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Freund! Die Anschauung muß, insofern sie als der Punkt betrachtet wird, von dem der Unterricht ausgeht, von der Anschauungskunst, welche die Lehre der Verhältnisse aller Formen ist, gesondert werden; als allgemeines Fundament aller drei Elementarmittel des Unterrichts geht sie der Anschauungskunst sowie der Rechenkunst und Sprachkunst lange vorher. Wenn man die Anschauung im Gegensatz der Anschauungskunst einzeln und für sich betrachtet, so ist sie nichts anders als das bloße Vor-den-Sinnen-Stehen der äußern Gegenstände und die bloße Regmachung des Bewußtseins ihres Eindrucks; mit ihr fängt die Natur allen Unterricht an; der Säugling genießt ihn, die Mutter gibt ihn; aber die Kunst hat nichts getan, hierin mit der Natur gleichen Schritt zu halten; umsonst stand das schönste Schauspiel, die Mutter, die ihrem Unmündigen die Welt zeigt, vor ihren Augen, sie hat nichts, sie hat für das Volk gar nichts an dieses Schauspiel gekettet.
Ich will Dir, lieber Geßner, die Stelle, die mir das Gefühl unserer erwähnten Kunst über diesen Gesichtspunkt schon vor einem Jahre ausgepreßt, hier abschreiben: »Von dem Augenblick an, da die Mutter das Kind auf den Schoß nimmt, unterrichtet sie es, indem sie das, was die Natur ihm zerstreut in großen Entfernungen und verwirrt darlegt, seinen Sinnen näherbringt und ihm die Handlung des Anschauens und folglich die von ihr abhängende Erkenntnis selber leicht, angenehm und reizend macht.
Kraftlos, ungebildet, der Natur ohne Leitung und ohne Nachhilfe anhängend, weiß die Mutter in ihrer Unschuld selbst nicht, was sie tut; sie will nicht unterrichten, sie will bloß ihr Kind beruhigen, sie will es beschäftigen; aber demungeachtet geht sie den hohen Gang der Natur in seiner reinsten Einfachheit, ohne daß es ihr bekannt ist, was diese durch sie tut, und die Natur tut doch sehr viel durch sie; sie eröffnet dem Kinde auf diese Weise die Welt; sie bereitet es so zum Gebrauch seiner Sinne und zur frühen Entwicklung seiner Aufmerksamkeit und seines Anschauungsvermögens vor.
Würde jetzt dieser hohe Gang der Natur benutzt, würde daran angekettet, was daran angekettet werden kann, würde es dem Herzen der Mütter durch die helfende Kunst möglich gemacht, das, was sie beim Unmündigen durch einen blinden Naturantrieb genötiget tut, beim Anwachsenden mit weiser Freiheit fortzusetzen, würde dann auch das Herz und die Lage des Vaters zu diesem Zwecke benutzt und auch ihm durch die helfende Kunst möglich gemacht, an die Lage und Verhältnisse des Kindes alle die Fertigkeiten anzuketten, die es bedarf, um durch eine gute Besorgung seiner wesentlichen Angelegenheiten durch sein ganzes Leben zur innern Zufriedenheit mit sich selbst zu gelangen, wie leicht müßte es nicht sein, vieles, sehr vieles dazu beizutragen, unser Geschlecht und jeden einzelnen Menschen im ganzen Umfang seiner Stellung dahin zu erheben, selbst mitten unter den Schwierigkeiten ungünstiger Lagen und unter allem Übel ungünstiger Zeiten, sich ein stilles, ruhiges und befriedigendes Leben zu sichern!
Gott! was wäre für die Menschheit gewonnen! Aber wir sind auch hierin nicht einmal so weit als das Appenzeller Weib, das seinem Kinde schon in den ersten Wochen seines Lebens einen mit vielen Farben bemalten großen papiernen Vogel über die Wiege hängt und auf diese Weise bestimmt den Punkt bezeichnet, an welchem die Kunst anfangen sollte, dem Kinde die Gegenstände der Natur zum festen und klaren Bewußtsein zu bringen.«
Lieber Freund! Wer es gesehen, wie das zwei- und dreiwöchige Kind mit Händen und Füßen nach diesem Vogel hinlangt, und sich dann denkt, wie leicht es der Kunst möglich wäre, durch eine Reihenfolge solcher sinnlichen Darstellungen ein allgemeines Fundament der sinnlichen Anschauung aller Gegenstände der Natur und der Kunst bei dem Kinde zu legen, das dann allmählich auf vielseitigen Wegen näherzu bestimmt und immer weiter ausgedehnt werden könnte, wer sich dieses alles denkt und dann nicht fühlt, was wir bei unserm nicht bloß gotisch-mönchischen, sondern noch als gotisch-mönchisch-erlahmten und uns selber zum Ekel gewordenen Erziehungsschlendrian versäumen, wahrlich, bei dem sind Hopfen und Malz verloren.
