Hermann Pies
Kaspar Hauser Augenzeugenberichte und Selbstzeugnisse
Hermann Pies

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Mitteilungen über Kaspar Hauser von Georg Fr. Daumer

Gymnasialprofessor, Hausers ehemaligem Pflegevater

Vorrede

Nichts, was ich hier mit Bestimmtheit und ohne Beisatz ausspreche, weiß ich aus unsicherer Erinnerung oder ist aus bloßer Konversation und Sage geschöpft, sondern ich habe es selbst an Hauser beobachtet, von ihm gehört, im Umgange mit ihm erforscht und bei noch frischer Erinnerung durch genaue Aufzeichnung bewahrt. Hauser lebte in meinem Hause und in meiner Verpflegung vom 18. Juli 1828 bis zum Januar 1830; ich konnte in dieser Zeit, da ich mein Amt nicht verwaltete, fast ununterbrochen um ihn sein, und auch nach dieser Zeit hörte meine Verbindung und mein Umgang mit ihm nicht auf. Nach einer großen Menge von Versuchen, Beobachtungen, Prüfungen, steter Berichtigung und Ergänzung des Früheren durch das Spätere darf ich glauben, diese außerordentliche Erscheinung genau genug zu kennen und vor jeder Art von Täuschung sicher genug zu sein, um einen für das Interesse der Wissenschaft nicht ganz ungeeigneten Berichterstatter abgeben zu können. Will man auch der aus Hausers Munde aufgenommenen Beschreibung seiner Empfindungen mißtrauen, so wird man doch damit Berichte von Beobachtungen verbunden finden, die auf keinem Betrug beruhen können. Wenn Hauser behauptete, er habe auf einen eingesogenen Duft, bei Einwirkung eines Minerals, lebendigen Wesens usw. dieses und jenes empfunden, so ist man nicht genötigt, ihm durchweg Glauben beizumessen, auch wenn man ihn nicht überhaupt für einen Betrüger hält. Denn nicht nur konnte er Selbsttäuschungen unterliegen, sondern es konnte auch eine durch die Umstände leicht zu entwickelnde Eitelkeit ihn bestimmen, das Wunderbare seiner Erscheinung durch Zusatz von Erdichtungen zu erhöhen. Wenn er aber bei Einwirkungen jener Art nicht allein häufig in konvulsivische Bewegungen geriet, sondern auch z.B. die Gesichtsfarbe veränderte, am ganzen Leibe gelb wurde, wenn plötzlicher Schweiß auf die Stirne trat, die Augen tränten und Entzündung zeigten, die Adern, die Glieder schwollen, die der Wirkung ausgesetzten Finger der Hand kalt wurden, ein solcher Finger, während die übrige Hand schwitzte, sich trocken, kalt anfühlte, Nasenbluten, Erbrechen, schnelle Abmagerung eintrat usf. – so kann niemand behaupten wollen, daß es in Hausers Macht gestanden, solche Erscheinungen, um seine Umgebungen zu täuschen, durch bloßen Willen hervorzubringen. Betrügerisch dargestellt können doch wohl nur solche Krankheitserscheinungen werden, deren Nachahmung darauf beruht, den Körper und die Glieder in eine gewisse Art äußerer Bewegung oder Bewegungslosigkeit, Richtung und Lage zu bringen, wie Ohnmacht, Starrheit, Lähmung, Steifheit, Zittern, Zucken, Schaudern und dergleichen, nicht aber solche, die, wie die obengenannten, eine von der Willkür nicht hervorzubringende innere Veränderung im Organismus notwendig voraussetzen. Es ist zwar auch möglich, zum Behuf eines Betruges mit Hilfe arzeneilicher Substanzen wirkliche Krankheitszustände hervorzubringen, daß aber Hauser jahrelang mit größter Konsequenz plötzlich, so wie es die Umstände erforderten, vor Beobachtern der verschiedensten Art, in jeder Umgebung und jedem Verhältnis dergleichen Zustände künstlich in sich habe erregen können, wäre unsinnig zu glauben. Ich habe an Hauser während jahrelangen beständigen Umgangs Erscheinungen wie die obengenannten bei den entsprechenden Gelegenheiten im Hause und im Freien fortwährend beobachtet. Wenn man sich auch nur an diese hält, so wird man die Überzeugung nicht abwehren können, daß man hier einen Menschen von ganz außerordentlicher Beschaffenheit vor sich habe. Wenn nun durch die begleitenden, von andern wahrnehmbaren und keinem Verdacht unterworfenen Erscheinungen Hausers Aussagen über seine Zustände und Empfindungen nicht wenig unterstützt werden, so sind sie auch häufig von der Art, daß man sie ohne Voraussetzung der größten wissenschaftlichen Kenntnisse und tiefsten Einsichten in die Natur nicht für erdichtet halten kann. Solche Kenntnisse und Einsichten wird man bei Hauser nicht annehmen wollen, also kann man die Aussagen der angegebenen Art auch nicht für bloße Erdichtungen halten. Endlich habe ich auch nicht wenige meiner Versuche auf eine Weise angestellt, die keinen Zweifel an den Ergebnissen zuläßt. Und so bleibt, wenn man Verdacht und Unglauben auch möglichst weit treiben will, genug übrig, was als ein sicheres Besitztum der Wissenschaft zu betrachten ist. Zu dem Beweis, der aus den beobachteten physischen Erscheinungen geführt werden kann, tritt der psychologische aus Hausers hier treulich geschildertem Benehmen in der ersten Zeit und den hier mitgeteilten schriftlichen Darstellungen desselben. Zwar wird auch nach den genauesten Beobachtungen und treuesten Berichterstattungen noch manches Dunkle und Rätselhafte übrig bleiben, aber dessen völlige Auflösung ist von dem Darsteller ebenso wenig zu fordern, als daraus ein Beweis für die Unwahrheit der Hauserschen Sache geführt werden kann, da durch eine Menge unzweifelhafter Tatsachen die Wahrhaftigkeit derselben im allgemeinen über alle Anfechtung erhaben ist.

Auf die vortreffliche Feuerbachsche Schrift über Kaspar Hauser konnte ich bei Gestaltung dieses Heftes keine Rücksicht nehmen, weil ich sie eben erst empfange, da der Druck des Vorliegenden sich schließt und nur noch diese Bemerkung anzufügen verstattet ist.

I. Aus einem Anfang September 1828 über Hauser abgestatteten Bericht

Ich wurde mit Kaspar Hauser ungefähr drei Wochen vor seinem Eintritt in mein Haus bekannt, da ich ihn in dem Turme, in welchem er sich damals befand, besuchte.

Wie Daumer mit Hauser bekannt wurde, schildern auch Feuerbach und Preu (s.d.) v. Tucher beschreibt sein Bekanntwerden mit H. folgendermaßen (D. 73 S. 118): »Ich traf den Menschen vier Wochen nachdem er nach Nürnberg gebracht worden war. Er saß in seinem Stübchen an einer niederen Bank auf einem kleinen Stuhle mit einer Menge von Spielsachen beschäftigt. Wir standen lange hinter ihm, um seine Beschäftigung zu beobachten; er hörte und bemerkte uns nicht, wiewohl wir und seine Wärter ganz laut miteinander sprachen. Als er von Herrn v. Grundherr, der sich viel mit ihm abgegeben hatte und darum sehr geliebt von ihm war, angeredet wurde, schien er nicht erstaunt oder erfreut zu sein, diesen zu sehen; er sprach mit ihm auf eine Weise, wie wenn er vorhin schon lange mit ihm gesprochen hätte. Während sich Herr v. Grundherr mit ihm unterhielt, schien er uns Übrige gar nicht zu bemerken. Er verriet weder Neugierde, Fremde zu sehen, noch störte es ihn, wenn ich ihm, und zwar so nahe als möglich, ins Gesicht sah, um das interessante Spiel seiner Gesichtsmuskeln zu beobachten.« Giehrl erzählt: »Ich hatte bald nach Ankunft des Findlings K. Hauser dahier Gelegenheit, denselben ungestört zu beobachten und namentlich seine Physiognomie und seine damals in jeder Beziehung höchst merkwürdige Mimik näher zu betrachten. Als ich den Unglücklichen zum ersten Male sah, saß dieser eben an einem Fortepiano und war bemüht, ein Stücklein, welches ihm Herr Bürgermeister Binder vorher vorgespielt hatte, einzustudieren (es war der einfache, leichte Jungfernchor aus dem Freischützen). Der Findling hatte auf nur weniges Wiederholen dieses musikalische Produkt genau in sein Gedächtnis aufgefaßt, er wollte es auf dem vor ihm stehenden Instrumente wiedergeben, allein, wenn dieses ihm zum Teil auch gelang, so schlug er doch bisweilen falsche Tasten an und ich als Zuschauer bemerkte nur zu auffallend, wie magisch ein falsch angesprochener Ton auf den Findling wirkte, denn sogleich immer fing er mit beiden Händen und Armen zu gestikulieren an, indem er dabei die Worte sagte: »bös, bös.«

Ich fand mehr, als ich erwartet hatte, nahm persönlichen Anteil an dem jungen Menschen und besuchte ihn seitdem täglich, in der Absicht, zu seiner Entwicklung etwas beizutragen. Der Andrang der Neugierigen, die ihn in Anspruch nahmen, erlaubte mir oft kaum eine halbe Stunde mit ihm allein zu sein, gleichwohl lernte er in drei Wochen notdürftig Lesen, Zählen, Zahlenreihen aussprechen, Addieren und Subtrahieren, machte Fortschritte im Schönschreiben und erlernte ein einfaches Musikstückchen auf dem Klaviere. Das Lesen lehrte ich ihn vermittelst großer, auf einzelne Blättchen zum Behuf des Zusammensetzens für Kinder gedruckter Buchstaben; im Schönschreiben übte er sich selbst nach Mustern, die ich ihm gebracht.Unter minder beschränkten und zerstreuenden Umständen hätte ich zum Behuf der ersten Bildung einen andern Weg, als den des gewöhnlichen Elementarunterrichts eingeschlagen.(D.) Aber schon in der dritten Woche mußte ich fast ganz aufhören, ihn zu unterrichten, weil nicht lange nach dem Anfang des Unterrichts Schweiß auf Hausers Stirn trat und Kopfschmerz sich einstellte. Die Zuckungen, die er fast bei jeder Erregung im Gesichte bekam, wurden stärker, endlich zu eben der Zeit, da er mir zur Verpflegung übergeben wurde, erkrankte er so völlig, daß er sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte.Die in Beziehung auf seine Schwäche und Reizbarkeit ungeheuren Aufregungen und Erschütterungen des Körpers und Gemütes, die beständigen Spannungen und ungewohnten Lagen in der ersten Zeit, mußten zu einem solchen Resultate führen. (D.) Ähnlich Dr. Preu in dem nachstehend abgedruckten Stück.

Schon am zweiten Tag nach seinem Eintritt in mein Haus hoben sich zwar die Obstruktionen, an denen er litt, aber seine Verdauungsorgane zeigten sich seitdem fortwährend geschwächt und sein Nervensystem war in der größten Zerrüttung. Die konvulsivischen Bewegungen waren von erschreckender Art; jedes laute Wort, jeder Griff auf dem Klaviere tat seinem Ohre, ein paar Worte, die er las oder schrieb, alles Weiße und Helle, auf welches er hinblickte, seinem Auge weh; er zitterte mit der Hand, wenn sie einen Gegenstand hielt, wie ein Greis,Wahrscheinlich jedoch war dies nur bei metallischen Gegenständen der Fall; denn ich machte später die Bemerkung, daß er zwar nicht z.B. mit einem silbernen, wohl aber mit einem hölzernen Löffel ohne Zittern essen konnte. (D.) alles Nachdenken vermehrte seine Krankhaftigkeit, von der er sich erst seit ungefähr acht Tagen zu erholen anfängt. Bei diesem Zustand mußten alle geistigeren Beschäftigungen, die er bis dahin getrieben, Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Klavierspielen usw. unterbleiben, und ich setzte einen Teil der Belehrungen nur in Form gelegentlicher Unterhaltung fort. Ich beschäftigte ihn übrigens mit Papp-, Tischler- und Gartenarbeiten, soweit er ihnen gewachsen warDie Tischlerarbeiten mußten wegen des dabei vorkommenden, Hausers Ohr sehr angreifenden Geräusches bald ausgesetzt werden. (D.) und mit einigen Spielen, ließ ihn so viel als möglich sich im Freien bewegen und zuweilen ein laues Bad nehmen (auch dies letztere zeigte sich wohltätig). Der Versuch, leichte Übungen auf dem Gymnasiumturnplatze mit ihm anzustellen, war nicht von befriedigendem Erfolge,Durch einmaliges Anhängen an den Barren bekam er Blasen an den Händen. (D.) vortrefflich aber bekommt ihm das Reiten, in welchem ihn Herr Stallmeister von Rumpler in meinem Beisein unterrichtet. Die konvulsivischen Bewegungen, das Zittern und die Folgen der Überreizung überhaupt fangen an zu verschwinden. Er genießt außer schwarzem Brot und Wasser, was früher sein einziger Genuß war, eine mit Mehl gekochte Wassersuppe mit großem Appetit, auch ungewürzte Schokolade, weißes Brot und Milchspeisen fangen an, ihm zu behagen und er empfindet hiervon bei seiner immer noch geschwächten Verdauungskraft, welche schwarzes Brot nicht mehr so leicht als früher verarbeitet, große Erleichterung.Über die sehr merkwürdige Gewöhnung an animalische Kost, die ich mit Hauser vornahm und die seinen Zustand gänzlich veränderte, werde ich künftig ausführlich sprechen. (D.) Sein Aussehen verbessert sich auffallend und er wachst mit ungewöhnlicher Schnelligkeit; er ist in den letzten vier Wochen fast um zwei Zoll größer geworden. Seine Öffnung ist seit einiger Zeit wieder so leicht, wie sie niemals, seitdem er sich zu Nürnberg befindet, sondern nur während seiner Einsperrung war. Der obrigkeitlich für ihn bestimmte Arzt, Herr Dr. Osterhausen, wurde zwar zu Rate gezogen,Hauser ist gleich nach seiner Einlieferung in das Turmgefängnis von dem K. Stadtgerichtsarzt Di. Preu untersucht worden, der über diese Untersuchung ein Gutachten abgab. Einige Tage später reiste Preu zu einem Badeaufenthalt nach Karlsbad und während seiner Abwesenheit wurde H. von dem Nürnberger prakt. Arzt Di. Österhausen verschiedentlich behandelt. Neide Ärzte haben Hauser häufig beobachtet und untersucht, auch des öfteren Berichte und Gutachten zu den Alten gegeben. Die ersten dieser Gutachten sind mit den Magistratsakten verloren. Die späteren, von 1829 ab, sind in den Akten des Kreis- und Stadtgerichts Nürnberg enthalten, nehmen Bezug auf frühere Gutachten, handeln aber auch ausführlich über den physischen und psychischen Zustand Hausers zur Zeit seines Auftauchens in Nürnberg. positives ärztliches Einschreiten aber würde, nach dem eigenen Urteil desselben, nur Zerstörung, nicht Hilfe gewesen sein, und man mußte es bei negativen Verhaltungsmaßregeln bewenden lassen.Welche Wirkungen der bloße Geruch von Arzneien auf Hauser machte, davon habe ich unten ein paar Beispiele angeführt.(D.) Zur Bezeichnung seiner physischen BeschaffenheitÜber Hausers physischen Zustand in der ersten Zeit seines Aufenthaltes in Nürnberg berichtet Ludwig Feuerbach folgendes (D. 73 S. 125f.): »Kaspar ist äußerst empfindlich und nervenschwach. So kann er das ungetrübte Licht nicht vertragen; sehr lautes Sprechen, Klavierspielen usw. macht ihm Kopfweh; er nennt übrigens Kopfweh jedes wehe Gefühl, wenn es auch in einem ganz anderen Teile seines Körpers als am Kopfe sein sollte. Sein Körper ist plump und ungelenk; ordentlich gehen, laufen, springen, werfen lernt er erst jetzt. Als er Äpfel auf den Boden hinwarf und als diese, weil er sie ungeschickt statt gerade aus in die Bahn neben hinein ins Gras rollen ließ, daselbst liegen blieben, sagte er: ›sie sind müde, sie mögen nicht weiter laufen.‹ Er ließ sich das nicht ausreden, sondern machte den Schluß: ›ich werde müde, sie also auch müde werden müssen.‹Er ist im Gebrauch seiner Hände noch ganz unerfahren und ungeübt, stellt sich zum Halten, Tragen, Angreifen einer Sache ganz ungeschickt. Seine Finger spreizt er oft ganz sonderbar auseinander. Bei all dem aber zeigt er zugleich eine gewisse Bedächtigkeit, Behutsamkeit und Furchtsamkeit. Wenn er mit seinem Kehrwisch den Boden seiner Stube ausputzt, so geschieht dies mit der größten Genauigkeit und Sorgsamkeit. Aber selbst den Kehrwisch hält er ganz ungeschickt. Mit den Fingern kann er sich noch gar nicht helfen, besitzt in ihnen noch gar keine Festigkeit, faßt alles in die ganze Hand und hält die Sachen in der Faust. Schnelles Gehen hält er ebensowenig lange aus als weites. Seine Fußsohlen sind noch ganz weich.« überhaupt bemerke ich folgendes: Er ist, so lange ich ihn kenne, hauptsächlich aber gegenwärtig von gutem Aussehen und gesunder Gesichtsfarbe, aber sein Körper ist in Hinsicht auf Leistungen und äußere Einflüsse von kaum glaublicher Empfindlichkeit, Schwäche und Reizbarkeit. Eine gelinde Berührung mit der Hand macht die Wirkung eines Schlages auf ihn, wenn er einige Zeit lang gegen den Wind geht, wird er heiser; vom kleinsten Spaziergange wurde er früher bis zum Hinsinken müde, seit kurzem jedoch kann er stundenlang gehen, ohne sich gänzlich erschöpft zu fühlen. Er stand und ging früher mit eingekehrten Füßen und war in beständiger Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren; er konnte nicht den kleinsten Sprung machen, ohne umzufallen; jetzt ist sein Gang wenig mehr von dem anderer Menschen unterschieden. Seine Hände und Fußsohlen waren früher so weich, schwielenlos und verwundbar, daß man deutlich die Ungewohntheit des Gehens und Arbeitens ersehen konnte.

Ich fand, als er mir übergeben worden war, an seinen Füßen noch bedeutende Spuren der vielen durch das ungewohnte Gehen erhaltenen Blasen und wunden Stellen.In seinem Käfig war er, seiner Aussage nach, nie aufgestanden und hatte es nicht vermocht, denn er war rückwärts am Boden angebunden, so daß er nur eben aufsitzen und sich zu dem gleich an seiner Seite befindlichen Nachttopf hinbewegen konnte. (D.) Bei Erregungen der Sinne, bei Kraftanstrengungen, Aufmerksamkeit und Nachdenken ist das Gesicht, vorzüglich der Mund nach der linken Seite zu und der linke Arm konvulsivisch bewegt.Die linke Seite des Körpers zeigte sich immer als die bei weitem schwächere und reizbarere. (D.) Von Fleischspeisen bekommt er fieberhafte Zufälle,v. Tucher führt dazu folgendes an (D. 73 S. 122): »Seine Nahrung besteht bis zur Stunde noch in Wasser und Brot; jede andere Art von Speise oder Trank macht ihn krank. Von einem sorgfältig für ihn gekochten Stückchen Fleisch ohne alles Gewürz bekam er Fieber; Hülsenfrüchte, Gerste, Reis usw. kann er zwar genießen, doch auch diese nicht ohne Ekel und Unannehmlichkeit; Warmes gar nicht, alles nur kalt. Brotsuppe ißt er, aber nicht sonderlich gern.« Ludw. Feuerbach (D. 73S. 124f.): »Kaspars Nahrung besteht in Wasser und Brot und in Wassersuppen, die er aber auch erst allmählich essen gelernt. Ein einziger Löffel Fleischbrühe, selbst einer ziemlichen Portion Wassersuppe beigemischt, macht sie ihm ungenießbar. Ein bißchen Rindfleisch, so groß als die Hälfte einer Fingerspitze, das überdem ganz durch- und ausgesotten worden war, verursachte ihm Fieber. Von den Gewürzen genießt er bloß Kümmel. Er vertrug und liebte nur die Gewürze, mit welchen die Brotsorte bestreut war, die er in seinem Käfig zu genießen pflegte, Kümmel, Koriander, Anis und Fenchel. Selbst unverarbeitete vegetabilische Produkte, wie Kirschen, Birnen mag er nicht. Er kann nicht begreifen, wie die Menschen etwas anderes essen und trinken mögen als Wasser und Brot; er rät fast jedem, doch auch bloß diese Nahrung zu genießen, die sei die beste. Wie man besonders Dinge, die ihm durch Farbe und Geruch, wie Käse und dergleichen, auffallen, so etwas Garstiges, wie er es nennt, genießen kann, ist ihm ganz rätselhaft und er drückt darüber ein mit Ekel und Tadel verbundenes Befremden aus. Sein Appetit ist groß, sein Schlaf ganz fest und ununterbrochen. Er schläft jetzt in einem Bette.« Siehe auch Preu. Pflanzensäure macht empfindlichen Reiz, das Süße ist ihm widerlich, alles Gewürzhafte und Geistige bringt Erscheinungen schreckhafter Art hervor.Nur die Gewürze, die er in seinem Käfig täglich mit dem Brote genossen hatte, Kümmel, Koriander, Anis und Fenchel, vertrug er nicht nur (selbst den so starken Fenchelzucker, wie man ihn in den Apotheken führt), sondern ihre Entbehrung fiel ihm auch äußerst schwer. Als er in Nürnberg jene Art stark gewürzten Brotes zum erstenmal zu Gesichte bekam und genoß, weinte er vor Freude. Kümmeltee und Quantitäten bloßen Kümmels dienen ihm als palliative Heilmittel. (D.) Alle seine Sinne sind von ungeheurer Schärfe und Feinheit. Er riecht z. B. Dinge, die für gewöhnliche Organe ganz geruchlos sind, in beträchtlicher Entfernung, schmeckt einen Tropfen Fleischbrühe, der unter seine Wassersuppe gekommen, und unterscheidet in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten die einzelnen Beeren der Trauben eines Holunderbaumes,Über Hausers Sehschärfe wissen die Augenzeugen viel Erstaunliches zu berichten, u. a. v. Tucher (S. 122): »Entfernte Gegenstände schienen ihm ganz nahe, nur kleiner als nähere zu sein.« in mehr als der Hälfte dieser Entfernung erkennt er den Unterschied einer Holunderbeere von einer Schwarzbeere. Sein an die Finsternis gewöhntes Auge sieht in einer Dunkelheit, in welcher ein gewöhnliches Auge weder Farbe noch Umriß erkennt, noch ziemlich gut. Er unterscheidet in einer für andere gänzlichen FinsternisEs gibt keine absolute Finsternis, denn selbst im tiefsten Dunkel hören die Körper nicht auf zu leuchten, welches sehr schwache Licht zwar nicht unser Auge in gewöhnlichem Zustande, aber doch das der Albinos, der Raubtiere, der Nachtvögel sammelt, und ein heftiger Schreck vermag zuweilen unser Auge schnell in Lichtsammler zu verwandeln, so daß sie alle Gegenstände erleuchtet sehen und selbst die kleinsten unterscheiden. Hieraus kann Herr Merker, der es lächerlich findet, daß Hauser in tiefem Dunkel noch Farben gesehen haben soll, weil Farben erst durch Einwirkung des Lichtes dargestellt würden, das Gewicht seines Einwurfs erkennen. Von jener Fähigkeit Hausers habe ich mich durch Beobachtungen und Versuche überzeugt, bei denen derselbe keinen Betrug spielen konnte. (D.) noch Dunkelbraun und Dunkelrot. Dunkelgrün und Schwarz und dergl. und braucht in der Nacht kein Licht, um sich im Hause überall zurecht zu finden und mit Sicherheit umherzugehen; ja er sieht in der Dämmerung besser als bei hellem Tage, da ihn das Tageslicht blendet.Auch bei hellem Tage jedoch erkannte er z. B., da wir ihm Blumen zerlegten, Bildungen in ihnen, welche anderen mit bloßem Auge unerkennbar sind. (D.) Am merkwürdigsten sind die bei ihm vorkommenden Erscheinungen, die in das Gebiet des animalischen Magnetismus und des Hellsehens hinüberstreifen. In der Nacht, in welcher sich seine Krankheit brach, hatte er einen Traum, in welchem sich der Übergang zur Genesung in einem freundlichen Bilde darstellte.Es ist über Hausers wunderbare Träume manches Falsche berichtet worden. Das Wahre hierüber werde ich in der Folge umständlich mitteilen. (D.) Wenn von hinten sich jemand auch ungesehen oder ungehört ihm nähert, so weiß er es vermöge einer ganz eigentümlichen Empfindung, welche ihm die Nähe lebendiger Wesen erregt. Wenn man die Hand gegen ihn richtet, so fühlt er eine Strömung von ihr ausgehen, die er mit dem Ausdruck »Anblasen« belegt; beim Anfassen einer Hand befällt ihn mit wenigen Ausnahmen (bei alternden Personen) ein kalter Schauder. Die meiste Empfänglichkeit für solche Eindrücke zeigt er (aus unbekannten Gründen) in Beziehung auf mich. Er empfindet es, rückwärts gekehrt, wenn ich in einer Entfernung von 125 Schritten die Hand gegen ihn ausstrecke. Eine ähnliche Empfindlichkeit äußert er gegen Metalle; er fühlt und unterscheidet durch die Stärke des Zuges Metalle, die man, ohne daß er es gesehen oder weiß, unter Papier verborgen hat.Dasselbe erzählt Preu. Diese Erscheinungen vermindern sich jedoch, sowie er jetzt kräftiger und gesunder wird.

