Thorbjörns Tochter vom Schwertkap. Man nahm seine Werbung gut auf, denn er war reich und vornehm, wenn er auch schon etwas hoch in Jahren schien, und so wurde sie ihm gegeben. Ihre Hochzeit fand bei Grimkel auf Ölfussee statt, und verlief schön und glänzend. Es wurde eine sehr gute Ehe; Grimkel blieb nun friedlich zu Haus.
Ein Mann hieß Illugi. Er wohnte auf Holm am Ackerkap. Er war der Sohn Hrolfs aus Geitland, des Sohnes von Ulf, dem Sohne von Grim aus Halogaland. Ein Bruder Illugis war Sölvi, der Vater des Thord, des Vaters vom Priester Magnus in Rauchhöh. Eine Schwester Illugis war Halldora, die Gizur der Weiße zum Weibe hatte, die Mutter Vilborgs, der Mutter Jorunns, der Mutter Gudruns, der Mutter Einars, des Vaters von Bischof Magnus.
Illugi war groß und stark und sehr reich. Er kam als Freier nach Ölfussee und warb um Thurid, Grimkels Tochter von seiner ersten Frau. Grimkel nahm die Werbung gut auf, denn er kannte Illugi, und so kams zur Verlobung. Hörd war bei dem Handel nicht dabei. Nach zwei Monaten sollte auf Ölfussee die Hochzeit sein. Und als es so weit war, machte sich Illugi mit dreißig Mann zur Hochzeit auf den Weg, darunter Thorstein Ochsenstachel vom Rothof, ein großer Bauer, und Thormod von der Halde vom Walfjordstrand. Sie ritten über den Fjord nach Kielkap, dann nördlich vom Moorberg und an der Vilborgsquelle vorbei weiter nach der Joraklippe und zur Weidlandbucht, und so endlich nach Ölfussee und kamen dort früh morgens an. Illugi fragte: »Wo ist Hörd, daß ich ihn nicht sehe – ist er nicht eingeladen?« Grimkel sagte, der sei natürlich immer eingeladen – »aber ich habe seinen Namen jetzt nicht eigens genannt.« Da antwortete Illugi: »Das schickt sich doch nicht.« Er ritt also nach Grimshofen. Dort waren die Riegel vorgeschoben. Sie klopften an die Tür; da kam Geir zur Tür und fragte, wer da sei. Illugi nannte sich und fragte nach Hörd. Geir antwortete, er sei drinnen. Da sagte Illugi: »Sag ihm, er soll herauskommen, denn ich möchte mit ihm reden.« Geir ging hinein und kam wieder heraus: Hörd liege zu Bett und sei krank. Da ging Illugi hinein, weil Hörd nicht herauskommen wollte, und fragte: »Wie stehts mit deiner Krankheit, Hörd?« Er antwortete, es sei nicht so schlimm. Da sagte Illugi: »Ich möchte wohl, daß du mit zu meiner Hochzeit kämest und mir deine Freundschaft schenktest.« Hörd sagte, das hätte er früher sagen können, wenn ihm so viel daran gelegen sei: »Ich mag nicht mit«, sagte er, »denn ihr habt euch bei der ganzen Sache wenig um mich gekümmert.« Illugi bekam von Hörd nichts zu hören als grobe Worte und mußte unverrichteter Sache zurückreiten. – Kurz darauf sagte Geir zu Hörd: »Es ist doch ehrenvoller, wenn wir hingehen, ich will die Pferde holen.« Hörd sagte, ihm liege nichts daran. Da sagte Geir: »Tu's mir zu Gefallen und dir zur Ehre.« Da war Hörd bereit. Sie ritten nun hinter den andern her, und als sie sie eingeholt hatten, war Illugi ganz heiter und ließ sich wegen Hörds grober Worte nichts anmerken. Sie ritten nun zur Hochzeit und wurden dort gut aufgenommen. Hörd saß neben Illugi. Das Fest verlief schön und glänzend. Sie ritten alle zusammen wieder ab, bis zur Vilborgsquelle, da trennten sich die Wege. Da sagte Illugi: »Nun müssen wir uns hier trennen, Hörd, und ich möchte gute Freundschaft mit dir halten. Sieh hier den Schild, den will ich dir schenken.« Hörd antwortete: »Mein Pflegevater Grim hat Spaltholz genug!« Und er sprach die Strophe:
Schwerts Röter
Krieger, hier Illugi. mir schadbar'n
Schild bot, gabenmilder.
Den Schild, braucht er, däucht mir,
Degen
Der Mann., zu Hildes Regen
D.+h. zum Kampf (Hild ist eine Walküre)..
Eignen Kleinods Kling'-Au'ns
Kluger Spalter
Die Au (das Land) der Klinge (d.+h. des Schwertes) ist der Schild; dessen Spalter der Krieger (hier Illugi). walte,
Der hold tut mit Höhl'gurt-
Hangs Aud
Der Gurt der Höhle (d.+h. des Steinloches) ist die Schlange; deren Hang (d.+h. Lager) das Gold; Aud = Name einer Göttin; Goldes Göttin: Frau, hier Thorbjörg., mir so trauter.
Da sagte Illugi: »So nimm diesen Ring von mir als Freundschaftsgabe, wenn du den Schild nicht magst.« Hörd nahm den Ring an; es war ein kostbares Stück. »Ich weiß nicht«, sagte er, »warum mein Herz mir sagt, daß du mir die Schwagertreue nicht halten wirst; aber später wird sichs zeigen.« Damit trennten sie sich, ohne viel Abschiedsworte; doch schieden sie diesmal noch in Frieden. Als Hörd heimkam, sagte er zu Thorbjörg: »Dir will ich diesen Ring schenken, den Illugi mir gab, denn dich habe ich am liebsten von allen; du aber vergiß dies Geschenk nicht, wenn ich tot bin, denn ich weiß, du wirst länger leben als ich.« Thorbjörg antwortete und sprach:
Würdest du einst,
Daß ichs wüßte,
Durch Waffengewalt
Auf der Walstatt gefällt:
Dem Mann sollte
Von mir wahrlich
Arger Anschlag
Das Ende bringen.
Hörd war damals zwölf Jahre alt, wo die Geschichte jetzt steht. An Kraft nahm er es damals schon mit den stärksten Männern dort im Gau auf. Nun ging die Zeit hin, bis Geir sechzehn Jahre alt war und Hörd fünfzehn. Da war er einen Kopf größer als die meisten andern. Man konnte ihm kein Blendwerk vormachen, denn seine Augen sahen alles, wie es wirklich war. Er hatte wunderschönes Haar und große Kräfte, er schwamm ausgezeichnet und war in aller Art Künsten geschickt. Seine Haut war weiß und sein Haar hell; er hatte ein rundes volles Gesicht, eine gebogene Nase, blaue, lebhafte, etwas große Augen, breite Schultern, schmale Mitte, fleischige Seiten, schlanke Glieder, und war in jeder Weise gut gewachsen. Geir war nicht ganz so stark wie Hörd, und doch hatte auch er kaum seinesgleichen; er zeichnete sich in allen Künsten aus, wenn er auch in keiner Hörd ganz erreichte.
Im gleichen Sommer kam ein Schiff vom Meer herein nach Sanden; das gehörte einem namens Brynjolf, dem Sohn des Thorbjörn, des Sohnes des Grjotgard, aus Vik; es waren dreißig Mann auf dem Schiff. Sie kamen noch vor dem Ding. Brynjolf ritt aufs Ding und blieb in der Hütte des Goden Grimkel. Er sagte oft, er sei neugierig, Hörd zu sehen; »denn ich habe viel von seiner Schönheit und Geschicklichkeit gehört«. Es traf sich nun so, daß auch Hörd aufs Ding kam und zwar mit Geir zusammen, denn die beiden trennten sich nie. Eine wunderbare Liebe verband die beiden Pflegebrüder, so daß sie sich weder in Worten noch in Werken jemals trennten. Sie trafen mit Brynjolf zusammen und fanden Gefallen aneinander. Brynjolf sagte, man habe ihm von Hörds Wuchs und Schönheit nicht zu viel erzählt: »es schiene mir jetzt aber an der Zeit, Hörd, daß du deine Auslandsreise machtest, und den Dienst vornehmer Leute suchtest. Ich möchte mit dir Freundschaft schließen und dir die Hälfte meines Schiffes schenken«. Hörd antwortete: »Ein großes Geschenk bietest du dem Unbekannten; doch will ich deinen Antrag gut aufnehmen. Nur kann ich noch nicht versprechen, daß ich mitfahre, ehe ich weiß, was ich mitbekomme; denn so wie es jetzt steht, wäre das noch nicht viel.« Da sagte Geir: »Es ist ein gutes Angebot, Bruder, und scheint mir ein glücklicher Plan zu sein; ich möchte wohl zureden.« Hörd antwortete: »Ich mag Grimkel nicht um einen Zuschuß bitten.« Geir sagte, er solle nicht so sein: »denn er liebt dich sehr; ich möchte, daß du diesmal nicht so schwierig wärest, sondern mit Dank annähmest, was Brynjolf dir bietet«.
Dann zogen sie vom Ding nach Hause, und als Hörd heimkam, erzählte er seiner Schwester Thorbjörg von der Sache. Die sagte, Brynjolf müsse ein tüchtiger Bursch sein. Geir trieb nun weiter zur Ausreise; »ich möchte wohl«, sagte er, »daß du Sigmunds Sohn Helgi als Diener mitnähmest«. Da antwortete Thorbjörg: »Dem möchte ich widersprechen, denn mir scheint das ganze Geschlecht des Sigmund unheilvoll. Niemals wird mir der Schmerz aus dem Herzen weichen, wie sie mich auf den Bettelgang mitgenommen haben.« Hörd antwortete: »Mir liegt nichts an Helgi, denn von der Seite haben wir die größte Schmach erfahren.« Dann sprach er die Strophe:
Hier der Harm in Thorbjörgs
Herkja-Sturm
Sturm der Herkja (einer Riesin) = Mut. als stärkster
Lebt gar manchen Männern
Mächtig im Gedächtnis.
Ärmel-Auen-Feuers-
Audens
Ärmel-Aue: Arm; dessen Feuer: Gold; dessen Aud: Thorbjörg. Mutterbruder
Sigmund bat als Bettler-
Balg
die aufzuziehen.
Helgi war sehr dahinter her, und Geir unterstützte seine Bitte, und das Ende war, daß sie Helgi mitzunehmen beschlossen, aber Hörd sagte, dieser Beschluß werde ihnen gewiß noch einmal leid sein. Darauf bat Hörd den Grimkel um Geld und forderte sechzig Hunderter, davon zwanzig in braungestreiftem Wollzeug. Grimkel antwortete: »Da zeigt sich so recht dein Übermut und deine Habgier«, und ging schweigend fort. Sigrid Grimkels Frau sagte, das könne er als Zustimmung nehmen: »denn so hoch wird ungefähr die Summe sein, die er sich dafür vorgesetzt hatte«. Grimkel gab ihm das Verlangte, und sie brachten alle ihre Ware auf den Hof unterm Berge zu Sigurd Rüssel. Mit Sommeranfang fuhren sie dann mit Brynjolf zusammen ab und gelangten ohne Unfall nach Bergen.
König Harald Graumantel herrschte damals über Norwegen 960 bis ca. 965.. Sie suchten sich gleich eine Herberge und bekamen sie auch durch die Vermittelung Brynjolfs, denn der sorgte in jeder Weise für sie. Eines Tages als Brynjolf ins Land geritten war, geschah es, daß Geir sich allein auf den Weg machte. Er hatte einen neuen Mantel um. Da sah er eine Schar von Männern daherkommen, und einer von ihnen hatte einen blauen Kapuzenmantel um. Sie trafen sich bald; jene fragten ihn nach seinem Namen; Geir nannte ihn der Wahrheit gemäß und fragte, wer sie wären. Ihr Führer nannte sich Arnthor, er sei der Schatzmeister der Königin-Mutter Gunnhild. Da riß ihm einer den Mantel ab. Geir stand da und hatte die Hand am Schwert. Da lachten sie sehr und neckten ihn und sagten, der Landsmann habe den Mantel nicht festgehalten. Er wurde wütend, über ihre Neckerei wie über den Verlust des Mantels, und griff nach dem Mantel und nun zerrten sie sich eine Weile hin und her. Da streckte Arnthor die Hand nach dem Mantel aus und wollte ihn an sich reißen – in dem Augenblick zog Geir das Schwert und hieb Arnthor in den Arm über dem Ellbogen, und schlug ihm den Arm ab. Da bekam er den Mantel und ging damit heim, denn jene waren ganz verdutzt; nur die Scheide ließ er zurück.
Jene befaßten sich nun mit Arnthor, denn der war vom Blutverlust ganz schwach geworden. Als Geir heimkam, fragte Hörd ihn, woher das Blut an seinem Schwerte komme. Geir erzählte ihm, wie es gegangen war. Da antwortete Hörd: »Du hast getan, was sich gehörte; aber wir dürfen jetzt nicht untätig bleiben.«
Arnthor wurde so schwach, daß er seinen Begleitern unter den Händen hinfiel und bald darauf am Blutverluste starb. Inzwischen sandte Hörd nach allen Isländern, die am Ort waren; Tind Hallkelssohn war damals dort, der Bruder Illugis des Schwarzen. Sie waren sofort bereit und sammelten sich um Hörd, es wurden ihrer vierundzwanzig. In der Stadt wurde das Horn geblasen und ein Bote an den König geschickt, und ihm gemeldet, daß einer aus seinem Gefolge erschlagen sei. Der König kam sofort und sagte, sie sollten Geir herausgeben: »denn er hat einen Freund von mir erschlagen, den Schatzmeister meiner Mutter«. Hörd antwortete: »Es ziemt uns nicht, einen von uns euern Waffen auszuliefern, wir wollen dir aber anbieten, selber die Totschlagsbuße zu bestimmen, unter der Bedingung, daß Geir Leib und Leben behält.« Während sie noch verhandelten, kam Brynjolf heim und sagte: »Herr, seid so gut und nehmt Geld für den Erschlagenen, um eurer Ehre und um meiner Freundschaft willen, denn mancher würde sein Leben lassen, ehe Geir erschlagen wäre.« Der König antwortete: »Um deinetwillen, Brynjolf, will ich auf den Vergleich mit Geir eingehen und für meine Person Buße annehmen, aber nicht für meine Mutter.« Brynjolf dankte ihm und bezahlte das ganze Geld für Geir und gab dem König noch schöne Geschenke dazu, denn er war sehr reich und ein ganz vorzüglicher Kerl. Aber als der König wieder fort war, sagte Brynjolf: »Ich traue mir nicht zu, euch hier vor Gunnhild zu schützen; ich will euch deshalb nach Vik zu meinem Vater Thorbjörn schicken, in seinen Schutz und Schirm.« Hörd antwortete: »Deiner Fürsorge traue ich mich an, denn du bist ein guter Kerl.« Sie reisten nun sofort nach Vik. Thorbjörn nahm sie um der Empfehlung willen, die sie von seinem Sohne brachten, gut auf; sie hatten es gut bei ihm und erwarben sich großes Ansehen. Nur Helgis Einfluß auf Hörd schien den meisten nicht eben günstig.