Mir ist der Appenzeller Vogel wie dem Ägypter der Stier ein Heiligtum, und ich habe alles getan, meinen Unterricht bei dem Punkt, von welchem das Appenzeller Weib ausgeht, anzufangen. Ich gehe noch weiter; ich überlasse es weder bei dem ersten Anfangspunkt noch in der ganzen Reihenfolge der Erkenntnismittel dem Zufall, was Natur, Lage und Mutterliebe dem Kinde von seinem unmündigen Alter an vor die Sinne bringe; ich habe alles getan, um es möglich zu machen, mit Vorbeigehung des Zufälligen das Wesentliche aller Anschauungserkenntnisse selber dem Kinde schon in diesem Alter vor seine Sinne zu bringen und das Bewußtsein ihres Eindrucks ihm unvergeßlich zu machen.
Der erste Kurs des Buches der Mütter ist nichts anders als ein Versuch, die Anschauung selber zur Kunst zu erheben und die Kinder in allen drei Elementarfächern ihrer Erkenntnis, in Form, Zahl und Wort zum umfassendsten Bewußtsein aller Anschauungen zu führen, deren bestimmtere Erkenntnis die Fundamente ihres späteren Wissens ausmachen werden.
Dieses Buch soll nicht nur die umfassendste Darstellung der wesentlichsten Gegenstände unserer Erkenntnis, sondern es soll auch den Stoff lückenloser Reihenfolgen dieser Gegenstände enthalten, die den Kindern schon bei der ersten Anschauung das Gefühl ihres vielseitigen Zusammenhangs und ihrer vielseitigen Ähnlichkeiten rege zu machen geschickt sind.
In dieser Rücksicht leistet das Buchstabierbuch das nämliche, was das Buch der Mütter leistet. Das einfache Vor-die-Ohren-Bringen der Töne und die bloße Regmachung des Bewußtseins ihres Eindrucks durch das Gehör ist für das Kind so gut Anschauung als das einfache Vor-Augen-Stellen der Gegenstände und die bloße Regemachung des Bewußtseins durch ihren Eindruck auf den Sinn des Gesichts. Hierauf gegründet, habe ich dieses Buchstabierbuch so eingerichtet, daß sein erster Kurs nichts anders als bloße Anschauung ist, d. h. bloß auf der einfachen Bemühung beruht, dem Kinde die ganze Reihenfolge der Töne, die ihm hernach zum Fundament seiner Sprachkenntnisse dienen müssen, in eben dem Alter vor den Sinn des Gehörs zu bringen und das Bewußtsein derselben unauslöschlich zu machen, in welchem ich ihm durch das Buch der Mütter die sichtbaren Gegenstände der Welt, deren bestimmte Erkenntnis die Fundamente seines spätern Wissens sein müssen, vor den Sinn des Gesichts bringe.
Dieser nämliche Grundsatz; die Anschauung zur Kunst zu erheben, hat ebenfalls auch im dritten Elementarmittel unserer Erkenntnis statt. Auch die Zahl ist an sich selbst ohne das Fundament der Anschauung für unsern Geist ein täuschender Schein einer Vorstellung, die unsere Einbildungskraft zwar träumend ergreift, aber unser Verstand nicht als Wahrheit festzuhalten vermag. Das Kind muß das innere Wesen jeder Form, in der die Verhältnisse der Zahl zu erscheinen vermögen, richtig erkennen, ehe es imstande ist, eine dieser Formen als Fundament seines deutlichen Bewußtseins ihres bestimmten Mehrs oder Minders ins Auge zu fassen. Ich habe daher im Buche der Mütter die zehn ersten Zahlen als Finger, als Klauen, Blätter, Punkte, dann auch als Dreieck, Viereck und Achteck u. s. w. dem Kinde schon in diesem Alter vielseitig zur Anschauung gebracht.
