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1547-1555.
Der Strom europäischer Händler, Siedler, Abenteurer und Glückssucher, der sich, immer mächtiger anschwellend, nach der Entdeckung Amerikas in die lockenden Gefilde der schätzereichen und geheimnisvollen Neuen Welt ergoß, hatte seine Hauptquellen in den Gestadeländern des Atlantischen Ozeans. Nebst Spanien und Portugal, die ihre Hand als Herrscher auf die neuen Länder legten, war es das mächtig aufstrebende Frankreich, das sich an der Ausbeutung des neuen Handelsgebietes beteiligte. Aber auch Deutschland stand nicht ganz zurück. Dasselbe tatkräftige Bürgertum, das sich, wie aus Balthasar Springers Meerfahrt ersichtlich, trotz der Ungunst der politischen Verhältnisse den neuen Seeweg nach Ostindien zunutzezumachen verstand, strebte nicht minder energisch nach einem Anteil an dem Handelsgewinn der Neuen Welt, ein Streben, von dem die gebietende Stellung, die das Kaufmannshaus der Welser in Venezuela gewann und behauptete, ein glänzendes Zeugnis gibt.
Daneben ergoß sich aber noch vielfach der Unternehmungsdrang und die Wanderlust des Einzelnen, woran es in Deutschland niemals gefehlt hat, mit Vorliebe in die Länder, die mit ihren fabelhaften Schätzen und Wundern jenseits der Atlantis winkten.
Die folgenden beiden Reiseberichte, Hans Stadens, der 1547-48 und 1549-55 in Brasilien weilte, und Ulrich Schmidels, der 1554, von Wanderlust getrieben, nach den Laplataländern fuhr und dort fast 18 Jahre zubrachte, geben uns anschauliche und fesselnde Schilderungen von den damaligen Zuständen Südamerikas und von der Art der europäischen Besiedelung. Hans Staden veröffentlichte seinen Reisebericht ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland unter dem Titel:
Wahrhaftig Historia
und Beschreibung einer Landschaft der wilden, nacketen, grimmigen Menschenfresserleuten, in der neuen Welt Amerika gelegen, vor und nach Christi Geburt im Land zu Hessen unbekannt bis auf diese zwei nächstvergangene Jahr, da sie Hans Staden von Homberg aus Hessen durch sein eigne Erfahrung erkannt und jetzund durch den Druck an Tag gibt.
Dediziert dem durchlauchtigen hochgeborenen Herrn, H. Philippson Landgraf zu Hessen ...
Mit einer Vorrede D. Joh. Dryandri, genannt Eychmann,
Ordinari Prosessoris Medici zu Marburg.
Inhalt des Büchleins folgt nach den Vorreden.
Frankfurt am Main
durch Weygandt Han.
1556.
Ich, Hans Staden von Homberg in Hessen, nahm mir vor, wenns Gott gefällig wäre, Indien zu besehen, zog in der Absicht von Bremen nach Holland und kam bei Campen zu Schiffen, die in Portugal Salz laden sollten. Da fuhr ich mit hin, und wir kamen den 29. April des Jahres 1547 an bei einer Stadt, genannt S. Tubal; Setubal, südlich von Lissabon. A. d. H. es waren vier Wochen auf dem Wasser dahin zu fahren. Von dort zog ich nach Lissabon, das fünf Meilen von S. Tubal ist.
Zu Lissabon kam ich in eine Herberge; der Wirt hieß der junge Lauhr und war ein Deutscher, bei dem lag ich eine Zeit lang. Dem Wirte sagte ich, ich wäre aus meinem Vaterland gezogen, um nach Indien zu segeln. Da sagte er, ich wäre zu spät gekommen, des Königs Schiffe, so nach Indien führen, wären schon fort. Ich bat ihn, dieweil ich die Reise versäumt hätte, möchte er mir zu einer andern verhelfen, weil er die Sprache könnte, ich wollte wieder in seinem Dienste sein.
Er brachte mich in ein Schiff als Büchsenschützen. Der Kapitän in dem Schiff hieß Pintado, der wollte nach Brasilien fahren auf Kaufmannschaft. Er hatte auch die Erlaubnis, die Schiffe aufzugreifen, die in der Berberei mit den weißen Mohren Handel trieben. Auch die französischen Schiffe, die er in Brasilien mit den Wilden im Tauschverkehr anträfe, sollten ihm preisgegeben sein. Auch sollte er für den König einige Gefangene dort ins Land führen, da die Leute Strafe verdient hätten. Doch schonte man sie, um mit ihnen die neuen Lande zu besiedeln.
Unser Schiff war wohlgerüstet mit aller Kriegsrüstung, die man zu Wasser braucht. Unser waren drei Deutsche in dem Schiff, Hans von Bruchhausen, Heinrich Brant von Bremen und ich.
Wir segelten von Lissabon mit noch einem kleinen Schifflein, das auch unserm Hauptmann gehörte, und kamen zuerst zu einer Insel namens Madeira, die dem König von Portugal gehört und von Portugiesen bewohnt wird. Ist fruchtbar von Wein und Zucker. Daselbst, bei einer Stadt namens Funchal, nahmen wir mehr Lebensmittel ins Schiff ...
Von Madeira unternahmen die Seefahrer zuerst einen Kaperzug nach »Barbariam«, dem Land der »weißen Mohren«, d. h. zur marokkanischen Küste, wo sie ein Schiff überraschten und zur Beute gewannen, das mit den »Unchristen kaufschlagte«. Sie schlugen auch mit Hilfe ihres Geschützes die Berber zurück und segelten mit ihrer Beute, »welche war Zucker, Mandeln, Datteln, Bockshäute, Gummi Arabikum«, nach Madeira. Hierauf wollten sie einen zweiten Beutezug nach Marokko unternehmen.
Aber unser Vornehmen war umsonst, und der Wind wurde uns entgegen. Die Nacht vor Allerheiligen Tag fuhren wir von Barbaria mit einem großen Sturmwind nach Brasilien. Als wir nun 400 Meilen von Barbaria weg ins Meer gesegelt waren, kamen viele Fische um das Schiff; die fingen wir mit Angelhaken. Etliche davon nannten die Schiffsleute Albakore, die waren groß, etliche Bonite, die waren kleiner, und etliche Durado. Albacora oder Albicore und Bonite sind Thunfischarten; unter Durado ist vielleicht die Dorade (Goldmakrele) zu verstehen. A. d. H. Auch waren viel Fische da, so groß wie Heringe, hatten auf beiden Seiten Fittige wie eine Fledermaus; diese wurden sehr verfolgt von den großen. Wenn sie die hinter sich vermerkten, erhoben sie sich aus dem Wasser in großen Haufen, flogen ungefähr zwei Klaftern hoch über dem Wasser und fielen wiederum ins Meer. Wir fanden sie oft des Morgens im Schiff liegen, waren nachts im Flug darein gefallen.
Danach kamen wir in die Höhe der Äquinoktiallinie. Daselbst war große Hitze, denn die Sonne stand recht über uns, wenn es Mittag war; es war gar kein Wind etliche Tage; in der Nacht kamen oftmals große Donnerwetter mit Regen und Wind; sie erhoben sich bald, vergingen auch bald, und wir mußten fleißig wachen, daß sie uns nicht überholten, wenn wir unter Segel waren.
Als aber wiederum Wind kam, der Sturm wehte, etliche Tage währte und uns entgegen war, vermuteten wir, wenn er lange dauerte, wir würden Hungersnot leiden. Da riefen wir Gott an um guten Wind. Da begab es sich eine Nacht, daß wir einen großen Sturm hatten, waren in großer Mühe; da erschienen uns viel blaue Lichter in dem Schiff, die ich noch nicht gesehen hatte. Als die Wogen vorn ins Schiff schlugen, vergingen die Lichter auch. Die Portugiesen sagten, daß die Lichter ein Zeichen guten zukünftigen Wetters wären, von Gott gesandt, in Nöten zu trösten, und taten Gott eine Danksagung dafür mit gemeinsamem Gebet. Danach verschwanden sie wieder. Und diese Lichter heißen Santelmo Die bekannte elektrische Erscheinung des Elmsfeuers. A. d. H. ...
Wir segelten hin durch das Meer mit gutem Winde und bekamen am 18. Januar ein Stück Land zu Gesicht, das Kap Sankt Augustin genannt. Acht Meilen davon kamen wir zum Hafen Brannenbucke. Pernambuco. A. d. H. Und wir waren 84 Tage im Meer, ehe wir das Land sahen. Dort hatten die Portugiesen einen Flecken aufgerichtet, Marin genannt. Der Hauptmann des Fleckens hieß Ortokoslio: dem überlieferten wir die Gefangenen, luden auch etliche Güter ab, die sie da behielten. Wir richteten unsere Sache im Hafen aus und wollten weitersegeln, da wir zu laden beabsichtigten.
Da begab es sich, daß die Wilden des Ortes gegen die Portugiesen aufrührerisch geworden waren. So wurden wir von dem Hauptmann des Landes gebeten, um Gottes willen, wir möchten im Flecken Garasu, fünf Meilen von Marin, den die Wilden einnehmen wollten, eintreten, denn die Einwohner von Marin konnten nicht helfen, weil sie selbst einen Angriff fürchteten.
So kamen wir denen von Garasu mit vierzig Mann unseres Schiffes zu Hilfe, indem wir in einem kleinen Schiffe hinfuhren. Der Flecken liegt auf einem Meeresstrome, der sich zwei Meilen landwärts erstreckt. Es mochten von uns Christen 90 zur Wehr sein, daneben 30 Mohren und brasilianische Sklaven, die Eigentum der Einwohner waren. Die belagernden Wilden wurden auf 8000 geschätzt. Zum Schutze hatten wir nur einen Zaun von Knütteln um uns her.
Um den Flecken her, wo wir belagert waren, ging ein Wald. Darin hatten sie zwei Festungen von dicken Bäumen gemacht, wo sie nachts ihre Zuflucht und Schutz vor unsern Ausfällen fanden. Außerdem hatten sie um den Flecken her Löcher in die Erde gemacht, in denen sie tagsüber lagen und die sie nur verließen, um mit uns zu kämpfen. Wenn wir nach ihnen schossen, fielen sie alle nieder, um so dem Schuß zu entgehen. Die Belagerung war so eng, daß wir weder hinaus noch herein konnten. Sie kamen dicht an den Flecken und schossen viel Pfeile in die Höhe, die beim Niederfallen uns im Flecken treffen sollten; sie schossen auch Pfeile, daran sie Baumwolle und Wachs gebunden und dies angezündet hatten, um so unsere Hausdächer anzustecken; dabei drohten sie, sie wollten uns aufessen, wenn sie uns kriegten. Wir hatten nur noch wenig Vorrat an Lebensmitteln. Denn es ist dort im Lande Gebrauch, alle Tage oder jeden andern Tag frische Wurzeln Mandiokawurzeln. A. d. H. zu holen und Mehl oder Kuchen daraus zu machen; zu solchen Wurzeln konnten wir nicht kommen.