Zu Beginn des Winters kam auch Brynjolf nach Vik, und nun saßen sie alle in Freundschaft beisammen. Gegen das Frühjahr sagte Thorbjörn zu ihnen, er wolle sie nun weiter nach Gautland schicken: »zu meinem Freund, dem Jarl Harald, mit sicheren Erkennungszeichen; denn ich weiß, daß Gunnhild demnächst hierher kommt, und dann kann ich euch nicht vor ihr schützen«. Hörd erklärte sich bereit, nach seinem Rat zu handeln, und so machten sie ihr Schiff fertig.
Als sie fertig waren, trennte man sich in großer Freundschaft. Die beiden Pflegebrüder hielten ostwärts nach Gautland; sie trafen Jarl Harald, und er nahm sie gut auf, sobald er die Erkennungszeichen seines Freundes Thorbjörn gesehen hatte. Der Jarl hatte einen Sohn, der hieß Hroar, der war damals auf Heerfahrt, und eine Tochter namens Helga, ein wunderschönes Mädchen. Jarl Harald ließ Hörd an seiner Seite sitzen, auf dem Platz seines Sohnes Hroar; so blieben sie den Sommer über dort. Im Herbst kam Hroar von seiner Heerfahrt heim; er wurde herzlich begrüßt und Hörd räumte ihm den Platz. Bald gab es Freundschaft zwischen Hörd und Hroar. Es ging nun weiter bis zum Julfest, und als die Leute am ersten Julabend auf ihren Plätzen saßen, stand Hroar auf und sagte: »Hier betret ich den Tritt Vermutlich ein im Boden der Stube festgerammter Block, dessen Festigkeit sich dem Gelübde des auf ihm Stehenden mitteilen soll. und tue den Schwur, daß ich vor nächstem Julfest den Hügel des Wikings Soti erbrochen haben will.« Der Jarl sagte: »Ein großer Schwur! und allein wirst du es nicht zuwege bringen; denn Soti war schon im Leben ein schlimmer Zauberer, und seitdem er starb, ist er noch einmal so schlimm.« Da stand Hörd auf und sagte: »Wäre es nicht recht, deinem Beispiel zu folgen? Ich tue den Schwur, dich in Sotis Hügel zu begleiten und nicht eher herauszukommen als du.« Geir tat den Schwur, Hörd dorthin zu begleiten, und wohin er sonst wolle, und ihn nie zu verlassen, solange Hörd selbst es nicht wünsche. Helgi wieder tat den Schwur, Hörd und Geir zu folgen, wohin sie auch gingen, wenn es ihm möglich sei, und niemanden höher zu schätzen als sie zwei, solange sie lebten. Hörd antwortete: »Es ist nicht sicher, daß es uns lange nach einander trifft; sieh nur du zu, daß es nicht deine Schuld ist, wenn wir zwei unser Leben lassen – und noch manche andere.« »Das soll gelten«, sagte Helgi. Der Jarl war freundlich zu Hörd und sagte, er verspreche sich für seinen Sohn Hroar von Hörds Freundschaft Ehre und Erfolg.
Als der Frühling kam, rüstete sich Hroar selbzwölft zur Fahrt nach Sotis Hügel. Sie ritten durch einen dichten Wald; und an einer Stelle sah Hörd, wie dort von der Waldstraße ein schmaler Fußpfad abging. Er ritt diesen Pfad, bis er auf eine Lichtung kam; auf der sah er ein großes stattliches Haus. Draußen vorm Hause stand ein Mann in blaugestreiftem Mantel; der begrüßte Hörd mit seinem Namen. Hörd dankte ihm freundlich und fragte, wie er heiße: »denn ich kenne dich nicht, obgleich du gegen mich bekannt tust«. »Ich heiße Björn,« sagte jener, »und ich erkannte dich gleich, als ich dich sah, und habe dich doch noch nie gesehen. Aber ich war ein Freund deiner Verwandten, und das soll dir zugute kommen. Ich weiß, daß ihr vorhabt, den Hügel des Wikings Soti aufzubrechen, und das wird euch nicht leicht von der Hand gehen, wenn ihr allein am Steuer sitzt. Wenn es aber so geht, wie ich vermute, und ihr nicht voran kommt, dann komm zu mir!« Damit trennten sie sich. Hörd ritt nun wieder zu Hroar zurück.
Sie kamen früh morgens beim Hügel an und begannen ihn aufzubrechen und stießen gegen Abend auf Balken; aber am Morgen war der Hügel unversehrt wie vorher. Ebenso ging es den zweiten Tag. Da ritt Hörd zu Björn und erzählte ihm, wie es gegangen war. »Es ging also, wie ich voraussah,« sagte Björn, »denn mir war nicht unbekannt, was für ein Zauberer Soti war; aber hier ist ein Schwert, das will ich dir geben. Das stich in den offenen Hügel und sieh dann zu, ob er sich wieder schließt oder nicht.« Hörd ritt also zum Hügel zurück. Hroar sagte, er wolle umkehren und sich nicht länger mit diesem Teufel abgeben; andere waren auch dafür. Da antwortete Hörd: »Es taugt nicht, sein Gelübde nicht zu erfüllen; wir wollen's noch einmal versuchen.« Den dritten Tag gingen sie noch einmal dran, den Hügel aufzubrechen, und stießen wieder wie die andern Male auf Balken. Da stieß Hörd Björns Schwert in den offenen Hügel. Sie schliefen die Nacht über, und kamen am Morgen wieder. Da hatte sich dort nichts verändert. Den vierten Tag erbrachen sie das ganze Deckholz; den fünften Tag öffneten sie die Tür. Hörd sagte, sie sollten sich vor der Luft und dem Gestank in Acht nehmen, der aus dem Hügel käme; er selber aber blieb hinter der Türe stehn, solange der Gestank am schlimmsten war. Da fielen zwei Männer tot um von dem Qualm, der herauskam, die waren neugierig gewesen und hatten Hörds Warnung nicht befolgt. Da fragte Hörd: »Wer will in den Hügel hinunter? Mir scheint, erst der hat getan, was er gelobte, und Soti bestanden.« Hroar schwieg. Und als Hörd sah, daß niemand bereit war, in den Hügel zu gehen, trieb er zwei Pfähle in den Boden und knüpfte ein Seil daran. »So will ich in den Hügel gehen,« sagte er, »wenn mir die drei Stücke aus dem Hügel gehören sollen, die ich mir auswähle.« Hroar sagte, er sei für sein Teil damit einverstanden, und auch die andern gaben ihre Zustimmung. Da sagte Hörd: »Halte du mir das Seil, Geir, denn zu dir habe ich am meisten Vertrauen.« Darauf ließ sich Hörd in den Hügel hinunter, und Geir hielt das Seil. Hörd fand keinerlei Schätze im Hügel und sagte zu Geir, er solle zu ihm hinunterkommen und eine Wachskerze und Feuer mitbringen: »denn diese beiden Dinge haben große Kraft,« sagte er; »bitte du Hroar und Helgi, auf das Seil Acht zu haben.« Die beiden waren bereit, und Geir ließ sich in den Hügel hinunter. Hörd fand endlich eine Tür, und die brachen sie auf. Da geschah ein großes Erdbeben, die Lichter erloschen, und ein gewaltiger Gestank schlug heraus. Dort im Nebenraum war nur schwache Dämmerung. Sie sahen ein Schiff und einen reichen Schatz darin. Soti saß vorn im Steven und war entsetzlich anzuschauen. Geir blieb in der Tür stehen, Hörd aber ging hinein und wollte den Schatz nehmen. Da sprach Soti:
Was hetzt' dich an,
Hörd, aufzubrechen
Das Haus des Erdmanns,
Des (im Grabe liegenden) Soti.
Weil's Hroar heischte?
Hab' im Leben
Harm geschaffen
Nie bisher
Blutwurms Schwinger.
Blutwurms (d. h. Schwertes) Schwinger: Krieger, hier Hörd.
Hörd antwortete:
Deshalb wollt' ich
Den Degen treffen
Und den alten Spuk
Soti.
Scheiden vom Leben,
Weil üblerer Mann
In aller Welt
Nirgend wo
Waffen führte.
Da sprang Soti auf und lief Hörd an; es gab einen scharfen Kampf, denn Hörd war schon sehr geschwächt. Soti griff so fest zu, daß sich dem Hörd das Fleisch zu Knoten zusammenschob. Da sagte Hörd zu Geir, er solle die Wachskerze anzünden und sehen, wie das dem Soti bekäme. Als aber das Licht auf Soti fiel, schwanden ihm die Kräfte, und er fiel hin. Hörd konnte ihm nun einen Goldring vom Finger ziehen, das war ein so kostbares Stück, daß man sagt, seinesgleichen sei nie wieder nach Island gekommen. Als aber Soti den Ring hergeben mußte, sprach er:
Hörd mir raubte
Ring, den guten.
Missen wen'ger
Mocht' ich um vieles
Ihn als Granis
Ganze Bürde.
Grani: Sigurds Roß; dessen Bürde: Gold.
Er wird einst
Das End' herbeiführ'n
Dir und allen,
Die ihn haben.
Hörd antwortete:
Weiß ich auch,
Daß wirken sonst
Bannflüch' all'
Der Bösewichter –
Doch sollst du nicht
Der See Lohe,
Das Gold.
Alter Feigling,
Fürder haben.
»Wisse,« sagte Soti, »daß dieser Ring dir den Tod bringen wird und allen seinen Besitzern, bis er an eine Frau kommt.« Hörd sagte zu Geir, er solle ihn beleuchten und sehen, wie lieblich er aussähe; und in dem Augenblick stürzte Soti in den Boden und wollte nicht auf das Licht warten. So kamen sie auseinander. Hörd und Geir nahmen alle Kisten und trugen sie zum Seil und den ganzen Schatz, den sie fanden. Hörd nahm Schwert und Helm, die Soti gehört hatten, das waren ausgezeichnete Stücke. Sie zogen nun am Seil und merkten, daß die Männer vom Hügel fort waren. Hörd kletterte am Seil empor und kam so aus dem Hügel. Geir band den Schatz ans Seil, und Hörd zog alles heraus.
Nun ist von Hroar und Helgi zu erzählen: als das Erdbeben geschah, wurden alle die Männer, die draußen standen, wahnsinnig vor Angst außer Helgi und Hroar, und die mußten die Leute draußen festhalten. Als sie sich aber trafen, gab es große Freude. Es war ihnen, als hätten sie Geir und Hörd aus der Hölle wieder. Hroar fragte Hörd, wie es gegangen sei, da sprach er die Strophe:
Fand nicht feig und zage
Föhr' Golds
Den Mann, hier Soti., heid'nischen Troll, da.
Schwer war's widerwärt'gen
Wicht
Soti. da zu vernichten.
Sotis Gesicht schlecht aus
Sah beim Licht des Tages.
Zaubers arger Über
Soti.
Erdwärts wollt' sich trollen.
Dann zogen sie mit ihrer Beute heim. Björn war nirgends mehr zu finden, und die Leute hielten dafür, das müsse Odin gewesen sein. Hörds Hügelfahrt erschien den Leuten als eine große Heldentat. Er sagte nun zu Hroar: »Jetzt, glaube ich, hab ich ein Recht auf die drei Stücke, die ich mir wähle.« Hroar stimmte dem zu: »du hast sie dir redlich verdient.« »So wähle ich mir das Schwert, den Ring und den Helm,« sagte Hörd. Dann teilten sie den ganzen übrigen Schatz und alle wurden völlig befriedigt. Der Jarl wollte nichts von dem Schatze haben, als sie ihn ihm anboten; er sagte, Hörd habe sich den Hauptanteil redlich verdient. So genossen sie hohe Ehren und blieben das Jahr über dort.
Im Frühjahr sagte Hörd, er wolle nach Island; der Jarl und Hroar aber sagten, es wäre ihnen lieber, wenn er nicht wegführe; es war, als wäre noch nie ein solcher Mann dorthin gekommen. Hörd antwortete: »Dann will ich euch eine Bedingung stellen: gebt mir die Jarlstochter Helga zur Frau.« Der Jarl antwortete, darauf wolle er wohl eingehen. Die Ehe wurde mit Einwilligung Helgas und Hroars geschlossen. Hörd liebte sein Weib Helga sehr. Er war nun sehr reich. Im Sommer gingen sie auf Wikingfahrt: Hörd, Hroar, Geir und Helgi; sie hatten vier Schiffe, jeder sein eigenes. Sie erwarben Gut und Ehre und hatten Glück auf ihrer Fahrt.