Nachdem ich dieses in allen drei Fächern getan und die einfache Anschauung als absolutes Fundament aller sinnlichen Erkenntnis in demselben also festgesetzt, erhebe ich dann die Anschauung hinwieder in allen diesen Fächern zur Anschauungskunst, d. h. zum Mittel, die Gegenstände der Anschauung als Gegenstände meines Urteils und meiner Kunstfertigkeiten ins Auge zu fassen.
Durch diesen Weg führe ich das Kind in Rücksicht auf das erste Elementarmittel unsrer Erkenntnis, die Form, nachdem ich dasselbe im Buche der Mütter mit der vielseitigsten Anschauung der Gegenstände und ihrer Namen bekannt gemacht habe, zum Abc der Anschauungskunst. Durch dieses soll es nun in den Stand gesetzt werden, sich über die Form der Gegenstände, deren es sich im Buche der Mütter bestimmt, aber nicht deutlich bewußt worden, Rechenschaft geben zu können. Dieses Buch soll das Kind dahin bringen, sich in Rücksicht auf die Formen aller Dinge zu bestimmten Begriffen über das Verhältnis ihres Inhalts zum gleichzeitigen Viereck zu erheben und auf diese Weise im ganzen Umfang dieses Unterrichtsfaches eine ganze Reihenfolge von Mitteln zu finden, von dunkeln Anschauungen zu deutlichen Begriffen zu gelangen.
In betreff des zweiten Urmittels unsrer Erkenntnis, der Zahl, gehe ich wieder den nämlichen Weg. Nachdem ich dem Kinde durch das Buch der Mütter schon im unmündigen Alter den Begriff der zehn ersten Grundzahlen zum klaren Bewußtsein zu bringen gesucht habe, versuche ich, ihnen diese Ausdrücke des Mehrs und Minders aller Dinge durch allmähliche Zusammenstellung einer Einheit zu einer andern, die Natur der Zwei und dann die der Drei usw. bekannt zu machen. Und so bringe ich zuerst die Anfangspunkte aller Rechnungsarten den Kindern zur heitersten Anschauung und mache ihnen zugleich die Ausdrücke, durch die ihre Form bezeichnet wird, bis zur Unauslöschlichkeit geläufig, so bringe ich die Anfänge der Rechenkunst überhaupt in Reihenfolgen, die von ihren ersten Anfangspunkten an nichts anders sind als ein psychologisch sicherer und lückenloser Vormarsch von tief eingeprägten Anschauungsurteilen zu einer kleinen Hinzusetzung einer neuen, – aber nur von 1 zu 2 und von 2 zu 3 steigenden Anschauung. Die durch Erfahrung gesicherte Folge dieses Ganges ist, daß, wenn die Kinder in irgendeiner Rechnungsart die Anfänge ganz begriffen haben, sie von nun an imstande sind, ohne weitere Hilfe auf diese Weise vorzuschreiten und soweit fortzufahren, als die Reihenfolge selber ihrer Natur nach hinführt.
Es ist überhaupt in Rücksicht auf diese Unterrichtsweise zu bemerken, daß sie dahin führt, den Kindern die Fundamente eines jeden Faches so einleuchtend zu machen, daß sie in jeder Stufe ihres Lernens dasjenige, was sie können, sich bis zur Vollendung eigen machen müssen, so daß sie in jedem Falle, insoweit sie vorgeschritten sind, auch unbedingt als Lehrmeister ihrer jüngern Geschwister angesehen und benutzt werden können.
Das Wesentlichste, was ich in Rücksicht auf die Vereinfachung und Verdeutlichung des Zahlunterrichts leiste, ist dieses: daß ich nicht nur das Bewußtsein der innern Wahrheit aller Zahlverhältnisse dem Kind durch Anschauungsmittel zum unauslöschlichen Bewußtsein bringe, sondern das Bewußtsein der Wahrheit der Anschauung mit der Wahrheit der Größenlehre vereinige und das gleichseitige Viereck zum gemeinsamen Mittel der Anschauungskunst und der Rechenkunst erhoben habe.
Das dritte Urmittel unsrer Erkenntnis, die Sprache, ist in Betracht der Anwendung meiner Grundsätze der größten Ausdehnung fähig.