Zur Schilderung seiner geistigen Eigentümlichkeit, wie sie sich bis jetzt gezeigt hat, mögen folgende Züge dienen. Er ist von der größten Gutmütigkeit und Weichherzigkeit. Allen Menschen aber mißtraut er mehr oder weniger, was eine begreifliche Folge seiner bisherigen Erfahrungen ist. Sein Urteil ist scharf und treffend, seine Beobachtung außerordentlich fein. Autoritäten gelten nichts bei ihm; er vertraut nur eigener Anschauung, Erfahrung und Einsicht. Sein Verstand erkennt in seinen Anforderungen keine Grenzen an und will absolut befriedigt sein,Religiöse Vorstellungen waren ihm daher lange Zeit gar nicht beizubringen und er beklagte sich gewaltig über Geistliche, die dies zu tun versucht hatten, als über unverständige Menschen, die ihm absurde Dinge vorgesprochen. Durch Lernen schien ihm nichts unerreichbar. Als er von Beschränktheit menschlichen Vermögens in Beziehung auf Gott hörte, der alles vermöge, sagte er, die Menschen sollten eben auch so viel lernen, daß sie Gott würden und vermöchten, was er. (D.) sein moralisches Gefühl äußert sich rigoristisch, in Hinsicht der äußeren Ordnung und Reinheit ist er pedantisch. Seine Beharrlichkeit in Dingen, zu denen er sich selbst bestimmt hat, geht oft in Eigensinn über. Als seine hervorstechendsten Talente zeigen sich die technischenHierüber v. Tucher (S. 121): »Seine Fähigkeit für alles Mechanische ist ganz bewundernswürdig. Er sah eine Frau stricken, und wie er alles, was er sieht und zu erfahren und zu begreifen sucht, ›lernen‹ heißt, so wollte er auch dieses ›lernen‹. Tags darauf, nachmittags, hatte er an einem Strumpfe ein eine starke Handbreit langes Stück gestrickt und so fest und gleich, wie es nur die geschickteste Frauenhand vermag. Herr v. Grundherr hatte beim Fortgehen mit dem Stocke gespielt, so daß dieser durch das Hin- und Herschwanken die Zipfel seines Rockes auseinanderschlug. Das zu begreifen war nun der Gegenstand seiner besonderen Untersuchung. ›Auch lernen‹, rief er, und versuchte es so lange, bis er das gleiche hervorgebracht hatte.« Daumer merkt dazu an: »Man sieht hier, wie er in solchen Fällen noch gar keinen Unterschied zwischen dem Wichtigen und dem Unwichtigen, dem Ernsten und dem Spielenden machte. Es war ihm alles gleich wichtig und interessant.« S. a. Preu. und künstlerischen. In Hinsicht seines mündlichen Ausdruckes ist er so weit, daß man sich mit ihm über alles, was in dem nun verhältnismäßig schon sehr weiten Kreise seiner Vorstellungen und seiner Fassungskraft liegt, ohne große Schwierigkeit verständigen kann.Ludwig Feuerbach berichtet (S. 126): »Wenn er etwas verstehen soll, so muß es langsam und deutlich gesprochen werden; was schnell gesprochen wird, ist ihm, wie er selbst sagt, unverständlich. Manche Worte und Redensarten versteht er nicht, wenn man sie ihm nicht durch solche, die er schon kennt, umschreibt und verständlich macht.«

Die zwei größten Veränderungen, die mit seiner Sinnesweise und Ansicht der Dinge vorgingen, waren nach seiner eigenen Angabe folgende. Die erste trat ein, als ich ihm ein Buchstabenkästchen zum Lesen gebracht und angefangen hatte, ihn die Buchstaben kennen zu lehren. Von der Zeit an, sagt er, sei es mit dem Spielen aus gewesen, die Spielpferde, bis dahin seine größte Freude, wurden zurückgestellt und er war von nun an nur aufs Lernen bedacht. Die zweite große Veränderung brachte die Wahrnehmung des Keimens und Wachsens in ihm hervor. Er glaubte nämlich früher, daß Bäume, Blätter, Blumen, Früchte von Menschenhand gemacht und geformt wären, und da ich mich bemühte, ihm eine Vorstellung vom Wachstum der Vegetabilien zu geben, verhielt er sich ganz ungläubig dagegen. Ich ließ ihn daher (August 1828) einige Samenkörner von verschiedener Art in Blumentöpfe stecken und verkündigte ihm, was geschehen würde. Er wolle mir alles glauben, sagte er, wenn sich das bestätige. Als nun die Körner wirklich aufgingen, geriet er in nicht zu beschreibende Freude und Verwunderung, und sieht seit dieser Zeit die Natur mit ganz anderen Augen an.Jene Blumentöpfe, in welchen sich das Wunderbare ereignet hatte, zeigte er jedem, der zu ihm kam, als etwas Außerordentliches. So auch einmal einem Frauenzimmer. Als dieses in dem Tone, in welchem man Kindern eingelernte Redensarten abfragt, zu ihm sagte: »Sage doch, Kaspar, wer hat denn das wachsen lassen?« erwiderte er ganz unwillig über die ihm einfältig vorkommende Frage: »Es ist von selber gewachsen.« »Aber«, fuhr jene fort, »es muß doch jemand sein, der es hat wachsen lassen.« Hauser würdigte die Fragerin keiner Antwort mehr. (D.)

II. Einige Erinnerungen Hausers aus seinem Kerkerleben und der nächstfolgenden Zeit.

Vgl. dazu, was Hauser darüber selbst erzählt. (Abgedruckt in den »Selbstzeugnissen«.)

Bis zu der Zeit, da der Unbekannte, um ihn zu unterrichten, in seinem Kerker erschien, befand sich Hauser in einem dumpfen, reflexionslosen Zustand, ohne Erinnerung eines ehemaligen Lebens unter Menschen, ohne Befremden und Nachsinnen über seine Lage, ohne Wunsch, sie zu verändern, ohne Sehnsucht nach etwas, was er nicht besaß, im vollkommensten Gleichmute. Die meiste Zeit mag er verschlafen haben. Er selbst glaubt nur wenige Stunden gewacht zu haben. Im September 1828 äußerte er, es komme ihm sehr sonderbar vor, wenn er zurückdenke, daß er in seinem Kerker nichts gedacht noch gewünscht habe, da er doch jetzt so viele Gedanken und Wünsche habe. Er sei in einem immer gleichen Zustande gewesen, in den er sich jetzt schwer zurückdenken könne. In diesem Zustande wäre er auch ohne Zweifel bis ans Ende seines Lebens geblieben, wenn keine Erregung stattgefunden hätte. Aber schon nachdem der Unbekannte bei ihm erschienen war, ging eine große und wesentliche Veränderung in seinem Innern vor. Er blieb nicht nur bei dem stehen, was ihn der Mann lehrte und andeutete, sondern hat er über das Verschwinden der Hemmung keine Untersuchung fing an, Betrachtungen und Vergleichungen der ihm nächsten äußeren Gegenstände aus freiem Triebe anzustellen. Er erzählte mir von dem Übertritt zu diesem neuen, obwohl noch höchst beschränkten Geistesleben folgendes Merkwürdige. Das erste, was er in Betrachtung gezogen, sei, soviel er sich erinnere, seine Hand. Es sei ihm aufgefallen, daß »Löcher« darin seien, was er zuvor niemals bemerkt hatte, womit er nämlich die SchweißlöcherSchweißporen oder Mündungen der Talgdrüsen? D. H. meinte. Dies zeigt zugleich, mit welcher Schärfe er in seinem finstern Loche sah. Noch da er mir obiges erzählte, nannte er diese seinen Punkte »große Löcher«. Als er nun diese Entdeckung gemacht, verglich er die Streifen oder Bänder, mit denen er seine hölzernen Tierbilder zu schmücken pflegte, mit seiner Hand und fand, daß auch diese Bänder ähnliche Löcher hatten. Hierauf verglich er die hölzernen Tiere selbst und bemerkte etwas Abweichendes, da er in diesen keine solchen Löcher, sondern vertiefte Stellen, Einschnitte fand.

Aufsitzend in seinem Gefängnis fühlte Hauser, daß ihn etwas hinderte, sich auch nur etwas stark gegen die Knie vorzubeugen; er vermochte sich nicht einmal ganz auf die Seite zu legen, nur die Lage auf dem Rücken und ein kleines Rutschen auf die linke Seite hin war ihm möglich. Als er von Professor Hermann (1828) auf dem Boden sitzend an der Hosenschnalle niedergehalten wurde, sagte er, so sei es gewesen. Näheres wußte er nicht anzugeben, denn was ihn hielt, hat er nie untersucht. Als der Unbekannte bei ihm gewesen war, fiel ihm beim Spiele eines seiner Pferdchen auf die Seite, so daß er, um es wieder zu erlangen, sich vorwärts bemühen mußte; da fühlte er zum ersten Male jene Hemmung nicht mehr. Wahrscheinlich hatte der Unbekannte, um ihm das Schreiben zu erleichtern, die Fessel gelöst und nachher nicht wieder befestigt. Er suchte nun vorwärts zu rutschen, um sein Pferdchen zu fassen, was ihm auch gelang, wobei er mit den Füßen auf den kalten Boden kam. Weiter zu rutschen oder aufzustehen hat er nicht versucht. Auch angestellt, was alles nicht ohne psychologische Merkwürdigkeit ist. Hauser meint jedoch, und wohl nicht mit Unrecht, wenn man ihn nach dem oben beschriebenen Geisteserwachen noch lange in seinem Loche gelassen hätte, so würde er in seinen Betrachtungen und Bestrebungen immer weiter gegangen sein und endlich auch wohl aufzustehen versucht haben.

Der Ort, an welchem Hauser verborgen gehalten wurde, war allem Anschein nach ein kleines kellerartiges Gewölbe unter der Erde.v. Tucher (S. 123f.): »Als er in die Nähe eines in Daumers Garten befindlichen Bienenstandes kam, befiel ihn eine namenlose Angst. ›Da, da‹, schrie er, ›sei er drin gewesen.‹ Der Bienenstand hat nämlich an der Vorderseite, unterhalb des Brettes, auf dem die Bienenstöcke stehen, einen Verschlag und an der Seite eine Türe; wahrscheinlich dient dieser Raum dazu, Gartengerätschaften, leere Bienenstöcke und dergleichen aufzuheben. Man suchte ihn auf alle mögliche Weise zu überzeugen, daß er sich irre; aber es half nichts. Endlich, nachdem er sich von Daumer das Versprechen hatte geben lassen, daß er nicht mehr eingesperrt werden solle, ging er hin, öffnete die Türe, behauptete aber nun umsomehr, da drin sei er gewesen; nur seien seit der Zeit Balken hinein gemacht worden, die sich vorher nicht darin befunden; auch seien die zwei kleinen Fensterchen etwas größer gewesen. Ein solcher Käfig scheint also der Aufenthalt des Unglücklichen gewesen zu sein.« Als ich ihn (1828) in einen kleinen Hauskeller führte, sagte er, die Wölbung und die in ihr befindlichen Fenster seien so gewesen wie hier, nur sei sein Kerker noch kleiner und dunkler gewesen. Bei weiterem Besprechen trat die Erinnerung hervor, er sei, wie er aus seinem Gefängnis herausgekommen, zuerst einen kleinen Berg, dann einen großen hinaufgetragen worden.Früher hatte er nur angegeben, er sei, wie er aus seinem Gefängnis genommen wurde, aufwärts oder einen Berg hinauf getragen worden. Obige bestimmtere Angabe trat zuerst hervor, als er mir auf eine Frage die überraschende Antwort gab: das sei auf dem ersten Berg der Fall gewesen, worauf ich dieser Spur nach weiter fragte. (D.) Der erste sei nämlich gleich vorüber gewesen, bei dem zweiten, meint er, sei es hoch hinaufgegangen, auch habe auf diesem der Träger stark geatmet (»geschnauft«). Auf dem ersten habe der Gang des ihn tragenden Mannes stärker gestoßen als auf dem zweiten und die Luft sei ihm auf dem ersten weniger kalt vorgekommen als auf dem zweiten. Vom Weg habe er auf dem ersten nichts gesehen, da sein Gesicht auf des Trägers Rücken gelegen, auf dem zweiten sei ihm der Weg grün vorgekommen. Auf beiden Seiten des Weges, da er den ersten Berg hinaufgetragen worden, sei er neben (wie an Wänden) angestreift. Zwischen dem ersten und zweiten Berg sei es eine Zeitlang eben fortgegangen. Hieraus läßt sich abnehmen, daß die erste Höhe (der erste Berg) eine kleine schmale Treppe, die zweite aber eine Anhöhe im Freien gewesen sei. Als wir ihn über diese Gegenstände befragten, nahm ihn Professor Hermann auf den Rücken, so wie nach Hausers Angabe der Mann ihn auf den Rücken genommen, und ging mit ihm auf ebenem Boden und auf Treppen umher, um durch die Erneuerung der Empfindung seiner Erinnerung zu Hilfe zu kommen.

Hauser sagte, er habe, als man ihn hinausgetragen, große Schmerzen empfunden und geweint; endlich sei er auf dem Rücken seines Trägers eingeschlafen oder ohnmächtig geworden und, da er wieder zu sich gekommen, mit dem Gesicht gegen die Erde gekehrt auf dem Boden gelegen usw. Schon durch mechanische Einwirkung konnte für Hauser das Herausgeschlepptwerden aus seinem Loche schmerzlich werden. Auch hat wohl die freie Luft, da er ihr zum erstenmal nach so langer Zeit wieder ausgesetzt war, einen starken Eindruck auf ihn gemacht. Gleichwohl glaube ich, daß die Hauptursache seines schmerzlichen Zustandes, der mit Ohnmacht endete, die animalisch-magnetische Einwirkung des Trägers war, auf dessen Rücken er lag. Es ist bemerkt worden, daß Hauser von Berührungen menschlicher Körper immer Erkältung und Schmerz empfand. Diese Empfindlichkeit, die sich später verlor, muß zu der Zeit, da er in seinem Gefängnis lebte und demselben entnommen wurde, im höchsten Grade stattgefunden haben. Er erinnerte sich später noch, wie er Kälteschauer und dann Hitze schmerzhaft empfunden, als der Unbekannte im Gefängnis seine Hand berührte. Die Erkältung, die Hauser auf des Mannes Rücken gefühlt haben will, kam gewiß weniger von der Luft als von dem Träger. Er äußerte einmal, die Kälte, die er empfunden, da man ihn hinausschleppte, sei auf dem kleinen Berg in Hitze übergegangen, dann sei es wieder sehr kalt geworden und wie er zuerst auf dem Weg erwachte, habe er Hitze im Kopfe gehabt und der Schweiß sei ihm übers Gesicht geronnen. Dies gibt wenigstens einen fieberischen Zustand zu erkennen. Seine Empfindlichkeit gegen Berührungen aber, die sich zu Nürnberg auf so auffallende Weise kund tat, legt auch folgende Stelle seiner schriftlichen Erzählung dar: »Ich glaube, er (Hausers Führer auf dem Weg nach Nürnberg) ließ mich ein wenig freier gehen, um zu probieren, ob ich auch allein gehen könne; aber ich glaube, daß ich hingefallen sein würde, weil ich nicht mehr die Füße vorwärts bringen konnte, und auf beiden Seiten empfand ich einen plötzlichen Schmerzen, der wahrscheinlich daher rührte, daß mich der Mann geschwind ergriff, als ich hinfallen wollte.«

III. Hausers psychischer Zustand und Benehmen in den ersten Zeiten seines Aufenthalts zu Nürnberg im Jahre 1828

Als ich Hauser kennen lernte, stellte sich sein Gesicht, wenn es keinen Affekt äußerte, als ein gemeines dar, und die unteren Teile des Gesichtes traten vorv. Tucher (S. 118f.): »Eine kleine, untersetzte Figur von starkem Knochenbau, etwas hängendem, nicht gerade schwammigem Fleisch und von nicht ungesunder Gesichtsfarbe. Er stand nicht völlig aufgerichtet, sondern den oberen Teil des Körpers zwischen den Schultern etwas zusammengedrückt, auch die Knie nicht ausgestreckt und die Schenkel etwas einwärts gekrümmt. Sein Gesicht sah etwa dem eines tölpischen Bauernjungen gleich, die oberen Augenlider waren etwas herabgesetzt, der untere Teil des Gesichtes etwas vorhängend; struppiges, tief in die Stirne hereinhängendes Haar. Der Gesichtsbildung und dem keimenden Barte nach mochte er etwa 18 Jahre alt sein.« was von der langen Unterdrückung der geistigen Entwicklung herkommen mochte; auch änderte sich diese Gesichtsbildung nachher gänzlich. Sein Weinen war sehr unschön, er zog dabei den Mund weit herunter, dagegen hatte sein Lachen, wobei die unteren Teile des Gesichtes zurücktraten, der Mund sich öffnete, die Augen aufleuchteten, und der ganze Mensch in die lebhafteste Bewegung kam, einen unbeschreiblichen Reiz; ein solcher Ausdruck rein kindlicher Freude ist mir sonst nirgends vorgekommen. Es glich dem Lachen eines kleinen Kindes, mit dem man tändelt, oder dem man etwas Glänzendes vorhält, aber es drückte sich darin eine höhere Kraft des Bewußtseins aus. Im Gesichte malte sich jede Empfindung und Regung seines Innern mit den stärksten Farben. Er konnte sozusagen in einem Atem lachen und weinen.v. Tucher (S. 120): »Wenn er sprach und besonders wenn er von etwas ergriffen war, so veränderten sich seine Gesichtszüge auf eine merkwürdige Weise; die Augen öffneten sich weit, der Mund zog sich zurück und öffnete sich halb und eine Klarheit strahlte plötzlich über sein ganzes Gesicht.« Als man ihm seine Weste zum Ausbessern fortgetragen hatte, konnte er nie daran erinnert werden, ohne daß sich sein Mund zum Weinen verzog und ihm Tränen in die Augen traten; man durfte aber nur bemerken, daß er seine Weste verschönert zurückerhalten werde, so ging sein Gesicht augenblicklich in den hellsten Ausdruck der Freude über. Einige Worte, die Hauser von dem Unbekannten, der ihn nach Nürnberg geführt, nur äußerlich, ohne sie zu verstehen, aufgefaßt hatte, z. B. »I möcht ah (auch) a söchana (solcher) Reiter wern, wie Vater is.« – »We (wenn) Reiter bis, wie Vater, da (dann) ham weisen«,So glaubt Hauser sich zu erinnern, die Worte in der frühesten Zeit gesprochen zu haben. »Ham weisten«, sagte er nach Erinnerungen anderer. Was übrigens den Volksdialekt betrifft, der in Hausers Sprache so lange vorherrschte, so nahm er diesen weniger von dem Unbekannten, als von dem Gefängniswärter, in dessen Verpflegung er anfangs war, und von der Familie desselben an. Hauptsächlich die Frau dieses Mannes, die ganz im altbayerischen Dialekt spricht, gab sich viele Mühe, ihn reden zu lehren. (D.) vorzüglich die Worte »ham weisen« aus letzterem Satze brauchte Hauser in der früheren Zeit ganz allgemein, um Klage, Wunsch, Forderung usw. jeder Art auszudrücken. »Dahi weiß, wo Brief hi gehört«, sagte Hauser, wenn er ein Papier in die Hände bekam, weil der Mann so gesagt hatte, als er ihm den Brief in die Hand gegeben; »dich anschütt«, sagte er, als es regnete, weil der Mann so gesagt, da Hauser vom Regen naß wurde. So nach Hausers späteren Erinnerungen. Auch »da dei Nam Kaspar Hauser« und »du schö Roß komm, Vater« sind Worte, die er von Reden des Mannes gemerkt, dem er alles wie ein Papagei nachsprach. So sprach er auch anfangs zu Nürnberg die gehörten Worte nach, was zu manchem Mißverstand Anlaß gab. Ein fremdes, ihm nachher aus dem Sinn gekommenes (wohl ungarisches) Wort erinnert er sich, noch zu Nürnberg im Gefängnisturme beim Putzen seiner Spielpferde gesprochen und damit »Schönmachen, Putzen« ausdrücken gewollt zu haben. Als ich ihn kennen leinte und noch lange nachher erschien nicht nur sein Deutsch, sondern überhaupt sein Vermögen zu sprechen höchst mangelhaft und seine Wortfügung fremdartig. Hilfszeitwörter, Pronomina wurden häufig ausgelassen, das Verbum ans Ende des Satzes gestellt, statt bestimmter Verbalformen häufig der Infinitiv gesetzt, z. B. »Sie mir des lehrna,«»du mir dees lehrna«, statt lehren Sie mir das, lehre mir das,« »den raus tu«, statt diesen muß oder soll man heraustun, diesen tue man heraus,Er sagte dies in Beziehung auf einen, den er im Flusse baden sah und von dem er aus Unkunde dieser Erscheinung glaubte, er sei ins Wasser gefallen und in Lebensgefahr. (D.) und so immer bei Imperativsätzen. Um sein Gefallen oder Mißfallen an etwas auszudrücken, waren seine gewöhnlichen Worte »dees schö – dees nit schö – dees goarstigk.« Nur weiße Tiere nannte er anfangs Rosse, weil seine Spielpferde weiß gewesen, von braunen Pferden z. B. verneinte er, daß es Rosse seien, aber weiße Gänse und Ochsen ließ er dafür gelten.