Nun ist dort weiter zu erzählen, wo vorhin abgebrochen wurde: daß Sigurd, Torfis Pflegesohn von Sanden abfuhr und nach Norwegen kam und dort den Winter über blieb. Vgl. S. 200. Im Sommer darauf schiffte er sich mit Kaufleuten ein und fuhr nach Dänemark. Damals herrschte dort König Harald Gormssohn. 940-985. Sigurd gewann durch seinen Mut die Freundschaft des Königs; bald mehrte sich sein Reichtum und seine Ehre, bis er sich zuletzt einer Schar von Wikingen anschloß und sich bei ihnen als ein rechter Held zeigte. So ging es einige Sommer, bis Sigurd zuletzt der Häuptling der Wikingschar wurde. Er führte da allein fünf Schiffe. Eines Sommers geschah es, daß er an der Balagardsseite Südwestküste von Finnland. vorübersegelte. Und als er in die Swinasunde kam, war es Abend geworden. Da blieben sie die Nacht über dort. Am Morgen aber, ehe sie es gewahr wurden, kamen Wikinge auf sieben Schiffen gegen sie angerudert. Da fragten sie, wer der Führer dieser Schiffe sei. Auf dem Achterdeck des einen Schiffes stand ein großer schwarzer Mann, der sagte, er heiße Björn Blauseite und sei der Sohn Ulfhedins, des Sohnes Ulfhams, des Sohnes Ulfs, des Sohnes Ulfhams, des Werwolfs; und fragte, mit wem er es zu tun habe. Sigurd nannte sich. »Wollt ihr lieber mit offnem Gürtel Mit offenem Gürtel konnte man nichts mehr heimlich im Kleiderbausch mitnehmen. ans Land gehen, und uns Schiffe und Geld lassen, oder wollt ihr mit uns kämpfen?« Sigurd antwortete: »Wir ziehen es vor, unser Geld und unsere Freiheit zu verteidigen, und wollen lieber mit Ehren fallen.« Darauf rüstete man sich auf beiden Seiten, und es gab einen heißen Kampf. Sigurd ging tapfer drauf. Das Ende war, daß alle Schiffe Sigurds und drei Schiffe Björns verödet waren. Sigurd allein stand noch aufrecht und wehrte sich lange, bis man endlich die Schilde über ihn warf. Da wurde er ergriffen, vorher aber brachte er allein noch sieben Männern den Tod. Der Tag neigte sich schon zum Abend. Sigurd wurde nun an den Händen gebunden und an den Füßen gefesselt, und sechs Leute wurden dazu bestimmt, ihn die Nacht über zu bewachen; am Morgen aber sollte er getötet werden. Die Wikinge waren alle die Nacht auf dem Lande. Sigurd fragte seine Wächter, wie es mit der Unterhaltung stände. Da antworteten sie, er brauche nicht an Unterhaltung zu denken – »wo du doch morgen sterben sollst!« »Ich habe keine Angst vorm Tode,« sagte Sigurd, »und ich will euch ein Gedicht sagen, wenn ihr Lust habt.« Sie antworteten, das sei ihnen recht. Da sprach er Verse, von denen sie alle einschliefen. Dann wälzte er sich dahin wo eine Axt lag, und es gelang ihm, den Strick an seinen Händen zu zerschneiden, darauf brachte er es fertig, sich die Fußkette abzustreifen, doch nahm sie ihm beide Fersen mit. Dann erschlug er die Wächter, stürzte sich ins Wasser und schwamm ans Land. Er ging quer über die Landzunge, denn er wagte es nicht, sich mit den Wikingen einzulassen. Da sah er drei Schiffe liegen und Zelte am Land. Er ging dreist auf die Zelte zu. Es dämmerte schon stark. Er fragte, wer dort der Anführer sei. Sie antworteten, ihr Führer heiße Hörd, und Hroar und Geir und Helgi; dann fragten sie zurück, wer er sei. Er nannte seinen richtigen Namen; dann suchte er Hörd auf, und sie fragten einander nach den wichtigsten Neuigkeiten. Hörd erkannte Sigurd bald und lud ihn ein, bei ihm zu bleiben. Sigurd sagte, das nehme er an, und erzählte ihm von seiner Unglücksfahrt und bat Hörd, es den Wikingen heimzuzahlen. Dem schien das nicht eben aussichtsvoll, doch erklärte er sich bereit, ihm seine Bitte zu erfüllen. Nun brachen sie schnell auf und luden ihre Schiffe aus und trugen alles am Strand auf einen Haufen; dann ruderten sie um die Landzunge herum. Als aber die Wikinge das gewahr wurden, machten sie sich auch fertig; es war ihnen, als hätten sie einen Freund verloren, wie sie merkten, daß Sigurd fort war. Nun gehts an den Kampf. Die beiden Pflegebrüder gehn wacker drauf, aber auch Sigurd hielt sich ohne Tadel. Als es Tag wurde, machte Hörd sich daran, das Schiff zu entern, auf dem Björn Blauseite war, und Geir gleich hinter ihm her; jeder ging eine Schiffsseite entlang und erschlug Mann für Mann ohne Ausnahme vom Mast an nach vorn. Als Hörd auf dem Rückweg am Mast vorbeikam, sprang Björn Blauseite ihm entgegen und hieb nach ihm mit zweischneidigem Schwert. Hörd deckte sich da nicht mit dem Schild, sondern sprang rücklings über den Mastbock, und das Schwert fuhr so wuchtig gegen den Mastbock, daß beide Schneiden herausbrachen. Und als Hörd sah, wie Björn sich nach dem Schlage vornüberneigte, gab er ihm schnell einen tüchtigen Hieb quer über die Schulterblätter, und schnitt ihn mit Sotis Schwert bis zum Brustbein auseinander; so ließ Björn Blauseite sein Leben. Während das geschah, hatte Geir alles auf dem Schiff totgeschlagen, Hroar aber hatte mit Helgi zusammen ein Schiff gesäubert; Sigurd hatte ein Schiff gesäubert, und die Wikinge entflohen auf dem vierten. Hörd und seine Freunde machten reiche Beute. Dann verbanden sie ihre Wunden. Sigurd genas so völlig, daß nichts zurückblieb. Er blieb bei Hörd, so lange er lebte, und bewies große Tapferkeit. Im Herbst segelten sie dann nach Gautland zurück, blieben den Winter über dort und waren gut aufgehoben.
Geir verlangte nun nach Island zurück und bat Hörd um die Erlaubnis zur Heimfahrt. Hörd sagte, er dürfe fahren, wohin er wolle, doch solle er ihm die Freundschaft halten. Helgi und Sigurd blieben bei Hörd. Geir fuhr ab und hatte wenig Wind. Sie kamen nach Wik und schlugen dort am Land ihre Zelte auf. Das erfuhr Gunnhild, die Königinmutter und sandte Leute aus, Geir zu töten. Sie kamen bei Nacht und überfielen Geir und seine Leute und warfen ihnen die Zelte überm Kopf zusammen. Geir allein kam mit seinen Waffen davon und schlug vorher neun Männer tot. Er suchte nun Brynjolf und Thorbjörn auf und die beiden verschafften ihm einen Platz auf einem Schiffe und gaben ihm etwas Geld. Die Leute meinen, Gunnhild habe Geir mit ihrer Zauberei nach Norwegen gezogen. Sie war sehr darüber aufgebracht, daß Geir entkommen war.
Sie stießen nun in See. Geir kam im Sommer bei Sanden an Land. Da war sein Vater Grim gestorben und sein Muttervater Högni in Weidlandbucht ebenfalls. Gudrid Vergl. S. 191 und 195 und Thorbjörg führten auf Grimshofen die Wirtschaft. Geir zog dorthin und blieb da den Winter über. Im Frühjahr aber kaufte er sich im Niederwinkel an, und siedelte dorthin über. Auch Gudrid und Thorbjörg zogen dorthin.
Indridi Thorvalds Sohn und Thorgrima die Schmiedin Vergl. S. 192. bauten einen Hof im unteren Elsterntal, wo es jetzt Indridishofen heißt, seine Mutter Thorgrima wohnte damals in der Mulde; sein Vater Thorvald war schon tot. In dem ersten Sommer, den Geir in Winkel wohnte, kam ein Mann namens Orm mit seinem Schiff bei Vikarsbahn an der Bullenache an Land. Sie litten Schiffbruch und verloren alles, was sie hatten. Sie waren ihrer fünfzehn an Bord gewesen und bekamen keine Unterkunft. Orm war zwei Winter vorher in Weißach gewesen und hatte bei Indridi Herberge gefunden. Jetzt ritt Indridi selbdritt zu Orm und sagte, er wolle es nicht leiden, daß er in Not sei, und lud ihn und seine ganze Mannschaft zu sich. Orm nahm das an und dankte ihm für die Einladung. Sie ritten alle zusammen an Uferhöh vorbei über Grubenhof und Keilberg, weiter am Ulfljotsee entlang und von dort nach Ölfussee und kamen dort in der Dunkelheit an. Grimkel hieß sie willkommen, forderte sie aber nicht auf, dazubleiben. Da warb Indridi um Grimkels Tochter Thorbjörg: »Du weißt, wie ich vorwärts gekommen bin, und wie sich mein Besitz vermehrt hat. Ich möchte deine Antwort gern sofort haben.« Grimkel antwortete: »Wir können das nicht hier auf der Stelle erledigen, so schnell geht das nicht.« Und aus seiner Einladung zum Dableiben wurde nichts.
Indridi ritt noch am Abend nach Weidlandbucht. Und als sie abgeritten waren, sagte Frau Sigrid zu Grimkel: »Seltsam wenig lag dir daran, deine Tochter dem Indridi zu vermählen. Er scheint mir ein ganz ausgezeichneter Mann. Laß jemand hinter ihnen drein reiten und sei nicht deiner und deiner Tochter Ehre im Weg.« »Wie du willst,« antwortete Grimkel. Es wurden also Boten hinter ihnen drein nach Weidlandbucht geschickt, mit denen ritten sie wieder zurück. Grimkel nahm sie jetzt sehr freundlich auf. Sie beredeten die Sache, und es wurde ausgemacht, daß Indridi Thorbjörg bekommen sollte, und vierzig Hunderter als Mitgift dazu, und die Hochzeit sollte sofort auf Ölfussee stattfinden. Die Verantwortung dafür, was die Nichtanwesenden dazu sagen würden, sollte Indridi allein tragen.
Indridi ließ seine Begleiter dort zurück und machte sich selbdritt auf den Weg und besuchte Thorbjörg in Winkel. Er ritt über die Joraklippe nach Grimshofen und weiter, die Winkelheide hinab, nach Winkel. Geir war nicht zu Hause. Viele sagten, Geir hätte Thorbjörg haben wollen. Sie aber erhob keinen Einspruch gegen die Heirat und weigerte sich auch nicht mit Indridi zu gehen. Sie ritten also zurück nach Ölfussee und dort wurde die Hochzeit ausgerichtet.
Grimkel ging zum Tempel der Thorgerd Hölgabrud Thorgerd Hölgabrud, die göttlich verehrte Ahnfrau der Jarle von Helgeland, ist hier nur mythologisches Requisit; ihr Kult war auf die Jarlsfamilie und ihre Umgebung beschränkt. Vergl. die Einleitung S. 16. und wollte für Thorbjörgs Ehe beten; als er aber in den Tempel kam, da waren die Götter in großer Bewegung und im Aufbruch von ihren Altären. Grimkel fragte: »Was hat das zu bedeuten, und wohin solls gehen? Wem wollt ihr nun Heil bringen?« Thorgerd antwortete: »Kein Heil werden wir Hörd Dem als dem Erben Tempel und Götter zufallen müßten. bringen, denn er hat meinem Bruder Soti seinen guten Goldring geraubt und ihm manch andern Schimpf angetan. Eher möchte ich der Thorbjörg Heil bringen, doch steht über ihr ein so helles Licht, daß ich fürchte, das wird uns trennen. Du aber hast nur noch eine kurze Frist zu leben.« Da ging Grimkel fort und war auf die Götter sehr zornig. Er ging heim, holte Feuer und verbrannte den Tempel mit allen Göttern und sagte, sie sollten ihm nicht noch einmal Unglück ansagen. Und als man am Abend bei Tische saß, da fiel der Gode Grimkel plötzlich tot hin. Er wurde südlich vom Hofe bestattet. Die ganze Vermögensverwaltung fiel Indridi und Illugi zu, denn Hörd war nicht im Lande. Indridi wollte von Grimkels Nachlaß nichts übernehmen als Thorbjörgs Mitgift. Illugi übernahm die Verwaltung gleich im Herbst; im Frühjahr aber fand die Güterteilung mit Sigrid statt; sie bekam das Land am Ölfussee und zeigte sich als tüchtige Hausfrau.
Einige Jahre darauf kamen Hörd Grimkels Sohn, sein Weib Helga, Sigurd Torfis Pflegesohn und Helgi Sigmunds Sohn mit dreißig Mann herüber und landeten bei Sanden. Hörd war da dreißig Jahre alt. Er war nun fünfzehn Jahre ununterbrochen fortgewesen und hatte sich Reichtum und Ehren erworben. Illugi der Rote von Holm kam zum Schiff und lud Hörd mit allen seinen Leuten zu sich. Er ging ihnen selber entgegen und erwies ihnen alle Ehre. Hörd nahm es gern an; es schien ihm ein großartiges Angebot, und er zog mit fünfundzwanzig Mann zu Illugi. Den ganzen Winter durch wurde das Bier nicht gespart und Hörd war sehr zufrieden.
Illugi bot ihm all das Geld an, das er aus Grimkels Nachlaß übernommen hatte; aber Hörd sagte, der Sinn stehe ihm mehr danach, sich sein Geld von seinem Oheim Torfi einzufordern; er wolle ihn aufsuchen. Dann ritt er mit elf Begleitern nach Breitenfarmstedt und traf Torfi zu Hause und forderte sein Geld. Torfi antwortete, er wisse nicht genau, wie es mit dieser Forderung stände: »denn ich bin nicht verpflichtet, dir das Geld auszuzahlen, wenn du schlimmer bist als dein Vater.« Hörd sagte, das habe sich noch nicht entschieden, aber er werde sich sein Geld noch einmal holen kommen. Dann ritt Hörd fort und erzählte es Illugi, als er heim kam. Illugi bat Hörd, nachzugeben: »ich glaube, das wird für euch beide besser sein, denn Torfi ist ein verständiger Mann, und nur verbittert.« Hörd antwortete, von Nachgeben könne nicht die Rede sein: »er hat immer nur schlecht gegen uns gehandelt und niemals gut; ich will gleich hingehen und die Bauern versammeln.« Hörd ritt aus und sammelte die Bauern ums Ackerkap, Illugi aber sammelte die Bauern weiter unterhalb ums Heukap und um Hof bis nach Höckerberg und bei Gabelhofen, und Hörd östlich von der Buckeltalsache. Sie ritten über den Mittelberg nach Breitenfarmstedt. Torfi war draußen und hieß sie freundlich willkommen. Illugi versuchte nun einen Vergleich und sagte, sie müßten sich notwendig vertragen, so nah verwandt wie sie wären. Torfi meinte, jetzt habe er schon eher Hoffnung, daß Hörd einmal ein Recht haben würde, von dem Gelde zu reden: »er läßt sich in der Tat tüchtig an,« sagte er, »und hat schnell etwas Ordentliches zuwege gebracht. Ich will mich auf einen Vertrag mit ihm einlassen und ihm hier ein Stück Land geben und mit dem Lande dreißig Kühe und dreißig Knechte und Mägde. Ich werde ihm dieses Jahr alles zur Wirtschaft Nötige beschaffen. Ich will sehen, was aus ihm werden will. Er soll mir für alles, was er hier empfängt, haften, für Land und lebende Habe.« Hörd soll den Wert des Empfangenen mit der Zeit abtragen. Illugi nannte das ein gutes Angebot, und Hörd nahm es an, und daraufhin vertrugen sie sich. Hörd siedelte im Frühjahr dorthin über, und Illugi zahlte ihm all sein Geld aus. Hörds Wirtschaft gedieh; er nahm den Wanderer gastfrei auf. Niemand hatte Anlaß mit Hörd zu streiten, und auch Hörd suchte mit niemand Händel. So wohnte er dort zwei Jahre.
Ein Mann hieß Aud; er wohnte auf Audshofen, Oberhausen gegenüber, aber etwas weiter unten. Er war eigensinnig und reich, aus geringem Geschlecht, dabei ziemlich zänkisch. Sein Sohn hieß Sigurd. Er hatte zwei braunscheckige Stuten, auf die er viel hielt. Illugi der Rote hatte dem Hörd, als er von Holm fortzog, eine Koppel von fünf ganz schwarzen Rossen geschenkt. Zu denen gewöhnten sich die scheckigen Stuten Auds und brachen aus ihren Gehegen. Hörd sagte, ihm scheine es schade, daß Aud so wenig Nutzen von seinen Rossen hätte.