Wenn auf der einen Seite die Kenntnis der Form und der Zahl der Kenntnis der Sprache vorhergehen soll und diese letzte zum Teil aus den zwei ersten entspringen muß, so ist hingegen der Fortschritt der Sprachkunst schneller als derjenige der Anschauungskunst und der Rechenkunst. Eigentlich geht der Eindruck der Anschauung in Form und Zahl der Sprachkraft vorher, die Anschauungskunst und die Rechenkunst hingegen gehen der Sprachkunst nach. Das große Kennzeichen der Eigenheit und der höhern Beschaffenheit unsrer Natur, die Sprache, fängt durch die Schallkraft an, sich zu entwickeln, wird denn durch den allmählich ausgebildeten Schall zum bestimmten Wort und durch das bestimmte Wort allmählich zur Sprache. Die Natur brauchte Jahrtausende, unser Geschlecht zur vollendeten Sprachkunst zu erheben, und wir lernen jetzt dieses Kunststück, zu dem die Natur Jahrtausende brauchte, in wenigen Monaten; aber dennoch müssen wir, wir dürfen nicht anders, mit der Erlernung der Sprache bei unsern Kindern eben den Gang gehen, den die Natur in Rücksicht auf diesen Gegenstand mit dem Menschengeschlecht ging. Und sie ging unstreitig auch hier von der Anschauung aus. Schon der einfachste Schall, durch den der Mensch den Eindruck, den ein Gegenstand auf ihn machte, auszudrücken strebte, war Ausdruck der Anschauung. Die Sprache meines Geschlechtes war lange nichts anders als eine mit Mimik vereinigte Schallkraft, die die Töne der belebten und leblosen Natur nachahmte. Von Mimik und Schallkraft ging sie zu Hieroglyphen und einzelnen Worten hinüber und gab lange einzelnen Gegenständen einzelne Namen. Dieser Zustand der Sprache ist im ersten Buch Moses, Kap. 2, V. 19/20, erhaben ausgedrückt: »Gott der Herr brachte zu Adam alle Tiere auf Erden und alle Vögel unter dem Himmel, daß er sie anschaue und benenne. Und Adam gab jeglichem Tier seinen Namen.«
Von diesem Punkt ging die Sprache allmählich weiter; sie bemerkte zuerst die auffallendsten Unterscheidungsmerkmale der Gegenstände, die sie benannte; dann kam sie zu den Eigenschaftsbenennungen und mit diesen zu den Benennungen der Verschiedenheiten des Tuns und der Kräfte der Gegenstände. Viel später entwickelte sich die Kunst, das einzelne Wort selber vielbedeutend zu machen, die Einheit, die Mehrheit, die Größe seines Inhalts, das Viel und das Wenige seiner Form und seiner Zahl und endlich sogar alle Abänderungen und Beschaffenheiten eines Gegenstandes, welche die Verschiedenheit von Zeit und Raum in ihm hervorbringen, durch die Abänderung der Form und Zusammensetzung des nämlichen Worts mit sicherer Bestimmtheit auszudrücken.
In allen diesen Epochen war die Sprache unserm Geschlechte ein Kunstmittel, die Vorschritte des wirklichen Klarwerdens seiner vielseitigen Intuitionen durch die Schallkraft sich nicht nur zu vergegenwärtigen, sondern auch sich den Eindruck davon unvergeßlich zu machen.
Der Sprachunterricht ist also seiner Natur nach nichts anders als eine Sammlung psychologischer Vorteile, um die Eindrücke (Empfindungen und Gedanken) zu äußern und sie, die sonst vorübergehend und unmitteilbar wären, dadurch, daß wir sie an ein Wort knüpfen, mit allen ihren Modifikationen bleibend und mitteilbar zu machen. Dieses kann aber vermöge der ewigen Gleichheit der Menschennatur nur durch die Übereinstimmung der Sprachlehre mit dem ursprünglichen Gang, durch welche die Natur selber unsre Sprachkraft zu der Kunstkraft erhoben, in welcher wir sie jetzt besitzen, geschehen; das heißt, aller Sprachunterricht muß von der Anschauung ausgehen, er muß die Mimik durch die Anschauungskunst und die Zahlenlehre überflüssig machen, er muß die Nachahmung von den Tönen der leblosen und belebten Natur durch Reihenfolgen von Kunsttönen ersetzen; dann muß er von der Tonlehre oder vielmehr von der allgemeinen Übung des Organs in allen möglichen menschlichen Tönen allmählich zur Wortlehre, zur Nomenklatur und von dieser zur Sprachlehre, zur grammatikalischen Abänderung und Zusammensetzung der Wörter übergehen; aber auch in dieser Klassenstufe muß er den langsamen, progressiven Schritt halten, den die Natur ihm in der Entwicklung der Völker zur Sprachkunst vorgezeichnet hat.