Wurzeln und Zöpfe nannte er Schweife, Balken: Bäume, Tanzen: herumlaufen, Schwimmen: Laufen, Gähnen: den Mund aufmachen, das Umringen und Umstehen der Leute, die sich an ihn drängten: einmachen, und so mehreres. Von sich selbst sprach er in der dritten Person, als vom Kaspar.v. Tucher (S. 119): »Seine Sprache war die eines Kindes im 2. oder 3. Lebensjahre. Vorherrschender Gebrauch des Infinitivs; von sich sprach er nur als ›Kaspar‹, nicht als ›ich‹, selbst das ›du‹ verstand er nicht, sondern meinte, ›du‹ wäre der Mann, bei dem er gewesen war.« Sein Sprechen war mühsam und ringendS. a. v. Tucher (S. 119). und er suchte dem Ausdruck der Rede durch eigentümliche Arm- und Handbewegungen nachzuhelfen; die Hände waren aufgehoben, das Innere derselben nach außen gekehrt, Daumen und Zeigefinger mit den Fingerspitzen aneinandergeschlossen und so die Hände und Arme gegen den bewegt, mit dem er sprach. Auch klopfte er mit den geschlossenen Spitzen des Daumens und Zeigefingers im Sprechen gern auf einen Tisch.Noch im Jahr 1830 sah ich zuweilen eine solche Bewegung an ihm. (D.) Wollte man ihm diese auffallenden Bewegungen abgewöhnen, so klagte er, daß ihm das Sprechen dann noch härter ankäme. Jenes Zusammenschließen des Daumens und Zeigefingers war auch der Fall bei angestrengtem Sinnen und Aufmerken und hatte einen krankhaften Grund; das einemal verursachte die Anstrengung des Sinnens und Aufmerkens, das anderemal die des Suchens nach dem Ausdrucke der Rede diese krampfhafte Zusammensetzung. Als ich ihn zum erstenmal besuchte, zog unter dem Tore vor der Stadt eine Bauernmusik vorbei. Hauser horchte auf und nahm die ganz eigentümliche Stellung an, in der ich ihn später öfters sah, wenn er über etwas nachdachte oder sich auf etwas besann. Er stand ganz starr und hielt die Arme mit gebogenem Ellenbogen vor sich hin, Daumen und Zeigefinger waren zusammengedrückt, wie wenn er etwas zwischen ihnen gehalten hätte. Den Augen sah man an, daß sie nicht sahen, daß die Seele aus ihnen gewichen war, die sich jetzt ganz und gar nur als hörend verhielt. Er verblieb in dieser Stellung, bis die Töne ganz in der Ferne verhallt waren.v. Tucher (S. 120f.): »Die Reizbarkeit seiner Nerven war erstaunlich. Es war, als ich mich bei ihm befand, Johanniskirchweih und es zog vor seinem Fenster Musik vorüber. Da riß er hastig das Fenster auf und gaffte mit höchster Anspannung hinaus, wiewohl man seinen Augen sehr wohl ansah, daß sie nichts sahen, auch nicht die Musikanten, sondern lediglich die Richtung bezeichneten, nach der sein ganzes Wesen hinstrebte. Den Mund geöffnet, horchte er und horchte lange, bis die letzten Töne in der weitesten Ferne verhallt waren; ja selbst noch lange nachher lauschte er, ob er nicht imstande sei, noch welche zu erreichen. Dabei zuckte sein ganzes Gesicht, und ein Zucken ging durch seinen ganzen Körper; übrigens stand er unbeweglich und hielt beide Hände in derselben Art vor sich hin, wie ich es oben beschrieben habe. Seine Empfänglichkeit für Musik hatte jemanden veranlaßt, ihm eine Glasharmonika – Glasstäbchen, auf die man mit zwei kleinen Hämmern schlägt – zu schenken. Er hatte auch mehrere Stücke gelernt und diese nun auf seine Weise höchst originell weiter ausgebildet. Im ganzen war darin mehr ein allgemeiner Rhythmus als eigentlicher Takt; er spielte mit großer Sicherheit und keine falsche, d. h. übeltönende Folge war zu vernehmen.«

In einem solchen Fall, wenn seine Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet war, wenn er sann und nachdachte, hörte und sah er nichts von dem, was um ihn her vorging.v. Tucher (S. 119f.): »Wenn im Gespräche mit ihm ein Ausdruck, eine Vorstellung, die ihm nicht klar genug war, vorgebracht wurde, so wiederholte er das Wort mehrere Male für sich, als wolle er mit sich zu Rate gehen, was das heiße; er hörte und sah dann nicht mehr, vernahm selbst den Zuruf seines Namens nicht, sondern suchte nur zu begreifen, was ihm da Neues geboten war.« Dazu bemerkt Daumer: »Es stimmt das mit der Schilderung, die teilweise, freilich mit allerlei offenbar unechten Ausschmückungen, schon der erste Zeuge, der Schuster Weickmann, in seinen Verhören gegeben. Auch diesem sprach er die ihm neuen und unverständlichen Wörter nach. Als W. sagte: »Wir wollen zum Herrn Rittmeister gehen,« sprach H. die Worte: »Herr Rittmeister, Herr Rittmeister« nach; aber, wie W. ausdrücklich bemerkt, in der Art, »daß man deutlich sah, er verstehe das Wort nicht.« Man konnte ihm, der sonst so empfindlich gegen laute und starke Töne war, mit der lautesten Stimme zurufen, ohne daß er es hörte. Erst wenn er mit einer schwer zu beschreibenden, fast einem Aufschrecken gleichen, zuckenden oder vielmehr schüttelnden BewegungJetzt ist es zuweilen nur noch ein Ruck. (D.) in seinen gewöhnlichen Zustand überging und selbst wieder zu sprechen begann, vernahm er auch andere wieder.Was bei jedem Menschen der Fall ist, daß er bei angestrengtem Sinnen und Denken weniger empfänglich für äußere Eindrücke ist, zeigte sich bei Hauser in sehr hohem und auffallendem Grade. So kam es, daß derselbe Mensch jetzt mit so ungeheurer Schärfe, ein andermal gar nichts sah und vernahm, und was für einen Archimed seine mathematischen Figuren und Berechnungen waren, das war für Hauser jeder Gegenstand des Aufmerkens und Nachdenkens. Daß er in seinem Käfig kein Glockengeläut, keinen Donner, noch anderes von außen eindringendes Geräusch und Tönen vernahm (es ist ihm sogar nicht erinnerlich, daß er eine Tür öffnen und schließen oder gehen gehört), davon liegt wohl auch der Grund hauptsächlich in seinem psychischen Zustande. Was er zu tun gewohnt war, mit den Pferden zu spielen usw., nahm seine ganze Aufmerksamkeit hin, füllte seine ganze Seele aus, und das geringe Tun, auf welches er gewaltsam beschränkt, in welches seine durch Einsperrung, Anfesselung und Opium gebändigte Kinderseele gebannt worden war, reichte damals hin, seine Sinne von äußern Eindrücken abzuschließen. (D.) In Hinsicht des Geschmacks zeigte er sich auf der untersten Stufe der Entwicklung stehend. Alles Glänzende und Farbige war ihm schön, alles Dunkle häßlich und widerlich, für andere Schönheit als die des Hellfarbigen ermangelte er der Erkenntnis.Wenn Hauser früher ein Mädchen zu werden begehrte, so geschah dies keineswegs, weil er sich zur weiblichen Natur hingezogen fühlte, oder an weiblicher Schönheit Gefallen fand, sondern weil er als Mädchen in farbigen schmucken Kleidern zu prangen wünschte. Man konnte ihn in keine größere Freude versetzen, als wenn man ihm ein weibliches Kleidungsstück umhing. (D.) Alle Menschen waren ihm schön, die nicht schwarz waren, wie ein MohrMohren waren ihm auf Bilderbogen vorgekommen. (D.) oder Schornsteinfeger.

Wenn man ihn fragte, ob ihm nicht einer schöner als der andere scheine, so sagte er, sie wären alle gleich schön, denn sie wären ja nicht schwarz im Gesichte. Das Weiße war ihm schön, Grün gefiel ihm nicht, Blau und Rot waren seine Lieblingsfarben.v. Tucher (S. 122): »Unter den Farben schien ihm das Rot der Rose die liebste zu sein.« Eine ganz weiße Katze, einen ganz weißen Hund fand er schön, schöner aber, meinte er, wäre es, wenn diese Tiere rot oder blau wären. Das Grün des Laubes, Grases usw. fand er nicht schön. Es sollte, sagte er, rot oder blau sein. Als er auf einem Wirtshausschilde ein rotes Pferd angemalt sah, sagte er, wenn die Pferde so schön rot wären, dann wären sie herrlich, und als er einst einen Baum voll roter Apfel sah, sagte er, wie schön wäre dieser Baum, wenn die Blätter auch so rot wären. Einmal äußerte er, sein Gesicht müßte recht schön aussehen, wenn es vergoldet wäre, ging auch einmal allen Ernstes Herrn Bürgermeister Binder an, ihm das Gesicht vergolden zu lassen. Sinn für die Natur fehlte ihm ganz.Dasselbe berichtet Ludw. Feuerbach (S. 126). Sein Zimmer mit den darin befindlichen Bildern und Gegenständen galt ihm für weit schöner als eine anmutige ländliche Gegend oder Szene. Als man ihn auf einer Anhöhe auf eine schöne Aussicht aufmerksam machte, sagte er, da sehe er nichts Schönes, es sei ja alles Grün. Erst wenn man ihn durch ein gefärbtes, zumal rotes Glas sehen ließ, gefiel ihm dergleichen. In der Musik sprach ihn nur das Lustige und Muntere an. Als man ihm einmal etwas von ernstem Charakter vorspielte, sagte er, das gehe ihm zu traurig. Traurig könne er selbst sein, dazu brauche er keine Musik. Alles was ihm gefiel, wünschte er zu besitzen und forderte er, auch Flammen und Töne. Uhren, Goldstücke und andere Gegenstände, an denen er Gefallen fand, wollte er anfangs nur seinen Spielpferden als Schmuck anhängen. Als er zum ersten Male (vor meiner Bekanntschaft mit ihm) eine brennende Kerze sah, wünschte er die Flamme zu haben, um sie dem Spielpferd umzuhängen, und da man sagte, man schenke sie ihm, langte er in die Flamme, so daß er sich die Finger verbrannte.v. Tucher (S. 122): »Von Hitze und Kälte schien er keinen Begriff zu haben. Er griff in das Licht, um es als etwas Neues genauer zu betrachten.« Alles, glaubte er, sei lebendig, auch das Toteste; in alles legte er Bewußtsein, Willen, Empfindung. In den ersten Tagen zu Nürnberg glaubte er, Brot, Wasser und Spielpferde seien ihm davongelaufen und sprach mit dem Brot, das er bekam, und mit einem Ofen, dessen glänzende Farbe ihn anzog. Als er sah, wie ein Kind, auf einem gefällten Baumstamm sitzend, mit einem Stöckchen daraufschlug, fragte er, warum es den Baum schlage, indem er meinte, es wolle demselben etwas zuleide tun. An einer Statue des Gartens, der an meiner Wohnung liegt, nahm er großes Ärgernis, weil sie sich, wie er sagte, nicht reinigte und putzte.Dasselbe erzählt v. Tucher (S. 123). In den ersten Zeiten hielt er selbst die Bilder der lebendigen Wesen aus seinen Kupferbögen für belebt. Beim Anblick eines an einem Hause angemalten, im Galopp laufenden Pferdes fragte er, warum dieses Pferd so ohne Führer daherspringe. Als ihm der Wind ein Blatt Papier vom Tische wehte, sagte er, es sei heruntergelaufen, und da man ihm sagte, der Wind habe es heruntergeweht, sagte er, sich beschwerend, das solle der Wind nicht tun, indem er den Wind als ein persönliches Wesen nahm. So machte er sogar mit dem Winter, von dem er sagte, er wundere sich, daß es ihn nicht selber friere, wenn er so kalt mache. Hauptsächlich wenn er etwas sich bewegen sah, ließ er sich nicht überzeugen, daß es nicht fühle, wolle und sich willkürlich selbst bewege. Als ich einen Apfel im Garten hinrollen ließ, verwunderte er sich, daß der Apfel so laufen könne und glaubte, es sei die selbständige Bewegung eines Lebendigen. Wenn sich der Apfel in Hecken und Beete verlief oder wenn er ihn in die Höhe warf und nicht wieder fangen konnte, sagte er, der Apfel folge nicht und fragte, warum er andern folge und nicht ihm? Als ein Apfel im Laufen einmal plötzlich innehielt, sagte er, er sei jetzt müde und man müsse ihn nicht länger plagen.Dasselbe erzählt Ludw. Feuerbach (S. 125). Jemand wollte ihm zeigen, daß es von ihm abhänge, welche Richtung der Apfel nehmen müsse und daß er hinfalle, wo er ihn hinwerfe. Da aber der Apfel nicht an der Stelle blieb, wo er auffiel, sondern absprang, so brauchte Hauser dies als GegenbeweisVergleiche unten, wo er den Gefängniswärter auf ähnliche Weise zu widerlegen glaubte. (D.) und blieb um so mehr bei der Meinung, daß der Apfel von selbst springen und laufen könne. Als ein rollender Apfel einmal an einen andern im Wege liegenden anstieß und ihn auf die Seite trieb, beschwerte er sich über den garstigen Apfel, der dem andern wehe getan und ihn weggestoßen habe und sagte, diesen möge er nun nicht mehr. Als jemand die rollenden Äpfel mit dem Fuße aufzuhalten suchte und diese an der etwas holperigen Stelle öfters in die Höhe und über den Fuß wegsprangen, freute er sich sehr über ihre Klugheit und Behendigkeit, ermahnte jeden, den er rollen ließ, zuvor, dasselbe zu tun und zeigte ihm wie er es machen müsse.v. Tucher (S. 123): »Daumer warf im Garten einen Apfel vor sich hin und forderte Hauser auf, das gleiche zu tun. Er sah den runden Körper laufen, hielt ihn für lebendig und konnte sich nicht davon überzeugen, daß er es nicht sei. Erklärungen waren fruchtlos, und als der senkrecht aufgeworfene Apfel wieder aufsprang, sah er darin eine Bestätigung seiner Meinung. Nun schnitt Daumer aus dem Brote, welches H. aß, eine Kugel; und als mit dieser die nämlichen Experimente gemacht wurden, so gab er endlich seine Vorstellung vom selbständigen Leben dieser Gegenstände auf. Eine steinerne Figur im Garten war ihm ein besonderer Anstoß, weil sie sich nicht von dem auf ihr liegenden Schmutze reinige; erst einige Tage, nachdem er die Erfahrung mit der Brotkugel gemacht, begriff er die Sache: »Also ist die, die sich nicht putzt, auch nicht lebendig!« Die Spielpferde, mit denen er sich im Käfig unterhalten hatte, sowie die, mit denen er zu Nürnberg spielte, galten ihm für lebendige und teilnehmende Wesen und alle Liebe, die in ihm war, hatte er in sie gelegt. Zu ihnen sehnte er sich unablässig hin, als man zu Nürnberg noch nicht darauf gekommen war, ihm dergleichen anzubieten; er hoffte, daß sie wieder zu ihm kommen würden und betrübte sich über ihr langes Ausbleiben; er erinnert sich noch, beim Hören eines Trompetentons gedacht zu haben, er wolle den Pferden, wenn sie wieder kämen, erzählen, was er Schönes gehört. In einer schriftlichen Erzählung Hausers heißt es: »Jetzt hörte ich wieder die Trompete in der Kaiserstallung, ich horcht und freute mich immer sehr, weil meine Hoffnung war, wann die Roß kommen, ich erzählen, was ich gehört habe.« Und an einem anderen Orte: »Ich war in der Meinung, die Pferde sind fortgegangen. Ich bekam auch den Gedanken, wenn die Pferde kommen, so sage ich, sie sollen nicht mehr fortgehen, auch dieses wollte ich sagen, sie sollten das Brot nicht mehr fortlassen, sonst habt ihr nichts«Ich werde diese Erzählung in dem Abschnitte »Selbstzeugnisse« mitteilen. Als er wieder Spielpferde bekam, weinte er vor Freude und vergaß den schmerzlichen Zustand, in dem er sich damals befand. Er hatte schon in seinem Käfig die Gewohnheit, seinen leblosen Gesellschaftern nicht nur Brot zum Fraße hinzuhalten, sondern sie auch mit dem Maule in sein Wassergefäß einzutauchen und, wie er meinte, saufen zu lassen. So machte er es auch (wie ich von zuverlässigen Leuten weiß) zu Nürnberg. Wenn er aß, so hielt er mit der einen Hand ein Stückchen Brot an den Kopf des Pferdes und steckte sich mit der anderen ein Stück in den Mund, dann aß er das, welches er dem Pferde vorgehalten und hielt diesem ein anderes vor, und so trieb er es fort, bis das Brot aufgezehrt war. Zuweilen blieb am Pferde etwas hängen; damit wollte er einmal den Gefängniswärter widerlegen, als dieser ihn zu belehren suchte, daß seine Pferde nicht fressen könnten. Wenn man ihm etwas zum Genusse anbot, was ihm widerstand, pflegte er zu sagen: »das fressen die Pferde nicht«, so sehr hatte er in ihnen die Anschauung seiner selbst. Doch hatte er sich durch den Gefängniswärter, schon ehe ich ihn kannte, überzeugen lassen, daß seine Spielpferde nicht lebendig seien, aber noch nach seinem Eintritt in mein Haus hielt er die Meinung fest, der große hölzerne Reitgaul, auf dem er sich öfters geschaukelt hatte, sei lebendig; ich hörte ihn noch, da ich ihn im Turme besuchte, die Besorgnis äußern, er möchte ihm davon laufen, wenn die Türen nicht verschlossen würden. Als er einmal auf diesem Holzpferde, von der Anstrengung des Schaukelns erschöpft, einschlief und sich am Finger quetschte, beklagte er sich, daß ihn das Pferd gebissen habe. Die Ansicht, daß alles lebe und empfinde, hinderte ihn ganz und gar nicht, anzunehmen, daß alles äußerlich von Menschenhänden geformt und gemacht worden sei. Beim Anblicke gezackter großer Blätter fragte er mich, wer das so ausgeschnitten habe und es war vergeblich, ihm vorstellbar und glaublich machen zu wollen, daß dies so von selbst hervorwachse.Ludw. Feuerbach (S. 127f.): »Bei allem, was er sieht, fragt er, wer es macht oder gemacht habe; bei den Blättern der Bäume, wer sie so ausgeschnitten habe usw. Von Gott weiß er nichts.« Als er einen Einäugigen sah, sagte er zu ihm, er solle sich ein Auge einmachen lassen, und da man entgegnete, das ginge nicht an, sagte er, wer das eine gemacht habe, könne auch ein anderes machen.Genau so Ludw. Feuerbach (S. 127). An gleicher Stelle erzählt er die folgende Geschichte: »Den Bart findet er besonders häßlich; als er in seinem Gesichte einige Härchen hervorsprossen sah, raufte er sie aus, in der Meinung, sie würden nun ausbleiben; wie er dann doch wieder welche bemerkte, drückte er sein Befremden und seinen Unwillen darüber aus, daß sie, obgleich er sie nicht wolle, dennoch kämen.« Zwischen der Natur und den Fähigkeiten der Menschen und Tiere wußte er keinen Unterschied. Die Hauskatze wollte er aufrecht gehen lehren. Er ärgerte sich darüber, daß sie mit dem Munde äße und sich mit demselben putze und ablecke. Er wollte ihr das Essen mit den Händen lehren, ergriff ihre Pfote und ermahnte sie, mit derselben ihren Fraß zu fassen und an das Maul zu bringen. Überhaupt sprach er mit der Katze wie mit einem Menschen und wunderte sich, daß sie nicht darauf achte und nichts lernen wolle.Ludw. Feuerbach (S. 127): »Als er irgendwo gesehen hatte, wie ein Hund stets dem Worte seines Herrn folgte, wollte er, nach Hause zurückgekommen, daß auch die Katze so folgsam sein solle; und als er nichts bei ihr ausrichtete, hielt er sich über ihren Ungehorsam auf. Auch wollte er die Katze mit den Pfoten essen lehren.« Da er Ochsen auf dem Pflaster gelagert sah, fragte er, warum die sich auf den harten Boden legten und nicht lieber nach Haus gingen, um sich niederzulegen. Er beschwerte sich darüber, daß die Tiere, z. B. Ochsen, Pferde, den Weg verunreinigten und nicht auf den Abtritt gingen. Noch im Herbste des Jahres 1828 hielt er sich sehr darüber auf, daß ein Pferd im Stalle »vor allen Leuten« sein Wasser ließ. Seine Unkunde der gewöhnlichsten und nächsten Erscheinungen und Gegenstände, welche die wunderlichsten Äußerungen verursachte, war anfangs so groß, daß er nicht einmal alle Glieder seines Leibes kannte. Einmal, erzählte er mir, sei jemand zu ihm gekommen, der sich bemüht hatte, ihn damit bekannt zu machen. Als man ihn hatte mit den Händen an seine Ohren langen lassen, sei er sehr verwundert gewesen und habe geglaubt, das sei etwas Ungehöriges, welches von seinem Körper weggeschafft werden müsse. Erst da der Gefängniswärter ihn ein wenig an den Ohren gezogen, habe er sich überzeugt, daß es ein Teil seines Leibes sei. Als ein Arzt seinen Kopf untersuchen wollte und mit beiden Händen daran griff, hörte ich ihn bitten, man möge ihm den Kopf nicht herunternehmen. Ebenso bei Untersuchung des Fußes, man möge ihn nicht wegnehmen. Einen Ring, den man ihm an den Finger gesteckt hatte und den er ablegen wollte, streifte er nicht ab, wie man zu tun hat, sondern bemühte sich, ihn unmittelbar von der Stelle des Fingers, an der er sich befand, durch den Finger hindurch wegzuziehen. Als ihm einmal die Röte seiner früher blasseren Wangen auffiel, fragte er, wer ihm das Rot hin gemacht habe. Weil ihm die Wassersuppe, zu der er sich bei Gewöhnung an warme Speisen zunächst verstanden hatte, täglich mehr behagte, meinte er, sie werde täglich besser zubereitet, fragte, wie das zugehe und warum man sie nicht gleich anfangs so gut gemacht habe. Als er eine graue Katze erblickte, fragte er, warum sie sich nicht wasche, damit sie weiß werde. Das Tanzen, das man ihn einmal versuchen ließ, faßte er leicht, meinte aber, wenn er mit einer anderen Person tanze, so geschehe dieses nur, um ihn zu unterstützen, weil er es doch noch nicht allein vermöge, wie man ihn auch gehen gelehrt hatte. Das Spiegelbild für das zu nehmen, was es ist, konnte er lange nicht bewogen werden.v. Tucher (S. 122): »Von den Wirkungen eines Spiegels war er aufs höchste überrascht.« Als sich einmal in dem geöffneten Fenster die im Zimmer befindlichen Personen abspiegelten, fürchtete er sich davor und sagte, man solle das Fenster zumachen, damit die Leute da draußen nicht hereinkommen könnten. Ich ließ ihn bemerken, daß die Bilder im Fenster und Spiegel alles nachmachten, was die davor stehenden Personen täten, und in allen Stücken so aussähen wie diese, dann ließ ich ihn mit der Hand hinter das Fenster greifen, wo die abgespiegelte Person zu stehen schien, und als er in das Leere griff, so überzeugte er sich endlich von der Scheinbarkeit der erblickten Gestalt. Man zeigte ihm ein Kupferblatt, auf welchem ein Ritter zu Pferde von der Seite dargestellt war, so daß man den Kopf des Pferdes nicht zu sehen bekam. Er fragte, warum dieses Pferd keinen Kopf habe; als man ihm sagte, der Kopf sei auf die Seite gewandt, die man hier nicht sehen könne, wandte er das Blatt um und wollte auf der leeren Seite desselben den Kopf erblicken. Auf ähnliche Weise machte er es bei anderen Gelegenheiten. Vom organischen Zusammenhang eines Gewächses hatte er keine Vorstellung. Als man eine Blume abriß und ihm zeigte, sagte er, man müsse nichts abreißen und zerbrechen, befestigte die Blume, so gut es gehen wollte, wieder an ihre Stelle und glaubte, sie nun in ihren vorigen Zustand zurückversetzt zu haben.Ludw. Feuerbach (S. 126): »Als ihm ein andermal eine Blume nach Art der Löwenklauen gezeigt wurde, und der Teil der Blume, der wie eine Haube aussieht, abgerissen wurde, nahm er ihn, setzte ihn der Pflanze wieder auf und glaubte, daß die abgerissene Blume, wenn man sie nur wieder an demselben Stamm anfüge, unverändert dieselbe, wie zuvor sei und ebenso gut wie zuvor einen Teil der Pflanze ausmache.«] Beim Anblick eines Turmes äußerte er, das müsse ein großer Mann gewesen sein, der diese Steine alle habe aufeinander legen können, den möchte er sehen. Als er Ende Oktober des Morgens plötzlich ein beschneites Dach erblickte (es war in der Nacht der erste Schnee gefallen), meinte er, es sei des Nachts weiß angestrichen worden. Da ihn jemand im Scherz aufforderte, einer Dame die Hand zu küssen und es ihm vormachte, sagte er abwehrend, nein, hineinbeißen muß man nicht. Einmal, als ich ihn noch nicht kannte, kam zu ihm ein Frauenzimmer mit gelbem Hut und rotem Kleid. Nachher bekam er einen Bilderbogen zum Geschenk, worauf unter anderem ein aufrechtstehender Löwe abgebildet war. Als er diesen Bogen mit Hilfe eines Sohnes des Gefängniswärters illuminierte, bemalte dieser den unteren Teil des oben gelb angestrichenen Löwen mit roter Farbe. Da erinnerte sich Hauser des Frauenzimmers und hielt diese gelbrote Erscheinung für das hier abgebildete Wesen oder für einen Löwen. Als nachher wieder Frauenzimmer mit gelben Hüten zu ihm kamen, nahm er sie für Löwen, nur wollte ihm, da er mit Aufmerksamkeit die Gestalten verglich, nicht alles passen. Die Füße und Hände des Frauenzimmers hatten ihm nicht genug Ähnlichkeit mit den Hinterfüßen und Tatzen der Löwen. Auch fragte er, warum das Frauenzimmer hinten keinen Stecken habe (damit meinte er nämlich den Löwenschweif), worauf er, wie er mir erzählte, die Antwort erhielt, der Löwe hier sei noch nicht ganz fertig (seiner oben angeführten Ansicht gemäß, daß alles mechanisch gemacht sei). Stecken nannte er den Schweif deshalb, weil er einen biegsamen Stock mit einer Quaste besaß und diesen mit dem Löwenschweif in eins zusammengefaßt hatte. Den Mond, da er ihn zum ersten Male erblickte, hielt er zuerst für die wiedergekehrte Sonne. Als er ihn aufmerksam betrachtete, verwunderte er sich darüber, daß er ein Gesicht habe, Augen, Nase, Mund, doch aber keine Ohren und Haare, die er für weggeschnitten hielt und glaubte, ein am Himmel angeklebtes Bild zu sehen. Er meinte, der Mond gehe durch die Wolken durch, und als ich ihm bemerklich gemacht, daß die Wolken vielmehr unter dem Monde hinweggingen, wunderte er sich, daß derselbe von dem anstreifenden schwarzen Gewölke nicht befleckt werde und immer wieder so rein und glänzend hervortrete. Er wollte mir nicht eher glauben, daß der Mond und die Wolken weit von einander entfernt seien, bis ich ihm die perspektivische Täuschung an andern Gegenständen gezeigt hatte. Im August 1828 sah er in meinem Hause zum ersten Male den gestirnten Himmel. Sein Erstaunen, sein Entzücken läßt sich nicht beschreiben. Er konnte sich nicht satt daran sehen, kehrte immer zum Anschauen dieses Glanzes zurück und bemerkte die Sterngruppen und die ausgezeichnet hellen Sterne mit ihren verschiedenen Farben. Das sei das Schönste, sagte er, was er jemals gesehen und fragte, wer die vielen schönen Lichter da hinaufsetze, anzünde und wieder auslösche. Als man ihm sagte, daß sie wie Sonne und Mond immerfort leuchteten, aber nicht immer gesehen wurden, fragte er, wer sie zuerst da hinaufgesetzt, so daß sie immer fortbrennen. Endlich versank er in tiefes Nachdenken, indem er, wie gewöhnlich in solchem Falle, unbeweglich und mit gesenktem Kopfe dastand, nichts mehr sehend und hörend. Als er wieder zu sich kam, hatte sich seine Freude in die tiefste Schwermut verwandelt. Er ließ sich zitternd auf einen Stuhl nieder und fragte, warum ihn jener böse Mann immer eingesperrt gehalten und nichts von all diesen Schönheiten gezeigt habe, da er doch nichts Böses getan. Er brach in ein langes, schwer zu stillendes Weinen aus. Man solle den Mann, äußerte er unter anderm, auch einmal zwei Tage lang einsperren, damit er wisse, wie hart das sei, wobei zu bemerken, daß er früher von einer Bestrafung des Mannes durchaus nichts hatte wissen wollen.In den ersten Zeiten hoffte er sogar auf die Rückkehr des Mannes, der ihn in seinen Käfig, wo ihm wohl gewesen, zurückbringen und dadurch in den früheren schmerzlosen Zustand versetzen werde. Als ich einmal im Turme, unbekannt mit dem Grunde seiner Sehnsucht, gegen ihn äußerte, daß er in jenen Käfig nicht zurückkehren könne, sah ich sein Gesicht den Ausdruck des Schmerzes und Kummers annehmen, und Tränen ihm in die Augen treten. Noch an dem Tage, da ich ihn in mein Haus nahm, fragte er in einem besonders schmerzvollen Momente, warum jener Mann so lang ausbleibe? Erst als es ihm in meinem Hause physisch wohler wurde, verlor er das Verlangen nach dem Käfig und dem Manne und sah es als ein hartes Schicksal an, so lange eingesperrt gewesen zu sein.(D.) Nur der Schlummer vermochte ihn endlich zu beruhigen. Er schlief erst gegen 11 Uhr ein, etwas bei ihm noch nie Vorgekommenes.Ludw. Feuerbach (S. 126f.): »Für die Natur hat er keinen Sinn und kein Verständnis. Als ihm ein schönes Baumblatt gezeigt und gegen die Sonne gehalten wurde, um den Anblick zu verschönern, fiel ihm nichts darin auf als ein kleines Nest von Raupeneiern, die er dann mit dem Ausdrucke, daß es garstig sei, herunterkratzte. An den Kirschen am Baume beschäftigte ihn nur das, daß sie so fest an ihrem Stengel hingen; er versuchte nun, ob sie leicht oder schwer herunterzureißen wären. Überhaupt scheint er sich nicht mit dem bloßen Schauen begnügen zu können, überall muß er sogleich mit seinen Händen geschäftig sein, greifen und hantieren können. Als er an einem heißen Tage spazieren geführt wurde, wo die Sonne ungehindert hinbrannte, fand er die Gegend garstig, weil ihm der Schweiß von der Stirne troff. Das einzige in der Natur, worüber er ein Wohlgefallen äußerte, war ein Regenbogen. Doch wandte er sich sogleich von dem Anblick weg zu der Frage, wer das gemacht habe. Die Antwort war, die Sonne bewirke es; aber alle ähnliche Antworten auf ähnliche Fragen schienen ihn nicht recht zu befriedigen. Bei diesem Anblicke äußerte er auch, daß er so etwas noch nie gesehen habe, und wunderte sich, daß es ihm, wiewohl es so schön sei, sein Vater nicht habe sehen lassen.«