Mit Torfi wurde Hörd nicht warm. Die Nachbarn hatten wenig Händel mit Hörd, und er stand mit allen gut. Damals wohnte Torfi auf Oberhausen; er hatte das Godentum und zeigte sich händelsüchtig, und es war schlecht mit ihm umgehen.
Im Sommer darauf ging es wieder so, daß Auds Stuten ihm wegliefen und sich zu Hörds Rossen hielten. Da ließ Hörd seine Rosse über den Berg schaffen, damit Auds Stuten sie nicht fänden; das geschah, aber Auds Stuten fanden sie doch.
Zur Zeit der Heuernte trug es sich zu, daß Auds Sohn Sigurd von der Pferdeweide heimkam, und die Stuten nicht hatte einfangen können. Da schickte Hörd ihm Helgi, Sigmunds Sohn, zu Hilfe. Helgi ging mit Sigurd und war schlecht gelaunt und sagte, Aud allein sei an diesen lästigen Scherereien schuld. Als er aber zu den Rossen kam, sah er, daß der Junge den Hengst verletzt hatte. Da rief er: »Du bist ja ein ganz übler Kerl, aber du sollst nicht viele so schöne Stücke mehr verderben!« und er erschlug den Knaben. Bald danach kam Hörd und sagte: »Ein gemeiner Kerl bist du! – hast einen Knaben erschlagen, und noch dazu schuldlos! Du hättest verdient, daß ich dich totschlüge; aber ich bringe es nicht über mich, obgleich es besser wäre, du lebtest nicht länger nach einer solchen Schandtat. Dies wird der Anfang deines Unheils sein. Nun ist es gekommen, wie es meine Ahnung mir sagte, und das ist wohl sicher, daß es noch irgendwie dahin führt, daß dies uns beide und manche andere in den Tod zieht, mit alledem, was noch daraus entsteht und vom Schicksal verhängt wird.« Dann warf er seinen Mantel auf die Leiche und ritt zunächst heim. Und gleich darauf ritt er nach Audshofen hinüber. Und als Hörd von Westen her auf den Hof kam, da kam Aud von Norden her auf den Hof. Und als sie sich trafen, sagte Hörd: »Ein schlimmes Unglück ist geschehen und ganz gegen meinen Willen: dein Sohn ist erschlagen. Nun will ich dir das Urteil überlassen und damit zu erkennen geben, daß es mir gar nicht recht gewesen ist, und will alles Geld sofort bezahlen; dann werden die meisten sagen, du hättest dir kaum einen besseren Ausgang wünschen können, wo die Sache nun einmal so stand.« Aud antwortete: »Eben bin ich bei meinem Freunde Torfi gewesen und habe ihm die Sache übertragen, und er hat mir versprochen, sie bis zum Äußersten durchzuführen, und ich würde es wohl noch erleben, daß es mit euch Breitenfarmern ein böses Ende nähme.« Hörd antwortete: »Daran hast du übel getan, mich und Torfi zu verhetzen; und nun sollst dus büßen!« Er zog das Sotischwert und hieb Aud in zwei Hälften auseinander und ebenso seinen Knecht. Hörd war so in Wut geraten, daß er den Hof und alle Scheuern verbrannte und zwei Frauen dazu, die nicht herauskommen wollten. Als Torfi davon hörte, sagte er, das habe sich noch keiner einfallen lassen: »etwas so Unerhörtes gegen einen meiner Freunde zu begehen; aber es ist nicht leicht, sich Hörd vom Leibe zu halten«. Und als er hörte, daß Hörd nicht daheim war, ritt er nach Breitenfarmstedt zur Ladung und lud ihn vor das Allding.
Als Hörd davon hörte, schickte er Helgi zu seinem Schwager Indridi und ließ ihn bitten, aufs Ding zu reiten und seine Sache zu vertreten und einen Vergleich anzubieten; er bringe es in seiner Feindschaft gegen Torfi nicht über sich, ihm irgendwelchen Vergleich selbst anzubieten. Helgi ritt zu Indridi und richtete Hörds Botschaft aus. Indridi antwortete: »Ich habe schon Illugi dem Roten versprochen, aufs Kielkapding zu reiten, aber ich will Hörd zu mir einladen.« Helgi antwortete: »Der Ritt aufs Kielkapding ist wohl nicht so nötig, als daß du einem Mann wie deinem Schwager beistehst, aber du bist eben ein Hundsfott!« Da rief Thorbjörg: »Die Sache ist halb erreicht, die ein tauglicher Bote führt; so aber wird vielleicht nichts daraus. Und auch dies Unheil kommt von dir!« Helgi ritt heim und erzählte Hörd nichts von Indridis Einladung, sondern sagte nur, er wolle ihm nicht beistehen. Hörd machte sich wenig daraus und sagte die Strophe:
Beistehen mein Schwäher
Schlecht er mocht' im Rechtsgang
Wellen-Feu'rs Wachholder,
Das Wellenfeuer = Gold; dessen Wachholder (d. h. Baum): der (freigebige) Krieger; hier = mir.
Wohl dann auch den andern.
Daheim weilt' – all' Hilf' scheint
Hohn – Thorgrimas Sohn ja.
Zu mir Schwertes Steurer
D. h. der Krieger.
Schlimm ist – wird noch grimmer.
Als die Leute dann zum Ding kamen, und es ans Gericht ging, da fragte Torfi, ob jemand für Hörd das Bußgeld zahlen wolle. »Ich will Geldbuße annehmen«, sagte er, »wenn jemand sie mir bietet; aber ich kann diese Sache nicht so fallen lassen.« Es kam keine Antwort, und Hörd und Helgi wurden beide geächtet. Als Hörd seine Ächtung erfuhr, sprach er die Strophe:
Großer Goldring' Walter
Der freigebige Mann, d. h. Krieger.
Ganz sicher den Richtspruch
Fällt', Stromfeu'rs Hantierer
Stromfeuer: Gold; dessen Hantierer: Der Krieger.
Friedlos
Geächtet. sei, gemieden
Von der Schar der Schwertbäum'
Von den Männern.
Schlangens Leid und Heid'dorschs
Freud'
Schlangens Leid und Heidedorsch's (d. h. auch der Schlange) Freud' hindurch: im Winter und im Sommer. hindurch: nicht fürcht' ich
Führwahr etwas
daran.
An meiner Ächtung.
Er und Torfi begegneten sich damals zunächst noch nicht.
Bald darauf zog Hörd mit all seiner Habe zu seinem Pflegebruder Geir nach Winkel hinüber. Vorher verbrannte er alle Gebäude auf dem Hof und alles Heu: Torfi solle keinen Nutzen davon haben, sagte er. Hörd war da sechsunddreißig Jahre alt, als er geächtet wurde und nach Winkel zog. Sein ganzes Hausgesinde und alle, die sich ihm angeschlossen hatten, zogen mit ihm zu Geir und fanden dort Unterkunft. Als aber Torfi erfuhr, daß Hörd zu Geir gezogen war, sprach er die Strophe:
Heim Torfi, hohnscharfer
Held, totsicher nach BotnWinkel. hin
Nilsands, des feuerfarb'nen,
Volk zuDer feuerfarbene (glutrote) Sand des Niles (d. h. Flusses überhaupt) ist das Gold; dessen Volk: die Krieger. Das Ganze: ›gegen die Krieger‹. wagt zu jagen.
Widerstehn hier, wähn' ich,
Will gar mancher Schildbaum
Kämpfer.
Ihm wohl. Mein', die Wölfe
Wehrhaft wird man nähren.
Man wird zu ihrem Fraß Feinde töten.
In Winkel wurden in diesem Jahr die Mittel knapp, denn es kam nicht so viel ein als nötig war, und Geir gab auf die Wirtschaft nicht mehr so gut acht wie vorher. Nun schlachtete man das Vieh, und den nächsten Sommer über nährte das Vieh vom Hofe gerade noch die Leute. Im Herbst war dann aber das gesamte Vieh geschlachtet, bis auf einige wenige Kühe. Und eines Morgens im Winter, vorm Julfest, zog Geir Helgi am Bein. Helgi sprang sofort auf, und nun ritten sie über den Bergrücken nach Seespitz ins Elsterntal. Der Bauer war nicht daheim; er war zu einer Hochzeit bei Koll auf Hain im Rauchtal. Geir sagte: »Nun heißt es für die Wirtschaft sorgen, wie es am besten geht; willst du lieber Wache halten oder in den Stall hinein gehen?« Helgi wählte die Wache. Da ging Geir in den Stall und band das Vieh los. Zwei Leute lagen in der Heuscheune Die Heuscheune, in der das Futter für das Vieh aufbewahrt wurde, lag hinter dem Kuhstall beim Brettspiel, und ein Licht brannte bei ihnen. Da sagte der eine zum andern: »Ist das Vieh im Stall los?« Der andere gab den Frauen die Schuld, die hätten das Vieh nicht angebunden. Da trat einer von ihnen in die Tür, und als Geir das sah, sprang er auf ihn los und erschlug ihn. Und als der erste zu lange ausblieb, ging der zweite hin, und als er in die Scheunentür trat, ging es ihm nicht anders als dem ersten: Geir erschlug auch ihn. Darauf trieben sie einen siebenjährigen Ochsen fort; und als sie nach Winkel heimkamen, gefiel es dem Hörd sehr wenig. Er sagte, er könne nicht bei ihnen bleiben, wenn sie stehlen wollten: »viel eher wäre ich dafür, zu rauben, wenn es nicht mehr anders geht«. Geir bat ihn, sich deswegen nicht von ihm zu trennen: »wir wollen uns in allem nach dir richten«. Und es kam so, daß Hörd nicht fortzog.
Als die Frauen auf Seespitz in den Stall kamen, da schien es ihnen wunderlich, daß alles Vieh los war; sie meinten, die Hirten schliefen wohl, und banden das Vieh wieder an. Als sie aber zur Scheunentür kamen, fanden sie dort die Toten. Da wurde nach dem Bauern geschickt. Er kam heim, und man redete viel über diesen Fall. Hörd wollte nicht, daß vom Ochsen gegessen würde, ehe ein Mann nach Seehorn gesandt war, der dort die Wahrheit über Geirs Fahrt erzählte. Einige sagen auch, Hörd habe dem Bauern auf Seehorn für seine Leute und den Ochsen Buße gezahlt, und deshalb habe er wegen dieser Sache keine Klage erhoben.
Kolgrim der Alte, der Sohn des Hersen Alf von Drontheim, wohnte zu jener Zeit auf Vierspitz. Er hatte noch Neuland in Besitz genommen. Sein Sohn war Thorhall, der Vater Kolgrims, des Vaters Steins, des Vaters Kvists, des Vaters Kalis. Kolgrim sandte den Winkelern die Einladung zu gemeinsamem Ball- und Schlägerspiel auf dem Sande »Der Sand« ist die Küstenstrecke am Walfjord zwischen Wirbelhof und der Halde, vergl. die Karte.. Sie nahmens an. Die Spiele begannen nun und währten über die Julzeit. Die Winkeler waren meist im Nachteil, denn Kolgrim richtete es so ein, daß die Strander beim Spiel die Stärkeren waren. Die Winkeler wandten viel auf ihr Schuhwerk, weil sie viel unterwegs waren; sie hatten die Haut jenes Ochsen zu Schuhwerk verschnitten. Die Leute meinen, Kolgrim habe nur feststellen wollen, wo der Ochse geblieben sei und habe deshalb die Spiele angesetzt. Nun war es ihm, als erkenne er die Ochsenhaut an ihren Füßen, und da wurden sie die Ochsenleute genannt.
Einmal ging es ihnen wieder schlecht beim Spiel, und als sie heimkamen, sprachen sie davon, wie schlecht es ihnen dabei ginge, und sagten, sie wollten die Spiele bald aufgeben. Da fuhr Hörd sie heftig an: sie seien ja ganz außergewöhnliche Lumpen, wenn sie nicht einmal den Mut hätten, sich zu rächen; »und nur zu Schandtaten seid ihr bereit«, sagte er. – Damals hatten sich Thord Kater und Thorgeir Gürtelbart, der Geächtete, an Hörd angeschlossen. Nun ließ sich Hörd über Nacht Schläger aus Horn machen. Und jetzt, wo Hörd mitging, waren alle sofort bereit zum Spiel zu gehn, während sie vorher nicht recht dran gewollt hatten. Önund Thormods Sohn vom Hang stand Hörd gegenüber; er war beliebt und kräftig. Diesmal wurde das Spiel sehr scharf. Ehe der Abend kam, lagen von den Strandern sechs tot, aber von den Winkelern keiner. Nun zogen beide Parteien heim. Mit Önund gingen alle die, die von Strand gekommen waren. Aber als sie dicht vor der Halde waren, sagte Önund, sie sollten voraus gehen. »Ich will mir meine Schuhe binden«, sagte er. Sie wollten ihn nicht verlassen. Da setzte er sich hin und zwar ziemlich hart, und in demselben Augenblick war er tot und ist auch dort bestattet. Dort heißt's noch heute Önundsbühl. Eine Klage wurde wegen dieser Sache gegen Hörd nicht erhoben und auch nicht gegen seine Leute.
Thorstein Goldknopf wohnte damals auf dem Wirbelhof, er war von gehässiger und heimtückischer Art, schlau und sehr wohlhabend. Thorvald Blaubart aber wohnte auf Sand, ein angesehener und bedeutender Mann.
Es war ein Mann namens Ref, der Sohn Thorsteins, des Sohnes Sölmunds, des Sohnes von Thorolf Butter. Er wohnte auf Stückfelden im Brünnental. Er war ein mächtiger Gode und ein großer Haudegen. Man nannte ihn späterhin den Alten. Seine Mutter hieß Thorbjörg Katla. Sie wohnte in Buschen; sie war sehr zauberkundig und eine große Hexe. Refs Bruder hieß Kjartan; er wohnte auf Thorbrandshofen. Er war groß und stark, boshaft und in jeder Weise ungerecht; darum war er allgemein furchtbar unbeliebt. Es war ein Mann namens Orm, Muldenthorirs Sohn; er war beliebt und ein geschickter Handwerker. Alle diese hielten zu den Gegnern der Winkeler.
