Friedrich Wilhelm Nietzsche
Der Wanderer und sein Schatten
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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247

Geschäfts-Ernst. – Die Geschäfte manches Reichen und Vornehmen sind seine Art Ausruhens von allzulangem gewohnheitsmäßigem Müßiggang: er nimmt sie deshalb so ernst und passioniert, wie andere Leute ihre seltenen Muße-Erholungen und –Liebhabereien.

248

Doppelsinn des Auges. – Wie das Gewässer zu deinen Füßen eine plötzliche schuppenhafte Erzitterung überläuft, so gibt es auch im menschlichen Auge solche plötzliche Unsicherheiten und Zweideutigkeiten, bei denen man sich fragt: ist's ein Schaudern? ist's ein Lächeln? ist's beides?

249

Positiv und negativ. – Dieser Denker braucht niemanden, der ihn widerlegt: er genügt sich dazu selber.

250

Die Rache der leeren Netze. – Man nehme sich vor allen Personen in acht, welche das bittre Gefühl des Fischers haben, der nach mühevollem Tagewerk am Abend mit leeren Netzen heimfährt.

251

Sein Recht nicht geltend machen. – Macht ausüben kostet Mühe und erfordert Mut. Deshalb machen so viele ihr gutes, allerbestes Recht nicht geltend, weil dies Recht eine Art Macht ist, sie aber zu faul oder zu feige sind, es auszuüben. Nachsicht und Geduld heißen die Deckmantel-Tugenden dieser Fehler.

252

Lichtträger. – In der Gesellschaft wäre kein Sonnenschein, wenn ihn nicht die geborenen Schmeichelkatzen mit hineinbrächten, ich meine die sogenannten Liebenswürdigen.

253

Am mildtätigsten. – Wenn der Mensch eben sehr geehrt worden ist und ein wenig gegessen hat, so ist er am mildtätigsten.

254

Zum Lichte. – Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen. – Vor wem man glänzt, den läßt man gerne als Licht gelten.

255

Die Hypochonder. – Der Hypochonder ist ein Mensch, der gerade genug Geist und Lust am Geiste besitzt, um seine Leiden, seinen Verlust, seine Fehler gründlich zu nehmen: aber sein Gebiet, auf dem er sich nährt, ist zu klein; er weidet es so ab, daß er endlich die einzelnen Hälmchen suchen muß. Dabei wird er endlich zum Neider und Geizhals – und dann erst ist er unausstehlich.

256

Zurückerstatten. – Hesiod rät an, dem Nachbar, der uns ausgeholfen hat, mit gutem Maße und womöglich reichlicher zurückzugeben, sobald wir es vermögen. Dabei hat nämlich der Nachbar seine Freude, denn seine einstmalige Gutmütigkeit trägt ihm Zinsen ein; aber auch der, welcher zurückgibt, hat sein Freude, insofern er die kleine einstmalige Demütigung, sich aushelfen lassen zu müssen, durch ein kleines Übergewicht, als Schenkender, zurückkauft.

257

Feiner als nötig. – Unser Beobachtungssinn dafür, ob andere unsere Schwächen wahrnehmen, ist viel feiner, als unser Beobachtungssinn für die Schwächen anderer: woraus sich also ergibt, daß er feiner ist, als nötig wäre.

258

Eine lichte Art von Schatten. – Dicht neben den ganz mächtigen Menschen befindet sich fast regelmäßig, wie an sie angebunden eine Lichtseele. Sie ist gleichsam der negative Schatten, den jene werfen.

259

Sich nicht rächen? – Es gibt so viele feine Arten der Rache, daß einer der Anlaß hätte sich zu rächen, im Grunde tun oder lassen kann, was er will: alle Welt wird doch nach einiger Zeit übereingekommen sein, daß er sich gerächt habe. Sich nicht zu rächen steht also kaum im Belieben eines Menschen: daß er es nicht wolle, darf er nicht einmal aussprechen, weil die Verachtung der Rache als eine sublime, sehr ernpfindliche Rache gedeutet und empfunden wird – Woraus sich ergibt, daß man nichts Überflüssiges tun soll – -
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