Allein jetzt fragt es sich: wie habe ich diesen Gang der Natur durch die drei Epochen, in welche Natur und Erfahrung die Entwicklung der Sprachkraft eingeteilt haben, in bezug auf die Tonlehre, die Wortlehre und die Sprachlehre festgehalten, und wie habe ich die Formen meiner Unterrichtsmittel in diesen Fächern mit den eben geäußerten Epochen in Übereinstimmung gebracht? Der Tonlehre habe ich durch Festhaltung und Auszeichnung der Vokale als der eigentlichen Wurzel aller Töne und durch allmähliches Hinzusetzen einzelner Konsonanten vor und hinter die Vokale die höchste Umfassung gegeben, deren sie fähig ist, und dadurch es möglich gemacht, dem Wiegenkinde diese umfassenden Sprachtöne und ihre Reihenfolgen zum festen Bewußtsein zu bringen; ich habe es sogar möglich gemacht, den Unmündigen bei diesem Unterricht eine innere Anschauung der äußern, durch welche letztere die willkürlichen Zeichen der Töne dem Kinde vor die Augen gebracht werden, vorhergehen zu lassen, indem ich hierin dem Eindruck auf das Ohr den Vorsprung vor dem Eindruck auf das Auge, der in Rücksicht auf die Tonlehre in der Natur liegt, gesichert und dann weiter die Erleichterung dieses Unterrichtsfaches dadurch befördert habe, daß ich die Reihenfolgen der Töne in diesem Buche so ordnete, daß jeder folgende Ton mit dem vorhergehenden durch die höchste Ähnlichkeit verwandt und beinahe immer nur durch die Hinzusetzung eines einzigen Buchstabens von demselben verschieden ist. So steige ich durch die vollendete Fertigkeit des Syllabierens zur Wortlehre, zur Nomenklatur, und gebe dem Kinde das Wort im ersten Lesebuche, im Diktionario, wieder in Reihenfolgen, die durch die größtmöglichste Annäherung der Ähnlichkeit ihrer Form den Fortschritt des Lesenlernens zum leichtesten Spiel macht, indem ich dieses Wort durch eine fortdauernde Hinzusetzung weniger neuer Buchstaben zu tief eingeprägten und geläufig ausgesprochenen, vorhergehenden Buchstaben ankette. Nebenbei legt das Buch der Mütter dem Redenlernen des Kindes und der Verdeutlichung der Wörter, die es auszusprechen hat, die vielseitigste Anschauung zum Grunde.
Der unermeßliche Kreis der Anschauungserkenntnisse, den die Natur dem Kinde im frühesten Alter zum Bewußtsein bringt, ist in diesem Buche psychologisch gereihet und konzentriert, und das hohe Gesetz der Natur, vermöge dessen sie dem Kinde das Nähere immer stärker als das Fernere einprägt, mit dem für den Unterricht so wichtigen Grundsatz vereiniget, das Wesen der Dinge auf die Kinder einen weit stärkern Eindruck machen zu lassen als die wandelbaren Beschaffenheiten derselben. Der unermeßliche Umfang der Sprache und der Anschauungserkenntnisse wird in diesem Buche durch die Konzentrierung und psychologische Reihung der Gegenstände dem Kinde leicht übersehbar gemacht; nur die einzelne Gegenstände der Natur sind zahllos, die wesentlichen Verschiedenheiten derselben sind es nicht, und darum können auch die Gegenstände, wenn sie nach diesen Verschiedenheiten geordnet sind, dem Kinde leicht übersehbar gemacht werden.