Im Sommer erfuhren Hörd und seine Leute vom Ding, daß ihre Gegner beschlossen hatten, sich zusammenzutun und sie totzuschlagen, und sie sahen ein, daß sie jetzt würden rauben müssen, wo alles Vieh geschlachtet war. Geir schlug vor, sich zu verschanzen, dann würde man sie nicht so bald angreifen. Hörd aber meinte, dann werde man sie aushungern: »ich schlage vor, wir siedeln auf die Insel über, die hier im Walfjord der Mündung der Blaubartsache gegenüber vorm Lande liegt, vorm Frühstückskap.« Diese Insel fällt steil ins Meer und ist so breit wie ein großes Melkgehege. Noch während des Dings siedelten sie mit all ihrer Habe dorthin über; sie holten sich ein großes Fährboot, wie sie es nötig hatten, aus Rothof von Thorstein Ochsenstachel, und einen Sechsruderer von Thormod am Hang und einen vierruderigen Seehundsfänger von Thorwald Blaubart. Sie bauten sich eine große Halle, deren eines Ende ging nach Nordosten, das andere nach Südwesten, und die Tür war in der Mitte der Westwand. Im Süden reichte die Halle bis hart an die Klippen, im Norden aber blieb ein Pfad zwischen den Klippen und der Tür an der Giebelseite; nur von Norden her war sie zugänglich, auf der Westseite der Halle aber waren unterirdische Räume. Es war bei ihnen Gesetz, daß jeder, der länger als drei Nächte krank läge, vom Felsen geworfen werden sollte; alle sollten verpflichtet sein, Hörd oder Geir zu gehorchen, wenn diese selber bei einem Unternehmen dabei wären; alle Arbeit war unter ihnen verteilt. In Winkel wurden alle Gebäude abgebrochen, und das Bauholz auf die Insel geschafft. Diese Insel heißt heute Geirsinsel; sie bekam den Namen nach Geir Grimssohn.
Hundertundachtzig Mann waren auf der Insel, als es am meisten waren, und nicht weniger als achtzig, als es am wenigsten waren. Mit Namen genannt werden: Hörd und sein Weib Helga, die Jarlstochter, und ihre Söhne Grimkel und Björn, der war damals zwei Jahre; Geir und Sigurd Torfis Pflegesohn, Gunnhilds Sohn, Helgi Sigmunds Sohn, Thord Kater und Thorgeir Gürtelbart, der war der Hartherzigste von all den Inselleuten und war zu allen Bosheiten aufgelegt. Fast alle Friedlosen kamen dort zusammen und schwuren Hörd und Geir Eide, ihnen treu ergeben zu sein und ebenso alle untereinander. Thorgeir Gürtelbart und Sigurd Torfis Pflegesohn hatten mit zehn andern das Wasser aus der Blaubartsache zu holen. Sie füllten dort den Seehundsfänger mit Wasser und gossen es dann in die Tonne, die auf der Insel war. So ging es nun eine Weile.
Thorbjörg Katla prahlte damit, daß die Inselleute ihr niemals etwas anhaben würden, so sehr vertraute sie auf ihre Zauberkunst. Als die auf der Insel davon hörten, sagte Geir, er wolle das erproben, und brach mit elf Mann auf, als das Ding vorüber war; Thord der Kater war mit dabei. Und als sie in das Tal kamen, sahen sie, daß das Vieh über den Berg getrieben war, der zwischen Brünnental und Winkel liegt. Da ließ Geir zwei Leute das Fährboot bewachen; Thord Kater saß vorn im Schiff und hielt Wache. Aber als Thorbjörg Katla herauskam, wurde sie es durch ihre Zauberei und ihre Sehergabe gewahr, daß ein Schiff von der Insel gekommen war. Da holte sie ihren Umhang und schwenkte ihn hoch über ihrem Kopf. Da kam eine große Finsternis über Geir und seine Leute. Nun sandte sie zu ihrem Sohne Ref, er solle Leute sammeln. Es wurden ihrer fünfzehn, die kamen in der Finsternis unversehens über Thord Kater und packten ihn und schlugen ihn tot; er liegt unten am Katerkopf begraben.
Geir und seinen Leuten gelang es, die See zu erreichen; da schwand die Finsternis, und sie konnten wieder alles sehen. Da wurden sie von Ref und seinen Leuten angegriffen, und es kam zum Kampf. Alle Begleiter Geirs wurden getötet, und drei von Refs Leuten. Geir entkam aufs Schiff und so zur Insel, aber er war schwer verwundet. Hörd spottete weidlich über seine Fahrt und sagte, noch habe der Katla nichts standgehalten. Helga war eine gute Ärztin; sie heilte Geir vollständig.
Die Inselleute hatten nun Angst bekommen; aber sobald Geirs Wunden verbunden waren, bestieg Hörd mit elf Begleitern ein Schiff und fuhr geradeswegs ins Brünnental hinein; er wolle es noch einmal mit Katla versuchen, sagte er. Zweie bewachten das Schiff, die andern zehn gingen das Vieh suchen. Katla schwenkte da wieder ihren Umhang und sandte nach Ref und ließ ihm sagen, nun sei es der Mühe wert, den Inselleuten zu begegnen: »wo der sie anführt, der mit den schönen Haaren, der von allen der beste Kämpe scheint«. Ref kam mit fünf andern. Aber gegen Hörd war Katlas Blendzauber machtlos; er ging mit seinen Leuten seinen Weg, wie er sichs vorgenommen hatte, und sie schlachteten und luden in ihr Schiff und hatten es gerade voll befrachtet, als Ref mit seinen Leuten ankam. Da fuhren sie mit ihrer Fracht davon, und Ref hatte das Nachsehen.
Es ging schon sehr gegen den Sommer, da fuhr Hörd mit dreiundzwanzig Mann nach Kothof; denn Thorstein Ochsenstachel hatte damit geprahlt, Skroppa, seine zauberkundige Pflegemutter, würde es mit ihrer Zauberei fertig bringen, daß die Inselleute ihm nichts antun könnten. Und als sie gelandet waren, ließen sie das Schiff im Wasser und sieben Mann als Wache darin; die andern siebzehn gingen an Land. Sie sahen einen großen Stier auf der Düne überm Schuppen. Sie wollten ihn necken, aber Hörd verbot das. Zwei von Hörds Leuten gingen dem Stier entgegen und wollten ihren eigenen Willen haben. Der Bulle schüttelte zweimal die Hörner. Der eine zielte ihm nach der Flanke, der andere nach dem Kopf; aber beide Speere flogen zurück und ihnen gegen die Brust, und beide hatten den Tod davon. Da sagte Hörd: »Tut, was ich euch sage; es ist hier nicht alles, wie es aussieht.«
Nun kamen sie auf den Hof. Skroppa war daheim und die beiden Töchter des Bauern, Helga und Sigrid; Thorstein aber war auf seiner Sennhütte im Kuhfeldtal, das liegt beim Schweinetal. Skroppa schloß alle Gebäude auf. Sie wirkte einen Blendzauber, so daß auf der Bank, auf der sie saßen, drei Kasten zu stehen schienen. Die Leute Hörds sprachen davon, die Kasten zu zerschlagen; aber Hörd verbots ihnen. Nun gingen sie vom Hof aus nach Norden und wollten sehen, ob sie nichts vom Vieh fänden. Da sahen sie, wie eine Sau mit zwei Ferkeln aus dem Hof gelaufen kam. Sie vertraten ihr den Weg. Da wars, als käme ihnen eine große Schar von Männern entgegen, mit Spießen und in voller Rüstung; und dabei winkten die Sau und die Ferkel jenen mit den Ohren. Geir sagte: »Gehen wir zum Schiff; denn wir sind hier in der Minderzahl.« Aber Hörd sagte, er sei nicht dafür, so ganz ohne Versuch wegzulaufen. Damit hob er einen schweren Stein auf und warf die Sau zu Tode. Und als sie zu ihr hinkamen, sahen sie, daß da Skroppa tot lag, und über ihr standen die beiden Töchter des Bauern, die vorher als Ferkel erschienen waren. Jetzt, sobald Skroppa tot war, sahen sie, daß es eine Viehherde war, die ihnen entgegenkam, und keine Männer. Dies Vieh trieben sie gleich zum Schiff und schlachteten es und luden das Fleisch in ihr Fährboot. Geir nahm Sigrid gegen ihren Willen mit, und dann fuhren sie wieder zur Insel hinüber. Skroppa wurde landeinwärts von Kothof nach Vierspitz zu in der Skroppaschlucht begraben.
Thorstein Goldknopf hatte vor den Inselleuten Frieden, denn sie hatten heimlich mit ihm abgemacht, daß er alle Heimatlosen nach der Insel übersetzen und ihnen alle Anschläge der Leute hinterbringen sollte. Er hatte ihnen geschworen, dies alles zu halten und sie in nichts zu hintergehen; sie aber hatten ihm dafür versprochen, bei ihm nicht zu rauben.
Im Winter vor dem Julfest fuhren sie selbzwölft im Dunkel der Nacht zu Orm nach Schluft. Orm war nicht daheim, sondern in Geschäften über Land. Bolli hieß sein Knecht, der immer für den Hof sorgte, wenn der Bauer nicht daheim war. Sie erbrachen das Vorratshaus und holten Fleisch und andere Vorräte heraus. Sie nahmen auch Orms Kasten mit, in dem er seine Kostbarkeiten hatte, und fuhren mit alledem davon. Für Bolli war das eine schlimme Geschichte, weil das Vorratshaus nicht bewacht gewesen war; er sagte, er müsse den Kasten von den Inselleuten wiederhaben oder sich den Tod dabei holen. Er ließ dem Bauern sagen, er solle über vier Nächte mit siebzehn Mann beim Schiffsschuppen sein und sich still verhalten. Dann machte Bolli sich fertig: er zog zerrissene Stiefel an und einen Mantel von grobem Fries. Er blieb die erste Nacht im Brünnental, kehrte aber nirgends ein. Dann ging er zu Thorstein Goldknopf und nannte sich Thorbjörn; er sei ein Geächteter und wolle zu Hörd hinüber und in seine Schar eintreten. Thorstein Goldknopf setzte ihn nach der Insel über, und als Hörd und Geir den Mann sahen, waren sie über ihn verschiedener Ansicht: Geir war dafür ihn aufzunehmen, Hörd aber sagte, er halte ihn für einen Späher. Was Geir wollte, geschah, und er schwur ihnen den Eid, ehe sie ihn aufnahmen. Er erzählte ihnen viel vom Lande; dann aber sagte er, ihn schläfere; er legte sich hin und schlief den Tag über. Geir und seine Gesellen bekamen den Kasten nicht auf und fragten Thorbjörn, ob er Rat wisse. Thorbjörn sagte, das sei nicht schwer: »aber es ist nichts darin als Orms Handwerkszeug«; das empfinde Orm als einzigen Schaden bei dem ganzen Raube, daß sein Werkzeugkasten weg sei; »ich war gerade auf Moosberg, als der Raub gemeldet wurde; ich will ihm den Kasten zurückbringen, wenn es euch recht ist«. Geir meinte, für sie werde der Kasten wenig Wert haben, wenn da nichts anderes drin sei als das Handwerkszeug.
Zwei Nächte blieb Thorbjörn auf der Insel und redete ihnen zu, sie sollten den Kasten hergeben. Hörd war nicht dafür, irgend auf Thorbjörns Rat zu hören, denn der werde schlecht ausgehen. Aber Geir wollte seinen Willen haben, und so fuhren sie zu sechst über Nacht zu Orms Schuppen. Sie trugen den Kasten an Land und zum Schuppen hinauf und schoben ihn unter die eine Seite von Orms Schiff. Da rief Thorbjörn, nun sollten sie aufstehen und die Diebe greifen! Da sprangen jene aus dem Hinterhalt und griffen sie an. Geir packte den Stumpf von einem Ruder und schwang ihn mit beiden Händen und wehrte sich sehr wacker. Er erreichte sein Boot, aber seine vier Begleiter blieben am Platz. Orm nahm einen Kahn, und so ruderten sie hinter Geir her.
Draußen auf der Insel aber nahm Hörd das Wort: »Es ist mir sehr wahrscheinlich, daß Geir Hilfe braucht; ich weiß nicht recht, wie sich dieser Thorbjörn bewährt hat.« Er nahm ein Boot und ruderte in den Fjord hinein. Er kam dazu, wie Orm den Geir jagte; da drehte Orm schnell um und machte sich ans Land. Geir fuhr mit Hörd zur Insel. Orm schenkte darauf dem Bolli die Freiheit und ein Stück Land bei Bollishofen und alles, was er zur Wirtschaft brauchte. Seitdem wohnte Bolli dort und wurde ein reicher und unerschrockener Mann.
Im Sommer nach dem Ding fuhren Hörd und Geir mit zweiundzwanzig Mann eines Abends auf ihrem Fährboot ab und landeten bei den Einödhürden, Holm gegenüber. Sie ließen sechs Mann das Schiff bewachen, achtzehn gingen an Land. Sie trieben Vieh vom Ackerberg hinunter. Hörd sah, wie aus Holm ein Mann herauskam, in Schurz und Leinenhosen; das war bei Sonnenaufgang. Er erkannte Illugi, denn er war scharfäugig wie kein zweiter. Nun ward auch Illugi ihren Zug gewahr und sandte sofort nach Hof und nach Heukap und auch zur Buckeltalsache und ließ die Männer zusammenrufen. Er griff nicht eher an, als bis er dreißig Mann beisammen hatte. Und als Hörd sie sich zusammenscharen sah, ließ er Geir die Wahl, ob er lieber das Vieh schlagen und ausweiden und ins Schiff laden wolle, oder Illugi und seine Leute abwehren, daß sie nicht herankämen. Geir sagte, er wolle lieber das Vieh schlachten als mit Illugi zu tun haben. Da sagte Hörd: »Du hast gewählt, was mir für dich das Beste schien; ich bin auch eher an so etwas gewöhnt. Ich werde sie selbzwölft abwehren, und so viele müssen wir durchaus bleiben; wenn also bei uns welche fallen, müßt ihr beim Vieh Leute abgeben.« Es blieben also zwölf, die das Vieh schlachteten. Nun kam es zum Kampf zwischen Hörd und Illugi, und die Tapferkeit, mit der Hörd die Hürden verteidigte, war ganz unerhört, denn Illugi und seine Leute setzten ihnen heftig zu. In einem fort sammelten sich noch mehr Männer bei Illugi, bis sie zuletzt ihrer vierzig waren; aber Hörd hatte nicht mehr als seine elf, und die hatten bald schwere Wunden, denn die Übermacht war groß. Sigurd, Torfis Pflegesohn bewährte seinen Mut wie überall, und auch Helgi, Sigmunds Sohn schlug sich wacker. Thorgeir Gürtelbart belud das Fährboot; Geir war auch nicht langsam bei der Hand, das Vieh zu schlagen und auszuweiden. Neun Mann fielen auf Hörds Seite, ehe das Fährboot beladen war, und als sie einstiegen, griffen die Gegner noch einmal heftig an, da fielen noch sechs auf Hörds Seite, ehe sie hinterm Schiffsbord Deckung fanden. Hörd wurde mit einem Brünnenbeißer verwundet; alle hatten irgendwelche Wunden. Illugi ließ nun Schiffe zusammenholen, aber Hörds Leute hatten alle großen Kähne unbrauchbar gemacht. Ein Nordostwind stand Hörd entgegen. Da verbanden sie ihre Wunden und ruderten am nördlichen Ufer am Jollenkap und an der Kalmansbucht hin. Sie luden ihre Fracht auf einer Schäre aus, denn der Sturm trieb sie ab. Geir wollte mit einem andern zusammen dabeibleiben, aber Hörd schien das ein Wahnsinn, sich so preiszugeben. Hörd hielt nun mit dem Boot in den Fjord hinein; da kamen sie nur langsam vorwärts, obgleich sie nun gedreht hatten, denn das Boot war immer noch stark belastet. Illugi war scharf hinter ihnen her; Hörd aber steuerte ums Kap herum. Damals gab Hörd dem Kap seinen Namen und nannte es Jollenkap, denn nun deuchte ihm manche Jolle dran vorüberzufahren. Sobald Illugi mit seinem Boot heran war, griff er auch schon an. Da sagte Hörd: »Scharf bist du hinter mir her, Schwager! und jetzt geschieht, was mir schon so lang geschwant hat.« Illugi antwortete: »Ihr habt es aber auch weit kommen lassen.« Nun gab es scharfen Angriff. Hörd verteidigte das Boot auf der einen Seite, sechs Mann auf der andern. Bald darauf kamen die Inselleute auf drei Schiffen und sprangen sofort zu Hörd ins Fährboot. Da wich Illugi zurück, und sie verfolgten ihn zum Fjord hinaus.