Wie wir nun sahen, daß wir an Lebensmitteln not litten, fuhren wir mit zwei Barken nach einem Flecken, Tammaraka, dort Lebensmittel zu holen. Da hatten die Wilden große Bäume von beiden Seiten auf das Wasser gelegt. Wir zerbrachen den Verhau mit Gewalt; es wurde inzwischen Ebbe, und blieben auf dem Trocknen. Die Wilden konnten uns in den Schiffen nichts tun. Aber sie warfen viel trocknes Holz aus ihrer Schanze zwischen Ufer und Schiff und wollten dies anzünden und von dem Pfeffer, der im Lande wächst, dazuwerfen und uns mit dem Dampfe aus den Schiffen jagen. Aber es gelang ihnen nicht; mittlerweile kam die Flut wieder. Wir fuhren nach Tammaraka, wo wir Lebensmittel erhielten. Als wir zurückfuhren, hatten die Feinde Bäume, wie vorher, über den Wasserarm gelegt, lagen dabei auf dem Ufer und hatten zwei Bäume fast durchgehauen und oben lange Ranken angebunden. Das Ende hatten sie in ihrer Schanze, um bei unserm Nahen an den Ranken zu ziehen und die Bäume auf uns fallen zu lassen.
Der Anschlag mißglückt, die fallenden Bäume treffen das Schifflein nicht; die Belagerten werden mit Lebensmitteln versehen, die Wilden ziehen, am Erfolg verzweifelnd, ab, die Seefahrer fahren, vom Dank der Einwohner begleitet, zu ihrem Schiff.
Wir fuhren 40 Meilen weiter zu einem Hafen, Buttugaris genannt; dort wollten wir das Schiff mit Brasilholz laden, auch den Wilden mehr Lebensmittel abbeuten.
Wie wir dahin kamen, fanden wir ein Schiff aus Frankreich, das Brasilholz lud. Das fielen wir an; aber sie zerschlugen uns den großen Mastbaum mit einem Schusse und segelten davon, etliche von unserm Schiff wurden erschossen, etliche verwundet.
Die Seefahrer beschließen nun, nach Portugal zurückzufahren, und kommen nach vielen Fährlichkeiten, großer Not an Lebensmitteln und schwerem, aber erfolgreichem Kampf mit einem Seeräuberschiff, am 8. Oktober 1548, das heißt nach sechzehnmonatiger Reise, in Lissabon an. Staden beschließt dann, auf einem spanischen Schiff nach Amerika zu segeln und dort sein Glück zu suchen. Ein englisches Schiff führt ihn nach Spanien. Dort schließt er sich einer Expedition von drei Schiffen an, die von Sevilla unter dem Oberbefehl des Don Diego de Senabrie [?] nach dem La Plata segeln sollten.
Im Jahre 1549 den vierten Tag nach Ostern segelten wir von San Lukas Sanlucar an der Mündung des Guadalquivir. A. d. H. aus, und der Wind war uns entgegen, so daß wir in Lissabon in Hafen gingen. Als der Wind gut wurde, fuhren wir nach den Kanarischen Inseln, nahmen dort Wein ein, und unsere Steuerleute vereinbarten, wenn sie im Meer voneinanderkämen, wollten sie im Lande unter dem 28. Grad südlicher Breite wiederzusammenkommen.
Wir fuhren weiter nach Kap Verde, das ist das Grüne Vorgebirge, das im Land der schwarzen Mohren liegt. Daselbst hätten wir beinahe Schiffbruch gelitten ... Danach kamen wir zu einer Insel, S. Thome Im Meerbusen von Guinea. A. d. H. genannt, ein zu Portugal gehöriges Eiland, zuckerreich, aber ungesund. Es wohnen Portugiesen dort, die viel schwarze Mohren leibeigen haben. Wir nahmen frisches Wasser in der Insel und segelten vorwärts. Die beiden andern Schiffe hatten wir in einem Sturmwind nachts aus dem Gesicht verloren, also daß wir allein segelten. Die Winde waren uns sehr entgegen, denn sie haben die Art in dem Meer, daß sie, wenn die Sonne auf die Nordseite des Äquators geht, von Süden her wehen. Ebenso wenn die Sonne auf die Südseite geht, kommen die Winde von Norden, so daß sie jedesmal fünf Monate steif aus einem Orte wehen. Sie hinderten uns vier Monate, daß wir unsern rechten Kurs nicht segeln konnten. Wie der Monat September ankam, fingen die Winde an, nördlich zu werden; so setzten wir unsern Kurs Süd-Süd-West nach Amerika zu.
Danach nahm der Steuermann eines Tages – es war der 18. November – die Höhe der Sonne und fand, daß wir unter dem 28.° waren; da suchten wir das Land im Westen auf, und am 24. dieses Monats sahen wir Land. Wir waren sechs Monat im Meer gewesen und standen vielmals große Gefahr aus. Als wir nun dicht am Lande waren, erkannten wir den Hafen und die Merkzeichen nicht, die uns der oberste Steuermann angegeben hatte. Wir durften auch nicht wohl wagen, uns in unbekannte Hafen zu begeben, lavierten daher längs dem Lande her. Es fing an, sehr zu wehen, meinten nicht anders, als auf den Klippen umzukommen. Da banden wir leere Fässer zusammen, taten Pulver darein, stopften die Spundlöcher zu und banden unsere Gewehre darauf. Wir dachten, sollten wir Schiffbruch leiden und etliche davonkommen, so sollten sie ihre Gewehre am Lande finden, da die Wogen die Fässer auswerfen würden. Wir lavierten, dachten, vom Land wieder abzutreiben; es half nichts, der Wind trieb uns auf die Klippen, die in einer Tiefe von vier Klafter Wasser verborgen lagen. Wir mußten der großen Wogen halber aufs Land fahren und meinten nicht anders, als wir müßten alle umkommen.
Doch schickt Gott, daß einer unserer Gesellen, als wir dicht bei den Klippen waren, eines Hafens gewahr wird, in den wir hineinfuhren. Da sahen wir ein Boot, das floh vor uns hinter eine Insel ... Wir aber ließen unsern Anker zu Grunde, priesen Gott, daß er uns aus unserm Elende geholfen hatte, ruheten und trockneten unsere Kleider.
Es war wohl um 2 Uhr nachmittags, daß wir den Anker zu Grunde ließen. Am Abend kam ein großer Nachen voll wilder Leute zum Schiff und wollte mit uns reden. Aber keiner von uns konnte die Sprache wohl verstehen. Wir gaben ihnen etliche Messer und Angelhaken, da fuhren sie wieder hin.
Am Abend kommt ein zweiter Nachen mit Eingeborenen, die als Dolmetscher zwei Portugiesen mitbrachten. Von diesen erfuhren sie, daß ihr Ziel, die Insel S. Catharina, etwa 30 Meilen weiter südlich sei. Die Wilden dort, die Carios [Guanarani?], seien feindlich gesinnt, dagegen hätten sie von den hier wohnenden Indianern, den Truppen Ikias, nichts zu befürchten.
Nach schwieriger Fahrt kommen sie endlich vor einem Hafenplatz an, in dem eine Insel liegt, und von wo aus sie mit einem Boote zu weiterer Erkundung ins Land hineinfahren wollen. Auf den Klippen bemerken sie beim Weiterfahren ein hölzernes Kreuz, aus einer mit Steinen festgerammten Stange und einem Stück Faßboden hergestellt, und auf den Faßboden sind spanische Buchstaben eingekerbt des Inhalts, wenn zufällig ein spanisches Schiff herkomme, so sollte es einen Schuß tun, und es würde Antwort erhalten. Die Spanier tun demgemäß und stoßen beim Weiterfahren auf fünf Nachen mit Eingeborenen und einem Europäer. Dieser teilt ihnen mit, sie seien tatsächlich im Sankt Catharinenhafen. Er selbst sei vor drei Jahren aus der spanischen Kolonie Rio de la Plata 300 Meilen weit hierher nach Norden gekommen, um die den Spaniern befreundeten Carios zum Anpflanzen der Mandiokawurzeln anzuhalten, damit die Schiffe sich hier mit Lebensmitteln versehen könnten. Von den Eingeborenen freundlich aufgenommen, tun sich die müden Seefahrer hier längere Zeit gütlich. Auch wird ihnen nach drei Wochen das Glück zuteil, daß eines von den beiden anderen Schiffen und zwar das, worin sich der Oberbefehlshaber befand, eintraf. Das dritte Schiff war offenbar im Sturm umgekommen.
Wir rüsteten uns, wiederum fortzufahren, und hatten Lebensmittel für sechs Monate eingenommen, da wir noch wohl 300 Meilen zu Wasser zu fahren hatten. Wie wir alle Dinge fertig hatten, verloren wir eines Tages das große Schiff im Hafen, daß die Reise also verhindert wurde.
Wir lagen da zwei Jahre in großer Gefahr in der Wildnis, litten großen Hunger, mußten Eidechsen und Feldratten essen und andere seltsame Getier mehr, so wir bekommen konnten, auch Wasserschnecken, die an den Steinen hangen, und dergleichen mehr seltsamer Speise. Die Wilden, so uns erstmals Lebensmittel genug zutrugen, wie sie Ware genug von uns bekommen hatten, zogen zumeist fort an andere Orte; wir durften ihnen auch nicht recht vertrauen, so daß es uns verdroß, dazuliegen und umzukommen.
Wir vereinbarten daher, der größte Haufe sollte über Land nach Süden zur Provinz Assumption 300 Meilen weit wandern. Die andern sollten mit dem überbliebenen Schiff dahin kommen. Diejenigen, so über Land zogen, nahmen Lebensmittel mit, durch die Wildnis zu ziehen, und nahmen auch etliche Wilden mit. Aber ihrer viele waren vor Hunger gestorben, die übrigen waren zur Stelle gekommen, wie wir hernach erfuhren. Uns andern war das Schiff auch zu klein über Meer zu fahren ...
Die Seefahrer beschließen, nach der etwa 70 Meilen entfernten von den Portugiesen besetzten Insel San Vincente zu fahren, um von ihnen ein Transportschiff zu erhalten. Auf der Fahrt dorthin wurden die Abenteurer von einem Sturm überrascht und erlitten Schiffbruch, retteten sich aber alle, teils auf den Trümmern sich haltend, teils schwimmend ans Land.
[Kap. 9 bis Kap. 12.]