Eben diesen Grundsätzen unterwerfe ich denn auch die eigentliche Sprachlehre. Meine Grammatik ist nichts anders als eine Reihenfolge von Mitteln, die das Kind dahin führen sollen, sich über jede Anschauungserkenntnis, über die es sich nach irgendeinem Zahl- und Zeitverhältnis mit Bestimmtheit auszudrücken vermag, sich auch in allen andern Zahl- und Zeitverhältnissen mit Bestimmtheit ausdrücken zu können. Ich benutzte selbst die Schreibkunst, insofern auch sie als Sprachlehre angesehen werden kann, zu diesem Zweck und habe überhaupt alle Mittel, die Natur und Erfahrung mir zur Verdeutlichung der Begriffe an die Hand gegeben, zu diesem Zwecke zu gebrauchen gesucht. Die empirischen Versuche, die ich hierüber angestellt habe, zeigten mir vorzüglich, daß unser Mönchsunterricht durch seine Vernachlässigung aller Psychologie uns nicht nur in allen Fächern von diesem letzten Ziel des Unterrichtes entfernt, sondern sogar noch bestimmt dahinwirkt, uns die Mittel, die uns die Natur selber auch ohne Beihilfe der Kunst zur Verdeutlichung unserer Begriffe anbietet, zu rauben und uns die Benutzung dieser Mittel durch unser inneres Verderben unmöglich zu machen.
Freund! Es übersteigt allen Glauben, in welche Zernichtung alle Realkraft unseres Weltteils durch die Unnatürlichkeit unsers Mönchsunterrichts und alle Elendigkeit seiner isolierten Brockenlehren versenkt worden und in welchem Grad alle Naturmittel, sich durch Anschauung zu richtigen Kenntnissen zu erheben, und alle Reize, sich für diesen Zweck anzustrengen, dadurch in unserer Mitte verlorengegangen, weil diese Brockenlehren uns mit dem Zauber einer Sprache blendeten, die wir redeten, ohne von den Begriffen, die wir ihrethalben durch den Mund laufen ließen, irgendeine anschauliche Erkenntnis zu haben. Ich sage es noch einmal: der Troß unserer öffentlichen Schulen gibt uns nicht nur nichts, er löscht im Gegenteil noch das in uns aus, was die Menschheit auch ohne Schulen allenthalben hat und was jeder Wilde in einem Grade besitzt, von dem wir uns keine Vorstellung machen. Es ist eine Wahrheit, die sich für keinen Weltteil wie für den unsrigen und für kein Zeitalter wie für das unsrige anwenden läßt. Ein Mensch, der mit Mönchskunst zu einem Wortnarren gebildet wird, ist insoweit für die Wahrheit unempfänglicher als ein Wilder und insoweit auch unfähiger als niemand, von der Führung der Natur und dem, was sie zur Verdeutlichung unserer Begriffe selbst tut, Gebrauch zu machen. Diese Erfahrungen haben mich auch dahin gebracht, daß ich jetzt bis zur Überzeugung einsehe: der öffentliche und allgemeine europäische Schulwagen müsse nicht bloß besser angezogen, er müsse vielmehr umgekehrt und auf eine ganz neue Straße gebracht werden; ich bin durch diese Erfahrung überzeugt, das Fundament seines Irrtums, das Sprachverderben unsers Zeitalters und unser einseitiges, oberflächliches, gedanken- und anschauungsloses Maulbrauchen muß zuerst zum Tode gebracht und ins Grab gelegt werden, ehe es möglich sein wird, durch Unterricht und Sprache wieder Wahrheit und Leben in unserm Geschlechte hervorzubringen. Das ist freilich eine harte Rede, und ich denke fast selber: Wer mag sie hören! – Aber ich bin durch Erfahrungen, die dieser Rede zum Grunde liegen, zur Überzeugung gekommen, daß auch in Rücksicht auf den elementarischen Sprachunterricht alle halben Maßregeln verwerflich und desnahen alle Lehrbücher für diesen Unterricht unbedingt beiseits zu legen sind, in welchen auch nur eine Zeile voraussetzt, das Kind könne reden, ehe es reden gelernt hat. Und da alle Lehrbücher, deren Wörter, indem sie in ihren Endungen, Vorsatzsilben und Zusammensetzungen sowie in den Fügungen ihrer Phrasen und Sätze das offene Gepräge einer vollendeten Sprachkunst in sich selbst haben, folglich nicht geeignet sind, das Bewußtsein der Ursachen und Mittel, durch die sie also vollendet worden, im Bewußtsein des Kindes deutlich zu erzeugen, so würde ich, wenn ich Einfluß hätte, in Rücksicht auf diese Lehrbücher mit den Schulbibliotheken etwas unbarmherzig scheinende Maßregeln ergreifen oder den Eindruck aufgeben müssen, den Sprachunterricht mit dem Gange der Natur in Übereinstimmung zu bringen.