Brand hieß ein Mann, der Sohn von Thorbjörn Glatzkopf unterm Mittelberg. Der griff Geir auf der Schäre an und kämpfte mit ihm und erschlug seinen Begleiter. Geir wehrte sich gut, aber Brand hatte sechs Mann bei sich. Da kam Hörd darüberzu und sagte, nun sei es ja mit Geir nicht viel anders gegangen, als wie ers vermutet hätte. Da floh Brand. Sie jagten ihm nach und erschlugen ihn und fünf seiner Leute, aber der sechste entkam. Dort heißts noch heut Brandsschären, am Land, den Schären gegenüber, östlich von der Kalmansache. – Dann schafften Hörd und Geir ihre ganze Fracht zur Insel. Da sagte Hörd die Strophe:
Schlug Fjord-Mondes Föhren
Fjord-Mond: das (leuchtende) Gold, dessen Föhren: Krieger.
Fünfzehn tot der rote
Illugi. Träg zum Vertrage
Tyr aussah des Hauses.
Tyr: ein Gott. Der Gott des Hauses: Illugi.
Vergalt dem der grimme
Geir redlich die Fehde.
Wolf-Fütt'rer
Mit Leichen: Krieger. gleich viele
Fällt' Goldes Zerspeller.
Der (freigebige) Krieger.
So ging der Sommer hin.
Im nächsten Winter nach dem Julfest zogen Hörd und Geir und vierzig Mann die Schwanenscharte hinauf und weiter ins Schweinetal und von dort ins Elsterntal und hielten sich den Tag über verborgen; in der Nacht aber zogen sie zu den Schafställen hinunter und trieben gegen Morgen achtzig Hammel, die dem Indridi gehörten, von dort weg und am See vorbei hinauf. Da kam ihnen ein großes Schneetreiben und ein rechtes Hexenwetter entgegen. Die Leithammel waren ganz erschöpft, als sie vor dem Berg ankamen, und Geir wollte darum die Tiere dort lassen; Hörd aber schalt ihn kleinmütig, wo ihnen doch nur ein paar Schneeflocken und ein bißchen Sprühregen entgegenkämen. Hörd nahm nun die beiden Leithammel, in jede Hand einen, und schleifte sie so den Berg hinauf; das gab eine breite Spur, und in der trieben sie das übrige Vieh hinauf. Danach heißt es dort seither Hammelschleife. Aber als sie ins Schweinetal kamen, lag dort kein Schnee. – Dann gingen sie zu ihrem Schiff und schlachteten dort das Vieh. Seitdem heißt es dort Schlachtebucht. Dann fuhren sie wieder zur Insel hinaus. So ging der Winter hin.
Anfangs Frühjahr fuhren Hörd und Geir und Sigurd Torfis Pflegesohn, Helgi und Thorgeir Gürtelbart mit sechzig streitbaren Männern aus. Sie zogen durch die Schwanenscharte nach Indridishofen und hielten sich dort in den Wäldern verborgen, bis das Vieh in die Hürden getrieben war. Der Kuhhirt hieß Svart und hatte einen kleinen Jungen bei sich. Hörd und seine Gesellen kamen nun heran und trieben das Vieh weg, westlich am See vorbei; Svart ging auch mit. Sie zogen über die Hammelschleife ins Schweinetal; dort erschlugen sie Svart; dann zogen sie das Tal hinauf und legten sich dort schlafen. Während sie schliefen, führte der Junge das Vieh wieder heim. Hörd wachte davon auf und sah unter seinem Schild hervor; er ließ den Jungen seiner Wege ziehen und sagte zu ihm: »Geh nur heim, mein Junge; was bei meiner Schwester ist, ist besser aufgehoben als bei den Inselleuten.« Der Junge kam heim und erzählte der Thorbjörg, was Hörd gesagt hatte, und meinte, es sei schade um einen solchen Mann: »er war gut gegen mich, aber seine Leute haben Svart totgeschlagen.« Sie gab dem Jungen keine Antwort. Das Tal heißt noch heute Kuhwischtal, weil ihnen die Kühe dort entwischt sind.
Geir wachte auf und wollte hinter dem Vieh her, aber Hörd war dagegen. Dann brachten sie im Schweinetal die Schweine der Bauern zu Hauf und trieben sie zum Strand hinunter und schlachteten sie dort und trugen sie aufs Schiff. Die Stelle heißt heute Schweinesand. Dann fuhren sie zur Insel zurück.
Während des Alldings im Sommer fuhren die Inselleute zum Frühstückskap. Sie zogen den Heringsfängerweg nach dem Muldenhof ins Elsterntal und holten sich am Elsterntalsee die Ochsen, die der Schmiedin Thorgrima gehörten, und trieben sie den Rücken hinauf. Ein apfelgrauer Ochse war darunter, der schnob heftig und lief zurück ihnen entgegen, und alle andern hinter ihm her, ins Wasser hinein; sie schwammen hinüber, wo es am schmalsten war, und kamen so nach der Mulde zurück. Da sagte Hörd: »Thorgrimas Künste sind nicht gering, daß selbst ihr Vieh keinen freien Willen hat.« Thorgrima hatte geschlafen; nun wachte sie ganz plötzlich auf und schaute hinaus; da sah sie die triefenden Ochsen und sagte: »Mächtig hat es euch jetzt hergerufen, aber schlecht festgehalten haben euch die Kerle doch!«
Hörd fragte nun seine Gesellen, ob sie jetzt nicht ihre Lebensweise ändern wollten: »mir scheint es ein schlimmer Zustand, daß wir nur vom Raube leben.« Sie antworteten, er habe vor anderen darüber zu entscheiden. »Dann möchte ich vorschlagen,« sagte er, »daß wir zu den Kaufleuten nach Weißach ziehen und ihnen die Wahl lassen, ob sie uns ihr Schiff ausliefern oder sich von uns totschlagen lassen wollen.« Auf dem Seeschiff hätte Hörd mit seinen Gefährten Island verlassen. Geir erklärte sich ganz damit einverstanden: »aber ich möchte doch, daß wir vorher noch dem Torfi Valbrandssohn und dem Koll auf Hain, Kolgrim dem Alten, dem Indridi und dem Illugi das Haus überm Kopf anzünden.« Hörd antwortete: »Bei euerm Übermut wird nichts Gutes herauskommen, und es ist mir wahrscheinlicher, daß wir alle totgeschlagen werden; denn die Leute werden uns all die Frevel, die wir ihnen bieten, nicht so hingehn lassen.« Die Mehrzahl war dafür, die Untaten fortzusetzen und nicht nach Weißach zu ziehen; nur Sigurd, Torfis Pflegesohn, war für Hörds Vorschlag. Da sagte Hörd: »Was bestimmt ist, muß geschehen, und es ist in der Tat nicht leicht, dem zu widerstreben. Aber es liegt mir fern, solche Untaten noch lange mitzumachen.« Sie fuhren noch in der gleichen Nacht zur Insel zurück und blieben drei Wochen daheim. Dann fuhren sie wieder zum Lande, achtzig Mann. Hörd sagte, er wolle nun, daß sie Illugi oder Indridi das Haus überm Kopf ansteckten: »denn sie sind die ganze Zeit gegen mich gewesen und niemals für mich, bei all der schweren Not, in die ich geraten bin.« Sie zogen in der Nacht ins Schweinetal und hielten sich dort den Tag über in den Wäldern; in der Nacht darauf aber zogen sie ins Elsterntal und verbargen sich dort.
In der gleichen Nacht, in der Hörd von der Insel fortfuhr, träumte Thorbjörg auf Indridishofen, achtzig Wölfe kämen auf ihren Hof gelaufen, denen brannte Feuer aus den Rachen, und ein Eisbär war darunter, der schien recht bekümmert; sie blieben eine Zeitlang auf dem Hof und liefen dann nach Westen davon auf einen Hügel und legten sich dort nieder. Indridi sagte, das seien die Gedanken der Inselleute, die zu ihnen gingen; aber Thorbjörg sagte, sie glaube, das seien die Inselleute selbst, und sie würden bald da sein. Sie bat Indridi, den Quellbach ins Haus zu leiten und zuzudecken, denn ihre Träume seien wahr. So geschah es. Dann ließ sie große Rauchlöcher brechen, und das Vieh auf den Zwischenboden schaffen, denn zwischen den Wänden stand das Wasser. Sie hatte auch reichlich Leute auf dem Hof.
Bald darauf kam Hörd mit seinen Gesellen. Er ging vor ihnen her zur Tür hinauf und klopfte an. Thorbjörg kam an die Tür und begrüßte Hörd freundlich und lud ihn und seine nächsten Freunde ein hereinzukommen; sie wollte, er solle sich von jenen Verworfenen trennen, dann würden viele ihm beistehen. Hörd forderte sie auf, zu ihm ins Freie herauszukommen; sie solle ihm willkommen sein, wenn sie sich von Indridi trenne. Thorbjörg antwortete, das zieme sich wohl schlecht, und sie werde sich niemals von ihm trennen. Da schleppten sie Reisighaufen an die Tür und legten Feuer an den Hof. Die drinnen aber wehrten sich mit Wasser und die draußen kamen nicht voran. Geir wunderte sich darüber, aber Hörd sagte: »Ich denke, meine Schwester hat das mit dem Wasser geraten.« – Sie gingen auf die Suche und fanden den Bach und leiteten ihn wieder ab; aber es war doch genug Wasser auf dem Hof, so viel war vorher hineingelaufen.
Hörd sah in einem der Rauchlöcher einen Mann stehen, der hatte einen Bogen in der Hand; nach dem warf er seinen Wurfspieß und tötete ihn. Darauf sah Hörd die Hilfe herankommen, nach der Thorbjörg geschickt hatte. Geir sagte, nun müßten sie sich davonmachen. Hörd war nicht dagegen, und so zogen sie ab. Keines der Häuser dort fiel ein. Eine große Schar Männer kam nach Indridishofen. Die Inselleute zogen heim und hielten sich nun eine Zeit lang still.
Die Bauern verabredeten eine Zusammenkunft auf dem Herbstdingfeld an der Lachsache am Flachfjord, um dem ein Ende zu machen, daß den Inselleuten alle ihre Freveltaten durchgingen. Nach allen Gau-Häuptlingen wurde gesandt, sie sollten zu dieser Tagung kommen, und nach allen Bauern und freien Knechten. Aber als Indridi sich zu dieser Zusammenkunft aufmachte, fragte Thorbjörg ihn, was er vorhabe, und er erzählte es ihr. »So will ich mit dir reiten,« sagte sie, »damit du sehen kannst, daß ich dir treu bin.« Aber er wollte nicht, daß sie mit ritte, und sagte, sie würde keine Freude an dem haben, was sie da zu hören bekommen würde. Sie antwortete, das wisse sie wohl selber. Darauf ritt Indridi zu der Versammlung. Bald danach ließ Thorbjörg ihren Hengst satteln und ritt mit einem Begleiter zur Tagung. Dort waren viele versammelt und es gab großes Geschrei; aber als sie kam, verschlugs ihnen ihr Geläut, und alle wurden still. Da sagte sie: »Ich weiß wohl, was ihr vorhabt und plant; aber ich will euch auch nicht verbergen was ich im Sinne habe: ich werde dem den Tod geben oder geben lassen, der meinen Bruder Hörd erschlägt.« Damit ritt sie davon.
Auf diesem Ding waren Torfi Valbrands Sohn, Koll vom Hain, Indridi, Illugi, Kolgrim, Ref und Thorstein Ochsenstachel, Orm aus der Mulde und viele andere Gau-Häuptlinge. Torfi sagte da: »Für alle, die hier versammelt sind, kann es keine Frage sein und alle müssen dem zustimmen, daß wir diesen Bösewichtern ans Leben müssen; sonst werden sie erst alle die ihnen am nächsten wohnen noch gänzlich ausrauben und nachher alle andern Bauern im Gau. Denn wenn Hörd seinen eigenen Schwägern das Haus überm Kopf anstecken wollte, dann könnt ihr glauben, daß sie auch andere nicht verschonen werden. Fassen wir darum schnell einen guten Plan, ehe sie drüben Wind bekommen; das ist zunächst das Allernotwendigste.« Illugi sagte, sie hätten schon zuviel Bosheiten verübt, als daß es dabei bleiben könnte; das schlechteste Volk sei dort zusammengekommen: »ich werde meine Schwagerschaft nicht ansehen, denn ich habe erfahren, daß sie mir das gleiche Los zugedacht haben wie Indridi«. Kolgrim sagte: die ihnen am nächsten wohnten, hätten die ärgsten Wetter zu erwarten, aber es würde nicht lange dauern, bis es auch die andern träfe, die weiter weg wohnten. So redeten sie einer nach dem andern. – Ref sagte, das Beste sei, einen Mann auf die Insel zu schicken, der solle denen drüben schwören, daß er sie nicht betrügen wolle, und ihnen dann sagen, es sei der Wunsch aller Bauern im Gau, daß sie von der Insel fortzögen, wohin sie wollten, und dann sollten sie vor ihnen Frieden haben. Torfi unterstützte diesen Plan mit Nachdruck und wünschte außerdem, man solle noch in der gleichen Nacht zum Fjord reiten, damit die Inselleute nichts gewahr würden; »denn mir scheinen auf Sanden einige verdächtig,« sagte er. Sie ritten noch die gleiche Nacht und aßen am Morgen darauf ihr Frühstück an der Spitze der Landzunge, die seitdem Frühstückskap heißt.
An dem gleichen Morgen holten Thorgeir Gürtelbart und Sigurd, Torfis Pflegesohn, mit zehn Mann auf einer Schute Wasser. Die Inselleute hatten keine Ahnung von der Versammlung der Bauern, noch von irgend einem Anschlag gegen sie.