Als wir nun an Land kommen waren, dankten wir Gott, daß er uns lebendig hatte zu Land kommen lassen, und waren doch gleichwohl auch betrübt, denn wir wußten nicht, wo wir sein mochten, weil der Roman Ein spanischer Matrose, der als angeblicher Ortskundiger mitgegangen war. A. d. H. das Land nicht recht erkannte ... So läuft von ungefähr unser Mitgesellen einer mit Namen Claudio (ein Franzose) aus dem Ufer hin, daß er sich erwärmen möchte, und sieht ein Dorf hinterm Gehölze; darin waren die Häuser auf Weise der Christen gemacht. Er ging dahin, da war es ein Flecken, darin wohnten Portugiesen, und liegt nur zwei Meilen von San Vincente. Da sagte er ihnen, wie wir da hätten Schiffbruch gelitten und das Volk wäre sehr erfroren und wüßten nicht, wo wir hinsollten. Wie sie das hörten, kamen sie herausgelaufen und nahmen uns mit ihnen in ihre Häuser und begleiteten uns. Daselbst blieben wir etliche Tage, bis wir wieder zu uns selbst kamen.
Von dort reisten wir über Land nach San Vincente. Daselbst taten uns die Portugiesen alle Ehre an und gaben uns eine zeitlang die Kost. Danach fing ein jeder etwas an, daß er sich dessen enthielt. Wie wir da sahen, daß wir alle unsere Schiffe verloren hatten, schickte der Hauptmann ein portugiesisches Schiff nach unserm andern Volk, das zurückgeblieben war, dieselben auch dahin zu bringen, wie es denn auch geschah.
San Vincente ist eine Insel, dicht am Festland mit zwei Flecken darin. Der eine davon heißt ebenfalls San Vincente, der andere liegt ungefähr zwei Meilen davon; sonst liegen auch noch einige Häuser auf der Insel, die heißen Ingenio, Ingenio bedeutet im Spanischen Zuckermühle oder Zuckerplantage. A. d. H. und darin macht man den Zucker.
Und die Portugiesen, so darin wohnen, haben eine Nation Brasilianer zu Freunden, die heißen Tuppin Ikin, Die ethnographischen Verhältnisse sind nicht klar. Die Tupis waren, als die Portugiesen nach Südamerika kamen, ein weithin an der Südküste verbreiteter, in zahllose Horden zerspaltener Indianerstamm. Die von Staden gebrauchten Hordennamen »Tuppin Imba« und »Tuppin Ikins« sollen wahrscheinlich Tupinamba und Tupiniquim (Indianervolk) bedeuten. Verwandt mit den Tupis sind u. a. die Guarani, von Staden Carios genannt. A. d. H. und deren Gebiet erstreckt sich 80 Meilen ins Land hinein und am Meer hin 40 Meilen.
Und die Nation hat nach beiden Seiten hin Feinde. Die Feinde auf der Südseite sind die Carios Die ethnographischen Verhältnisse sind nicht klar. Die Tupis waren, als die Portugiesen nach Südamerika kamen, ein weithin an der Südküste verbreiteter, in zahllose Horden zerspaltener Indianerstamm. Die von Staden gebrauchten Hordennamen »Tuppin Imba« und »Tuppin Ikins« sollen wahrscheinlich Tupinamba und Tupiniquim (Indianervolk) bedeuten. Verwandt mit den Tupis sind u. a. die Guarani, von Staden Carios genannt. A. d. H. und die im Norden heißen Tuppin Imba. Diese haben den Portugiesen viel Schaden getan, und müssen sich selbige noch heutigen Tags vor ihnen fürchten.
Es liegt ein Ort fünf Meilen von San Vincente, der heißt Brikioka. Dort kommen ihre Feinde, die Wilden, zuerst hin und fahren zwischen einer Insel, San Maro, und dem Festland hindurch.
Diese Fahrt wollten etliche Mamelukenbrüder Mamelucos (das spanische Wort bedeutet eigentlich Tölpel) sind Mischlinge von Kaukasiern und Indianern. A. d. H. den Wilden benehmen; ihr Vater war Portugiese und ihre Mutter eine Brasilianerin; sie waren Christen und in beidem geschickt und erfahren, in der Christen wie auch in der Wilden Anschlägen und Sprache. Sie hießen Johann, Diego, Domingus, Francisco und Andreas de Praga, und ihr Vater hieß Diego de Praga.
Die fünf Brüder hatten sich vorgenommen, vor etwa zwei Jahren, ehe ich dahin kam, mit anderen Wilden, so ihre Freunde waren, daselbst eine Festung zu machen nach Sitte der Wilden, was sie auch getan hatten.
Es waren auch etliche Portugiesen dahin gezogen, weil es ein schönes Land war. Das hatte ihre Feinde, die Tuppin Imba, gereizt und sich in ihrem Lande, das etwa 25 Meilen davon anfängt, gerüstet und waren in einer Nacht mit 70 Nachen da angekommen und hatten sie nach ihrer Sitte in der Stunde vor Tagesanbruch angefallen. Die Mameluken samt den Portugiesen waren in ein Haus gelaufen, das sie von Erde gemacht, und hatten sich gewehrt, solange sie konnten. So waren viel Feinde gefallen, doch zum letzten hatten die Feinde die Überhand bekommen und den Flecken Brikioka angezündet und die Eingeborenen alle gefangen, aber den Christen, deren ungefähr acht gewesen sein mochten, und den Mameluken hatten sie in dem Hause nichts tun können. Denn Gott wollte sie bewahren. Aber die andern Wilden, die sie da gefangen hatten, hatten sie sofort voneinandergeschnitten und geteilt und waren danach wiederum in ihre Landschaft gezogen.
Danach schien es den Obersten und der Gemeine gut zu sein, daß man den Ort nicht verlasse, sondern aufs stärkste befestige, weil man daselbst das ganze Land verteidigen könnte, und demgemäß hatten sie auch gehandelt.
Wie nun die Feinde solches merkten, daß für sie der Flecken Brikioka zu stark sei, fuhren sie die Nacht bei dem Flecken zu Wasser vorüber und nahmen, was sie bekommen konnten, um S. Vincente her zur Beute. Denn die weiter innen wohnten, meinten, sie hätten keine Not, weil der feste Flecken dazwischen läge.
Darauf beschlossen die Einwohner, auf der Insel S. Maro, die Brikioka nahe gegenüberliegt, auch ein Haus dicht am Wasser zu bauen und Leute hinein zu tun, um solche Fahrt der Wilden zu verhindern. So hatten sie nun auf der Insel ein Bollwerk angefangen, doch nicht geendet, weil kein portugiesischer Büchsenschütz sich darein wagen wollte.
Ich war dort, um mir die Gegend anzusehen. Als die Einwohner nun hörten, daß ich ein Deutscher war und mich etwas aufs Geschütz verstand, begehrten sie von mir, ich sollte in dem Hause auf der Insel bleiben und da der Feinde gewärtig sein; sie wollten mir mehr Gesellen verschaffen und mir eine gute Besoldung geben. Auch sagten sie, wenn ichs täte, würde ich Gewinn vom König haben, denn der König pflegte sonderlich denen, so in den neuen Landen Hilfe und Rat geben, ein gnädiger Herr zu sein.
Ich wurde mit ihnen eins, daß ich vier Monate in dem Hause dienen sollte. Danach würde ein Oberster in königlichem Auftrag mit Schiffen ankommen und ein steinernes Blockhaus dahin machen, das dann stärker sein würde, wie es auch geschehen ist. Die meiste Zeit war ich in dem Blockhaus selbdritt, hatte etlich Geschütz bei mir und war in großer Gefahr wegen der Wilden, denn das Haus war nicht fest, mußten auch fleißig Wacht halten, daß die Wilden nicht heimlich in der Nacht hinkamen. Mehrmals versuchten sie es, aber Gott half uns, daß wir ihrer vorher gewahr wurden.
Nach etlichen Monaten kam der Oberste in königlichem Auftrage, denn die Gemeine hatte dem Könige geschrieben, wie großen Übermut die Feinde hier übten; auch wie ein schönes Land es wäre, das zu verlassen nicht nützlich sei. Um die Lage zu verbessern, kam der Oberste und besah die Gegend und die Stelle, wo die Gemeine gern eine Festung haben wollte.
Da erzählten sie dem Obersten von den Diensten, die ich ihnen getan hätte, indem ich mich in das Haus begeben hatte, in das kein Portugiese gehen wollte, weil es so übel befestigt war. Das gefiel ihm wohl, und er sagte, er wollte meine Sache bei dem König vortragen, wenn ihm Gott wieder nach Portugal hülfe, und ich sollte es genießen.
Meine Zeit, die ich der Gemeine zu dienen zugesagt hatte, war um, nämlich vier Monate, und ich begehrte Urlaub. Aber der Oberste samt der Gemeine begehrte, ich sollte noch eine Zeitlang im Dienste bleiben. Darauf sagte ich zu, noch zwei Jahre zu dienen, und wenn die Zeit um wäre, sollte man mich ohne weiteres freigeben und mit den ersten Schiffen, die da wären, nach Portugal segeln lassen, wo mir mein Dienst vergolten werden sollte. Darüber gab mir der Oberst von wegen des Königs meine Privilegien, wie man sie des Königs Büchsenschützen zu geben pflegt, wenn sie es begehren. Sie machten das steinerne Bollwerk und legten etliche Stück Geschütz hinein, und das Bollwerk samt Geschütz wurde mir zur guten Wacht und Aufsicht empfohlen.
Wir mußten uns ihrer aber in zwei Zeiten im Jahre mehr besorgen als sonst, besonders wenn sie das Land ihrer Feinde mit Gewalt einzunehmen gedenken. Die eine Zeit ist im Monat November. Da werden etliche Früchte reif, die auf ihre Sprache Abbati heißen, davon machen sie ein Getränk, das sie Kawi nennen. Daneben haben sie dann die Mandiokawurzel, die mengen sie auch darunter. Sie freuen sich ein ganzes Jahr darauf, daß die Abbatizeit kommt, da sie dann das Getränk haben, zu dem sie die Feinde, die sie dann gefangen haben, beim Siegesschmaus zu verzehren pflegen.
Sodann mußten wir uns ihrer im August vermuten; dann ziehen sie einer Art Fische nach, die aus dem Meere in die süßen Wasser steigen, so in das Meer fließen, da sie darin laichen; sie heißen indianisch Bratti und auf spanisch Lysses. Um diese Zeit pflegen sie auch gemeinsam auszufahren und zu streiten. Und sie fangen diese Fische viel mit kleinen Netzen, schießen sie auch mit Pfeilen, führen auch viele gebraten mit heim, machen auch Mehl daraus, das sie Pira Kui nennen.
Ich hatte einen Wilden vom Stamme der Carios als Eigentum, der mir Wild fing und mit dem ich manchmal auch in den Wald ging.
Es geschah aber einmal, daß ein Spanier von der Insel S. Vincente zu mir auf die Insel S. Maro kam, die fünf Meilen davon entfernt war, in das Bollwerk, darin ich wohnte, und noch ein Deutscher, namens Heliodorus Hessus, Sohn von Erbanus Hessus. Heliodorus Hesse, ein Sohn des berühmten Humanisten, hatte sich 1548 im Alter von 20 Jahren nach Brasilien eingeschifft und lebte dort als Buchführer auf einer Zuckerpflanzung bei S. Vincente. A. d. H. Dieser war auf S. Vincente in einem Ingenio, da man den Zucker macht, und dieser Heliodorus war der Schreiber und Ausrichter der Kaufleute, so zu dem Ingenio gehörten. Mit demselben Heliodorus hatte ich schon vorher Verkehr gehabt, als ich mit den Spaniern den Schiffbruch litt und ihn da auf der Insel fand, wo er mir Freundschaft bewies. Er kam zu mir; wollte sehen, wie mir's ginge; hatte vielleicht auch gehört, ich sei krank.