Als man ihn im September und Oktober des Jahres 1828 ins Theater führte, freute er sich bloß über die glänzenden Anzüge der Schauspieler. Von dem Gesprochenen verstand er damals noch nichts, er fing überhaupt erst an, von dem in Gesprächen, denen er zuhörte, mit gewöhnlicher Schnelligkeit Gesprochenen zwischendurch etwas zu verstehen. Kam auf der Bühne eine komische Figur vor, so bewog sie ihn nicht zum Lachen, sondern zum Abscheu und zum Wunsche ihrer Entfernung, denn Komisches und Lächerliches gab es für ihn in den ersten Zeiten nicht, daher auch kein Lachen in dieser Beziehung; das für uns Komische war ihm widerlich und grauenhaft. Im Oktober hörte er Paesiellos Oper: die Müllerin. Er hatte sich Baumwolle mitgenommen, um sich vor zu lauter Musik die Ohren zu verstopfen, doch konnte er zu jener Zeit bereits die nicht angreifende Musik dieser Oper bis aufs Finale ohne solche Verwahrung hören. Die Offizierskleider des Barons machten ihm große Freude, den stärksten Abscheu aber äußerte er gegen den Amtsverwalter, insbesondere gegen seinen Haarbeutel. So ein Zopf sei das Allergarstigste, was es gebe, garstiger noch als ein Bart, sagte er, auch forderte er oftmals dazu auf, dem Mann den Zopf abzuschneiden.So wollte er, als er in mein Haus kam, der Hauskatze die Schnurre abschneiden. Bärte, Zöpfe, lange Haare und Schnurren waren ihm ein Greuel und er schüttelte sich zuweilen heftig bei ihrem Anblick. (D.) Die Gegenwart des Amtsverwalters war ihm unerträglich, er wandte oft das Gesicht ab, ärgerte sich, wenn er erschien und bezeugte seine Zufriedenheit, wenn er abtrat. Er hielt sich darüber auf, daß dieser »Garstige« immer zu den anderen schönen Personen hinzugehe und wunderte sich darüber, daß diese mit ihm sprechen möchten. Als der Verwalter die Kleider des Barons aus der Kammer hervorbrachte, mißfiel ihm ebenso die Berührung derselben durch den »Garstigen«. Als der Baron dem Notar mit dem Degen drohte, sagte er, er sollte lieber den »Garstigen« erstechen. Es war das die erste Äußerung dieser Art, die ich von ihm hörte. Es mochte ihm in diesem Augenblicke ein ähnliches Gefühl ankommen, wie wenn wir ein grauenhaftes Insekt zu vernichten geneigt sind. Er sprach noch nach dem Theater von dem Manne mit einem Gesichte, als solle er ein Brechmittel einnehmen.

IV. Sprache

Es ist schon bemerkt worden, daß Hauser anfangs die Worte, die man mit ihm sprach, als bloße Laute, ohne ihren Sinn zu fassen, nachzuahmen pflegte. Dasselbe stellt er selbst in seiner Selbstbiographie umständlich dar. Hieraus läßt sich manche sonst unglaubliche Aussage anderer erklären. Wenn z. B. der Bürger, der ihn zuerst in Nürnberg erblickte,Ein armer, aber unbescholtener Mann.(D.) vom Neuen Tor sprach, etwa zu ihm sagte: »Sieht er, das ist das Neue Tor!« so mochte Hauser, wie er zu tun pflegte, die letzten Worte: »Neu Tor« nachsprechen, der Mann konnte glauben, Hauser frage, ob dies etwa ein neu gebautes Tor sei, und in seiner Einbildung stand nachher unerschütterlich fest, was Feuerbach als Aussage dieses Mannes mitteiltAls er mit K. zum Neuen Tor gekommen, habe dieser gesagt: »dös is g'wiß erst baut worn, weil mer's neu Tor heißt?« (D.) und was ich selbst von letzterem behaupten hörte. Wenn Hauser auf die Frage, woher er komme, keine verständliche Antwort gab, so suchte man ihm wahrscheinlich durch Nennung einiger Lokalitäten nachzuhelfen. Auf die Frage »Vielleicht von Regensburg?« mag Hauser das letzte Wort nachgesprochen haben, und so entstand die Meinung, Hauser habe gesagt, er sei von Regensburg gekommen, was jener Bürger gegen mich und Hauser, der nichts davon wissen will, ebenso fest behauptete. So werden eine Menge Inkonsequenzen und Unbegreiflichkeiten ganz leicht und einfach aufgelöst. Wie Hauser zu dem Ausdruck »Woas nit« oder »I was net« kam, erzählt er uns in seiner Selbstbiographie. Es waren ebenso wie seine Reden in den obigen und anderen Fällen nur sinnlos nachgeahmte Laute. Jedermann aber mußte damals glauben, wenn er sein »woas nit« sagte, es solle eine Verneinung dessen sein, was man von ihm erfragen wolle.

Ich füge hier dem schon Gesagten noch folgendes von Eigentümlichkeiten in Hausers Sprache hinzu, was nicht ganz ohne Interesse sein dürfte.

Auch da Hauser »ich« sagen gelernt hatte, sprach er doch noch mehrere Monate lang von sich selbst gern in der dritten Person und mit Nennung des Namens KasparÄhnlich v. Tucher S. 119. In Beziehung auf eine Zeichnung, die von ihm gemacht worden war, sagte er z. B.: »wenn die Nase nicht wäre, so wäre gar nichts von Kaspar in dem Bild.« – »Mich selbst darauf hindenken«, sagte er im Sommer 1828 statt: durch eigenes Studium herausbringen. – »Es fühlt mich« nach der Analogie: es friert mich usw. – »Fühlung« statt Gefühl, Empfindung. – »Auf die Drübenseite« statt: auf die andere Seite. – »Es ist eine Unmenschlichkeit« statt: es ist etwas Übermenschliches, etwas durch menschliche Kraft Unerreichbares (1828). – Der Ton der Violine sei ausführlicher als der der Gitarre, sagte er schön bezeichnend im Frühling 1829. Das Wort schwermütig brauchte er vom Körper und schrieb es schwermüdig, als Kompositum von schwer und müd (1829). – »Ich bin jetzt in einem ganz anderen Gedächtnis« statt: ich denke jetzt ganz anders als sonst, habe ganz andere Gedanken und Gesinnungen (1839). – Bei Gliedern des Leibes brauchte er eine undeutsche Redefügung, z. B. von einer Katze: sie hat Kopf nicht so groß als die andere« (noch 1830).–»Eine so Reue« mit betontem so, statt: eine solche (so große) Reue (1830).

V. Weichheit und Güte des Gemüts in den ersten Zeiten.

Das rührende Bild der reinsten Güte, welche Hausers Erscheinung in den ersten Zeiten gewährte, übertrifft alles, was von dieser Art die Phantasie sich erfinden könnte und läßt sich in der Fülle seiner Lebendigkeit durch keine Beschreibung ausdrücken.Über Hausers Weichheit und Güte wissen alle Beobachter der ersten Zeit viel Rührendes zu erzählen, v. Tucher (S. 123): »So wie ich diesen Menschen gefunden und geschildert habe, mit seiner natürlichen unmittelbaren Reinheit und Selbstbewußtlosigkeit, gab er im vollkommensten Grade das Bild des ersten Menschen im Paradiese vor dem Sündenfall.« Aus dem Jahre 1828 sind folgende Züge:

Seine eigene Empfindlichkeit gegen äußere Einwirkungen auf alle lebendigen Wesen übertragend, konnte ihn selbst das, was andern nicht wehe tat, in Schrecken versetzen. Als ihn einmal jemand aufforderte, ihm mit einer Rute einen kleinen Schlag zu versetzen, war er nicht dazu zu bringen; es tue ihm selbst gar zu weh, sagte er. Schlug vor seinen Augen einer den andern und versicherte auch der Geschlagene lachend, keinen Schmerz zu fühlen, so vermochte dies den Schrecken und Schmerz, den Hauser bei solchem Anblick fühlte, nicht aufzuheben. Wenn er vollends jemand, wie ein paarmal in seiner Turmwohnung, ein Kind züchtigen sah, so vergoß er Tränen und geriet in die äußerste Unruhe. Ich sah ihn um die Zeit, da er mir übergeben wurde, in Angst und Unwillen geraten, als jemand eine Katze, um sie ihm zu zeigen, beim Kragen in die Höhe hob. Die Flöhe, die ihn im Turme gewaltig peinigten und mit ihren Stichen aus dem Schlafe weckten,Mit Schauder sprach er nachher von diesen »Schwarzen«. Vor einer schwarzen Henne fürchtete er sich deshalb, weil er sie der gleichen Farbe wegen für einen solchen »schwarzen Beißer« hielt. (D.) sah er mit Unwillen töten und begnügte sich, sie zum Fenster hinaus zu schaffen. Als jemand zu jener Zeit vor seinen Augen einen Floh tötete, ließ ihn Hauser mit unwilligem Tadel an, und da man ihm sagte, dies Tier sei deshalb getötet worden, weil es ihn plage und beiße, sagte er, man hätte es zum Fenster hinaus entlassen sollen.Ludwig Feuerbach (S. 126): »Als er jemanden eine Birne aufschneiden sah, in der zufällig ein Wurm war, kam er mit der Birne und dem Wurm zu uns in den Garten herunter und erzählte mit Ekel und Abscheu, wie jemand habe etwas essen wollen, worin so garstige Tiere seien. Es war ihm nicht bloß die ganze Gestalt des Tieres widerwärtig; er bemerkte auch, wie garstig es innen sei, wobei er den schwarzen Saft meinte, den er in dem durchsichtigen Körper wahrnahm. Als man ihn aufforderte, es zu töten, weigerte er sich und legte es in das Gras hinein.« Erst als man ihm bemerkte, daß es dann auf andere Menschen gesprungen sein und auch diese gebissen haben würde, beruhigte er sich einigermaßen. Wenn jemand ein Insekt umbringen wollte, hinderte er es und sagte, dieses Tier möchte auch gern leben. Wenn er einen Vogel oder andere Tiere eingesperrt sah, betrübte er sich und sagte, dieses Tier möchte auch gern frei sein, warum man es einsperre? Ich sah ihn weinen, als jemand im Scherze zu ihm sagte, eine gewisse Katze solle den damals in Nürnberg befindlichen Schlangen vorgeworfen werden. Er betrübte sich fast bis zu Tränen, als er hörte, das Pferd, das er zu reiten pflegte, habe ein geschwollenes Bein, und als er hörte, dieses Pferd werde auf dem Theater einen Maulesel vorstellen, erzürnte er sich und sagte, diesen braven Gaul müsse man nicht foppen. Sah er Tiere nach einem Fraße lüstern, so drang er darauf, sie zu befriedigen. Ich mußte ihm einst erlauben, einem Vogel, der gebraten werden sollte, die Freiheit zu geben, um nicht sein Gemüt gegen mich zu empören. Man kann keine Vorstellung von der rührenden Kindlichkeit haben, mit der er für ihn bat und von dem Entzücken, mit dem er den Vogel davonfliegen sah. Er erzählte mir einst mit einem Ausdruck unendlicher Wehmut, Herr Giehrl habe heute einen Hasen und zwei Vögel auf der Jagd geschossen, die er noch bluten gesehen.Giehrl erzählt diese Geschichte folgendermaßen: »Ich war von einem hiesigen Jagdpächter eingeladen, eine weidmännische Partie mitzumachen, welche Einladung ich auch mit Vergnügen annahm. Genannter Jagdpächter steht in Nürnberg auf einem ansehnlichen Posten und sein Geschäft verbreitet sich über technische Gegenstände. Herr Bürgermeister Binder, der sich gleich anfangs um den armen K. Hauser wahrhaft väterlich angenommen, sich auch durch verschiedene vorgenommene Versuche innig überzeugte, daß der Findling erstaunenswerte Fähigkeiten besitze, hatte den mehrgenannten technischen Beamten ersucht, dem Unglücklichen Zeichnungen und dergleichen vorzulegen, und mit bewunderungswürdiger Fertigkeit wurden diese von K. Hauser nachgemacht. Dadurch und durch sein kindliches Benehmen hatte sich K. Hauser bereits die Liebe des oben erwähnten Jagdpächters und dessen ganzer Familie erworben, und den ganzen Tag über war er in deren Hause. Ehe wir auf die Jagd auszogen, wurde bestimmt, daß uns die Fräulein Töchter des Pächters abends bis nach ...... entgegenfahren und K. Hauser mitnehmen sollten. Als wir abends unsere Jagd vollendet hatten, gingen wir mit unserer Beute (aus Wildenten und Bekassinen bestehend) nach ...... und fanden daselbst jene Personen, welche wir erwartet hatten. Ich zog aus meiner Weidtasche eine Ente und zeigte sie dem Findling, der sogleich zu verstehen gab, daß er zu wissen wünsche, was das für ein Ding wäre, und als ich ihm den Namen ›Wildente‹ genannt hatte, besah er dieselbe recht genau, wobei er plötzlich bemerkte, daß die Ente noch blutete. ›Bös? bös?‹ fragte er, auf die Blutspuren zeigend und zu erkennen gebend, daß er wissen wollte, ob die Wildente ein böses Tier sei, und als ich ihm diese Frage mit ›nein‹ erwiderte, warf mir der Findling einen gar zornigen Blick zu, durch welchen er mir deutlich zu verstehen gab, daß ich das Tier, wenn es nicht böse gewesen wäre, auch nicht hätte umbringen sollen. Auf dem Wege von Nürnberg nach ...... ist eine gute Strecke der Landstraße mit Baumreihen versehen, und mir ward erzählt, daß K. Hauser, der bei erwähnter Jagdpartie das erstemal fuhr, in dem Augenblicke, als der Wagen anfing, etwas schnell auf der Straße fortzurollen, ängstlich die Hände der mit ihm fahrenden Damen ergriff und mit zitternden Gebärden zu verstehen gab, daß ihm die an der Straße stehenden Bäume nachliefen.« Wie es möglich sei, daß die Menschen kein Erbarmen mit diesen Tieren hätten, die doch niemand etwas zu leide taten? Als man ihm sagte, man töte diese Tiere, um sich von ihrem Fleische zu nähren, erwiderte er, man könne ja etwas anderes essen, z. B. Brot, wie er. Als er im Herbste 1828 Affen sah, die allerlei Kunststücke machten, hatte er eine kindliche Freude darüber. Da er aber bemerkte, wie sie damit wieder von vorn anfangen mußten, um neu hinzugekommene Zuschauer zu befriedigen, verlangte er mit dem Ausdrucke des Mitleids fortgeführt zu werden.

Er hätte vor Jammer nicht mehr zusehen können, sagte er nachher, denn er habe selbst die Erfahrung gemacht, wie widerlich es sei, das, was er schon tausendmal den Neugierigen gesagt und vorgezeigt habe, von neuem sagen und vorzeigen zu müssen.Dasselbe erzählt Daumer 1859, S. 80.

Das erste, was er (im Sommer 1828) las und zugleich verstand, war die Geschichte Josephs und seiner Brüder. Er hatte darüber eine unaussprechliche Freude; aber über die Härte, mit welcher Joseph in Ägypten seine Brüder anfangs behandelte, beklagte er sich sehr und sagte, das sei nicht schön von ihm gewesen. Er an Josephs Stelle würde die Brüder nicht geängstigt, denen, die ihm Böses getan hatten, so viel als sie nötig gehabt, gegeben und von sich gelassen, den Ruben aber, der ihm das Leben gerettet, bei sich behalten haben. Der kaum zum Leben erwachte Findling läßt hier den alttestamentlichen Mann Gottes an Zartgefühl und Edelmut weit hinter sich. Obgleich noch ohne alle religiöse Bildung, ja von Religion und Christentum nichts wissen wollend, vergilt er nicht Böses mit Bösem, ja er will wohl tun denen, die ihn gehaßt und ins Elend gestürzt haben. Aber wie menschlich wahr zugleich ist jene Äußerung, die bei Hauser der Handlung selbst ganz gleich zu achten ist. Er will zwar denen nicht übel, die ihn so grausam behandelt haben, aber lieben kann er sie doch auch nicht. Er gibt ihnen reichlich, damit sie keinen Mangel leiden und will sie dann nicht weiter um sich haben. Den Ruben aber, der ihm Gutes getan, den liebt er, den behält er bei sich.

Eine seiner köstlichsten Äußerungen, die er im Oktober 1828 tat, ist folgende: Er denke auch deshalb ungern an seine Einsperrung zurück, weil er sich die Angst vorstelle, in der der Unbekannte, der ihn gefangen hielt, gelebt haben müsse. Dieser habe wahrscheinlich immer auf seinen Tod gehofft, der nicht erfolgt sei, und so glaube er, daß der Unbekannte, bis er sich seiner entledigt habe, in der qualvollsten Unruhe gelebt habe, was ihm wehe tue, wenn er sichs vorstelle.Dasselbe D. 59, S. 80. v. Tucher (S. 122f.): »So schmerzlich ihm die Erinnerung an sein vergangenes Leben ist, so hat er doch keinen Begriff dafür, daß man dem, der ihn eingesperrt, ein Gleiches tun oder ihn gar schlagen sollte, wie ihm selbst geschehen war.« Solche Äußerungen waren damals bei Hauser weder durch Erziehung und Bildung überhaupt, noch insbesondere durch religiösen Einfluß begründet, sie flogen rein und selbständig aus seiner in ihrer Ursprünglichkeit noch ungetrübten Menschennatur, die aber das Leben in der Welt bald zum Abfall von sich selber nötigte.

Der an ihm verübte Mordversuch machte einen üblen Eindruck auf sein Gemüt. Er äußerte nachher, wenn der Unbekannte, der ihn in der Gefangenschaft gehalten, und von dem er fest behauptete, er sei derselbe, der jene Tat verübt, früher entdeckt worden wäre, würde er für ihn gebeten haben, weil er ihn doch als Kind aufgenährt und nicht getötet habe. Jetzt aber, wenn man ihn ergriffe, möge man mit ihm tun, was man wolle. Als er einige Wochen nach seiner Verwundung sich im Schießen nach der Scheibe übte und einmal gut getroffen hatte, kam er jubelnd zu mir gelaufen und sagte, jetzt könne er schon einen Menschen totschießen. So umgestimmt war damals das früher so harmlose Wesen, das kein Tierchen zu beleidigen vermochte, auch wenn es ihn selber quälte.