Aber als die Bauern Sigurd und seine Leute gewahr wurden, schickten sie Koll Kjallaks Sohn mit dreiundzwanzig Mann gegen ihn; und als sie sich trafen, floh Thorgeir Gürtelbart sofort mit sechs Mann, Sigurd aber machte sich mit den andern vieren bereit, und nun gab es einen sehr heftigen Angriff. Noch einmal wehrte sich Sigurd da heldenhaft, denn er war stark und kampfgeübt. Sie schlugen sich bis alle Gefährten Sigurds gefallen waren, aber er selbst hatte noch keine Wunde. Da griff Thorvald Blaubart ihn heftig an und viele andere; fünf von Kolls Leuten waren da schon gefallen. Sigurd wehrte sich noch einmal wunderbar; er erschlug noch viele, aber jetzt setzte es doch auch bei ihm Wunden. Thorvald Blaubart stach da mit seinem Speer nach ihm und durchbohrte ihn. Sigurd hatte gerade mit der Axt zugehauen; jetzt warf er die Axt nach Thorvald und traf ihn in den Schädel, und beide fielen tot hin. Da hatte Sigurd neun Mann getötet, und seine Gefährten drei; im Ganzen fielen dort in der Flußmündung siebzehn Mann von beiden Seiten. Seitdem heißt das Wasser dort Blaubartsache.
Thorgeir Gürtelbart machte auf der Adlerseeheide Halt und legte sich in eine Felshöhle bei den Uferwiesen; er sammelte Leute um sich und hielt sich dort, bis die Leute vom Borgfjord gegen sie vorgingen. Da entwich Thorgeir nach Sanden und wurde dort erschlagen, wie es in der kurzen Geschichte von Alfgeir erzählt wird. Die »kurze Geschichte von Alfgeir« ist uns nicht erhalten.
Nun sahen sich die Häuptlinge nach einem Mann um, der bereit wäre, auf die Insel hinüberzufahren, aber die meisten hatten eine Ausrede. Da sprach Torfi davon, wie großen Ruhm der haben würde, der hinüber führe; er werde nach der Fahrt mehr gelten als vorher; außerdem aber sei es wahrscheinlich, daß die auf der Insel vom Glück verlassen seien, um ihrer Schandtaten willen. Da war es Kjartan, Katlas Sohn, der Bruder Refs, ein großer Haudegen, der es den meisten an Raschheit zuvortat, der erklärte sich bereit, die Fahrt zu wagen, wenn sie ihm den Sotiring geben wollten, falls sie Hörd bekämen. »Ich habe auch selber den Inselleuten noch etwas heimzuzahlen,« sagte er. Man war damit einverstanden und versprach sich auch unter allen die dabei waren, von ihm am ehesten Erfolg. Kjartan fragte nun: »Ist es nicht das Beste, wenn ich Thorstein Goldknopfs Boot nehme? Er ist oft uns zum Schaden hinübergerudert.« Alle fanden das am aussichtsreichsten, da die Inselleute dann am wenigsten Verdacht haben würden. Kjartan ruderte nun auf Thorsteins Boot hinaus; er hatte die Brünne an und darüber den Mantel.
Als er auf die Insel kam, erzählte er Hörd, die Bauern seien zu einem Vertrag bereit; Illugi und seine Freunde hätten sich sehr dafür ins Zeug gelegt, daß sie freien Abzug bekämen. Geir traute der Botschaft, und zwar am meisten, weil Kjartan Thorsteins Boot hatte, denn der hatte ihnen doch geschworen, sie niemals zu verraten. Auch viele andere sehnten sich fort und waren es leid, dort zu hausen und redeten zu, man solle mit Kjartan die Insel verlassen. Da sagte Hörd: »Schon sehr oft sind Geir und ich verschiedener Meinung gewesen, weil ihm die Dinge immer anders aussehen als mir. Mir scheint, als hätten die drüben übel gewählt, als sie gerade Kjartan eine solche Friedensbotschaft bringen ließen, an der beiden Parteien so viel gelegen ist; denn die Freundschaft zwischen uns und Kjartan war bisher nicht groß.« Kjartan antwortete: »Daran wollen wir jetzt nicht denken, denn das schickt sich nicht bei einer Friedensverhandlung; aber ich sage euch nichts als die Wahrheit und will es euch beschwören, wenn es euch dann sicherer erscheint.« Hörd sagte, er sähe so aus, als käme es ihm auf einen Meineid nicht an, und sprach dann die Strophe:
Schwertkampfs Föhr,'
Krieger. die fordert,
Fort wir sollten mir scheints,
Zu späh'n weiß:
D. h. er ist ein Kundschafter. Gewisses
Weissag' ich ohn' Frage.
D. h. meine Prophezeiungen treffen ein.
Wellen-Brandes Balder
Balder (Gott) des Wellenbrandes (Goldes): (freigebiger) Krieger.
Bleiben soll beileib' nicht
Schadlos, der solch's schmiedet',
Nämlich, daß wir fort sollten.
Steht es bei Bogens Zerschmettrer.
Mit dem Schwert: d. h. Krieger; d.h. wenn ich die Entscheidung habe.
Nun drängten fast alle zur Abfahrt, und einige sicherten sich sofort einen Platz in Kjartans Boot. Hörd sagte, er werde auf keinen Fall mitfahren: »aber mir ists recht, wenn sie erproben, wie redlich es Kjartan mit ihnen meint. Doch glaube ich, ihr werdet nicht mehr so fröhlich sein, wenn der Tag zu Ende geht«.
Je mehr Kjartan fortschaffen konnte, desto lieber war es ihm; und so stiegen viele zu ihm ins Boot. Das nächste Mal sollten sie selber ihre Leute abholen, sagte er. Sie fuhren nun von der Insel ab, und konnten die Menschenmenge nicht eher sehen, als bis das Schiff um die Landspitze herum war. Aber als sie angelegt hatten, umstellten die Bauern sie mit ihren Scharen; und wie sie ans Land stiegen, wurden sie alle ergriffen und festgehalten, und dann wurden ihnen Zweige ins Haar geflochten Wie Opfertieren. und alle bis auf den letzten Mann niedergehauen. Da freuten sich die Bauern, daß diese Bösewichter so ganz von ihrem Glück verlassen waren, und hielten es nun auch für wahrscheinlich, daß sie ihnen alle in die Hände fallen würden.
Kjartan fuhr zum zweitenmal zur Insel. Die Inselleute fragten ihn, warum ihre Gesellen nicht kämen, sie abzuholen; da sagte Kjartan, sie seien so glücklich über den Frieden gewesen, daß sie alle ganz ausgelassen ans Land gesprungen wären. Geir traute der Antwort und stieg mit vielen andern zu Kjartan ins Schiff. Hörd riet ab und sagte, es werde böse Folgen haben, und wollte selber nicht mit. Nur Helgi Sigmunds Sohn blieb bei ihm zurück und die Jarlstochter Helga und ihre beiden Söhne und sechs andre. Geir und die andern fuhren nun ab, und es war Hörd gar nicht recht, daß Geir mit Kjartan fahren wollte. Aber als sie um die Landspitze herumruderten, sah Geir die Menschenmenge am Land; da merkte er wohl, daß sie verraten waren und sagte: »Böser Rat hat böses Ende, aber oft sieht man das zu spät ein; Hörd hat mir doch oft genug recht geraten und ich glaube, auch diesmal ists nicht anders. Jetzt wird es wohl mit unserm Räuberleben ein Ende haben; aber es wäre gut, wenn Hörd davon käme, denn an ihm allein wäre mehr verloren, als an uns allen zusammen.« Sie waren schon nah am Lande; da sprang Geir über Bord und schwamm an den Felsen entlang hinaus.
Unter Indridis Leuten war ein Norweger namens Orm, der hatte große Kräfte; er schoß wie kein zweiter und war in allen Künsten geschickt; der warf seinen Speer nach Geir und traf ihn zwischen die Schultern und tötete ihn. Orm wurde wegen dieses Schusses sehr gepriesen. Die Stelle, wo die Leiche ans Land trieb, heißt noch heute Geirs-Spitze.
Die Jarlstochter Helga stand auf der Insel draußen und sah, was vorging; sie rief Hörd, er solle einmal schauen; aber sie wurden sich nicht darüber einig, was sie sahen. Helga sagte, das habe gewiß nichts Gutes zu bedeuten.
Die Bauern priesen Kjartan sehr und sagten, er werde großen Ruhm von seinen Fahrten haben, jetzt gebe es ja auch nicht mehr viel zu tun. Aber Kjaran sagte, jetzt sei noch der Knoten zu schlingen, nämlich Hörd ebenso in die Falle zu bekommen wie die andern. – Er nahm einen Sechsruderer und fuhr zur Insel. Hörd fragte ihn, wo Geir bliebe, und warum er nicht käme ihn abzuholen. Kjartan sagte, er werde am Lande festgehalten, bis er, Hörd, käme: »damit ihr dann alle zugleich den Frieden bekommt«. Da sagte Hörd: »Du hast dir nichts Geringes aufgeladen, Kjartan, uns Inselleute alle zum Lande zu schaffen, und du wirst von den Bauern reichlich dafür bezahlt werden. – Ich will nicht fahren. Ich habe dir alle Zeit mißtraut, und ich will mich nicht auf Menschen verstehen, wenn du es redlich meinst.« Da antwortete Kjartan: »Du wirst doch nicht feiger sein wollen als deine Leute, daß du nicht wagst ans Land zu fahren?« Da sprang Hörd auf und konnte das nicht auf sich sitzen lassen und sagte, Kjartan werde nicht nötig haben, ihm Feigheit vorzuwerfen, ehe sie auseinander gingen. Dann sagte er zu Helga, sie solle mitfahren, aber Helga antwortete, sie werde es nicht tun und ebensowenig ihre Söhne, und nun gehe es nach dem Sprichwort: Dem Todverfallenen ist nicht zu helfen. Helga weinte da bitterlich. Hörd stieg in hellem Zorn ins Schiff. Dann fuhren sie bis an die Stelle, wo Geirs Leiche an eine Schäre getrieben war. Da sprang Hörd auf und rief Kjartan zu: »Armseligste Memme! Nicht lang sollst du dich deines Verrates freuen!« Damit hieb er nach ihm mit dem Sotischwert und spaltete ihn der Länge nach bis an den Gürtel und den ganzen Bauch samt der doppelten Brünne.
In dem Augenblick lief das Schiff am Lande auf, und nun wurden sie alle gefangen, die auf dem Schiffe waren. Indridi legte als erster Hand an Hörd und band ihm die Hände und zwar ziemlich fest. Da sagte Hörd: »Ziemlich fest bindest du, Schwager.« Indridi antwortete: »Das lehrtest du mich, als du mich damals ausbrennen wolltest.« Illugi sagte zu Indridi: »Hörds Schwäger meinens nicht gut mit ihm, aber er hats auch nicht anders verdient.« Indridi antwortete: »Schon längst hat er die Schwagerschaft verwirkt,« und gab mit der Axt ein Zeichen, man solle Hörd totschlagen; aber keiner mochte das tun. Da riß Hörd sich gewaltsam los und wurde frei; er entriß dem Indridi die Axt und sprang über den dreifachen Kreis der Männer. Auch Helgi Sigmunds Sohn wurde frei und rannte sofort hinter ihm her. Ref sprang aufs Roß und sprengte hinter ihnen drein, konnte sie aber nicht einholen. Da kam die Heerfessel Die Heerfessel ist mythische Personifizierung des lähmenden Entsetzens; sie ist als weiblicher Dämon nach Walkürenart gedacht. über Hörd; einmal und noch ein zweites Mal schlug er sie von sich ab, aber als sie zum drittenmal über ihn kam, da konnten sie ihn umstellen und bildeten einen Kreis um ihn, er aber sprang noch einmal über den Kreis hinweg und erschlug vorher drei Mann. Er hatte dabei Helgi Sigmunds Sohn auf dem Rücken und rannte so den Höhen zu, und die andern jagten hinter ihm her. Ref war allen voran, denn er saß zu Roß, aber er wagte sich nicht an Hörd heran. Da kam die Heerfessel noch einmal über Hörd, und nun kam der ganze Haufe ihm nach. Da warf er Helgi ab und sagte: »Böser Zauber ist hier am Werk; aber ihr sollt darum doch nicht euern Willen haben, so weit ichs verhindern kann.« Damit hieb er Helgi mitten auseinander und sagte, sie sollten ihm nicht seinen Pflegebruder vor den Augen erschlagen. Und es schien den Leuten, als wäre Helgi schon vorher kaum mehr lebendig gewesen. Hörd war so schrecklich anzusehen in seiner Wut, daß niemand wagte, gegen ihn vorzugehen. Da versprach Torfi dem den Sotiring an Hörds Hand, der es wagen würde, Hörd zu erschlagen. Da bildeten sie einen Kreis um ihn, und jetzt kam auch Thorstein Goldknopf vom Wirbelhof dazu. Sie griffen Hörd scharf an, aber er erschlug noch sechs; dann ging ihm die Axt vom Stiele. Da hieb Thorstein Goldknopf mit seiner langen Axt nach ihm und traf ihn in den Nacken, denn keiner wagte ihn von vorne anzugreifen, obgleich er jetzt wehrlos war. Diese Wunde brachte Hörd den Tod.
Dreizehn Mann hatte er da erschlagen, mit den vieren, die er am Schiff erschlug, ehe er gefangen wurde. Alle priesen seine Tapferkeit, Freunde und Feinde, und es gab wohl auch zu seiner Zeit keinen heldenhafteren und klügeren Mann als Hörd, nur daß das Glück nicht mit ihm war. Daß er aber so zum Frevler wurde, daran waren einmal seine Gesellen schuld, zum andern aber, daß niemand dem Schicksal entrinnen kann.
Die Bauern priesen Thorstein Goldknopf wegen seiner Tat und gaben ihm den Sotiring und wünschten ihm Glück dazu. Aber als Thorstein hörte, was Thorbjörg gesagt hatte, da hätte er seine Tat gern ungeschehen gemacht. An die sechzig Mann von den Inselleuten waren am Frühstückskap erschlagen worden und dazu die beiden Pflegebrüder.
Nun sprachen die Häuptlinge davon, es sei wohl ratsam, zur Helga hinüberzufahren und ihre und Hörds beiden Söhne zu töten. Aber einigen schien es schon zu spät am Tage. Da machten sie untereinander aus, daß niemand die von drüben aufnehmen oder unterstützen dürfe; täte es aber einer, so sollten alle verpflichtet sein, ihn zu strafen, so schwer nahmen sie es damit. Sie wollten gegen Morgen hinüberfahren und blieben die Nacht über am Strande.