Ich hatte meinen Sklaven den Tag zuvor in den Wald geschickt, Wild zu fangen. Ich wollte des andern Tages kommen und es holen, daß wir etwas zu essen haben möchten, denn man hat da im Lande nicht viel mehr, als was aus der Wildnis kommt.
Wie ich nun so durch den Wald ging, erhob sich auf beiden Seiten des Wegs ein groß Geschrei nach Art der Wilden und kamen auf mich zugelaufen. Da erkannte ich sie, und sie hatten mich alle rings umstellt und ihre Bogen auf mich mit Pfeilen gehalten und schossen auf mich zu. Da rief ich: »Nun helfe Gott meiner Seelen!« Kaum hatte ich das Wort gesagt, so schlugen sie mich zur Erde und schossen und stachen auf mich. Doch verwundeten sie mich nicht mehr als an einem Bein und rissen mir die Kleider vom Leib, der eine die Halskappe, der andere den Hut, der dritte das Hemd und so fort. Darauf brüsteten sie sich gegenseitig, der eine, er sei der erste bei mir gewesen, der andere, er habe mich gefangen. Inzwischen schlugen mich die andern mit den Handbogen. Doch zuletzt hoben mich zwei von der Erde nackt, wie ich war; der eine nahm mich an einem Arm, der andere am andern, etliche waren hinter, etliche vor mir und liefen so geschwinde mit mir durch den Wald nach dem Meere zu, da sie ihre Nachen hatten.
Wie sie mich zum Meere brachten, da sah ich ungefähr einen Steinwurf weit oder zwei ihre Nachen stehen; die hatten sie aus dem Meer aufs Land gezogen unter eine Hecke, und es war ihrer noch ein großer Haufe dabei. Wie mich diese herbeiführen sahen, liefen sie mir alle entgegen, nach ihrer Sitte mit Federn geziert, und bissen in ihre Arme und drohten mir, so wollten sie mich essen. Und es ging ein König vor mir her mit dem Holze, womit sie die Gefangenen totschlagen. Der rühmte und sagte, wie sie mich, ihren Sklaven, den Perot (so nennen sie die Portugiesen) gefangen hätten, und wollten nun ihrer Freunde Tod an mir rächen. Und wie sie mich zu den Nachen brachten, schlugen mich einige von ihnen mit Fäusten. Da eilten sie, die Nachen wieder ins Wasser zu schieben, denn sie fürchteten, es möchte in Brikioka ein Alarm entstehen, was auch geschah.
Ehe sie nun die Nachen wieder ins Meer brachten, banden sie mir die Hände zusammen, und sie waren nicht alle aus einer Niederlassung, und die, so ledig heimfahren sollten, verdroß es und stritten sich mit denen, so mich behielten; etliche sagten, sie wären ebenso nahe bei mir gewesen wie die beiden; sie wollten auch ihr Teil von mir haben und wollten mich da auf der Stelle gleich totschlagen.
Da stand ich und betete, sah mich um nach dem Schlage, doch zuletzt hub der König an, so mich behalten wollte, und sagte, sie wollten mich lebendig heimführen, auf daß mich auch ihre Weiber lebendig sähen und ihr Fest mit mir hätten. Denn sie wollten ihr Getränk machen und sich versammeln, ein Fest zu halten und mich miteinander zu verzehren. Bei diesen Worten ließen sie's bleiben und banden mir vier Stricke um den Hals und mußte in einen Nachen steigen, während sie noch auf dem Lande standen, und banden die Stricke an den Nachen und schoben sie ins Meer, wiederum heimzufahren.
Es liegt eine kleine Insel bei der Insel, auf der ich gefangen wurde. Dort nisten Wasservögel, die man Uwara nennt, die rote Federn haben. Sie fragten mich, ob ihre Feinde, die Tuppin Ikins, das Jahr auch dagewesen seien und die Vögel bei ihren Jungen gefangen hätten. Da sagte ich ja; aber sie wollten gleichwohl danach sehen, denn sie achten die Federn sehr hoch, so von den Vögeln kommen, denn all ihr Zierat ist gewöhnlich von Federn gemacht. Und bei den Uwara ist es so: Wenn sie jung sind, so sind die ersten Federn, die ihnen wachsen, weißgrau, die andern aber, wenn sie flügge werden, schwarzgrau. Damit fliegen sie ungefähr ein Jahr; danach werden sie so rot wie rote Farbe. Es handelt sich hier um eine südamerikanische Flamingoart. A. d. H. Und sie fuhren hin nach der Insel, meinten, die Vögel anzutreffen. Wie sie nun ungefähr zwei Büchsenschüsse von dem Ort kamen, da sie Nachen stehen hatten, sahen sie zurück. Da war es voll von wilden Tuppin Ikins, auch etliche Portugiesen darunter. Denn es war mir ein Sklave gefolgt, als ich gefangen wurde. Dieser entkam ihnen und hatte einen Lärm gemacht, daß sie mich gefangen hätten. Jetzt wollten sie mich erlösen und scharmützelten mit den Feinden und schossen mit Röhren und Pfeilen auf uns ein. Und sie banden mir die Hand wieder los, aber die Stricke um den Hals waren noch festgebunden.
So hatte nun der König des Nachens, in dem ich war, ein wenig Pulver, das ihm ein Franzose für Brasilienholz gegeben hatte; das mußte ich auf die am Lande abschießen ...
Der Kampf bleibt erfolglos, Staden wird von seinen Bedrängern fortgeführt und kommt nach dreitägiger schwerer Seefahrt in die dreißig Meilen von Brikioka entfernte Niederlassung der Indianer.
[Kap. 20.]
Wie wir nun nahe zu ihrem Wohnplatz kamen, war es ein Dörflein, das hatte sieben Hütten und nannten es Uwatibi. Wir fuhren auf eine Stelle des Ufers, unweit deren ihre Weiber Mandiokawurzeln bearbeiteten. Den Weibern mußte ich in ihrer Sprache Worte zurufen, die bedeuteten: »Ich, eure Speise, komme.« Wie wir nun an Land kamen, liefen sie alle aus den Hütten, die auf einem Berge lagen, jung und alt, mich zu besehen. Und die Männer gingen mit ihren Bogen und Pfeilen nach ihren Hütten und befahlen mich ihren Weibern. Diese nahmen mich zwischen sich; etliche gingen vor mir, etliche hinter mir, tanzten und sangen die Gesänge, wie bei ihren eigenen Leuten, die verzehrt werden sollten.
Sie brachten mich nun bis zu den Awara, das sind ihre Befestigungen, die sie wie einen Zaun aus Prügeln um ihre Hütten zur Abwehr der Feinde machen. Wie ich nun hineinkam, lief das Frauenvolk zu mir, und schlugen mich mit Fäusten und rauften mich am Bart und sagten in ihrer Sprache: »Den Schlag räche ich an dir meines Freundes wegen, den sie und darunter auch du, getötet haben.«
Danach führten sie mich in die Hütten, da mußte ich mich auf ein Inni legen; da kamen die Weiber vor wie nach schlugen und rauften mich und drohten mir, wie sie mich essen wollten.
So war das Mannsvolk in einer Hütte beieinander und tranken Kawi und hatten ihre Götter bei sich, Tamerka genannt, und sangen ihnen zu Ehren, daß sie ihnen so wohl geweissagt hatten, daß sie mich fangen sollten. Solchen Gesang hörte ich, und es kam in einer halben Stunde kein Mannsvolk zu mir, sondern allein Weiber und Kinder.
Staden wird von seinen Besitzern deren Mutterbruder, Ipperu Wasu, geschenkt. Vorher wurde er von den Frauen ausgeführt und auf einen Haufen frischer Erde vor der Hütte des »Königs«, Vratinge Wasu, d. h. Weißer Vogel, gesetzt. Dort wurden ihm mit »einem Schieberstück von einem Kristall zwischen einer Art gebogenen Reifes« die Augenbrauen abgeschnitten. Gegen das Abnehmen des Bartes wehrt er sich, doch wird er ihm nach einigen Tagen mit einer Schere, »so die Franzosen ihnen gegeben«, abgeschnitten.
[Kap. 22.]
Danach führten sie mich von dem Ort, da sie mir die Augenbrauen abgeschnitten hatten, vor die Hütten, da die Tamerka, ihre Abgötter, waren, und machten einen runden Kreis um mich her. Da stand ich mitten drin und zwei Weiber bei mir und banden mir an ein Bein etliche Dinger an einer Schnur, die rasselten, und banden mir auch eine Scheibe, von Vogelschwänzen gemacht, die viereckig war, hinten auf den Hals, daß sie mir über den Kopf ging. Darauf fing das Weibervolk an, alle miteinander zu singen, und gleich wie ihr Ton lautete, mußte ich mit dem Beine, woran sie die Rasseln gebunden hatten, niedertreten, auf daß es rasselte und zusammenstimmte. Und das Bein, an dem ich verwundet war, tat mir so wehe, daß ich kaum stehen konnte, denn ich war noch nicht verbunden.
Staden erfährt, daß der Indianerstamm mit den Franzosen Freundschaft hielt und Tauschhandel trieb, indem alle Jahre französische Schiffe mit Äxten, Messern, Spiegeln, Kämmen und Scheren kamen und dafür Brasilienholz, Baumwolle »und andere Ware als Federwerk und Pfeffer« eintauschten. Dagegen seien die Portugiesen ihre Feinde, weil sie früher von diesen angegriffen und getötet, verwundet oder zu Sklaven gemacht worden wären. Staden verwahrt sich dagegen, Portugiese zu sein, er sei ein Freund und Verwandter der Franzosen. Nach einiger Zeit kommt ein Franzose, der bei den Indianern geblieben war, um Pfeffer einzusammeln, in das Dorf, wo Staden gefangen gehalten wird, und wird zu diesem geführt. In Gegenwart der Eingeborenen fragt der Franzose den gefangenen Deutschen in französischer Sprache, und als ihm Staden hierauf nicht antworten kann, erklärt er ihn für einen Portugiesen. Nach einigen Tagen reiste der Franzose wieder ab und ließ den verzweifelnden Staden in der Hand seiner Peiniger zurück.
[Kap. 24 bis Kap. 27.]
Nach etlichen Tagen führten sie mich in ein ander Dorf, welches sie Arirab heißen, zu einem König, der hieß Konyan Bebe und war der vornehmste König unter ihnen allen. Bei demselben hatten sich etliche mehr versammelt und eine große Freude gemacht auf ihre Weise ...