VI. Mitteilung weiterer Aufzeichnungen Daumers über Kaspar Hauser, aus seinen »Enthüllungen« (Frankfurt 1859).

Nach ungefähr drei Monaten, Ende August, drückte er sich schon ziemlich geläufig und verständlich aus, beurteilte richtig und ohne weitere Konfusion Lebendiges und Totes, Organisches und Unorganisches, unterschied Ernst und Scherz und hatte es gern, wenn man mit ihm spaßte, so wie auch in seine eigenen Äußerungen und Antworten viel Humor kam; die Tätigkeit seines Geistes war nicht nur auffassend und nachahmend, sondern auch produktiv; er entwarf, wiewohl in noch sehr mangelhafter Form, Briefe und Aufsätze; auch hatte er das Schachspiel begriffen. Anfang September fing er an, eine Geschichte seiner bisherigen Lebensschicksale aufzusetzen, wobei er den Eigensinn hatte, sie niemand zu zeigen, bis sie fertig sein würde.Er versteckte das Manuskript unter sein Bett, damit es niemand finden und lesen solle. Bei der Aufsetzung dieser Geschichte wenigstens hat also niemand einen Einfluß auf ihn ausgeübt. (D.) Vgl. dazu die Selbstbiographie in dem Abschnitt »Selbstzeugnisse«.

Über seine Gedächtniskraft finde ich in meinen Papieren folgendes bemerkt: Fast von allem, was ihn betraf, vermochte er anzugeben, vor wieviel Tagen und Wochen es geschehen war. Er wußte, wie oft er seine Suppe, seine Schokolade, seinen Milchbrei gegessen. Von seinem Damenspiel und Schachpartien konnte er sagen, wieviel er mit jeder einzelnen Person gespielt habe. Von fünf Partien des Damenspiels, die er gespielt, war er imstande, den Gang jeder einzelnen der Reihe nach herzusagen. Von jedem der vielen Dinge, die ihm geschenkt worden, wüßte er zu sagen, wer es ihm gegeben; sogar von mehreren Vierundzwanzigkreuzerstücken konnte er, vermöge der verschiedenen Schmutzflecken, die sie hatten, einzeln angeben, von wem er sie erhalten hatte. Er wußte die Namen vieler Hunderte von Personen, die ihn besucht, oder die er sonst kennen gelernt hatte. Einige Zeit vor meiner Bekanntschaft mit ihm sagte man ihm einmal 22 und dann wieder 34 Namen von Personen vor, die er, ohne irre zu werden oder einen davon zu vergessen, nachher wieder nennen konnte. An einem öffentlichen Orte sagte man ihm 45 Namen anwesender Personen, die er, ohne zu fehlen, nachher wieder nannte. Er merkte in diesen Fällen auch die beigefügten Bestimmungen des Standes und Amtes. Er behielt nie gehörte, zum Teil langgedehnte Titel und Benennungen, die nur sinnlose Laute für ihn waren, wie Major, Oberst, Aktuar, Offiziant, Adjutant, Oberleutnant, Generalleutnant, Kavallerieregiment. Kaum glaublich ist, was er später, nachdem diese große Gedächtniskraft abgenommen hatte, gegen mich behauptete: er habe alles, was ich im Turme die drei Wochen, in welchen ich vor seiner Erkrankung täglich zu ihm gekommen, mit ihm gesprochen hatte, wörtlich behalten und andern öfter Wort für Wort wiederholt; er habe bis zu jener Erkrankung kein Wort vergessen, so daß er in der dritten Woche noch alles der Ordnung nach hätte hersagen können.Giehrl erzählt hierzu: »K. Hauser bewies schon in den ersten Wochen seines Hierseins ein unglaublich fassendes und erstaunlich getreues Gedächtnis. Er konnte nicht nur Personen, die ihm nur ein einziges Mal vorgestellt und genannt wurden, wenn es auch noch so viele waren, mit ihren vollständigen Namen und Titulaturen sogleich nennen, sondern sogar nach mehreren Wochen sie wieder erkennen, und als ich K. Hauser lange nach der Geschichte in .... zum ersten Male wieder sah, nannte er mich nicht nur bei meinem Namen, sondern er warf mir sogleich wieder vor, daß ich ein Tier, das nicht böse gewesen, umgebracht hätte.

Seitdem er zu reflektieren und forschen begonnen, arbeitete sein Kopf unaufhörlich; vorzüglich morgens und abends vor dem Einschlafen drängten sich ihm eine Menge von Reflexionen und Problemen auf; auch auf Spaziergängen und Spazierritten war er zuweilen lange stumm und dachte über etwas nach, was ihm noch nicht klar geworden. So z. B. im Beginne des Oktober 1828 auf einem Spaziergange, wo ihn der Anfang des Evangeliums Johannis beschäftigte, und auf einem Spazierritte, wo er darüber nachsann, was er einem gewissen Zuge, womit ich das Schachspiel zu beginnen liebte, entgegen zu setzen habe.

Weitere Tatsachen sind folgende: Wenn man ihm einen Buchstaben vorschrieb, den er noch nicht geschrieben hatte, so zog er zuerst die Feder oder den Bleistift über den vorgeschriebenen Buchstaben hin und machte ihn dann aus freier Hand mit großer Richtigkeit. So war es schon, als ich ihn kennen lernte.

Im August und September 1828, als er krank war und geistige Anstrengungen zu meiden hatte, wurde er unter anderm mit Papparbeiten beschäftigt. Er machte deren im September zum Teil von solcher Reinheit und Schönheit, daß sich kein Buchbinder derselben zu schämen gehabt hätte. Die Kästchen, die er gemacht hatte, pflegte er an Personen zu verschenken, die ihm wert waren oder denen er Dank schuldig war. Ein sehr schönes Nähpult erhielt Frau Binder von ihm. Er hatte bei dessen Verfertigung die Tischlerarbeit nach Anleitung eines Schreinermeisters gemacht; es war die einzige Arbeit der Art, die er zustande brachte, weil ihm das dabei entstehende Geräusch zu wehe tat. Im Hause machte er vom September an mit seinem Handwerkszeuge den Tausendkünstler; wo etwas fehlte, da war er bei der Hand und half.

Daß er bei so großem Geschick und Talent in jeder Art von Fertigkeit so leicht das Reiten lernte, ist kein Wunder. Es kommt dazu, daß sein Geist eine große Gewalt über seinen wiewohl so schwachen und reizbaren Körper übte, wenn er für etwas ganz besonders eingenommen war; das Reiten liebte er leidenschaftlich und daher konnte er auch viel darin leisten, ohne zu ermatten und Nachteil zu spüren. Seine Haltung, sein Mut, die richtige Führung des Pferdes sogleich bei den ersten Versuchen setzten in Erstaunen; der Stallmeister sagte, mancher gehe zwei Monate lang bei ihm zur Lehre und sitze nicht so gut zu Pferde. Er hatte sich, ehe er noch auf das Pferd kam, vom Zusehen alles abgemerkt und wußte es besser als diejenigen, die der Stallmeister eben erst vorgehabt hatte. Er spürte nichts am Gesäße, das durch das jahrelange Sitzen und Rutschen abgehärtet sein mochte; doch allerdings etwas an den Schenkeln, was bei Feuerbach eines Schreibfehlers wegen, der in die für ihn gefertigte Abschrift meiner Bemerkungen gekommen, unrichtig angegeben ist. Ebenso verhält es sich mit dem türckischen Pferde, das er zu besteigen verlangt haben soll. Es heißt in meinen Nachrichten: »Als der Stallmeister Anfang Oktober ein tückisches und eigenwilliges Pferd getummelt hatte, verlangte es Hauser zu reiten, da ihn der Anblick mehr gereizt als erschreckt hatte.So traurig sieht es mit geschichtlichen Wahrheiten aus, daß sie zuweilen selbst bei dem redlichsten Willen derjenigen, welche sie aufzeichnen, durch die elendesten Zufälle entstellt und verfälscht werden und dann freilich der Kritik die bedenklichsten Blößen bieten. Merker hatte gar nicht unrecht, wenn er gegen Feuerbach die Bemerkung machte, daß Neulinge im Reiten nicht sowohl am eigentlichen Gesäße, als an den Oberteilen der Schenkel Verletzungen erleiden und daß daher die Abhärtung des Gesäßes zur Erklärung der Erscheinung nicht genüge; an jenen Teilen aber blieb H. wirklich nicht unverletzt. (D.) Im August 1829 ritt er auf die alte Veste und wieder zurück, dagegen taten ihm um dieselbe Zeit von einigen Gängen, die er gemacht, die Füße so weh, daß er sich ein paar Stunden früher als gewöhnlich zu Bett legte. Auf manche Vorteile beim Reiten kam er von selbst. Gleichwohl mußte er diese Kunst erst lernen und brachte sie nicht, wie man angenommen und vorgegeben hat, schon nach Nürnberg mit; ich kann das bezeugen, weil ich bei allen den betreffenden Szenen als aufmerksamer Beobachter zugegen war.Giehrl erzählt: Hauser wußte sogleich alles, was er sah, nachzumachen, und ich habe aus dem Munde des Stallmeisters Herrn v. Rumpler (welcher die Reitschule dahier dirigiert) die Versicherung erhalten, daß K. Hauser noch kaum ein einziges Mal einen damals gerade auf der Reitbahn sich befindlichen Schüler im Kreise hatte herumreiten sehen, er, Hauser, sich auch sogleich zu Pferd setzte und eine passende Haltung nahm. Übrigens die Kunst zu reiten eignete sich K. Hauser so schnell nicht an, als dieses Herr Merker glauben machen will, denn zur Kunst des Reitens fehlten dem Fremdlinge nur zu sehr die hierzu erforderlichen körperlichen Kräfte. Die albernen Hypothesen, die man auf Hausers Reitkunst gebaut hat, fallen daher in nichts dahin.« Merker meinte, er sei ein seiner Bande entlaufener englischer Reiter. Mit demselben Rechte hätte man sagen können, er sei ein entlaufener Buchbinderlehrling, da er so schöne Papparbeiten – und das ebenfalls mit besonderer Liebhaberei – zu machen pflegte.

Jemand hatte ihm sein Porträt geschenkt. Als Hauser späterhin zu ihm kam, zeigte ihm derselbe ein anderes Exemplar dieses Porträts. Hauser bemerkte sogleich, daß auf dem seinigen der Backenbart stärker sei, und wirklich hatte der Künstler auf Hausers Exemplar den Backenbart durch Hineinzeichnen etwas verstärkt. Hauser bemerkte auch, daß auf diesem Porträt eine Warze nicht ganz am rechten Ort stehe, was vorher niemand wahrgenommen hatte. Im August 1828 sagte er in Beziehung auf ein Bild von ihm selbst, es sei nichts darin, was ihm gleich sehe, als die Nase. Er legte ein kleines Stück Papier auf die Nase und sagte, da könne man nun sehen, daß jetzt gar keine Ähnlichkeit mehr mit ihm vorhanden sei. Um ein Porträt von ihm zu prüfen, hielt er es verkehrt an den Spiegel und verglich in diesem sein Gesicht damit. An einem Bilde,Dieses Bild ist die diesem Werke beigegebene Steinzeichnung des Zeichenlehrers Hanfstengel, Kempten 1830. das ihn darstellen sollte, wie er nach Nürnberg gekommen, tadelte er im Sommer 1828 die Stellung der Füße. In jener Zeit, sagte er, sei er stets mit einwärts gekehrten Füßen gegangen und gestanden; hätte er stehen wollen wie das Bild, so wäre er umgefallen.

Wenn er aus krankhafter Ursache nicht arbeiten konnte, so trieb er statt dessen einige Spiele, wie Damenspiel und Schach. In dem ersteren, das er mit sehr vielen Personen spielte, gewann er die meisten Partien. Schach spielte er im August 1828 so, daß er zwar nicht wohl anzugreifen, sich aber ziemlich gut zu verteidigen verstand. Doch schätzte er diese Beschäftigung gering. Wenn er wieder ernstlich lernen könne, sagte er, müßten diese Spiele sogleich unterbleiben. Er werde dann in einem fort studieren, keine Besuche mehr machen noch annehmen und nur einmal des Tages spazieren gehen.

Im September 1828 bemerkte er auf einem Spaziergange eine auf einem Maienbaume befindliche, hin und her wehende Fahne in einer Entfernung, wo andere fernsichtige Augen nur den Baum, nichts aber von der Fahne und ihren Bewegungen erkannten. Ich fragte einige in der Nähe befindliche Bauernjungen, bei denen ich ein scharfes Gesicht voraussetzte, ob sie dieselbe zu erblicken vermöchten. Ein paar davon behaupteten, das Wehen der Fahne zu bemerken. »Gut,« sagte Hauser, der sie in Verdacht der Unwahrheit hatte, »wenn sie wieder weht, will ich euch fragen, ob ihr sie seht.« Er wartete einige Zeit und stellte dann, während die Fahne ruhig war, die irreführende Frage an sie: »Nun, weht sie jetzt, oder nicht?« – »Sie weht,« antworteten die Jungen. – »Ich sehe nun, daß ihr nichts seht,« sagte Hauser und verwies ihnen nachdrücklich ihre Lügenhaftigkeit.

Wenn er zu befehlen hätte, äußerte er Mitte Oktober 1828, so müßte dieses und jenes geschehen. Jemand fragte, was er denn aber tun würde, wenn die Leute nicht gehorchten, ob er sie dann prügeln lassen wolle. Der Fragende kannte seinen Abscheu vor solchem Verfahren und wollte sehen, wie sich Häuser aus der Verlegenheit ziehen werde. Dieser antwortete: »nein, prügeln würde er sie nicht lassen, das würde ihnen wehe tun und doch nicht viel helfen; sie würden die erlittene Strafe leicht wieder vergessen und sich aufs neue vergehen, wie er es bei dem Sohne des Gefängniswärters beobachtet habe. Er würde sie um Geld strafen; das würde nachhaltiger sein; dann würden sie gewiß tun, was er wollte.«

Scherz und Ernst zu unterscheiden fing er, wie schon oben bemerkt, im August 1828 an. Auch begann er damals, sich der Form des Spottes und der Ironie zu bedienen, was er von nun an sehr gerne zu tun pflegte. Er neckte mit vielem Witz und Humor, der sich oft durch ganze Gespräche hindurchzog. Im Oktober 1828 sagte er scherzweise von seiner Königin im Schachspiel, er müsse ihr noch ein paar Augen machen lassen, damit sie besser sehen könne und sich nicht immer von den Springern nehmen lasse. Wenn ein paar Monate früher ein anderer so gesprochen hätte, so hätte er es wohl noch für ernst genommen. – In einiger Entfernung von seinem Fenster stand ein Nußbaum, den er bei seinem feinen Geruch bis in sein Zimmer hinein roch und übel empfand. Er sagte daher, wenn er einen angenehmen Geruch haben wolle, dürfe er nur ans Fenster gehen. Diese Art des verkehrten Ausdruckes war ihm Anfang September 1828 schon sehr geläufig. Aus derselben Zeit ist folgender Zug: Ich glaubte einmal in einem Fluß Enten zu sehen, es waren aber Gänse. Er lachte mich darüber tüchtig aus, und als wir wieder einmal vor einem Wasser vorbei kamen, worin sich Gänse befanden, sagte er spottend, da solle ich hinsehen, da seien Enten drin. – Am Ende dieses Monats sagte er zu jemand, sich einer gehörten Phrase bedienend, er werde ihn aus Dankbarkeit in Gold fassen lassen. Dieser entgegnete, er möge ihm nur das Geld dafür geben; er könne sich dann, wenn er wolle, schon selbst vergolden lassen. Da machte Hauser mit der Hand am Munde die Bewegung des Trinkens und sagte spottend: »so werde er sich vergolden lassen,« nämlich mit Wein. – Mitte August bemerkte Hauser, daß eine weibliche Person bei einer Küchenarbeit ein Tuch umgetan hatte, worin mehrere Löcher oder Risse waren. Das mißfiel ihm, doch wollte er seinen Tadel nicht geradezu aussprechen. Er besann sich lange, dann sagte er: »In dieser Schürze ist nicht ein Loch.« Als jene entgegnete, er halte so viel auf Wahrheit und nun habe er doch eine offenbare Unwahrheit gesagt, entgegnete er, das, was er gesagt habe, sei richtig; denn die Schürze habe ja wirklich nicht ein Loch, sondern viele. Ich bemerkte ihm darauf, um ihn in Verlegenheit zu setzen: genau genommen sei es doch nicht richtig, denn wo viele Löcher seien, da sei auch eins.

Darauf sagte er, ich hätte allerdings recht, wenn ich zählte: eins, zwei, drei usf.; er aber habe nicht so gezählt, sondern die Löcher im ganzen genommen, und insofern habe er recht. Es zeigt sich hier eine Gewandtheit im Denken und Ausdruck, zu der viele normal beschaffene und sorgfältig erzogene Individuen nicht befähigt sind.

Die sehr hübschen Papparbeiten, die er machte, verschenkte er. Nun wollte aber die ganze Welt dergleichen von ihm haben. Da sagte er im Unwillen: »er werde den Leuten sagen, sie sollten zu Herrn Buchbinder Schnerr gehen; der habe die schönsten Sachen, sogar Pariser, und die seien alle für Geld zu haben, er gebe sie alle weg.« –

Einen Neugierigen, der ihn ausfragen wollte, wie der Mann ausgesehen, der ihn hergebracht, wie sein Gefängnis beschaffen gewesen sei und dergleichen, fertigte er mit dem Bemerken ab, das sei alles schon aufgeschrieben. – »Nichts gesagt, ist auch etwas gesagt,« äußerte er einmal. Von einem Schüler, der der letzte seiner Klasse war, sagte er: »Er sei der erste, wenn man von hinten anfange.« Ob er diese und andere solche Ausdrücke von andern gehört und behalten, weiß ich nicht.

Wenn er etwas wünschte und sich scheute, dies unumwunden auszusprechen, so hatte er eine feine Manier, es auf indirekte Weise kundzugeben. Als ich ihm, nachdem er zu mir gekommen, auf einem Spaziergange zu schnell ging, sagte er: »Wenn ich nur auch so schnell gehen könnte, wie Herr Professor!« Als ihm einmal Anfang Oktober 1828 sein Frühstück zu lange ausblieb, kam er in die Küche und sagte, wie er dieses und jenes verrichten wolle, wenn er sein Frühstück eingenommen. Als bei jemand eine blendende Lampe aufgesetzt wurde, die ihm wehe tat, sagte er: »Kann denn Herr v. T. dieses helle Licht ertragen?«

Lob, Schmeichelei, Hätschelei, Zudrang der Neugier und Schaulust und Äußerungen, die ihm seine Merkwürdigkeit zu erkennen gaben, hatten nicht die blendende und verderbende Gewalt über ihn, die ihnen eigen sein konnten, und die man diesen allerdings gefährlichen Momenten beimißt. Teils setzten ihnen, wenn sie nicht zu verhüten waren, seine Vorgesetzten die geeigneten Aufklärungen entgegen; teils entging es seinem eignen großen Verstande nicht, welchen Wert diese Dinge hatten; er verachtete diejenigen, die ihm schön taten und ärgerte sich darüber, daß man so begierig war, ihn zu sehen und anzugaffen, wie eine für Geld zu sehende Kuriosität und Monstrosität. Er sagte öfters: »Sie mögen sagen, was Sie wollen, ich weiß doch, wie ich daran bin.« In Beziehung auf die Zudringlichkeit der Neugierigen, sagte er im September 1828: »Wenn die Leute etwas sehen wollten, so möchten sie doch den Riesenknaben auf der Schütt sehen; da trompetete man den ganzen Tag und doch wolle niemand hineingehen; bei ihm trompetete man nicht und doch strömten immer die Leute herzu, ihn zu sehen, als wenn er ein wildes Tier wäre.« Als jemand scherzend zu ihm sagte, er möchte sich doch auch für Geld sehen lassen, er würde viel damit verdienen können, entgegnete er, ein solches Geld möge er nicht.

So war er unter meiner Leitung und so wenig ist es wahr, daß er durch mich zur Eitelkeit und Gaukelei verführt worden ist.

So auffallend aber Hausers geistige Kräfte hervortraten, so besaß er doch gerade diejenige Art von Scharfblick oder Instinkt nicht, die ihm EschrichtDaniel Friedrich Eschricht: Unverstand und schlechte Erziehung, vier populäre Vorlesungen über Kaspar Hauser. Kopenhagen 1857. (D.) beimißt. Derselbe meint, Hauser habe gleich von vornherein vornehme und geringe Leute gar wohl zu unterscheiden gewußt und den ersteren zu schmeicheln gesucht (S. 22). Er führt Seite 88 eine Stelle von Seguin an, wonach idiotische Kinder ein Gefühl haben, inwieweit sie gegen Erwachsene zu gehen haben, was die Behauptung unterstützen soll, daß ich von Hauser pfiffigerweise düpiert und mißbraucht worden sei. Solcher Vorteile jedoch war Hausers Unschuld, Geradheit und Unbekanntschaft mit den menschlichen Dingen in dem Maße beraubt, daß er auf die rücksichtsloseste Weise selbst die hochgestelltesten und einflußreichsten Leute beleidigte, von deren Rang und Wichtigkeit er leicht eine Ahnung haben konnte, wie z. B. Feuerbach und den Regierungspräsidenten v. Mieg. Es ist sehr komisch, wie er gerade mit diesen umging, die zum Glücke zu einsichtsvoll und gebildet waren, um sich dadurch gekränkt zu fühlen.

Den ersten ermahnte er zur Reinlichkeit, da er auf der Hemdkrause desselben den Tabak bemerkte, der beim Schnupfen darauf herabgefallen, wie Feuerbach selbst in seinem Buche berichtet hat; den andern schickte er geradezu fort mit dem Bedeuten, er müsse jetzt lernen und habe keine Zeit zu unnützen Unterhaltungen, wie mir Herr v. Mieg selbst mündlich mitgeteilt hat. In dem einen Falle offenbarte sich seine strenge Reinlichkeitstendenz, in dem andern seine Lernbegierde und sein Ärger über Störungen. Andere Vorstellungen und Rücksichten hatten dabei keinen Raum bei ihm. Allmählich lernte er allerdings, wie man sich in der Welt zu benehmen habe und was ihm speziell nützlich oder schädlich sei. Das war jedoch ein gewöhnlicher Erfahrungs- und Verstandesprozeß; von instinktartigem Idiotenblick kann hier keine Rede sein.Dies gegen Eschricht.

Es kamen übrigens auch Fälle vor, wo Hauser recht gut wußte, wen er vor sich hatte, und wo er doch Tadel und Mißfallen unumwunden aussprach. Den Bürgermeister Binder betrachtete er, wie wir einen König zu betrachten pflegen; gleichwohl äußerte er zu der Zeit, wo er noch ein rigoristischer Feind jeder Art von Unwahrheit war, sein Erstaunen darüber, daß derselbe einmal, um sich vor einem lästigen Besucher zu schützen, zu sagen befahl, er sei nicht zu Hause.Ludw. Feuerbach erzählt folgendes Beispiel von Hausers Wahrhaftigkeit (S. 128f.): »Einmal sagte er, um nicht immer jedem, der zu ihm komme, sein Bild von dem Bürgermeister Binder zeigen zu müssen, was ihm sehr lästig ist, wolle er vorgeben, es sei nicht zu Hause. Bald darauf sagte er jedoch, daß lügen nicht recht sei, daß man die Wahrheit sagen müsse. Er wolle mir daher das Bild nach Ansbach mitgeben; dann sei es wirklich nicht mehr da, und dann lüge er doch nicht, wenn er sage, es sei nicht da.« Dazu bemerkt Daumer: »Dieser letztere Zug ist ungemein interessant. Man sieht, wie hier infolge des Zudranges der Menschen zu ihm und der ihn belästigenden und quälenden Anforderungen an ihn, die oft ganz unerträglich waren, die Versuchung zum Lügen an ihn herantrat und wie er, der anfangs engelreine, namentlich bis zum Pedantismus Wahrhaftige, dieser Versuchung zunächst gewissenhaft widerstand. Daß er ihr zuletzt dennoch erlag und dann, als die Schranke einmal durchbrochen war, sich wenig mehr aus der Wahrheit machte, ist sehr natürlich; man muß sich bloß wundern, daß es nicht früher geschah. Dies letztere Faktum ist das Verbrechen, welches die Gegner mit kriminalistischer Miene und triumphierendem Nachdrucke stets in den Vordergrund schieben; so wie sie beweisen können, daß Hauser irgendwie nicht absolut wahrhaft gewesen, so schreien sie: ›Sehet da den Lügner, den Betrüger, den Gaukler, den Selbstmörder‹. Niemand aber in der ganzen Welt kann einen größeren Abscheu vor Lug und Trug, wie vor allem Unrecht, aller Sünde überhaupt, haben, als Hauser gehabt; und nur eine drangvolle Lage und die Ansteckung und Verführung einer durch und durch so lügenhaften und täuschungsvollen Welt, wie diese ist, brachte ihn um jene ursprüngliche paradiesische Unschuld und Lauterkeit, die von allen bezeugt wird, die ihn in der betreffenden Periode kannten.« Eine amüsante Anekdote von Hausers Gerechtigkeitsliebe bringt Ludw. Feuerbach an derselben Stelle: »Einmal sagte er, man müsse jedem das Seine lassen und keinem tun, wie man ihm getan, dem man seine Papiere weggenommen; diese Papiere hatte er nämlich ad usum pium auf den Abtritt gelegt und sie waren dann zufällig von jemand verbraucht worden.«

»Aber Herr Bürgermeister,« sagte er, »das ist ja nicht wahr, Sie sind ja zu Hause.« An mir fand er es lobenswert, daß ich nicht rauchte und schnupfte; und zu einem meiner Freunde, der blasser aussah als ich, sagte er, die Ursache sei, daß er Tabak rauche, ich aber nicht. Sonst aber fand er auch meine Diät sehr fehlerhaft und schrieb ihr allein meine Krankheitsübel zu. Als ich einmal von seiner Wassersuppe genoß, sagte er: so sei es recht; wenn ich so lebe, so werde es bald besser mit mir werden. Meine Schwester ermahnte er, das Kaffeetrinken zu unterlassen, indem er bemerkte, daß sie infolge dieses Genusses immer erhitzt aussehe, späterhin aber blaß werde. Dies gehört zugleich zu den Beweisen, wie scharf dieser Mensch beobachtete.