Helga war also auf der Insel und durchschaute die ganze Hinterlist und den Verrat der Bauern. Sie bedachte ihre Lage und sah nur einen Ausweg: sie warf sich ins Meer und schwamm durch die Nacht hinüber zur Blaubartsache und brachte so ihren vierjährigen Sohn Björn ans Land, und dann schwamm sie ihrem achtjährigen Sohn Grimkel entgegen, denn der konnte sich kaum mehr über Wasser halten, und brachte auch ihn ans Land. Die Stelle heißt heute Helgasund. Sie stiegen noch in der Nacht auf den Berg überm Wirbelhof und rasteten in der Scharte, die heute Helgas Scharte heißt. Sie trug Björn auf dem Rücken, Grimkel ging zu Fuß. So wanderten sie, bis sie auf Indridishofen ankamen. Da setzte sie sich draußen hinter das Weidegatter und schickte Grimkel ins Haus, der sollte Thorbjörg um Frieden bitten. Thorbjörg saß auf der Frauenbank, als der Knabe hereinkam. Er bat sie um Frieden; sie aber stand auf und nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinaus und fragte ihn, wer er wäre. Er nannte ihr seinen Namen. Da fragte sie ihn, was denn geschehen sei, und wo Helga sei; und Grimkel erzählte es ihr, so gut er es wußte, und führte sie zu Helga. Thorbjörg konnte da kein Wort sprechen, so bewegt war sie. Sie führte Helga in einen Schuppen und schloß sie dort ein.
Denselben Abend kam Indridi heim und brachte viele Leute mit. Thorbjörg ließ sich nichts anmerken, sie bewirtete ihre Gäste wie sonst. Aber als sie ihr erzählten, was geschehen war, und daß Thorstein Goldknopf Hörd erschlagen habe und sei von hinten gekommen, während Hörd wehrlos dastand, da sprach Thorbjörg die Strophe:
Hier im Wund'sturm,
Wundensturm: Kampf. hartem,
Hörd gefällt zur Erd' ward.
Acht streckt' flott im Streit er
Streiter hin, fünf noch weitre.
Zaubersamen Sanges
Sang ihm zusetzt' lange.
Sonst Kampfs beißender Brände
Brennstock
Die beißenden (schneidenden) Brände des Kampfs sind die Schwerter. Deren Brennstock (d. h. Stock überhaupt): der Krieger, hier: Hörd. aufrecht stände.
Als sie an dem Abend ins Bett gingen, da zückte Thorbjörg einen Dolch und wollte ihren Gatten Indridi durchbohren; er aber fing den Stich auf und schnitt sich dabei tief in die Hand. Dann sagte er: »Es ist wahr, Thorbjörg, Schlimmes ist geschehen; aber du treibst es doch zu weit. Was kann nun geschehen, daß wir uns wieder versöhnen?« »Nichts anderes als daß du mir Thorsteins Kopf bringst«, sagte sie. Und Indridi versprachs ihr.
Früh morgens ritt er allein ab und geradeswegs nach Wirbelhof. Dort stieg er vom Roß und ging den Indridisteig hinunter am Hof entlang und wartete dort, bis Thorstein nach seiner Gewohnheit seinen Tempel aufsuchte. Thorstein kam und ging in den Tempel und fiel vor dem Steine nieder, dem er opferte und der dort in dem Tempel stand, und betete davor. Indridi aber stand draußen an der Wand und hörte folgenden Spruch aus dem Stein heraus:
Tretet traun
Mit Todes Fuß
Als ein dem Tod schon verfallener.
Ihr
D. h. ›Du‹. die Erd'
Allletztes Mal.
Mit Recht dir soll,
Eh' die Sonne scheint noch,
Indridi, harter,
Haß vergelten.
D. h. dich töten.
Dann kam Thorstein heraus und wollte heimgehen. Indridi sah ihn deutlich vor sich. Er rief ihm zu, er solle nicht so schnell laufen, und stellte sich ihm plötzlich in den Weg und traf ihn sofort mit dem Sotischwert an die Kehle, daß der Kopf unten lag. Dann gab er seinen Totschlag auf Wirbelhof bekannt: Er sagte, Thorstein sei lange treulos gewesen.
Er ritt heim und brachte Thorbjörg den Kopf; aber sie sagte, ihr liege nun nichts mehr daran, seit er vom Rumpfe wäre. »Nun mußt du dich aber mit mir versöhnen«, sagte Indridi. Sie aber sagte, das würde sie nicht tun, ehe er nicht verspräche, Helga und ihre Söhne aufzunehmen, falls sie etwa zu ihnen kommen sollten, und ihnen jede Hilfe zu gewähren, die sie nötig hätten: »dann will ich dir auch wieder all meine Liebe schenken«, sagte sie. Indridi antwortete, er glaube, die hätten sich wohl in die See gestürzt und sich ertränkt, da sie auf der Insel nirgends zu finden gewesen seien: »darum will ich es dir gern versprechen; denn ich weiß, daß ich niemals nötig haben werde, es zu halten«. Da ging Thorbjörg zum Schuppen und holte Helga und ihre Söhne heraus. Indridi war wenig erfreut und sagte: »Reichlich viel habe ich da versprochen; aber es bleibt mir wohl nichts übrig als mein Wort zu halten.« Und er hielt es redlich, und niemand machte ihm einen Vorwurf daraus. Alle fanden, Thorbjörg habe sich hochherzig dabei benommen.
Thorolf hieß ein Mann, mit dem Beinamen der Staar, er war geschickt und ziemlich wohlhabend, leichtsinnig und zu Späßen aufgelegt, ein kühner Draufgänger, dem das Schwert allezeit locker saß. Der kam in jenem Herbst nach Indridishofen und bot dem Bauern seine Dienste an. Thorbjörg sagte, sicher müsse er ihn aufnehmen, und so geschah es. Er blieb eine Zeitlang als Handwerker auf dem Hofe. Die Jarlstochter Helga scherzte gerne mit ihm und ebenso Thorbjörg. Er bildete sich ein, er wäre mit der Jarlstochter schon einig, und sie wies das nicht so ganz von sich ab. Er war den Sommer über bei Ref gewesen, und es hatte ihm dort wenig gefallen. Nun bat er Thorbjörg um Herberge für den Winter. Sie antwortete: »Ich will dir bei uns Winterherberge verschaffen und den Sotiring und die Jarlstochter Helga dazu und noch vieles andere, wenn du Ref im Brünnental erschlägst.« Da antwortete er: »Das paßt mir gar nicht schlecht, und ich traue es mir auch sehr wohl zu, wenn ich das Sotischwert mithabe. Es steht ja auch nicht zu fürchten, daß der Lohn geringer wird als die Arbeit.« So wurden sie handelseinig. Aber es war nicht leicht, das Schwert zu bekommen, denn Indridi nahm es immer mit, wenn er unterwegs war.
Eines Tages nahm Thorbjörg das Sotischwert und machte hier und da Schnitte in die Scheide, so daß es von selbst herausging. Und als Indridi sich das Schwert umgürten wollte, fiel es aus der Scheide. Ihm kam das wunderlich vor, aber Thorbjörg sagte, das Schwert habe diese Gewohnheit, wenn es wüßte, daß große Dinge im Werk seien. Er sagte, sie solle ihm die Scheide flicken, und sie versprachs ihm, wenn sie Zeit hätte. Indridi hatte in die Moore zu reiten, um für seine Freunde dort einen Vergleich zustande zu bringen. So nahm er das Schwert nicht mit.
Aber als er abgeritten war, übergab Thorbjörg das Schwert dem Thorolf und sagte, er solle es wacker nutzen, wenn er Helga zum Weibe gewinnen wolle. Thorolf ritt zu Ref ins Brünnental, und kam dort gegen Abend an. Er verbarg sich im Torfschuppen und deckte sich ganz mit Brenntorf zu, so daß nichts als die Nase heraussah. Ref war sehr vorsichtig; er ließ jeden Abend die Riegel vorschieben und zweimal um alle Gebäude herumleuchten, einmal vorm Abendessen und das zweitemal, ehe man schlafen ging; und so geschah es auch diesmal, aber Thorolf wurde nicht entdeckt.
Thorolf konnte alle Stimmen nachmachen. Er erhob sich, sobald man drinnen schlafen gegangen war, und weckte eine Magd Refs und sagte, er sei der Schafhirte; sie solle hingehen und Ref um Schuhzeug für ihn bitten, denn er müsse morgen früh auf den Berg. Sie sagte, er habe es recht mühselig und solle es nicht schlechter haben als die andern; »denn von den Knechten ist keiner so nötig wie du«. Das werde sich noch einmal zeigen, sagte er.
Ref schlief in seiner Bettkammer und hatte verboten, daß irgend jemand nachts zu ihm hereinkäme. Die Magd tats trotzdem und bestellte die Bitte des Schafhirten um Schuhzeug. Sie sagte, er habe es nicht verdient, am Schuhzeug Mangel zu leiden oder an irgend etwas anderem, was er nötig hätte: »denn er ist allezeit auf deinen Vorteil bedacht, bei Nacht wie bei Tage«. Ref schalt sie, daß sie mit so etwas nachts zu ihm käme: »aber draußen im Torfschuppen liegt eine Haifischhaut, daraus kann er sich Schuhe schneiden«. Und als sie fortging, steckte Thorolf ein Hölzchen zwischen die Tür, so daß sie nicht zuging. Während sie miteinander sprachen, hatte er an Refs Bett gestanden, aber er war wie erstarrt. Ref schlief wieder ein, aber Thorolf wagte sich nicht an ihn heran. Da rief Thorbjörg Katla, die Mutter Refs: »Wach auf mein Sohn, der böse Feind steht über dir und will dich erschlagen!« Da wollte Ref aufspringen, aber in dem Augenblick hieb ihm Thorolf mit dem Sotischwert beide Füße ab, den einen unter der Wade, den andern im Fußgelenk. Dann sprang Thorolf aus der Kammer in die Stube; da trat Thorbjörg Katla ihm entgegen und packte ihn, und warf sich über ihn und biß ihm die Kehle entzwei und ließ ihn tot liegen. Ref nahm das Sotischwert an sich, der Ring aber verschwand von Thorolfs Finger, den Thorbjörg und Helga ihm geschenkt hatten, und den Hörd dem Soti abgenommen hatte. Ref genas, aber er mußte seitdem stets auf einem Stuhl getragen werden und konnte nie wieder gehen. Aber er lebte noch lange, so daß er den Beinamen der Alte bekam, und er galt immer für einen der angesehensten Bauern der Gegend.
Bald darauf kam Indridi heim und erfuhr, was geschehen war. Er merkte wohl, daß Thorbjörg ihre Hand dabei im Spiel gehabt haben müsse. Er wollte sein Schwert nicht missen; also ritt er zu Ref hinüber und sagte, er solle ihm das Schwert herausgeben: »ich habe nichts mit diesem Anschlag zu tun gehabt,« sagte er. Ref ließ ihm das Schwert: »ich will mich nicht mit dir verfeinden,« sagte er. Da nahm Indridi sein Schwert wieder und ritt heim. An so etwas kann man merken, was für ein Häuptling Indridi gewesen ist: daß auch so ein Haudegen wie Ref ihm gegenüber nicht mehr Mut aufbrachte, sondern das Schwert, mit dem er eine so schwere Verstümmelung erlitten hatte, herausgab, sobald er es verlangte.
Bald darauf trafen sich Thorgrima die Schmiedin und Thorbjörg Katla auf dem Rüsselberg und später fand man sie dort beide tot. Sie waren ganz zerfetzt und in Stücke gerissen, und es scheint seitdem an ihren Hügeln nicht geheuer. Man meint, Thorgrima, die Mutter Indridis, habe den Sotiring für ihren Sohn wiederhaben wollen, aber Katla habe sich zur Wehr gesetzt und ihn nicht hergeben wollen, und dabei hätten sie sich dort umgebracht. Der Ring hat sich seither nicht mehr gefunden.
Wenige Jahre darauf kam ein Schiff in die Breitbucht; Tind Hallkels Sohn war an Bord und Thord Kolgrims Sohn von Vierspitz. Sie verließen das Schiff und ritten, Tind nach Hallkelshofen, Thord aber wollte über die Weißach nach Hause. Als die Jarlstochter Helga davon hörte, sagte sie zu ihrem Sohn Grimkel, es dauere lange, bis er an seines Vaters Tod gedenke; er solle Thord Kolgrims Sohn auflauern: »sein Vater war deines Vaters schlimmster Gegner«. Grimkel war damals zwölf Jahre alt. »Ich wollte du schlügest ihn tot, mein Lieber,« sagte sie; »an dem hast du vollwertige Rache.« Grimkel nahm zwei Leute mit. Sie trafen sich an der Uferfurt, am Ostufer der Weißach bei ein paar Torfhaufen. Bald darauf fand man sie alle dort als Leichen.
Skeif hieß ein Mann, der wohnte in Weißachaue und hatte wenig Vermögen. Einige vermuteten, er habe die Verwundeten totgeschlagen und dann dem Thord die wertvollen Stücke abgenommen, die er bei sich hatte, und von denen man seither nichts mehr gehört hat. Skeif verließ Island und kam nie wieder zurück und erwarb sich ein schönes Vermögen.
Dem Indridi schien es bedenklich, wenn Helga und ihr Sohn Björn im Lande blieben. So fuhren sie von Sanden nach Norwegen und weiter nach Gautland. Hroar war noch am Leben; er freute sich über die Rückkunft seiner Schwester, aber Hörds Tod dünkte ihn ein schwerer Verlust. Helga vermählte sich, soweit man weiß, nicht noch einmal. Björn wurde groß und kam nach Island zurück und erschlug noch viele zur Rache für seinen Vater, und wurde ein tüchtiger Mann.
Vierundzwanzig fielen zur Rache für Hörd und für keinen von ihnen ward Wergeld gezahlt; Hörds Söhne erschlugen einige, andere seine Verwandten, andere erschlug Hroar, bei weitem die meisten fielen auf Anstiften Thorbjörgs, der Grimkeltochter; sie scheint ein gewaltiges Weibsbild gewesen zu sein. Indridi und sie wohnten bis in ihr Alter auf Indridishofen und standen in hohem Ansehen, und ein großes Geschlecht stammt von ihnen ab.
Neununddreißig Jahre alt war Hörd, als er fiel, und die Hauptzeit seines Lebens hat ihm Ehre und Ruhm gebracht, bis auf die drei Jahre, die er geächtet war. Der Priester Styrmir der Gelehrte sagt, von allen Geächteten scheine ihm Hörd der Größte gewesen zu sein, einmal um seiner Klugheit und Waffentüchtigkeit und all seiner Künste willen; zum andern aber weil er im Ausland solches Ansehen genoß, daß ihm der Jarl von Gautland seine Tochter gab; zum dritten endlich, weil um keinen andern auf Island so viele zur Rache gefallen sind, und alle blieben sie ungebüßt. Styrmir der Gelehrte, Verfasser mehrerer isländischer Prosawerke, war seit 1235 Abt des Klosters von Videy.
Damit schließen wir die Geschichte von den Inselleuten.