Wie ich nun nahe zur Hütte kam, hörte ich ein groß Geruf von Singen und Posaunenblasen, und vor der Hütte standen fünfzehn Köpfe auf Pfählen; diese waren von Leuten, so auch ihre Feinde sind, und heißen Markayas, die sie verzehrt hatten; da dachte ich, so würden sie auch mit mir umgehen. Wie wir nun in die Hütte hineingingen, ging einer von denen, so mich verwahrten, vor mir her und sprach mit harten Worten, daß es die andern alle hörten: »Hier bringe ich den Sklaven, den Portugiesen, her.« ... Und er redete viel andere Dinge mehr, wie ihr Gebrauch ist, leitete mich, da der König saß und trank mit den andern, und hatten sich miteinander trunken gemacht in dem Getränk Kawi und sahen mich sauer an und sagten: »Bist du kommen unser Feind?« Ich sagte: »Ich bin kommen, aber ich bin nicht euer Feind.« Da gaben sie mir zu trinken. So hatte ich nun viel von dem Könige Konyan Bebe gehört, es sollte ein großer Mann sein, auch ein großer Tyrann, Menschenfleisch zu essen. Und es war einer unter ihnen, der deuchte mich wäre es, und ich ging hin zu ihm und redete mit ihm in ihrer Sprache und sagte: »Bist du der Konyan Bebe? Lebst du noch? »Ja,« sagte er, »ich lebe noch.« »Wohlan,« sagte ich, »ich habe viel von dir gehört, wie du so ein weidlicher Mann seiest.« Da stand er auf und ging vor mir her spazieren von großem Hochmut, und er hatte einen großen runden grünen Stein durch die Lippen des Mundes stecken, wie ihr Gebrauch ist. Auch machten sie so weiße Paternoster [Rosenkränze] von einer Art Seeschnecken, was ihr Zierat ist; von denen hatte dieser König auch wohl sechs Klaftern am Hals hängen. An dem Zierat merkte ich, daß es einer der vornehmsten sein müßte.
Darauf setzte er sich wieder hin und fing an, mich zu fragen, was seine Feinde, die Tuppin Ikins, anschlugen und die Portugiesen. Und sagte weiter, warum ich sie in der Feste Brikioka hätte schießen wollen, denn er hatte erfahren, daß ich da Büchsenschütz gegen sie gewesen war. Da sagte ich, die Portugiesen hätten mich dahin gestellt und hätte es tun müssen. Da sagte er, ich wäre ja auch ein Portugiese, und hieß den Franzosen, so mich gesehen hatte, seinen Sohn und sagte, der mich gesehen hätte, der sagte, ich könnte nicht mit ihm reden und ich wäre ein rechter Portugiese. Da sagte ich: »Ja, es ist wahr, ich bin lange aus dem Lande gewesen und habe die Sprache vergessen.« Da meinte er, er hätte schon fünf Portugiesen helfen fangen und essen, die alle gesagt hätten, sie wären Franzosen, und hättens doch gelogen ... Da hob er wiederum an zu fragen, was die Portugiesen von ihm sagten, sie müßten sich freilich sehr vor ihm entsetzen. Da sagte ich: »Ja, sie wissen viel von dir zu sagen, wie großen Krieg du ihnen zu machen pflegtest, aber jetzt haben sie Brikioka fester gemacht.« Ja, meinte er, er wollte sie so fangen, wie sie mich gefangen hätten in dem Walde hin und wieder.
Weiter sagte ich zu ihm: »Ja, deine rechten Feinde, die Tuppin Ikins, rüsten 25 Nachen zu und werden zu Hand kommen und in dein Land fallen«; wie auch geschah ... Er fragte mich viel und sagte mir viel. Rühmte sich mir, wie manchen Portugiesen er bereits hätte totgeschlagen und andere Wilden mehr, die seine Feinde gewesen.
Wie er so mit mir in der Rede war, wurde inzwischen das Getränk in der Hütte ausgetrunken. Da gingen sie wieder in eine andere Hütte, darin auch zu trinken war, daß er also mit der Rede nachließ.
Staden hatte nun noch gesteigerten Spott und Hohn von den andern zu erdulden. Des »Königs« Sohn band ihm die Füße zusammen und ließ ihn durch die Hütte hüpfen, und die andern befühlten seine Glieder mit Anspielungen auf den Festschmaus, den sie ihnen bieten sollten.
Mittlerweile begab es sich, daß die 25 Nachen der den Portugiesen befreundeten Tuppin Ikins, von deren Absicht ich schon vor meiner Gefangenschaft gehört hatte, das Dorf anfielen.
Wie nun die Tuppin Ikins die Hütten anfallen wollten und zu Haufe zu schießen begannen, hatten die in den Hütten darunter zu leiden, und das Weibsvolk wollte sich auf die Flucht begeben. Da sagte ich ihnen: »Ihr haltet mich für einen Portugiesen, euren Feind, gebet mir nun einen Bogen mit Pfeilen und lasset mich losgehen, so will ich euch helfen, die Hütten zu verteidigen. Sie gaben mir einen Bogen mit Pfeilen. Ich rief und schoß und machte es auf ihre Weise, so gut ich konnte, und sprach ihnen zu, daß sie wohl beherzt sein sollen, es sollte keine Not haben. Und meine Absicht war, ich wollte durch das Staket kommen, das um die Hütte herging, und zu den andern laufen, denn sie kannten mich wohl und wußten auch, daß ich in dem Dorf war. Aber sie verwahrten mich allzuwohl.
Wie die Tuppin Ikins sahen, daß sie nichts schaffen konnten, gingen sie wieder in ihre Nachen und fuhren fort. Wie sie nun hinwegfuhren, verwahrten sie mich auch wieder.
Es folgte für Staden eine Enttäuschung auf die andere. Es kam ein portugiesisches Schiff aus Brikioka, um mit den Wilden über einen Loskauf zu verhandeln. Aber die Wilden verhehlten seine Anwesenheit und verwahrten ihren Gefangenen, den sie nun um so höher schätzten, noch besser. Doch glückte es ihm auf eine ganz absonderliche Weise, sich bei seinen Herren in Ansehen zu setzen. Bei einer nächtlichen Versammlung der Indianer schaute Staden in seiner traurigen Stimmung lange den Mond an, und als sie ihn fragten, warum er so den Mond ansehe, antwortete er, der Mond sei zornig, und auf die weitere Frage Jeppipu Wasus, seines Hauptpeinigers, über wen er zornig sei, antwortete Staden: »Er sieht auf deine Hütte.« Der Zufall wollte es nun, daß bald darauf alle Insassen dieser Hütte krank wurden. Dies schrieben die
abergläubischen Indianer dem Einfluß des gefangenen Weißen oder seines zürnenden Gottes zu. Diese Gunst der Lage wußte Staden geschickt zu benutzen. Er erklärte, der Gott zürne, weil sie ihn verzehren wollten, obwohl er gar nicht Jeppipu Wasus Feind sei. Dadurch erlangte er in der Tat, daß der einflußreiche Mann versprach, wenn er wieder gesunde, werde man dem Weißen nichts tun. Als gar acht Leute seiner Verwandtschaft starben, da wiederholte Jeppipu Wasu seine Bitte und sein Versprechen und untersagte auch den andern, dem mächtigen Weißen Spott und Hohn anzutun. Jeppipu Wasu wurde bald darauf wieder völlig gesund.
Von da an glaubten die Indianer bei jedem Unfall, der sie traf, er rühre vom Staden her, der durch seinen Gott alles auszurichten vermöge. So brach für ihn eine etwas bessere Zeit an, indem sie nicht mehr davon redeten, ihn zu verzehren; nichtsdestoweniger verwahrten sie ihn gut und ließen ihn nicht allein. Auch als der Franzose, der ihn vorher im Stich gelassen hatte, wiederkam und auf Stadens Bitte erklärte, er habe ihn das erstemal nicht erkannt; er sei kein Portugiese, sondern aus Alemannien und der Franzosen Freund, erklärten Stadens Eigentümer, sie würden ihren Gefangenen niemand überlassen, außer wenn sein eigener Vater oder Bruder käme und ihnen ein Schiff voll Güter brächte.
Bald darauf zwang man Staden, dem Töten und Verzehren eines gefangenen feindlichen Indianers beizuwohnen. Die eigentümlichen, ethnologisch wichtigen Gebräuche, welche die Eingeborenen bei solchen Gelegenheiten übten, beschreibt Staden in einem späteren Kapitel eines zweiten beschreibenden Teiles zusammenfassend folgendermaßen:
Wenn sie einen Feind heimbringen, so schlagen ihn zuerst die Weiber und Jungen. Danach vermalen sie ihn mit grauen Federn, scheren ihm die Augenbrauen ab, tanzen um ihn her, binden ihn wohl, daß er ihnen nicht entläuft, und geben ihm ein Weib, das ihn verwahrt und auch mit ihm zu tun hat. Und wenn diese schwanger wird, so ziehen sie das Kind auf, bis es groß wird. Danach, wenn es ihnen in den Sinn kommt, schlagen sie es tot und essen es. Sie geben ihm wohl zu essen, halten ihn eine zeitlang, rüsten alles zu, machen viele Gefäße, darein sie die Getränke tun, backen sonderliche Gefäße, worein sie die Stoffe tun, mit denen sie ihn vermalen, machen Federquasten, die sie an das Holz binden, womit sie ihn totschlagen, und fertigen eine lange Schnur, Massurana genannt, um ihn zu binden, wenn er sterben soll. Wenn sie alles bereitet haben, so bestimmen sie eine Zeit, wenn er sterben soll, und laden die Wilden von andern Dörfern, daß sie auf die Zeit dahin kommen. Dann machen sie einen oder zwei Tage zuvor alle Gefäße voll Getränk; ehe aber die Weiber die Getränke machen, führen sie den Gefangenen ein oder zweimal auf den Platz und tanzen um ihn her.
Wenn sie nun alle, die von auswärts kommen, beieinander sind, heißt sie der Oberste der Hütten willkommen und spricht: »So kommt, helft euren Feind essen!« Den Tag zuvor, ehe sie anheben zu trinken, binden sie dem Gefangenen die Schnur Mussurana um den Hals. Desselbigen Tages vermalen sie das Holz, Iwera Pemme genannt, damit sie ihn totschlagen wollten. Dies ist länger als eine Klafter, Etwa 2 Meter lang. A. d. H. und sie streichen ein Klebemittel daran. Dann nehmen sie Eierschalen, die sehen grau aus und stammen von einem Vogel, Mackukawa genannt; die stoßen sie klein wie Staub und streichen das an das Holz. Dann sitzt eine Frau und kritzelt in dem angeklebten Eierschalenstaub. Dieweil sie malet, steht es voll Weiber um sie her, die singen. Wenn das Iwera Pemme dann ist, wie es sein soll, mit Federquasten und anderer Bereitung, hängen sie es in eine leere Hütte über die Erde an einen Prügel und singen dann darum her die ganze Nacht.