Ich darf endlich auch auf das sehr getroffene Bild verweisen, das dem Buche Feuerbachs über Kaspar Hauser beigefügt ist, und das ebenso sehr, wie gegen die Ansicht des Berliner PolizeiratsMerker. auch gegen die des dänischen Physiologen ein anschauliches Zeugnis ablegt. Es präsentiert sich hier eine freundliche, kindlich harmlose, unschuldige und gutmütige Physiognomie und verrät sich durchaus nichts Stumpf- und Blödsinniges, Geistesschwaches, Idiotisches; der Blick ist hell und klar und zeugt von natürlichem Verstande und intellektueller Anlage mangelloser und ungetrübter Art.Auch dieses Bild ist diesem Werke beigegeben. Aus dem Umstande, daß Hauser sich nicht in dem Maße fortentwickelte, als man seinen anfänglich zutage kommenden außerordentlichen Fähigkeiten nach erwarten konnte, und daß er in den späteren Zeiten seines kurzen Lebens in der Menschenwelt das Maß des Gewöhnlichen nicht mehr zu übersteigen schien, zieht Eschricht den Schluß, daß seine Begabung überhaupt nicht diejenige gewesen sei, für die sie gehalten worden war, und daß man dieselbe nur schwärmerisch beurteilt und übertrieben habe. Aber man sehe sich die so einstimmigen, so bestimmten Aussagen der verschiedensten Beobachter und Zeugen unbefangen an; man erinnere sich der einzelnen Züge und Tatsachen, die ich soeben angeführt habe, und die nicht nur eine wunderbar rasche Entwicklung der Intelligenz bezeugen, sondern auch ein offenbar schon von vornherein vorhandenes, mehr als normales Maß derselben voraussetzen! Man wird sich überzeugen, daß Hausers geistige Kraft wirklich in nicht geringem Grade hervorgetreten und mit Recht bewundert worden sei, wie sich dieselbe auch späterhin gestaltet und dargestellt und welchen Grund diese Veränderung auch gehabt haben möge. Die Wendung, die die Sache in der Tat nahm, und die Differenz der beiden Erscheinungsweisen ist ein Problem, wofür eine Erklärung zu suchen; eine solche findet sich indessen schon in meinen »Mitteilungen« mehrfach begründet und angedeutet. Die Sache ist nämlich diese:

Die ungemeinen Befähigungen, die Hauser in den ersten Zeiten offenbarte, sowie die ihn damals auszeichnende ganz eigentümliche Feinheit und Zartheit seines ganzen Wesens standen in offenbarem Zusammenhang mit seiner reinen und unschuldigen Kost.D. 59 S. 334f. hat eine Rechnung seiner Mutter über Hausers Beköstigung überliefert, die ich hier abdrucken möchte: Den 18. Juli kam Hauser zu uns. Die erste Woche genoß er nur Wasser und Brot, für 6 kr. täglich. Dann aß er mittags und abends Suppe. Diese nebst Brot täglich 8 kr. Dann morgens Gesundheitsschokolade. Diese nebst dem übrigen bis zum 16. August täglich 11 kr. Vom 17.–31. August abends statt der Suppe ebenfalls Schokolade. Mit dem übrigen täglich 13 kr.
Vom 31. August bis zum 31. Oktober des Morgens Schokolade mit Weißbrot, abends mit schwarzem. Mittags Milch und andere Speisen, täglich 15 kr.
Für Wäsche wöchentlich 8 kr. usw. »Hieraus ersieht man ungefähr, fährt Daumer fort, »was H., von dem man sagte, es werde mit ihm ein unziemlicher Aufwand gemacht, der Stadt für Kosten verursachte. Ich ließ mir nur die für ihn gemachten bestimmten Ausgaben vergüten. Von meinem Verhältnisse zu ihm irgend welchen Gewinn ziehen wollte ich nicht, auch wurde mir durchaus kein Lohn dafür. Die anderen Lehrer Hausers unterrichteten ihn gleichfalls unentgeltlich. Viele Kleidungsstücke und andere Dinge wurden ihm geschenkt. Die Pferde, die er ritt, wurden ihm umsonst überlassen. Das Theater, wenn es ihm verstattet wurde, bezahlte Binder für ihn, wie ich das alles noch ausführlich in meinen Papieren verzeichnet finde.«
Es blieben ihm jene besonderen Eigenschaften auch dann noch, als er nicht mehr wie anfangs nur Wasser und Brot, sondern auch Wassersuppen, Schokolade und Milchspeisen genoß. Er büßte sie aber ein, sowie er sich an Fleisch gewöhnte, welche Nahrung, wiewohl man ihn mit der äußersten Vorsicht und Allmählichkeit dazu überführte, doch eine merkwürdig abstumpfende und depotenzierende Wirkung hatte. Es verlor sich die beispiellose Empfindlichkeit für animalische und mineralische Einflüsse, die ihm so lästig und qualvoll war. Darauf hatte man gerechnet und fand seine Erwartung auch vollkommen gerechtfertigt. Aber es zeigte sich noch etwas anderes, was man nicht gewollt. Es nahm auch die erstaunliche Feinheit und Schärfe seiner Sinnesorgane, namentlich seines weithin erkennenden Auges und Ohres ab; es verschwand leider auch seine große Fassungs- und Gedächtniskraft. Er wurde nicht dumm und stumpf; auch war und wurde er niemals faul, wie ihm Eschricht vorwirft;Herr v. Tucher sagt in der am 5. Dezember 1830 geschehenen Vernehmung: »Seine Begierde zu lernen und sich zu entwickeln ist ungemessen und wird von der grenzenlosen Beharrlichkeit, die an Eigensinn grenzt, begleitet, so daß ich hierbei nur zu sorgen habe, allzu große Anstrengungen von ihm fern zu halten.« In den letzten Zeiten seines Lebens trieb er, den mir aus Ansbach zugekommenen Nachrichten zufolge, mit besonderem Eifer und Fleiß das Lateinische. (D.) aber er begriff und lernte nicht mehr mit der früheren Leichtigkeit; er offenbarte im Ganzen seiner Erscheinung, und Entwicklung keine außerordentlichen Seelenkräfte und Begabungen mehr und erschien fast in jeder Beziehung als ein gewöhnlicher Mensch.

Ich finde in meinen Aufzeichnungen folgendes bemerkt: »Mit der größten Schnelligkeit entwickelte sich Hauser in den ersten Zeiten bis zu seiner Erkrankung im Turme. Dann trat eine Zeit ein, in der er zwar noch sehr gut zu fassen vermochte und im allgemeinen auch große Fortschritte machte, wegen Überreiztheit der Nerven aber zu bestimmten Arbeiten und Anstrengungen sehr wenig fähig war, so wie es vorkommt, daß ein krankhaft gereiztes Auge zwar klar zu erkennen, aber nichts ohne Schmerz und nachteilige Folgen zu leisten vermag. Mit der Gewöhnung an Fleischkost trat ein andersartiger Zustand ein. Seine geistige Regsamkeit verlor sich, die Augen büßten ihren Glanz und Ausdruck ein, sein Trieb zur Tätigkeit ließ nach, das Intensive seines Wesens ging in Zerstreuungssucht und Gleichgültigkeit über, seine Fassungskraft war herabgesetzt. Sein Zustand war nicht sowohl der der Überreiztheit und Schmerzhaftigkeit als der der Abstumpfung.

Das ist indessen nicht so zu fassen, als wenn von nun an gar keine Spur von Geist und Talent mehr an ihm wahrzunehmen gewesen. Es ist mehr von der ersten gewaltsamen Wirkung jener Kost zu verstehen. Daß bei ihm auch späterhin Momente lichtvollerer, geistig erhöhter Art vorgekommen, Zeiten, wo alle die früher an ihm bewunderten geistigen Eigenschaften wenigstens eine Zeitlang wieder ihre Rolle spielten, werde ich noch in diesen »Mitteilungen« angeben. Es fehlten zwischendurch nicht Blitze von aufleuchtender poetischer Begabung und spekulativer Denk- und Erkenntniskraft, welche zum Teil die höchste Bewunderung zu erregen geeignet waren. Ein wieder regeres Seelenleben und energischeres Denken zeigte sich z. B. im März 1829; sein Auge leuchtete wie ehedem und sein Gesicht bekam den früheren Ausdruck von Geistigkeit wieder; sein Kopf arbeitete unaufhörlich, er dachte sich namentlich über religiöse Gegenstände manches Eigene mit großer Klarheit und Bestimmtheit aus. Im ganzen erschien er als ein nüchterner, verständiger Mensch, dem sehr wenig Poesie und Phantasie eigen; er hatte aber sehr poetische Träume und es schwebten ihm zuweilen auch im Wachen merkwürdige Bilder vor.

Merkwürdig war ferner sein geistiger Zustand nach der Verwundung, die er den 17. Oktober 1829 in meinem Hause erlitten hatte.Weiteres darüber s. am Schlüsse dieser »Mitteilungen«. Sie hatte die Folge, ihn überhaupt wieder in den Zustand zurückzuversetzen, in welchem er sich vor dem Fleischessen befand, so daß sich mit geistiger Begabung und Erhöhung auch wieder z. B. seine Empfindlichkeit gegen Metall, Glas und animalische Einwirkungen zeigte.

Hauser hatte Momente, wo ihm eine plötzliche Erleuchtung und Offenbarung zu kommen schien und wo ihm symbolische Bilder voll tiefen Sinnes in visionärer Weise vor Augen traten. So war es einmal im Winter 1830 auf 1831, wo er einen großen Drang nach Erkenntnis verspürte. Da sei ihm, erzählte er, auf einmal alles klar geworden und zwar durch ein Bild, das sich ihm darstellte und dessen Bedeutung er sogleich vollkommen verstand. Es sei ihm gewesen, »als sei alles eins, die Menschheit mit der Natur zusammen,« doch aber so, »daß eigentlich erst die Menschheit das Ganze ausmache.« Das Bild, das er gesehen, sei eine Art von Baum gewesen, dessen Äste sich bewegt und allerlei Figuren gebildet hätten, die ihm nicht mehr klar seien; denn er sei in seiner Betrachtung gestört worden und dann durch einen Kamphergeruch erkrankt; da sei ihm jene Klarheit getrübt worden und es sei ihm jetzt, als wäre ein Flor darüber.

So viel wisse er noch: entgegengesetzte Äste hätten sich ineinander bewegt und es sei ihm gewesen, als entstehe dadurch erst das Ganze. Der Baum sei auf einer Basis, auf etwas Festem gestanden, das er nicht mehr näher zu bezeichnen wisse, von unten auf sei wie eine Stange gegangen, auf deren Spitze sich ein Krönlein mit einer roten Beere darin befunden; es habe ihm geschienen, als sei das die Hauptsache.

Es zeigen sich hier spekulative Gedanken; namentlich ist es der eines einheitlichen Weltganzen mit einer Entwicklung, die von unten nach oben geht und eine höchste Spitze der Vollendung erreicht; es ist auch die Einheit erkannt, die aus dem sich aufhebenden Gegensatze resultiert. Hierbei ist wohl zu bemerken, daß in dem Unterrichte, den Hauser damals genoß, von solchen Ideen nichts vorkam und daß auch früherhin keiner stattgefunden hatte, aus welchem dergleichen abzuleiten war. Hauser war mit philosophischen Systemen ganz unbekannt; er wußte nichts von einem Hegel, Schelling, Spinoza usw.; es kamen ihm solche Bilder und Ideen, wie die beschriebenen, ganz aus dem eigenen Innern und in einer Weise, die an Jakob Böhme zu erinnern geeignet ist. Ich selbst habe nichts unterschoben, dazu getan und ausgeschmückt, und das mit Anführungszeichen versehene sind Hausers eigene Worte, wie er sie brauchte, als er mir gelegentlich von jenem Gesichte sprach. Ich ließ ihn in solchen Fällen ohne Unterbrechung reden, bis er selbst aufhörte oder auf anderes übersprang und erlaubte mir nur dann erst einiges zu fragen, aber ohne alle Suggestion. Wie selbständig sich seine Seele verhielt und wie rein und frei sie aus sich selber schöpfte, sieht man auch aus folgenden Umständen. Er quälte sich damals infolge des ihm erteilten Religionsunterrichtes, bei welchem man ihn so ganz seiner Natur zuwider auf bloßes Glauben verwies und über das Dunkle darin nicht zu forschen und grübeln ermahnte, gleichwohl gar sehr für sich selber ab, um das Verhältnis Gottes zur Menschheit, insbesondere zu dem Bösen im Menschen und dem Ursprung des Bösen, zu fassen. In dem aber, was er über jenes Gesicht mitteilte, kam weder eine Erwähnung Gottes noch des Bösen vor, während er dennoch versicherte, es sei ihm zu der Zeit jener Vision und Betrachtung alles, was ihm sonst zu schaffen machte, vollkommen klar gewesen und die Lösung der schwierigen Rätsel, die ihn ängstigten, ganz leicht vorgekommen; »wenn es ihm nur wieder so würde!«

VII. Eigentümliche Empfindung für Mineralisches und Animalisches.

Ich teile hier vorerst einige Fälle mit, welche Verdacht und Unglauben niederzuschlagen vorzüglich geeignet sind.

Hausers Empfindlichkeit gegen Berührungen war so groß, daß er, wenn man ihn z. B. mit der Hand gelinde an die Schulter rührte, zuckte und auch wohl sagte, man möge ihn nicht schlagen, indem er unter schlagen eben jene Berührung verstand. Auf die Bemerkung eines Freundes (Herrn Professor Hermanns aus München), diese Empfindlichkeit möchte von tieferer Natur sein und Hauser sich in einer Art magnetischen Zustandes befinden, trat ich, während dieser im Gespräch mit anderen begriffen war, leise hinter ihn und fuhr in einiger Entfernung von ihm mit der Hand gegen seinen Rücken herab. Er drehte sich mit dem Ausdruck des Erschreckens um und fragte, was ich mache, warum ich ihm den Rücken gestrichen habe, und wollte es nicht glauben, als ich sagte, ich hätte ihn nicht berührt. Er sagte mir später, zuerst, als ich an den Kopfhaaren zu streichen begonnen, habe er geglaubt, es gehe vom Fenster ein Wind herein, wie ich aber weiter herabgefahren, sei ihm ein kalter Schauder gekommen und er habe gemerkt, daß jemand hinter ihm sei und dies verursache. Als mein Freund vorn in einiger Entfernung mit den Händen gegen ihn herabstrich, behauptete er, er blase ihn an, ein kühler Wind gehe an ihn hin, die Stirn wurde heiß, die Hände kalt, er bekam Drücken in der Herzgrube, wie wenn, nach seinem Ausdrucke, ein Brocken oder Stein sie belästige; als AufstoßenEin ganz gewöhnliches Erleichterungsmittel seiner Natur, was am öftesten nach Gerüchen bemerkt wurde, die ihn krankhaft erregt hatten. (D.) erfolgte, war diese Empfindung vorüber.

Von mir und Herrn Professor Hermann fühlte er die magnetische Einwirkung am stärksten, doch war das, was er von letzterem empfand, bei weitem schwächer als das, was von mir. Ich trat einst mit jenem in sein Zimmer, als er, mit dem Rücken gegen die Türe gekehrt, bei einer Arbeit sehr aufmerksam beschäftigt war. Da er in solchem Falle, in welchem er außer dem Gegenstande seiner Aufmerksamkeit nichts hörte noch sah, auch die magnetische Wirkung schwächer fühlte, so versuchte mein Freund, ob er es merke, wenn er in Entfernung den Finger gegen ihn hinhalte. Er tat dies eine Zeitlang, ohne daß Hauser zu erkennen gab, daß er etwas verspüre; kaum aber hatte ich (schweigend, wie sich versteht) den Finger gegen ihn gerichtet, so schrak er zusammen und sah sich ganz verstört nach der Ursache dieser Einwirkung um.

Auf einem Spaziergang machte ich einst im Beisein Herrn Professor Wurms zu Nürnberg folgenden Versuch: Ich ließ ihn in ziemlicher Entfernung vor mir hergehen und sagte ihm, ich wolle gegen ihn mit der Hand herabfahren und er solle sagen, wann er etwas empfinde. Ich fragte ihn zweimal, ob er nichts spüre, so daß es schien, als mache ich hinter ihm die Bewegung, die ich unterließ, worauf er verneinend antwortete. Als ich aber wirklich, und zwar schnell mit der Hand herabfuhr, sah man in diesem Augenblick die Äußerung des Frostschauders an ihm, worauf er sich umdrehte und sagte, nun sei ich mit der Hand herabgefahren. Bei anderen Versuchen dieser Art, die ich im Freien anstellte, ohne daß Hauser etwas von dem wußte noch wissen konnte, was ich hinter seinem Rücken vorhatte und tat, da ich unbemerkt weit hinter ihm zurückgeblieben war, waren Professor Hermann und Herr Baron v. Tucher Zeugen. Ich könnte noch mehr solche Fälle und noch mehr Namen anführen, doch denke ich, werden schon jene nebst den unten folgenden, Hausers Metallfühlen betreffenden, hinreichen, um jeden Verdacht, den Zweifelssüchtige auf ihn oder auf mein – des einzelnen – Zeugnis werfen könnten, zum Schweigen zu bringen.

Animalisch Lebendiges (um Hausers Ausdruck beizubehalten) blies ihn an, Mineralisches nicht; hier pflegte eine Anziehung von verschiedener Stärke gefühlt zu werden. Bei Fassung und Berührung eines wenn auch für die Empfindung anderer nicht kaltenLebendiges fühlte er umso kälter, je wärmer es war, z.B. wenn jemand durch Bewegung erhitzt war. Tauchte ich meinen Finger in kaltes Wasser, so fühlte er bei Berührung desselben keine oder viel geringere innere Kälte als außerdem. (D.) Metalls, Glases usw. fühlte er zugleich eine durch die Hand den Arm hinaufgehende Erkältung, deren Schnelligkeit bei verschiedenen Mineralien verschieden war. Wenn ihm der Arm durch Anfassen oder Annäherung von Metall oder Edelsteinen kalt wurde, so schwollen sichtlich und auffallend die Adern der Hand auf, die der Wirkung ausgesetzt waren. Ich legte in seiner Abwesenheit einen goldenen Ring, einen Zirkel von Stahl und Messing und eine silberne Reißfeder unter Papier, so daß man nicht sehen konnte, daß etwas darunter verborgen war. Ich ließ ihn mit den Fingern über dieses Papier herfahren, so daß das Papier nicht berührt wurde, und er unterschied durch die verschiedene Stärke des Zuges, den jene Metalle gegen seine Finger ausübten, sie alle. Wenn er mit seinem Finger über den Zirkel und die Reißfeder, die unter dem Papier lagen, hinfuhr, fühlte er den Zug senkrecht herab, wenn er oben oder unten über die Enden hinausfuhr, schief zu jenen Instrumenten hin. Zufällig lag einst ein Blatt Papier auf dem Tisch, unter welchem nichts verborgen war. Ich sagte im Beisein Herrn Dr. Osterhausens und Herrn Kronanwalts Brunner aus München zu Hauser, der ins Zimmer trat, er möge versuchen, ob kein Metall darunter liege. Er fuhr mit dem Finger darüber hin und sagte an einer bestimmten Stelle: da ziehe es. Diesmal hast du dich getäuscht, sagte ich, betroffen über den mir früher nie vorgekommenen Fall und hob das Papier auf. Hauser fühlte wieder an die Stelle hin, wo er den Zug gefühlt und behauptete, nachdem das Papier weggenommen war, es ziehe noch immer. Wir vermuteten nun, daß unter der Wachsdecke des Tisches etwas verborgen sei, wiewohl wir nicht sogleich durch Betasten der Stelle etwas entdecken konnten, doch kam nach genauerer Nachforschung an der von Hauser bezeichneten Stelle eine Nadel zum Vorschein, die also Hauser durch die Wachsdecke und das Papier hindurch gespürt hatte. Jemand legte ihm, um ihn zu prüfen, ein ausländisches Goldstück von der ungefähren Größe und Dicke eines Kreuzers, ohne daß er es ansehen konnte, in die Hand. Er ließ sich nicht täuschen, sondern sagte, der Empfindung nach, die es ihm verursache, müsse es Gold sein. Anfang Dezember, als er schon für Gold, welches sonst stark gewirkt hatte, keine Empfindung mehr hatte, setzte ihm Herr Dr. Preu zu Nürnberg in meinem Beisein ein verschlossenes, mit Papier umwickeltes kleines Glas, welches halb mit Quecksilber gefüllt war, in die Hand, ohne daß er wußte, was es war. Brennender Schmerz und Anziehen wurde auf dem Fleck der Hand verspürt, auf welchen es aufgesetzt worden, ein starker Kälteschauder ging durch den ganzen Leib, worauf ihm bald heiß wurde und Schweiß auf die Stirne trat, welcher letztere wenigstens kein Betrug sein konnte. Er befand sich einmal einen Schritt weit von einem Pulte, in welchem ein Päckchen, mit verschiedenen Edelsteinen gefüllt, befindlich war. So wie es geöffnet wurde, sah er mit verstörten Blicken nach ihm hin und sagte, hierin sei etwas, was ihn ziehe. Als ich einen mit Papier umwickelten Diamanten gegen ihn hielt und ihn um die Wirkung dessen befragte, was darin sei, sagte er, was in dem Papier sei, wirke wie der Diamant eines ihm gehörigen Ringes.

VIII. Wirkungen von Metallen, Glas, Edelsteinen usw.

Ich war bei den an Hauser anzustellenden Versuchen sehr durch die Rücksicht beschränkt, die auf seinen Gesundheitszustand zu nehmen war. So vorsichtig ich auch stets zu Werke ging, wenn ich mir solche Versuche erlaubte, so fielen sie doch zuweilen sehr nachteilig für ihn aus, was mir in absichtlicher Herbeiführung von Gelegenheiten zu wissenschaftlicher Beobachtung umso größere Beschränkung auferlegte. So wirkte einmal eine kleine Magnetstange, aus großer Entfernung gegen ihn gerichtet, heftig und schädlich auf ihn ein. Wenn ich die Wirkungen von Metallen und Gesteinen an ihm versuchen wollte, ließ ich ihn nur einen Finger nähern. Hauser pflegte bei solchen Versuchen den Zeigefinger der rechten Hand zu gebrauchen, weil die Einwirkungen auf die linke Hand weit stärker waren. Justinus Kerner dagegen ließ die Seherin von Prevorst die Steine mit der linken Hand halten, weil diese nach ihrer Aussage weit empfindlicher als die rechte war. Auch von einer andern Somnambule wird erzählt, daß ihr linker Arm eine besondere Empfindlichkeit gegen Metalle gehabt habe. Legte man in ihre rechte Hand ein Metall, so blieb diese ruhig, aber die linke bewegte sich. Die Alten schreiben dem Diamant und Achat eigentümliche Wirkungen zu, wenn sie an der linken Hand getragen wurden.