Desgleichen vermalen sie dem Gefangenen sein Angesicht. Auch dieweil das Weib an ihm malt, dieweil singen die andern. Und wenn sie anheben zu trinken, so nehmen sie den Gefangenen zu sich, der trinkt mit ihnen, und sie schwatzen mit ihm.
Wenn das Trinken nun ein Ende hat, des andern Tages darauf ruhen sie und machen dem Gefangenen ein Hüttlein auf den Platz, da er sterben soll. Dadrin liegt er die Nacht wohlverwahrt. Dann gegen Morgen eine gute Weile vor Tage gehen sie tanzen und singen um das Holz her, damit sie ihn totschlagen wollen, bis daß der Tag anbricht. Dann ziehen sie den Gefangenen aus dem Hüttlein, brechen das Hüttlein ab und machen Raum. Dann binden sie ihm die Mussurana von dem Hals ab und binden sie um den Leib her, ziehen sie zu beiden Seiten steif. Er steht mitten drin gebunden, und ihrer viel halten die Schnur auf beiden Enden; lassen ihn so eine Weile stehen und legen ihm kleine Steine hin, damit er nach den Weibern werfe, so um ihn herlaufen und drohen, ihn zu essen. Diese sind nun gemalt und dazu angewiesen, wenn er zerschnitten würde, mit den ersten vier Stücken um die Hütten herzulaufen. Daran haben die andern Kurzweil.
Wenn das geschehen ist, machen sie ein Feuer ungefähr zwei Schritte weit von dem Sklaven. Das Feuer muß er sehen. Danach kommt eine Frau mit dem Holz Iwera Pemme gelaufen, kehrt die Federquasten in die Höhe, kreischt vor Freuden und läuft bei dem Gefangenen vorüber, daß er es sehen soll.
Wenn das geschehen ist, so nimmt eine Mannsperson das Holz, stellt sich damit vor den Gefangenen und hält es vor ihn, daß er es ansieht. Dieweil geht der, welcher ihn totschlagen will, hin samt dreizehn oder vierzehn und machen ihre Leiber grau mit Asche. Dann kommt er mit seinen Gesellen auf den Platz zu dem Gefangenen, so überliefert der andere, so vor dem Gefangenen steht, diesem das Holz; so kommt dann der König der Hütten und nimmt das Holz und steckt es dem, der den Gefangenen totschlagen soll, einmal zwischen den Beinen her, was nun eine Ehre unter ihnen ist. Dann nimmt der wiederum das Holz, der den totschlagen soll, und sagt dann: »Ja, hier bin ich; ich soll dich töten, denn die deinen haben meiner Freunde auch viel getötet und gegessen.« Antwortet er: »Wann ich tot bin, so habe ich noch viel Freunde, die werden mich wohl rächen.« Damit schlägt er ihm hinten auf den Kopf, daß ihm das Hirn daraus springt. Alsbald nehmen ihn die Weiber, ziehen ihn auf das Feuer, kratzen ihm die Haut alle ab, machen ihn ganz weiß, stopfen ihm den Hintersten mit einem Holze zu, auf daß ihnen nichts entgehet.
Wann ihm dann die Haut abgefegt ist, nimmt ihn eine Mannsperson, schneidet ihm die Beine über den Knien ab und die Arme an dem Leibe. Dann kommen die vier Weiber und nehmen die vier Stücke und laufen damit um die Hütten her und machen ein großes Freudengeschrei. Danach schneiden sie ihm den Rücken mit dem Hintersten von dem Vorderteil ab. Dasselbige teilen sie dann unter sich, aber das Eingeweide behalten die Weiber; sie sieden es, und in der Brühe machen sie einen Brei, Mingau genannt, den trinken sie und die Kinder. Das Eingeweide essen sie, essen auch das Fleisch um das Haupt her. Das Hirn in dem Haupt, die Zunge und was sie sonst davon genießen können, essen die Jungen.
Wenn das alles geschehen ist, so geht dann ein jeder wiederum heim und nehmen ihr Teil mit sich. Derjenige, so diesen getötet hat, gibt sich noch einen Namen. Und der König der Hütten kratzt ihm mit dem Zahne eines wilden Tieres oben an die Arme. Wenn es recht geheilt ist, so sieht man die Zeichen, das ist die Ehre dafür. Dann muß er denselben Tag still liegen in einem Netz; man gibt ihm einen kleinen Flitschbogen mit einem Pfeil, damit er die Zeit vertreibt, und schießt in Wachs. Das geschieht darum, daß ihm die Arme nicht ungewiß werden von dem Schrecken des Totschlagens.
Dies alles habe ich gesehen und bin dabei gewesen.
Staden fügt seiner Beschreibung der kannibalischen Gebräuche noch folgende Bemerkungen hinzu:
Sie können auch bei keiner gesetzten Zahl weiter zählen als bis auf fünf. Wenn sie weiter zählen wollen, weisen sie es mit Fingern und Zehen der Füße. Wenn sie von großer Zahl reden wollen, weisen sie auf vier oder fünf Personen; so viel Finger und Zehen die haben.
Wertvoll ist auch die Schilderung, die Staden von der Bereitung der Getränke und ihren Trinkgebräuchen gibt:
Das Weibsvolk macht die Getränke. Sie nehmen die Wurzel Mandioka und sieden große Töpfe voll; wenns gesotten ist, nehmen sie es aus den Töpfen, gießen es in andere Töpfe oder Gefäße und lassen es ein wenig kalt werden. Dann setzen sich die jungen Mägde dazu und kauen es mit dem Munde, und das Gekaute tun sie in ein besonderes Gefäß.
Wenn die gesottenen Wurzeln alle gekaut sind, tun sie das Gekaute wieder in den Topf und gießen ihn wieder voll Wassers, vermengen es mit den gekauten Wurzeln und lassen es wiederum warm werden.
Dann haben sie sonderbare Gefäße, die sie halb in die Erde begraben haben, gleichwie man hier Fässer für Wein oder Bier gebraucht. Da gießen sie es dann ein und machens wohl zu; das gärt in sich selbst, wird stark, lassen es also zwei Tage stehen. Danach trinken sie es, werden trunken davon. Ist dick, nährt auch wohl.
Es macht jede Hütte ihr besonderes Getränk. Und wenn sich ein Dorf will fröhlich machen, was gewöhnlich des Monats einmal geschieht, so gehn sie erst alle miteinander in eine Hütte, trinken da erst aus, das geht so in der Reihe, bis sie die Getränke in allen Hütten ausgetrunken haben.
Sie setzen sich um die Gefäße her, da sie trinken; etliche auf Feuerbrände, etliche auf die Erde. Die Weiber reichen ihnen die Getränke sein ordentlich. Etliche stehen, singen und tanzen um die Gefäße her. Und auf der Stelle, da sie trinken, schlagen sie auch ihr Wasser ab.
Das Trinken währt die ganze Nacht, tanzen auch wohl zwischen den Bränden her, rufen und blasen mit Posaunen, machen ein schrecklich Geschrei, wenn sie trunken werden. Auch sieht man wenig, daß sie da uneins werden. Sie sind auch einander sehr günstig [freundlich gesinnt]; was der eine mehr hat von Essensspeise denn der andere, teilt er ihm mit.
[Kap. 30 bis Kap. 37.]
Wie ich nun im fünften Monat bei ihnen gewesen war, kommt wieder ein Schiff von der Insel S. Vincente dahin. So haben die Portugiesen dies im Gebrauch, daß sie gleichwohl in ihrer Feinde Land fahren, aber wohlgerüstet, und handeln mit ihnen. Geben ihnen Messer und Sicheln für Mandiokamehl. Denn dies haben die Wilden an manchen Stellen viel, und die Portugiesen, so der Sklaven viel haben zum Zuckerbau, die benötigen das Mehl, sie damit zu speisen. Und wann die Schiffe so kaufschlagen mit den Wilden, so kommen dieser Wilden ein oder zwei in einem Nachen und reichen ihnen, so gut es geht, die Ware. Danach heischen sie, was sie dafür haben wollen. Das geben ihnen dann die Portugiesen. Dieweil aber die zwei bei dem Schiff sind, halten ihrer etliche Nachen voll von fern und sehen zu. Und wann dann das Kaufschlagen geschehen ist, so fangen die Wilden oftmals an und scharmützeln mit den Portugiesen und schießen Pfeile nach ihnen; dann fahren sie wiederum hin.
Das vorgenannte Schiffsvolk schoß ein Stück Geschützes ab, damit die Wilden hörten, daß ein Schiff da wäre, und sie [die Indianer] fuhren dahin. Da hatten sie [die Portugiesen] nach mir gefragt, ob ich noch lebte. Und auf die Antwort »Ja« hatten die Portugiesen begehrt, daß sie mich sehen wollten, denn sie hätten eine Kiste voll Waren für mich, die brächte mein Bruder, auch ein Franzose, welcher mit ihnen im Schiff wäre.
Es war auch ein Franzose, Claudio Mirando, mit den Portugiesen im Schiff, der vormals mein Genosse gewesen war; den nannte ich meinen Bruder. Und sie kamen wieder von dem Schiffe ans Land und sagten mir, mein Bruder wäre noch einmal gekommen mit einer Kiste voll Waren und möchte mich gern sehen. Da sagte ich: »Führt mich so von fern hinzu; ich will mit meinem Bruder reden, die Portugiesen verstehen uns nicht, und ich will ihm sagen, daß er unserm Vater anzeige, wann er heimkomme, daß er mit einem Schiff komme und bringe viel Gezeugs mit und hole mich.«
Sie meinten, es wäre also gut, aber sie besorgten, daß uns die Portugiesen verständen, denn sie hatten einen großen Kriegszug im August nach Brikioka vor, wovon ich wußte. Darum fürchteten sie, daß ich davon etwas mit ihnen redete. Aber ich sagte: »Nein, die Portugiesen verstehen uns nicht.« Da führten sie mich ungefähr einen Steinwurf von dem Schiff so nackt, wie ich allzeit unter ihnen ging.
Da sprach ich sie an in dem Schiff: »Gott der Herr sei mit euch, liebe Brüder! Einer rede mit mir allein und laßt euch anders nicht hören, denn daß ich ein Franzose bin.« Da hob einer an, Jean Sanchez [?] genannt, ein Baske, den ich wohl kannte, und sagte zu mir: »Mein lieber Bruder, Eurethalben sind wir herkommen mit dem Schiffe und haben nicht gewußt, ob Ihr lebend oder tot gewesen seid, denn das erste Schiff brachte keine Nachricht von Euch. Nun hat uns der Hauptmann befohlen, zu forschen, ob Ihr noch am Leben wärt, und wann wir solches vernehmen, sollten wir hören, ob sie Euch auch verkaufen wollten, wo nicht, sollten wir sehen, ob wir etliche fangen könnten.«
Die mißtrauischen Indianer machten der Wechselrede bald ein Ende; doch kann Staden seine Freunde noch vor dem Überfall im August warnen und dagegen erfahren, daß die mit den Portugiesen verbündeten Indianer sich ebenfalls zu einem Kriegszug gegen die Tuppin Imba rüsteten und zu Stadens Befreiung das Dorf, wo er wäre, überfallen wollten.