Obgleich Hauser in den ersten Zeiten bei äußeren Verrichtungen vorzugsweise die linke Hand gebrauchte, so schonte er sie doch stets bei Berührung mineralischer Gegenstände. So hütete er sich auch wegen der Schmerzlichkeit der Empfindung, seine linke Hand in die Hand eines andern zu legen. Mineralische Reize, die bei Hauser, wenn er die rechte Hand der Wirkung aussetzte, nur bis an den Ellbogen hinauf fühlbar waren, wirkten, wenn er in gleichem Maße die linke preisgab, den ganzen Arm hinauf bis in die Augen. Als er einmal Glas mit der linken Hand anfaßte, tat ihm der Arm sehr weh und die Augen füllten sich mit Wasser. Als er es ebenso mit einer Koralle machte deren Wirkung im rechten Arme schwach ungefähr wie die des Bleies (siehe unten) war und nur bis an den Ellbogen ging, kam die Kälte den ganzen Arm und den Hals hinauf; um die Augen wurde es kalt, in ihnen selbst fühlte er starkes Brennen, bis vieles Wasser herausgeflossen war und die Kälte sich verloren hatte. Einige Zeit hierauf scheint infolge dieser Einwirkung Augenverdunklung eingetreten zu sein. Die quantitative Verschiedenheit der Metallmassen änderte nichts in der Art des Zuges, durch welche er die Metalle unterschied. Wenn die Kälte von Metall, Edelsteinen schnell den Arm hinauf kam, dauerte es verhältnismäßig länger, bis derselbe wieder warm wurde, als wenn die Kälte langsam aufwärts stieg. So wie die Kälte von den Fingern an aufwärts stieg, so nahm sie auch von oben her ab, bis sie zuletzt nur noch in der Fingerspitze, die zuerst den Eindruck empfangen hatte, empfunden wurde. Schneller als bei den meisten Metallen lief es ihm erkältend die Finger und den Arm hinauf bei Berührung des Goldes, minder schnell bei der des Silbers, noch langsamer der Reihe nach bei der des Stahls, Messings, Zinns, Bleis. Stahl wirkte stärker als ungestähltes Eisen. Beim Reiten fühlte er durch den Sattel den Zug des darunter befindlichen Eisens, auch behauptete er, er sei deshalb weniger in Gefahr, den Steigbügel zu verlieren, weil das Metall desselben ihn an sich ziehe. Er sagte, er werde von dem unter dem Sattel befindlichen Eisen gezogen und sitze deshalb so fest im Sattel. Wenn er Sporen anhatte, so war es ihm, als würde er hinten an den Füßen gezogen. Silberne Sporen empfand er stärker als welche von Messing. – Als ich mit ihm in ein Gewölbe kam, das mit Messingwaren angefüllt war, zog es ihm am ganzen Leib nach allen Seiten hin, wo sich das Metall befand; er eilte, wieder hinaus zu kommen, und machte außen die Bewegung heftigen Schauders. –

Er saß einst am Klavier, als ein Mann eintrat, der Summen Silbergeldes in einem Sacke trug und diesen drei bis vier Schritte weit von ihm auf den Tisch legte. Er hörte auf zu spielen und blickte mit verstörten Mienen auf den Tisch und den Mann hin, stand dann auf und begab sich, den Schweiß von der Stirne wischend, in ein Nebengemach, wartend, bis sich der Mann entfernt hatte. Das Geld im Sacke hatte diese Wirkung auf ihn gehabt. Mit einem silbernen Löffel essend mußte er so sehr zittern, daß er ihn kaum zum Munde führen konnte, weshalb ich ihm einen hölzernen anschaffte. Stärker als das ihn stark affizierende Gold wirkten Platina, Diamant, Quecksilber, Magnet. Letzterer wirkte nur dann erregend, und zwar in hohem Grade und aus großer Entfernung, wenn die Pole gegen ihn gerichtet wurden, die quer gegen ihn gerichtete Magnetstange spürte er nicht auf solche Weise. Nach dem Quecksilber wirkte Platina am stärksten; von einem dünnen Ring aus diesem Metall empfand er Ziehen drei Schritte weit. Quecksilber wirkte viel stärker als Gold. Als ich die Rückseite eines kleinen Spiegels gegen ihn hielt, spürte er den Zug neun Schritte weit. Schwefel, wenn er ihn dem Finger näherte, zog stärker als Gold und erregte noch größere Kälte, wirkte doch in beiden Stücken schwächer als Quecksilber. Er fühlte den Zug von Schwefelfäden nicht ganz zwei Schritte weit. Ein Diamant wurde zwei Schritte weit verspürt. Der Stärke des Zuges nach war Diamant zwischen Platin und Gold. Er fühlte seine Wirkung den ganzen Arm hinauf. Wenn er mehrere Minuten lang den Finger gegen den Diamant hielt, zog sich die Wirkung vom Arm in die Herzgrube hinüber, wo er schmerzlichen Druck empfand. Auch Glas wirkte bei Berührung den ganzen Arm hinauf, während Metall nur bis an den Ellenbogen zu wirken pflegte. Wenn er aus einem Glase trank, so zog sich eine schmerzlich kalte Empfindung in drei Linien vom Munde das Kinn herab; die eine dieser Linien ging von der Mitte der Unterlippe an und war am empfindlichsten, die anderen von den beiden Mundwinkeln. Unter dem Kinne vereinigten sich die drei Linien in eine, die bis an den Hals ging. Als sich in der Folge das Schmerzliche der Empfindungen verlor, blieb nur die in den beschriebenen Linien sich herabziehende Kälte. Das mit Wasser gefüllte Trinkglas machte geringere Wirkung als das leere. Von Kristall und unechten Steinen sagte er, sie zögen ihn wie Glas, und die Empfindung ziehe sich, wie bei diesem, durch den ganzen Arm. Als er einen mit Papier umwickelten Kristall anfaßte, ging die Wirkung nur bis an das Handgelenk, als er ihn ohne Papier befühlte, bis an die Schulter. Jaspis zog wie Zinn, wirkte aber mit der Langsamkeit des Messings erkältend den Arm hinauf bis an den Ellbogen. Amethyst und Smaragd wirkten wie Zink, Bernstein wie Stahl, Chalcedon wie Glas, den ganzen Arm hinauf; Malachit wie Blei, Lapis Lazuli etwas schwächer wie Glas und nur bis an den Ellbogen, Karneol wie Blei, Korallen ebenso. Diese Vergleichungen gab er selbst nur als ungefähr an. Er pflegte aber die Wirkung anderer Stoffe deshalb mit denen der Metalle und des Glases zu vergleichen, weil er die letzteren, denen er am häufigsten ausgesetzt war, am besten kannte. Salpeter zog ihn wie Glas, etwas stärker als Gold; Salpeter und Schwefel kamen mit ihrer Wirkung wie Gold, Silber usw. nur bis an den Ellbogen. Wenn er einen Bleistift in die Hand nahm, fühlte er ein Ziehen in derselben, das weit stärker war, wenn er einen spitzte. Auch will er bemerkt haben, daß er im letzteren Falle blaß wurde. Kalk brannte ihn auf der Hand wie Feuer.

Beobachtungen, die gemacht wurden, als seine Empfindlichkeit schon im Abnehmen war, sind folgende: Jaspis wirkte wie Eisen, Granit wie Zink. Steinkohle schwächer als Blei und nur bis ans Handgelenk. Granit zog, Braunkohle nicht, machte bloß Kälte. Eine Muschel wirkte wie Zinn, eine andere weniger stark als Blei; Alaun etwas stärker als Blei. Schon der Geruch des letzteren verursachte, daß ihm der Mund voll Wasser wurde, welches, nachdem er den Finger angenähert, stark aus dem Munde floß, bis die Kälte im Arm sich verloren hatte. Dabei bitterer Geschmack im Munde. Er roch den Alaun einen Schritt weit »sauer und bitter«. Anfang November bemerkte ich, daß er Silber nicht mehr fühlte. Ende November zog sich noch vom Glase die Empfindung den ganzen Arm hinauf, aber langsam und schmerzlos. Damals spürte er das Quecksilber noch so stark, daß ihm, als er den Finger an die Rückseite eines Spiegels, der mit dem Brett überdeckt war, hinhielt, ein kalter Schauer durch den ganzen Körper fuhr. Gold wirkte Ende Dezember nicht mehr auf ihn und auch Glas nur, wenn er es mit der linken Hand berührte. In diesem Falle ging die Empfindung der Kälte ganz langsam aufwärts und nicht weiter als zum Ellbogen. Platina spürte er im März 1829 nicht mehr, Quecksilber am Spiegel im Juni noch ein wenig. Im Juni spürte er auch beim Anfühlen von Menschen nichts mehr, außer von mir ein wenig.

Es ist früher bemerkt worden, daß, als die Empfindlichkeit gegen Mineralien sich schon zu verlieren angefangen hatte, dieselbe durch den im Januar 1829 homöopathisch gegebenen Schwefel in der Erstwirkung erneuert wurde. In der Nachwirkung aber folgte das Gegenteil, so daß er nun Quecksilber nur noch wenig spürte, gerade so, wie der schon einigermaßen überwundene Widerwille gegen Fleisch nach Anwendung der Silicea in vollem Maße zurückkehrte und dann in der Nachwirkung eine Lust zum Fleischessen sich einstellte, die vor der Anwendung dieser Arznei nicht vorhanden war.

Erhitzt und geschmolzen wirkte Metall äußerst heftig auf Hauser, selbst dasjenige, welches in festem Zustande schon nicht mehr von ihm verspürt wurde. Als er im Februar 1829 in einer Glockengießerei das geschmolzene Metall ausgießen sah, wurde er in großes Unwohlsein versetzt. Als er im November 1829 Bleikugeln goß und das Blei, das er im Pfännchen über dem Feuer hielt, heiß wurde und schmolz, bekam er von dem mit der zunehmenden Hitze des Metalles immer stärker werdenden Zug desselben Schmerz im Arme.

IX. Empfindlicher Geruch.

Aus der großen Menge von Beispielen eines unerhört empfindlichen Geruchs,v. Tucher bemerkt dazu (S. 122): »Gerüche affizierten ihn so stark, daß er eine wohlriechende Blume mit Abscheu wegwarf.« die mir meine Beobachtungen darboten, will ich einstweilen nur folgende anführen. Als er einst (August 1828) in meinem Hause in ein Zimmer trat, in welchem ein paar Tropfen der tinctur. nervin. Bestuscheff. eingenommen worden waren, ergriff ihn der im Zimmer verbreitete Duft so, daß sich sogleich konvulsivische Bewegungen zeigten. Die Empfindung stieg, seiner Aussage nach, in den Kopf und verursachte Augenschmerz, dann zog sie sich auf beiden Seiten des Kopfes die Wangen herab durch den Hals in zwei Linien, die sich im Magen vereinigten. Im Vereinigungspunkt entstand Drücken, es erfolgte das gewöhnliche Laufen, dann zweimaliges Aufstoßen mit heraufkommendem Wasser, dies alles dauerte eine starke Viertelstunde lang. Es blieb Kopf- und Augenschmerz. Ich führte ihn nun auf seinen Wunsch ein wenig spazieren; auf dem Wege kam Frost und etwa nach einer halben Stunde zeigte sich mehrmaliges Aufstoßen, auf den Frost folgte Hitze und der Schweiß trat auf die Stirne, womit sich die Reihe der Erscheinungen, wie öfters, schloß. Das mit Kork verschlossene Gläschen jener Arznei roch er drei Schritte weit.

Als ich ihm einmal (Herbst 1828) von ferne den Johanniskirchhof zeigte, bat er mich, ihn den Ort in der Nähe besehen zu lassen, wo die gestorbenen Menschen in ihren unterirdischen Kammern schliefen; denn unter der Vorstellung eines langen Schlafes war ihm der Begriff des Todes genähert worden. Einen widrigen Eindruck fürchtend, sagte ich ihm, ich wolle ihn zwar näher führen, er solle mir es aber sagen, sobald er irgend etwas Widriges zu empfinden anfangen würde. Ungefähr sechs Schritte weit vom Eingang ward er von der Ausdünstung der Gräber (obwohl es ein kühler, heller Herbstmorgen war) stark ergriffen. Er hatte sie weit früher empfunden, allein da er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Steinbilder am Kirchhof gerichtet hatte und begierig war, sie zu besehen, hatte er unterlassen, es mir anzuzeigen. Er bekam starken Frost und machte die Gebärden heftigen Schauders. Nach einiger Zeit kam Aufstoßen, bald darauf fing Wärme vom Unterleib an, sich langsam nach oben zu verbreiten. Vom Hals an stieg sie schnell in den Kopf und es erschien Schweiß auf der Stirne. So starke Hitze, sagte er, habe er noch nie empfunden. In der Nähe des Tores ward ihm wieder wohl. Doch klagte er, daß seine Augen durch jene Einwirkung dunkler geworden seien. Alles Wahrnehmbare dieser Begebenheit habe ich aufmerksam beobachtet.

Andere, ungenaue oder ganz verdrehte Nachrichten hierüber, wie die des Herrn von Pirch,In dieser werden zwei sich ganz fremde Vorfälle aufs wunderlichste zusammengeworfen. (D.) sind also nach dieser zu berichtigen. Hier kann auch eine andere Angabe ihre Berichtigung finden. Wasser mit Opium gemischt hat Hauser zu Nürnberg nie getrunken, sondern der Versuch wurde gemacht, indem man ihn von Ferne Opium riechen ließ, wie ich von Herrn Dr. Preu und von Hauser selbst sogleich nach angestelltem Versuch erkundet habe.Die Beschreibung dieses Versuches gibt Preu. S. d Hauser erklärte den Geruch des Opiums für den, welchen sein Wasser im Gefängnis gehabt, »wenn es schlecht war«, fiel auch auf das bloße Riechen in einen langen Schlaf, worauf großer, schwer zu stillender Durst folgte. Daß er im Gefängnis öfters nicht genug Wasser hatte, wie er angibt, erklärt sich hieraus. Sein Trinkgefäß wurde ihm wohl täglich auf gleiche Weise gefüllt, hatte er aber Opium bekommen, so reichte nach dem Erwachen aus dem durch dasselbe bewirkten Schlaf für den nun krankhaft erhöhten Durst die gewöhnliche Wasserportion nicht hin.Vgl. Hausers eigene Beschreibung. (D. Auch glaubte sich Hauser zu entsinnen, daß es ihm an Wasser gemangelt habe, wenn er zuvor schlechtes bekommen. Dann sei es wieder gut gewesen und habe ihm vorzüglich geschmeckt, aber für seinen Durst nicht hingereicht. Daß aber bei Anstellung jenes Versuchs schon der Geruch des Mittels, wie früher im Käfig der Genuß, Schlaf und Durst bewirkte, darf nicht befremden. Denn erstlich hatte der Genuß jene Erscheinungen wohl noch in höherem Grade erregt, zweitens mußte bei Hauser, nachdem er lange Zeit hindurch kein Opium mehr bekommen hatte, die Empfindlichkeit gegen dasselbe erhöht seinAls Hauser im September 1828 die Art starkgewürzten Brotes, die er täglich im Käfig genossen hatte, zu Nürnberg wieder erhielt, konnte er es anfangs nicht ohne starke und nachteilige Erregungen genießen. Ich weiß zwei Personen, die, nachdem sie sich homöopatischer Behandlung wegen vom Genuß des Kaffees entwöhnt und sich eine Zeitlang desselben gänzlich enthalten hatten, so empfindlich gegen die Wirkungen desselben wurden, daß ihnen selbst sein Duft unleidlich wurde. Die eine Person, sonst ein starker Kaffeetrinker, konnte den Trank nicht mehr riechen, die andere, eine weibliche, fühlte die Unleidlichkeit beim (doch gewohnten) Kaffeebrennen.(D.)

X. Berauschung durch Weinbeeren.

Genuß von Weinbeeren und frischem Weinbeersaft erregte Hausers Zustände der Erhöhung, Erhitzung und Trunkenheit bis zu dem Grade, daß er seinen Rausch ausschlafen mußte. Nachdem er schon einmal eine Weinbeere gekostet und ich die Wirkung derselben gesehen hatte, untersagte ich ihm vorderhand, Weintrauben zu essen, lüstern jedoch kostete er einmal im September 1828 ein paar Tropfen aus Weinbeeren frisch gequollenen Saftes und stellte hierauf das vollkommene Bild eines Betrunkenen dar. Er ging schwankend, sprach mit schwerer Zunge und lachte beständig, indem er die Köstlichkeit des Saftes rühmte; der kleine Finger der linken Hand war in starker Bewegung, wie es bei starken Erregungen der Fall zu sein pflegte, und bald darauf mußte er sich zu Bette legen. – So entwickelte hier die Frucht des Weinstocks, ganz wie sie aus den Händen der Natur kommt, Symptome, die bei andern nur der gegorne Saft erregt. Von grünen Weinbeeren stieg ihm Hitze in den Kopf, nicht so von blauen. Ein Gefühl des Ausströmens in Hände und Füße, das er von vielen Genüssen bekam, trat auch hier ein. Er selbst schrieb folgendes:

Vom 9. September 1828.

»Am Mittwoch abends aß ich von blauen Weintrauben den Saft, und ich hatte ihn kaum zwei Minuten im Leibe, bekam ich einen starken Schwindel, daß ich kein Buchstaben mehr erkannte. Ich konnte nichts mehr lesen und mußte mich schlafen legen. Ich aß nur ein Kaffeelöffel voll.«

Vom 5. September 1829:

»– – Er gab mir ein Beer von der Traube; ich aß. Es wurde mir anfangs ein wenig heiß im Kopf, nach diesem wurde mir sehr leicht im Kopf, auch (bekam ich) ein kleinen Schwindel und es lief in den Armen und Füßen sehr stark heraus, als hätte mir jemand Wasser hingeschüttet, das hinunterlaufen würde bis an die Fingerspitzen (und Zehen).«

Das Eingeschlossene ist von mir ergänzt. – Zwischen beiden Vorfällen liegt ein Jahr; daher der zweite, schon bei verminderter Schwäche und Empfindlichkeit den verhältnismäßigen Unterschied zeigt.

XI. Eindruck, den Gewitter machten.

In den ersten Zeiten war Hauser während eines Gewitters in höchst schmerzhaftem Zustande. Noch im Mai 1829 bemerkte ich während eines Gewitters Zuckungen in Hausers Gesicht und Gliedern (eine damals nicht mehr gewöhnliche Erscheinung). Er bekam inneren Frost, mit öfterm Schütteln und Schaudern. Während des Donners, sagte er, sei es ihm, als sei alles in seinem Leibe locker und bewege sich, und er fühlte von oben den Kopf herab einen Druck. Auf der linken SeiteDie ich bei allen Gelegenheiten als die schwächere und krankhaftere fand. (D.) war der Frost stärker. Er mußte die Augen unwillkürlich zudrücken und zitterte. Der Frost dauerte bis das Gewitter vorüber war. Mitten auf der Brust fühlte er einen ganz kalten Fleck und es war ihm, als wäre dieser Fleck ganz locker. Der Druck war stärker, je nachdem der Donner stärker war. Beim Blitzen fühlte er Schmerz in den Augen »wie von Nadelstichen«. Ungefähr eine halbe Stunde nachher kam Nasenbluten, darauf war ihm sehr leicht im Kopfe. Ob ein Gewitter kurz oder lange dauern würde, konnte er seinem Gefühl abnehmen. Wenn es kurz dauerte, war die Kälte an Händen und Füßen mehr der Temperatur des übrigen Körpers gleich, wenn es aber lange dauerte, waren Finger und Zehen sehr kalt und viel kälter als die andern Teile des Leibes. Zu Ende des Juli 1829 machten Gewitter keinen Eindruck mehr auf ihn. Der Mordversuch regte auch diese Empfindlichkeit wieder auf. Im Sommer 1830 fühlte er vor Gewittern an der Stelle der geheilten Schußwunde, die er sich einmal zufällig beigebracht, ein Brennen. Ich füge diesen Bemerkungen einiges aus Hausers Feder hinzu und zwar so fehlerhaft als er es niederschrieb:

1.

»Im vorigen Jahr 1828 als ich das erste Gewitter gehört habe beschreibe ich was für besondere eindrücke und würkungen gemacht hat, ein halbe Stund vor dem Gewitter bekam ich einen starken Frost, so, daß ich nicht mehr auf der Klaßharmonika spielen konnte ich mußte mich niederlegen und deckte mich zu aber ich konnte mich doch nicht erwärmen, der Frost, dauerte vieleicht ein viertl Stund, nachdem bekam ich starke hütze und schmerzen im ganzen Leib besonders in Kopf. Ich stund auf gieng zu den Pferden hin, und dachte warum sie mich nicht nach Hauß führen, und mich immer so blagenEr hielt allen Schmerz, den er empfand, für ein von Menschen zugefügtes Übel; oder vielmehr die Menschenwelt, in der er jetzt lebte, erschien ihm insgesamt als ein ihn anfeindendes, übeltätiges Wesen, dem er zu entrinnen sich sehnte. (D.) auf einmal fängt es zu donnern an, ich bin sehr erschrocken weil ich ein Schmerzhaften Druckt empfunden habe, ich fieng zu weinen an, setzte mich ganz in den Winkel hin hielt mich ganz ruhig. Dann kam die MutterDie Frau des Gefängniswärters, die er damals Mutter nannte. (D.) fragte mich warum ich weine, ich sagte: Mutter mi Ham weißen,Damals, sagte er mir, habe er den Sinn dieser Worte, die ihm der Gefängniswärter erklärt hatte, verstanden, und habe auch wirklich dadurch den Wunsch, in seinen Käfig zurückzukehren, ausdrücken gewollt. (D.) dan sagte sie jetzt derfen wir nicht hinaus gehen da ist ein großer Man außen der zankt ist bös, ich deutet zum Fenster hinaus und sagte was däs ist, wenn du nicht brav bist dann zankt er, ich gab zur antwort ih scho brav. Sie wollte fortgehen ich ließ sie nicht fort ich sagte Mutter da bleiben, dann sagte sie mit dir ist er nicht böß nur mit solchen Kindern die immer auf der Gasse sind. Wenn es donnert hat bückte ich mich immer, dan sagte sie, Kaspar fürchte dich nicht, ich bleib schon bei dir ich gab Ihr zur antwort: »dieser Mann soll mit den andern auch aufhören zu zanken ih scho July sagenDas heißt: »ich will es schon dem Julius sagen.« Er meinte einen Sohn des Gefängniswärters. Über die Satzbildung mit dem Infinitiv s. unten. (D.) das er brav sein soll, wenn es donnert hat gabs mir ein Schmerzhaften Druckt auf den Kopf als hätte mir jemand auf den Kopf geschlagen mit einer Hand nachdem gabs mir auch einen kleinen Schütter, als hätte mich sehr stark gefroren das Gewitter Dauerte beinahe eine Stund, als es vorbei war, stund es etliche Minuten an bekam ich ein kleine Hütze diese dauerte eine Zeitlang dann gabs mir ein schütter dann waren die Schmerzen in den Leib weg aber Kopfschmerzen hatte ich stärker bekommen, der dauert ein lange Zeit nach dem Gewitter eh ich den Kopfschmerzen verlor gabs mir wieder ein solchen schüttler, dan sagte ich wie das Gewitter vorbei war, Mutter jetzt du sagen das der Man nit mehr Zanken soll und ah (auch) den July sagen, er soll nit mehr böß sein, dan sagte sie ja ich sage es den Man er soll nicht mehr Zanken.«

2

(Im Jahre 1829 geschrieben.)