Da nahm ich die Messer und Angelhaken aus der Kiste, die mir die Portugiesen gebracht hatten, gab sie ihnen und sagte: »Dies alles hat mir mein Bruder, der Franzose, gegeben.« Da fragten sie mich, was er alles mit mir geredet hätte. Da sagte ich, ich hätte meinem Bruder befohlen, er sollte sehen, daß er den Portugiesen entkäme und zöge in unser Vaterland und brächten ein Schiff mit vielen Gütern und holten mich, denn sie [die Indianer] wären brav und hielten mich wohl, das wollte ich ihnen dann lohnen, wenn das Schiff käme. Und mußte also alle Zeit das Beste hervorheben, und das gefiel ihnen wohl.
Danach sagten sie untereinander: »Er muß gewiß ein Franzose sein, laßt uns ihn nun fortan besser halten. Also ging ich da eine zeitlang unter ihnen und sagte: »Es wird bald ein Schiff nach mir kommen,« damit sie mich gut behandelten. Danach führten sie mich in den Wald hin und wider; wo sie etwas zu tun hatten, mußte ich ihnen helfen.
In dem Dorfe, wo Staden festgehalten wurde, war ein Sklave aus dem Stamm der Carios, der vorher Eigentum der Portugiesen gewesen, diesen aber entlaufen und zu den Tuppin Imbas gekommen war. Dieser hetzte die Indianer, soviel er konnte, gegen Staden auf, der, wie er behauptete, in Brikioka viele Tuppin Imbas getötet habe. Dieser Sklave wurde ernstlich krank, und als seine Herren sahen, daß er nicht wieder gesund werden wollte, töteten sie ihn und verzehrten ihn nach ihrer Sitte.
[Kap. 39].
Ungefähr acht Tage zuvor, wie sie wollten zu Kriege ausziehen, so war ein französisch Schiff acht Meilen von dort in einer Bucht angekommen, welche die Portugiesen Rio de Janeiro nennen und in der Sprache der Wilden Iteronne. Daselbst pflegen die Franzosen Brasilienholz zu laden. So kamen sie nun zu dem Dorf, da ich war, auch mit ihrem Boot und handelten den Wilden Pfeffer, Meerkatzen und Papageien ab. Und es kam einer aus dem Boot ans Land, der konnte die Sprache der Wilden und hieß Jakob. Dieser handelte mit ihnen, und den bat ich, daß er mich mit zu Schiffe nehme. Aber meine Herren sagten, sie wollten mich so nicht hinschicken, sondern wollten viel Ware für mich haben. Da sagte ich ihnen, daß sie mich selbst hin zum Schiff brächten, meine Freunde sollten ihnen Ware genug geben. Sie meinten aber: »Nein, das sind deine rechten Freunde nicht. Denn die, so mit dem Boot hier sind, hätten dir ein Hemd gegeben, dieweil du nackt gehst. Aber sie achten nichts auf dich« (wie es auch war). Aber ich sagte, sie würden mich im großen Schiff kleiden, wenn ich dahin käme. Sie sagten, das Schiff würde nicht so bald hinwegfahren, sie müßten erst zu Kriege? aber wenn sie wiederkämen, würden sie mich hinführen.
So wollte nun das Boot wiederum hinwegfahren, denn es hatte eine Nacht beim Dorf geankert. Wie ich nun sähe, daß sie mit dem Boot wieder hinwegfahren wollten, gedachte ich: »O du gütiger Gott, wenn das Schiff nun auch hinwegfährt und mich nicht mitnimmt, werde ich doch noch unter ihnen umkommen, denn es ist ein Volk, auf das kein Vertrauen ist.« Mit den Gedanken ging ich zu den Hütten hinaus nach dem Wasser zu, und sie wurden es gewahr und liefen mir nach. Ich lief vor ihnen her, und sie wollten mich greifen. Den ersten, so zu mir kam, schlug ich von mir. Und es war das ganze Dorf hinter mir. Doch entkam ich ihnen und schwamm zu dem Boot. Wie ich nun in das Boot steigen wollte, stießen mich die Franzosen wieder hinweg, meinten, wo sie mich wider der Wilden Willen mitnähmen, möchten sie sich auch gegen sie erheben und auch ihre Feinde werden.
Da schwamm ich betrübt wieder nach dem Lande zu und dachte: »Nun sehe ich, daß es Gottes Wille ist, daß ich länger im Elend bleibe.« ...
Wie ich nun wieder zu ihnen ans Land kam, waren sie fröhlich und sagten: »Nein, er kommt wieder.«
Da zürnte ich mit ihnen und sagte: »Meint ihr, daß ich euch so entlaufen wollte? Ich bin da im Boot gewesen und habe meinen Landsleuten gesagt, daß sie sich darauf bereiteten, wenn ihr aus dem Krieg kämt und mich dahin brächtet, daß sie dann viel Ware beieinander hätten und euch gäben.«
Solches behagte ihnen wohl und waren wieder zufrieden.
Danach in vier Tagen versammelten sich etliche Nachen, die zu Kriege ziehen wollten, in dem Dorfe, wo ich war. Da kam der Oberste Konyan Bebe mit den Seinen auch dahin. Da sagte mein Herr, er wollte mich mitnehmen. Sagte ich, er sollte mich daheim lassen, und er hätte es auch wohl getan, doch sagte Konyan Bebe, er sollte mich mitnehmen ... Auch war meine Meinung gewesen, wenn sie mich daheim gelassen hätten, ich wollte nach dem französischen Schiff entlaufen sein.
Sie nahmen mich aber mit und waren 38 Nachen stark und jeder Nachen etwa mit 18 Mann besetzt ... Und ihre Meinung war, in die Nähe von Brikioka zu fahren, wo sie mich gefangen hatten, sich daselbst um den Flecken im Walde zu verstecken und diejenigen, so ihnen dermaßen in die Hände fielen, mitzunehmen ...
Wie wir nun eine Tagereise von der Stelle entfernt waren, da sie ihren Anschlag vollbringen wollten, lagerten sie sich im Gehölz bei der Insel San Sebastian.
Wie der Abend ankam, ging der Oberste Konyan Bebe durch das Lager im Walde und sagte, sie wären jetzt nahe zum Land der Feinde gekommen. Jeder sollte seinen Traum behalten, den er in der Nacht träumen würde, und sie sollten zusehen, daß sie sich etwas Glückliches träumen ließen. Wie die Rede aus war, tanzten sie mit ihren Abgöttern bis in die Nacht; danach schliefen sie. Wie mein Herr sich niederlegte, sagte er, ich sollte mir auch etwas Gutes träumen lassen. Ich sagte: »Ich achte auf keine Träume, sie sind falsch.« »So mache,« sagte er, »mit deinem Gott gleichwohl, daß wir Feinde fangen.«
Wie der Tag nun anbrach, versammelten sich die Obersten um ein Becken gesottener Fische, welche sie aßen, und erzählten die Träume, so viel, daß sie ihnen wohlgefielen; etliche tanzten mit den Abgöttern, und sie waren willens, jetzt in das feindliche Land zu fahren bis zu einem Ort Boiwassu Kange, wo sie dann den Abend erwarten wollten.
Wie wir nun ausfuhren, fragten sie mich noch einmal, was mir dünkte. Da sagte ich aufs Geratewohl: »Bei Boiwassu Kange werden uns die Feinde entgegenkommen, seid nur freimütig.« Unbesorgt. A. d. H. Und bei Boiwassu Kange, war meine Meinung, wollte ich ihnen entlaufen sein, wenn wir dahin gekommen wären. Denn da sie mich gefangen hatten, waren wir sechs Meilen Wegs von demselben Ort gewesen.
Wie wir nun so fortfuhren an dem Lande her, so sahen wir auch Nachen, die kamen uns entgegen hinter einer Insel her. Da riefen sie: »Da kommen unsere Feinde, die Tuppin Ikins auch her.« Doch wollten sie sich mit den Nachen hinter einem Fels verbergen, auf daß die andern unversehens zu ihnen kommen sollten. Gleichwohl wurden sie unser gewahr und begaben sich wiederum auf die Flucht nach ihrer Heimat. Und wir ruderten ihnen aufs geschwindeste nach wohl vier ganze Stunden. Danach kamen wir sie an, und ihrer waren fünf Nachen voll, alle von Brikioka. Ich kannte sie alle miteinander. Es waren sechs Mameluken in einem der fünf Nachen. Diese waren getauft und zwei davon waren Brüder, Diego de Praga und Domingo de Praga. Die beiden wehrten sich trefflich, der eine mit einem Rohr, der andere mit einem Bogen; sie hielten sich in ihren Nachen zwei ganze Stunden gegen etliche dreißig Nachen der Unsern. Wie sie nun ihre Pfeile verschossen hatten, fielen die Tuppin Imba sie an, nahmen sie gefangen, und etliche wurden alsbald totgeschlagen oder geschossen. Die beiden Brüder wurden nicht verwundet. Aber zwei von den sechs Mameluken wurden schwer verwundet und von den Tuppin Ikins auch etliche, darunter eine Frau.
Es war zwei Meilen vom Lande entfernt, da sie gefangen wurden, und sie beeilten sich, so sehr sie konnten, ans Land zu kommen und sich zu lagern. Als wir nun in das Land Meien kamen, war es Abend, und die Sonne wollte untergehen; da leiteten sie die Gefangenen ein jeder seinen in die Hütten. Aber die Schwerverwundeten zogen sie ans Land, schlugen sie sofort tot, schnitten sie nach ihrem Gebrauch in Stücke und brieten das Fleisch – darunter waren auch zwei Mischlinge, der eine des Diego de Praga Blutsverwandter.
Staden tröstet die andern Gefangenen mit dem Hinweis auf seine Person, die so lange unversehrt bei den Wilden geblieben sei. An diesem Abend hätte Staden entlaufen können, denn man ließ ihn unbewacht gehen, wohin er wollte, und er kannte von früher die Gegend, die von der Brikioka nur zehn Meilen entfernt war.
Aber ich unterließ es um der gefangenen Christen willen, von denen noch vier am Leben waren. »Denn,« gedachte ich, »entlaufe ich ihnen, so werden sie zornig und schlagen meine Brüder von Stund an tot. Vielleicht erhält uns mittlerweile Gott alle miteinander,« und gedachte also, bei ihnen zu bleiben und sie zu trösten, wie ich auch tat. Aber die Wilden waren mir sehr günstig, weil ich vorher auf gut Glück gesagt hatte, die Feinde würden uns begegnen. Wie es nun so geschah, sagten sie, ich wäre ein besserer Prophet als ihr Miraka.
Des andern Tages kamen wir in die Nähe ihrer Landschaft zu einem großen Gebirge, Occarasu genannt. Daselbst lagerten sie sich, die Nacht da zu bleiben. Da ging ich in die Hütte ihres obersten Königs Konyan Bebe und fragte ihn, was er mit den Mischlingen im Sinn hätte. Er sagte, sie sollten gegessen werden, und verbot mir, ich sollte nicht mit ihnen reden, denn er wäre sehr zornig auf sie; sie hätten daheim bleiben sollen und nicht mit seinen Feinden gegen ihn gezogen sein. Ich sagte, er sollte sie leben lassen und seinen Freunden wiederum verkaufen. Er sagte, sie sollten gegessen werden.
Und derselbe Konyan Bebe hatte einen großen Korb voll Menschenfleisch vor sich, aß von einem Beine, hielt mir es vor den Mund, fragte mich, ob ich auch essen wollte. Ich sagte: »Ein unvernünftig Tier frißt kaum das andere, sollte da ein Mensch den andern fressen?« Er biß darein und sagte: »Jau ware sche, ich bin ein Tigertier, es schmeckt wohl.« Und damit ging ich von ihm ... Danach am dritten Tage kamen wir wieder in ihre Landschaft; ein jeder führte seine Gefangenen dahin, wo er zu Hause war. Die in dem Dorfe Uwattibi, wo ich lebte, hatten acht Wilde lebendig gefangen und drei Mischlinge, die Christen waren, nämlich die genannten Brüder und einen gewissen Antonio; den hatte meines Herrn Sohn gefangen. Und noch zwei Mischlinge, die Christen waren, führten sie gebraten heim, da zu essen.
Und wir waren in den elften Tag auf der Reise aus und wieder zu Hause.
Staden muß nun noch öfter den Greuel des Kannibalismus ansehen. Das französische Schiff ist noch anwesend; es wird aber seine Freigebung mit nichtigen Vorwänden verweigert. Es glückt ihm bald darauf, den Tod einer ihm übelwollenden Frau, auch verschiedene Witterungswechsel vorherzusagen. Die Achtung und Furcht der Indianer vor ihm steigt. Sie wollen ihn von ihrem Dorf wegtun. Doch gab er noch vorher in einem Abschiedsgespräch den gefangenen Brüdern genaue Anweisung, wie und wohin sie entfliehen sollten. In der Tat gelang es ihnen auch, kurze Zeit darauf zu entweichen.
[Kap. 44 bis Kap. 48.]
Sie fuhren mit mir hin, da sie mich verschenken wollten. Und wie wir so ein Stück Weges vom Lande waren, sah ich mich um nach den Hütten, da wir ausfuhren, und es war eine schwarze Wolke über den Hütten. Ich zeigte es ihnen und sagte, mein Gott wäre zornig über das Dorf, weil sie das Christenfleisch gegessen hätten ... Wie sie mich nun hinbrachten, überlieferten sie mich dem König, Abbati Bossange genannt. Dem sagten sie, daß er mir keine Überlast tun sollte oder tun lassen, denn mein Gott wäre schrecklich über die, so mir leid täten. Denn das hätten sie gesehen, da ich noch bei ihnen gewesen wäre. Und ich tat ihm auch selbst eine Vermahnung und sagte, es würden bald meine Brüder und meine Verwandten kommen, mit einem Schiff voll Ware; sie sollten mich nur wohl verwahren, dann wollte ich ihnen Ware geben ... Das behagte ihm wohl. Der König nannte mich Sohn, und ich ging mit seinen Söhnen aufs Weidwerk.
Das französische Schiff, mit dem Staden die Rückreise anzutreten gehofft hatte, und in dem sich unter andern der Franzose befand, der unsern Gefangenen nicht als Landsmann anerkennen wollte und den Indianern empfohlen hatte, ihn zu töten – dieses Schiff hatte endlich seine Ladung vollendet und war abgesegelt. Wie Staden später erfuhr, ist es aber nicht in Frankreich angekommen und niemand weiß, wo es geblieben ist.
[Kap. 50.]
Ich war ungefähr vierzehn Tage bei dem König Abbati Bossange, so begab es sich eines Tags, daß etliche Wilden zu mir kamen und sagten, sie hätten hören schießen, es müßte in Iteronne (Rio de Janeiro) sein. Wie ich nun gewißlich erfuhr, daß ein Schiff da war, sagte ich ihnen, sie sollten mich dahin bringen, denn es würden vielleicht meine Brüder sein. Sie sagten ja, hielten mich gleichwohl noch etliche Tage auf.
Mittlerweile begab es sich, daß die Franzosen, so dahin gekommen waren, hörten, daß ich da unter den Wilden wäre. Da schickte der Kapitän zwei Gesellen vom Schiff samt etlichen wilden Königen, die sie in der Gegend zu Freunden hatten; sie kamen alle in eine Hütte unweit der, worin ich mich befand. Mir wurde von den Wilden die Nachricht gebracht, daß zwei vom Schiff gekommen wären.
Ich wurde froh, ging hin zu ihnen und hieß sie willkommen in der Sprache der Wilden. Wie sie mich nun so elend gehen sahen, hatten sie ein Mitleid mit mir und teilten mir von ihren Kleidern mit. Ich fragte sie, warum sie gekommen wären. Sie sagten: meinethalben; es sei ihnen befohlen, daß sie mich zu Schiff brächten; dazu sollten sie alle Anschläge machen. Da erfreute sich mein Herz über die Barmherzigkeit Gottes. Und ich sagte zu dem einen von den beiden, Perot, welcher der Wilden Sprache konnte, er sollte vorwenden, er wäre mein Bruder und hätte mir da ein paar Kisten voll Kaufmannsgut gebracht; sie wollten mich mit sich ins Schiff nehmen, um die Güter zu holen. Und er wendete weiter vor, ich sollte unter ihnen [den Indianern] bleiben, Pfeffer und andere Ware mehr zu sammeln, bis daß die Schiffe wiederkämen im andern Jahr.
Unter diesen Reden brachten sie mich zu Schiff, und mein Herr zog selbst mit. Im Schiff hatten sie alle groß Mitleiden mit mir und taten mir viel Gutes.
Wie wir nunmehr einen [?] Tag oder fünf zu Schiff gewesen waren, fragte mich der wilde König, Abbati Bossange, dem ich geschenkt war, wo die Kisten wären, daß ich sie mir geben ließ, daß wir wieder in Zeiten heimkommen möchten. Dies sagte ich dem Obersten des Schiffes. Der befahl mir, ich sollte ihn aufhalten, bis das Schiff seine volle Last hätte, für den Fall, daß sie zornig werden und Ungemach zu bereiten versuchen sollten, wenn sie sähen, daß sie mich im Schiff behielten, oder sonst eine Verräterei anrichteten, sintemal es ein Volk ist, da kein Vertrauen darauf ist.
Aber mein Herr, der König, wollte mich durchaus mit heimnehmen. Doch ich hielt ihn so lange auf mit Worten und sagte, er sollte nicht so eilen, denn er wüßte wohl, wenn gute Freunde zusammenkämen, könnten sie so bald nicht scheiden. Wenn sie aber mit dem Schiff wieder hinwegfahren wollten, wollten wir auch wiederum nach seiner Hütte ziehen, und hielten ihn so auf.
Endlich wie das Schiff gerüstet war, versammelten sich die Franzosen im Schiff alle beieinander, und ich stand bei ihnen, und mein Herr, der König, samt denen, so er mit sich hatte, standen auch da. Und der Hauptmann des Schiffes ließ den Wilden sagen mit seinem Dolmetsch, es behage ihm sehr wohl, daß sie mich nicht getötet hätten, nachdem sie mich unter ihren Feinden gefangen hätten. Ließ weiter sagen (mich mit besserer Möglichkeit von ihnen abzubringen), er hätte mich vom Lande ins Schiff fordern lassen, daß er ihnen etwas geben wollte, daß sie mich so wohl verwahrt hätten, auch wäre seine Absicht, er wollte mir etliche Ware geben, daß ich unter ihnen bleiben sollte, dieweil ich bei ihnen bekannt wäre, daß ich Pfeffer und andere Ware sammelte, die ihm dienlich wäre, bis daß er wiederkäme.
So hatten wir es nun so beschlossen, daß etliche von den Schiffsleuten sich versammelten, die mir einigermaßen ähnlich sähen. Diese gaben vor, sie wären meine Brüder und wollten mich heim haben. Dies ward ihnen [den Indianern] vorgehalten. Diese meine Brüder wollten keineswegs, daß ich mit ihnen [den Wilden] wieder an Land ziehen sollte, sondern ich sollte heim ziehen, denn unser Vater begehrte, mich noch einmal zu sehen, ehe denn er stürbe.
Da ließ ihnen der Kapitän wieder sagen, er wäre ihr Oberster im Schiff und hätte gern, daß ich mit ihnen wieder an Land zöge, aber er wäre nur ein Mensch, und meiner Brüder wären viel, er könnte nicht wider sie tun. Dieses Vorwenden geschah alles, daß sie sich wollten mit Glimpf von den Wilden scheiden. Und ich sagte auch meinem Herrn, dem Könige, ich wollte gern mit ihm heim ziehen, aber er sehe wohl, daß es meine Brüder nicht zulassen wollten. Da fing er an zu schreien im Schiffe und sagte, wenn sie mich denn ja mitnehmen wollten, daß ich dann mit dem ersten Schiffe wiederkäme, denn er hätte mich wie seinen Sohn gehalten und wäre sehr zornig über die von Uwattibi, daß mich die hatten essen wollen.
Und seiner Weiber eins, welches mit im Schiff war, mußte mich beschreien nach ihrer Gewohnheit, und ich schrie auch nach ihrem Gebrauch. Nach dem allem gab ihm der Hauptmann etliche Ware, möchte sich auf fünf Dukaten Wert in Messern, Äxten, Spiegeln und Kämmen belaufen. Damit zogen sie wiederum an Land in ihre Wohnungen.
So half mir der Allmächtige aus der Gewalt der Tyrannen.
Aber noch vor der Abfahrt aus dem Hafen von Rio de Janeiro, die am letzten Oktober 1644 stattfand, traf Staden neues Unheil. Das französische Schiff wollte sich eines portugiesischen Fahrzeugs, das mit den Eingeborenen Handel getrieben hatte, bemächtigen. Die Portugiesen wehrten sich tapfer und erfolgreich ihrer Haut, und von ihren Kugeln wurde unter andern auch Staden, wie es schien, auf den Tod verwundet. Er genas aber völlig und lief am 20. Februar 1555 wohlgemut in Honfleur in der Normandie ein. Von dort fuhr Staden nach London und weiter über einen seeländischen Hafen nach Antwerpen. »So hat mir der Allmächtige Gott, dem all Ding möglich ist, ins Vaterland wieder geholfen. Ihm sei ewig Lob. Amen.«