»Am 7. April kam ein Gewitter dieses hat ein sonderliche einwürckung gemacht, ein viertelstund, eh das Gewitter kam, hatte es mir ein kleinen schütter gegeben; als wollte mich ein Frost anfallen, dann wurde es mir auf der Brust, als wenn mich einer sehr fest gebunden hätte, dann bekam ich eine Art schwindel im Kopf, dieses hat gedauert bis das Gewitter vorüber war. Dann habe ich mich so leicht gefühlt in den ganzen Leibe dan hat es mir noch einen kleinen schütter gegeben, seit diesen wird es alle Tag leichter.«

»Jetzt kan ich es erst sagen, was ich in den vorigen Sommer für ein gefühl gehabt habe, ich habe immer gesagt das ich mir so fürchte weil ich es nicht verstanden habe das ich immer an diesen Tage mehr schmerzen fühlte als sonst darum habe ich mir so gefürchtet wenn ein Gewitter gekommen ist.«

XII. Wirkung des Mondes.

Er erblickte in meinem Hause (1828) zum erstenmal den Mond. Es war gerade Vollmond. Schon den Tag zuvor hatte er sich unwohler als sonst befunden (wahrscheinlich Folge des eintretenden Vollmondes); nach Betrachtung des Mondes verstärkte sich das Unwohlsein, hauptsächlich ein Drücken auf der Brust. Es blieb in diesem Grade den folgenden Tag, dann ließ es nach. Wenn er den Mond mehr als flüchtig ansah, so fror ihn durch den ganzen Leib, und Bewegungen des Schauders waren an ihm bemerkbar. Auch als er ihn in sehr warmer Jahreszeit noch zu Anfang des August oder später, wie einmal im Oktober, den Vollmond vom geheizten Zimmer aus, in dem er sich schon lange Zeit befunden hatte, betrachtete, war dies der Fall. Angaben aus späterer Erinnerung sind folgende: War der Mond sichtbar, so war ihm unwohler als wenn er nicht gesehen wurde. War der Mond (nach seinem Ausdrucke) wie die Butter, so war der Schauder nicht so stark, wenn er halbvoll war, noch einmal so stark, wenn ganz voll, so war der Frost und andere Gefühle, über die er sich gar zu dunkel ausdrückte, als daß ich etwas Sicheres darüber hersetzen könnte, am stärksten. Nach langem Ansehen bekam er starkes Brennen in den Augen und sah alles weiß, was jedoch auch dem allgemeinen Lichtreiz zugeschrieben werden kann. Von Wirkung anderer Gestirne auf Hauser tat sich nichts kund. Wenn ich ihn bestimmte Sterne ins Auge fassen ließ und fragte, ob er von diesen nichts empfinde, verneinte er es.

XIII. Auffallendes Verhältnis zu einer Katze.

Mit einer Katze, die in meinem Hause ernährt wurde, stand Hauser, bevor er Fleischkost genießen lernte (1828), in einem auf gewöhnlichem Wege nicht wohl erklärbaren Verhältnisse. Diese Katze ließ sich zwar im Zimmer berühren und tragen, nie und von niemand aber, wenn sie im Freien war. Sowie dagegen Hauser in den Garten kam, lief sie auf ihn zu, wenn nicht etwa andere Leute sie abschreckten, ließ sich von ihm ergreifen und herumtragen und jagte sich mit ihm spielend im Garten umher. Sie schmeichelte ihm an den Füßen herum, wovon er wie er sagte, eine sehr wohltätige Empfindung eigener Art bekam.Dies ist, wie es scheint, die einzige animalisch-magnetische Einwirkung aus jener Zeit, die ihm wohltätig war. Er hatte bei jenem Anschmiegen auch das Gefühl des Angewehtwerdens. (D.) Diese Katze genoß sonst nichts als Fleisch und Milch; trockenes Brot pflegte sie auch dann nicht zu fressen, wenn sie sehr hungrig war. Allein aus Hausers Hand fraß sie viel schwarzes Brot, wenn es sie auch nicht sehr hungerte, sogar Obst. Ich hielt ihr einmal zuerst etwas von gekochten Äpfeln hin, was sie beroch und liegen ließ, dann nahm Hauser dasselbe in die Hand und bot es ihr an, worauf sie es sogleich verzehrte. Einmal kam sie zu Hauser, der sich im Garten befand, mit einem großen Band, das sie irgendwo gefunden haben mochte, herbeigerannt, ihn gewissermaßen zum Spielen auffordernd.Hauser hatte früher öfters mit seinem Strumpfband mit ihr gespielt. (D.) Ich sah es einst selbst mit an, als sie ihn, der in den Garten kam und das Band suchte, sogleich verstand, in das Gesträuch sprang und mit dem Band herauskam. Hauser behauptete, dieses Tier habe erst dann nach ihm gehauen, wie es andern zu tun pflegte, als er anfing, Fleisch zu vertragen.Durch das Fleischessen wurde das Magnetische und Somnambule in Hausers Natur für eine lange Zeit unterdrückt. Erst infolge des Mordversuchs trat es wieder hervor. (D.) Er selbst schrieb mir in seiner unvergleichlichen Manier hierüber folgendes auf:

»Der Herr Professor Daumer hatte eine Katze, welche weiß und schwarze Flecken hatteHauser flicht nach Art der Ungebildeten auch die ganz unbedeutenden und unwesentlichen Umstände in die Erzählung ein. (D.), mit dieser unterhielt ich mich manche Stunde im Garten, an einem Morgen gieng ich in den Garten und dachte wenn nur die Katze in den Garten wäre, heute möchte ich gerade gerne mit ihr spielen. Als ich zur Gartenthüre hinein kam lief sie mir schon entgegen, ich rief ihr zu: Mützel bist du schon da, und lief den Garten hinunter bis zum andern Ende, sie konnte aber besser laufen als ich und ich lief nicht ganz hinunter sondern ich wandte mich um und wollte zur Mutter hinauf gehen und mir ein Band geben lassen daß ich mit ihr recht spielen könnte als ich langsam hinunter gieng lief sie mir vor und sprang in das Feld hinein und brachte mir ein Band entgegen und ich spielte mit ihr eine halbe Stunde lang dan kam auch der Herr Professor und wollte zu sehen wie ich mit ihr spielte denn der Herr Professor sah zuerst dem Fenster hinunter und da konnte er nicht recht hinunter sehen, so gieng er auch in den Garten, aber so bald er die Gartenthüre öffnete, hörte die Katze mit mir zu spielen auf und lief aus den Garten hinaus ich wußte nicht gleich warum den die Katze heute aus den garten lief und nicht zuerst mir das Zeichen gab, denn wan sie nicht mehr spielen mochte so lief sie nicht mehr auf das Band hin sondern auf meinen Fuß her und spielte mit den ein Zeit lang und dan that sie einen kleinen Schrei und gieng schön langsam zur Gartenthüre hinaus.«

XIV. Einwirkung von Spinnen.

Im Jahre 1829, am 9. September nachmittags, ließ sich auf seinen Kopf eine Spinne an ihrem Faden herab. Als sie an den Oberkopf kam, fühlte er Frost und besonders starke Kälte an der Stirne, ohne daß er wußte, was die Ursache war. Als sie weiter herunter kam, fühlte er hin und zerdrückte die Spinne an der Unterlippe. Hierauf fühlte er an dieser Stelle über eine Viertelstunde lang einen brennenden Schmerz, der mit einem Schauder verging. Als er zu Bette ging, kam der Brennschmerz wieder. Nachts schwoll die Stelle und es entstanden mehrere kleine Bläschen, aus welchen morgens weiße Flüssigkeit ging. In der folgenden Nacht kamen wieder Bläschen neben jener Stelle.

Am 26. August 1830 bekam er abends beim Lesen einen kalten Schauder »wie früher einmal von den Schlangen«. Er sah sich um und bemerkte nichts. Es wurde ihm immer kälter und bei genauerem Nachsehen entdeckte er nicht ferne an der Wand eine herabkriechende große Spinne. Er nahm einen Leuchter, um sie zu besehen, und zwar mit der Hand des rechten Armes, an welchem er sich vorher beim Turnen durch Auffallen am Barren einen krankhaften Zustand zugezogen hatte. Bei der Annäherung ergriff ihn in diesem Arme so großer Schmerz, daß er den Leuchter fallen lassen mußte. Um diesen Schmerz zu beseitigen, näherte er den Finger dem stehen gebliebenen Arzneigläschen, das zuvor gegen jene Verletzung angewandt worden war. Er fühlte einen schmerzlichen Zug von oben herab, dann ging die Empfindung zurück in die Schulter, von da in den Fuß und wieder zurück. Nach einigen Minuten war aller Schmerz vorüber. Lang dauerte aber das Kältegefühl, das die Spinne erregt hatte. Der rechte Arm, der bei Annäherung an die Spinne so heftig affiziert wurde, scheint infolge der erwähnten Verletzung damals noch empfindlicher als gewöhnlich gegen solche Einwirkungen gewesen zu sein.

XV. Wirkung einer Blume.

(Von Hauser selbst geschrieben.)

»Ich ging in Garten des Herrn Haubenstricker und fand eine Blume, die mir sehr wohlgefallen hat; ich sah es lange an, betrachtete es recht dann fragte ich den Herrn Haubenstricker, was dieses für eine Blume sei. Er gab mir zur Antwort: eine Kaiserkrone. Den andern Morgen erzählte ich es dem Herrn Professor, daß ich eine sehr schöne Blume gesehen und erzählte ich, wie es aussah, dann sagte der Herr Professor ich solle eine bringen, ich ging in den Garten und holte eine; als ichs anfaste und abpflücken wollte, bekam ich die nähmliche Empfindung, als von den Schlangen, die ich gesehen habe, bekam ich ein Frost, nach einiger Zeit wurde es mir sehr heiß, und bekam eine ganze Viertelstunde Kopfschmerzen, und meine Hand, in der ich die Blume trug, war, als wenn es lahm wäre. Dieses dauerte fünf Minuten. Eh der Kopfschmerz verging, gabs mir ein Schütter; dann sind die Empfindungen weggewesen, aber einige Stunden war mir nicht so wohl als zuerst; ich bin sehr müde gewesen, und so ist es bei den Schlangen auch gewesen.«

Über die Wirkung der Klapperschlange, auf die sich Hauser hier bezieht, sehe man bei Feuerbach, wo dieselbe meinem Bericht zufolge angegeben ist.

XVI. Hauser in Beziehung auf das weibliche Geschlecht.

Hausers Natur verhielt sich lange Zeit in geschlechtlicher Beziehung völlig indifferent und sein Sexualvermögen war in tiefen, unerwecklichen Schlummer versenkt.Ludw. Feuerbach (S. 128): »Er weiß nichts von Geschlechtsunterschied. Schon öfters sagte er, er wolle ein Mädchen werden; man brachte ihn aber von diesem Verlangen dadurch ab, daß man ihm vorstellte, die Mädchen hätten Dinge zu verrichten, wobei man die Kleider beschmutze. Als er dies vernommen, erklärte er, kein Mädchen werden zu wollen. Denn er ist sehr reinlich und putzt an sich und andern, wo er etwas ›Garstiges‹ bemerkt. Seitdem er bemerkt hat, daß seine Hände in der Sonne schwärzer werden, trägt er immer Handschuhe.« v. Tucher (S. 120): »Von dieser (Kenntnis des Geschlechtsunterschieds) ist bis jetzt keine Spur in ihm. Ein Mädchen, eine Frau war für ihn anfangs, wie jeder Mann ein ›Bua‹, d. i. Bube; und nur der Umstand, daß Weiber Frauenröcke haben, hat ihn gelehrt, einen Unterschied zu machen und sie Frau zu heißen.« Anfangs wollte er mit aller Gewalt ein Mädchen werden, weil ihn die schmucken weiblichen Kleider reizten und nach seiner Meinung zu der Umwandlung nichts gehörte als die Veränderung des Anzuges. Später jedoch, als er, ohne zwar den Geschlechtsunterschied zu fassen, die weibliche Natur und ihre Stellung in der menschlichen Gesellschaft als eine eigentümliche erkannte, änderte sich diese Neigung in das Gegenteil um. Für Hauser gab es nichts Höheres als das Wissen und das Vermögen, kraft dieses Wissens zu wirken; da er nun sah, daß im Reiche des Wissens das männliche Geschlecht die Herrschaft behaupte, so setzte sich in ihm die Ansicht fest, dies Geschlecht sei eine höhere Gattung von Wesen als das weibliche (1828 und 1829). Die den letzteren anheimgestellten Verrichtungen und Fertigkeiten flößten ihm als untergeordnete wenig Achtung ein und den eigentümlichen sittlichen Wert der Weiblichkeit war Hauser damals noch nicht zu erkennen fähig. Dazu kamen mancherlei Beobachtungen, die er in der Gesellschaft junger Personen weiblichen Geschlechts zu machen Gelegenheit hatte und die ihn in seiner Ansicht bestärken mußten. So unvernünftig und unglaublich ihm auch von manchen weiblichen Personen geschmeichelt wurde (ich könnte wunderbare Beispiele davon anführen), so gewannen sie doch nichts anderes damit, als daß er sie geringschätzte. Am höchsten standen bei ihm alte und vielbeschäftigte, wenn auch nur dienende Frauenspersonen, die jungen und ihre Zeit mehr in geselligen Unterhaltungen hinbringenden Frauenzimmer pflegte er in schonungslosen Ausdrücken herabzusetzen.

Als ihm im Sommer 1828 bemerklich gemacht wurde, daß die Natur das Männchen bei Vögeln, wie beim Hahn und Pfau durch Federschmuck ausgezeichnet habe, sagte er, bei den Menschen solle das auch so sein; die Männer sollten schöner geputzt sein als die Weiber, weil sie mehr verständen. Um dieselbe Zeit tat jemand die Frage an ihn, ob er auch einmal eine Frau nehmen wolle? Was soll ich mit einer Frau tun? erwiderte er, die kann mir nichts lehren. Nichts, pflegte er zu sagen, komme ihm einfältiger vor, als das Heiraten; denn wozu brauche man eine Frau? Als man ihm sagte, Ehefrauen hätten dem Hauswesen vorzustehen, erwiderte er, man könne sich ja eine Magd halten, und da ihm bemerkt wurde, mit einer Frau könne man freundschaftlicher und vertraulicher umgehen als mit Dienstboten, daher sei dies Verhältnis annehmlicher und das Hauswesen werde so besser besorgt als durch bloße Dienstboten, die weniger treu und eifrig wären, entgegnete er, wenn man mit einer Magd nicht zufrieden sei, könne man sich eine andere wählen, es gebe recht brave Dienstboten. Da sei z. B. die alte Bärbel (die Magd des Herrn Bürgermeister Binder), die würde er sich nehmen und die würde ihm alles tun, was und wie er es haben wollte.

Nichts war ihm mehr zuwider, als Liebesgeschichten. Er wisse gar nicht, sagte er, warum denn einer immer nur eine bestimmte Frauensperson haben wolle und keine andere; als wenn er nicht so gut eine andere nehmen könnte.

Im Oktober 1828 entdeckte es sich, daß er mit dem Worte Frauenzimmer ausschließlich die Vorstellung junger weiblicher Personen verband, die sich mit keiner ernsten Arbeit beschäftigen, wie sie sich ihm öfters in Gesellschaften zeigten. Frauenzimmer, sagte er, seien zu nichts nütze als zum Dasitzen; oder: Frauenzimmer könnten nichts als dasitzen und ein wenig nähen oder stricken. Von den weiblichen Personen meines Hauses, die er immer zweckmäßig beschäftigt sah, behauptete er, sie seien keine Frauenzimmer. Als z. B. meine Mutter einst, da er in seiner Weise die Frauenzimmer heruntersetzte, zu ihm sagte, sie sei ja auch ein Frauenzimmer, ob denn bei ihr auch stattfinde, was er tadle, entgegnete er: Sie sind kein Frauenzimmer, sondern eine Mutter. Frauenzimmer, pflegte er zu sagen, äßen und tränken unaufhörlich und alles durcheinander und seien demzufolge immer krank. – Die Weiber hätten einander so viel zu erzählen von der Not und Plage, die sie hätten, und das alles um des Essens und des Trinkens willen. – Frauenzimmer schmähten hinter dem Rücken auf andere Weiber, denen sie nicht gut seien, und wenn sie mit ihnen zusammen kämen, schmeichelten sie ihnen doch. – Zuweilen sage eine der andern: höre, ich will dir was anvertrauen, aber du mußt es niemand sagen, was denn diese auch gar sehr zu befolgen verspreche. Begegne nun letztere einer dritten und diese sage: Weißt du nichts Neues? so entgegnete jene: ich wüßte wohl etwas, aber du mußt es nicht weitersagen, und entdeckte sodann das ihr anvertraute Geheimnis usw.

Im Sommer 1829 ärgerte er sich gewaltig darüber, daß er bei einem Paradezug von Seiltänzern einer in diesem Zuge reitenden Frauensperson, deren Putz, Figur und Reitkunst seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, ein paar Straßen weit nachgegangen war. Da sei ihm, sagte er ärgerlich, doch auch einmal geschehen, was, wie er höre, zuweilen bei andern der Fall wäre, er sei einem Weibe nachgelaufen.

Daß man beim Weibe Schönheit suchen oder vermissen könne, schien ihm ganz fremd zu sein. Als er ein komisches Bild sah, wo bei einem Tanze, nachdem die hübschen und jungen Frauenzimmer an andere Tänzer gekommen waren, einem nur eine häßliche, dürre Alte überblieb, begriff er nicht, was gemeint sei und fragte, ob denn die Alte nicht auch tanzen könne? Da man entgegnete, sie könne wohl, aber sie sei alt und häßlich, erwiderte er, das tue ja gar nichts, wenn sie nur tanzen könne (Herbst 1829). Für männliche Schönheit entwickelte sich in ihm ein Sinn, während er weibliche noch ganz übersah. Öfters hörte ich ihn jene preisen, letztere nie, außer daß er einmal (Dezember 1829) die Schönheit einer mir persönlich nicht bekannten zweiundsiebzigjährigen Dame, mit der er sich sehr angenehm unterhalten und in deren Äußerungen ihn wahrscheinlich eine geistige Anmut angesprochen hatte, nicht genug zu rühmen wußte.

XVII. Hausers Verhalten in religiösen Beziehungen.

Es kommt zwar in diesem Aufsatz einiges vor, was schon im Feuerbachschen Werke ausgehoben worden ist; ich konnte dies aber nicht weglassen, ohne den Zusammenhang der hier gegenwärtigen Darstellung allzusehr zu beeinträchtigen. (D.)

Die Äußerlichkeiten des Gottesdienstes waren Hauser anfangs nicht nur völlig fremd, sondern widerwärtig und unerträglich. Als er zuerst in eine Kirche kam und des Predigers erhobene Stimme vernahm, meinte er, der Mann »zanke« mit den Leuten da. Das Singen der Gemeinde, wie des Predigers Vortrag war ihm ein widerwärtiger Lärm und Unfug, der sein höchst feines und reizbares Gehör beleidigte: »erst«, sagte er ärgerlich, »schrien die Leute, und wenn diese aufhörten, fange der Pfarrer zu schreien an.« Die Kruzifixe in den Kirchen erregten ihm den ungeheuersten Schauder, weil er die angenagelten Christusbilder für gemarterte lebendige Wesen hielt. Ich hörte ihn in Kirchen mit dem Ausdrucke höchsten Schmerzes flehen, diese Menschen nicht so zu quälen, sondern von ihren Kreuzen herabzunehmen. Von der Art, wie er sich bei Betrachtung anderer religiöser Bildwerke zu benehmen pflegte, ist folgendes ein Beispiel. Als er im Oktober 1828 den betenden Christus an der Lorenzer Kirche sah, sagte er, das sei ein einfältiges Bild; der eine bitte um etwas und könne doch nichts empfangen, da er von Stein sei, der andere aber (Gott Vater) könne ihm nichts geben, weil er auch von Stein sei.Diese Äußerung ist zugleich in andrer Beziehung merkwürdig. Es ist früher bemerkt worden, das Hauser alle Bilder für das nahm, was sie vorstellten, und keinen Unterschied von Bild und lebendiger Wirklichkeit zu machen wußte. So als er im September 1828 die Steinbilder unter der Burg von Nürnberg betrachtete, lachte er über den schlafenden Johannes, der ein Buch in der Hand hält, »weil dieser lernen wolle und doch schlafe.« In der oben im Texte angefühlten Äußerung dagegen sehen wir ihn im Übergang zu dem Vermögen, Bild und Abgebildetes, Lebloses und Lebendes zu unterscheiden, aber aufs wunderlichste mischt sich noch sein früheres Nichtunterscheiden in dies beginnende Unterscheiden. Jener Mann von Stein bittet um etwas und scheint ihm das als ein lebendes Wesen zu tun, aber zugleich hat er schon das Bewußtsein, daß es nur ein lebloses Bild von Stein sei, welches daher nichts brauche und nichts empfangen könne und daher töricht handle, etwas zu bitten und zumal von einem andern Mann von Stein, der ihm nichts geben könne. (D.) Versuche, ihm religiöse Vorstellungen beizubringen, wie man sie vor meiner Bekanntschaft mit ihm angestellt hatte, waren gänzlich mißglückt.v. Tucher berichtet (S. 122): »Eine Frau suchte ihm Begriffe von Gott beizubringen und sagte ihm unter anderem, Gott sei allgegenwärtig. Hauser, nach langem Überlegen, sagte, erst auf sich, dann auf andere verschiedene Orte zeigend: »Kaspar da – nicht da – nicht da – nicht da.« Er hatte gefunden, daß der Begriff der Allgegenwart ein mit seinem eigenen persönlichen Sein unvereinbarer war, den er deshalb von sich wies.« Man hatte ihm gesagt, es sei nur ein Gott und der sei überall. Der erste Teil dieser Belehrung beunruhigte ihn nicht, weil er unter Gott wohl irgend ein menschliches Wesen verstand; desto mehr der zweite. Er verfiel, wie mir von Augenzeugen erzählt worden, in sein eigentümliches, tiefes Nachsinnen, stand lange Zeit mit konvulsivischen Bewegungen da und hatte endlich herausgebracht, daß dies nicht möglich sei, da auch er (Hauser) nicht mehr als an einem Orte zugleich sein könne. Denn seine eigene Beschaffenheit, sein eigenes individuelles Vermögen pflegte er zum Maßstab alles andern zu machen. »Kaspar da – nit da – nit da,« soll er gesagt haben, verschiedene Stellen bezeichnend (er sei hier – nicht dort oder an einem andern Ort). Wegen der Verwirrung und Beängstigung, in die ihn die Geistlichen durch ihren Religionseifer versetzten, hatte er die größte Furcht vor ihnen. In Beziehung auf einen Geistlichen, der ihn besucht hatte, sagte er mir einst (im Sommer 1828), er sei erschrocken, da er gehört, es sei ein Pfarrer, und da ich nach dem Grunde fragte, entgegnete er, daß ihn diese Leute schon sehr gepeinigt hätten. Einmal im Turme seien vier auf einmal zu ihm gekommen und hätten ihm Dinge gesagt, die ihm unbegreiflich gewesen, z. B. daß Gott alles aus nichts erschaffen habe. Da er wissen wollte, wie das zugegangen sei, hätten sie alle zusammengesprochen (geschrien nach seinem Ausdruck) und jeder habe etwas anderes gesagt. Auf seine Erwiderung, das verstehe er nicht, er wolle erst lesen und schreiben lernen, hätten sie geantwortet, jenes müsse man zuerst lernen. Auch wären sie nicht eher gegangen, bis er zu ihnen gesagt, sie sollten doch jetzt einmal fortgehen.Ich hatte ihn, da er mir über den Andrang der Neugierigen Klage führte, bedeutet, er möge, wenn neugierige Leute ihn bedrängten, nur erklären, daß er zu lernen habe und daß sie ihn daher ungestört lassen möchten. Das führte er in größerem Maße aus, als ich es gemeint hatte, und suchte ohne Unterschied alles fortzutreiben, was zu ihm kam, so auch einmal Herrn Regierungspräsidenten v. Mieg, wie ich aus dessen eigenem Mund weiß. (D.) Ein andermal erzählte er, er habe ihnen angedeutet: wenn er etwas machen wolle, so müsse er etwas haben, woraus er es mache,Er geht hier wieder, wie oben, von sich selber aus. (D.) sie sollten ihm sagen, wie Gott etwas aus nichts habe machen können. Hierauf hätten sie zusammen eine Zeitlang geschwiegen und dann miteinander zu reden angefangen, so daß er nun gar nichts mehr habe verstehen und unterscheiden können.

So sehr auch Hauser einem Kinde glich, so war doch sein Wesen von dem eines Kindes außerordentlich verschieden. Kinder gewöhnen sich leicht auf Autorität der Erwachsenen hin gedankenlos anzunehmen und nachzusagen, was diese ihnen vorsagen; so war es bei Hauser nicht, der überall durchaus begreifen wollte. Unter solchen Umständen versuchte ich einmal, ihm einiges von den Gegenständen des religiösen Glaubens auf folgende Weise näher zu bringen, indem ich, wie er selbst zu tun pflegte (s. oben), von der Beschaffenheit und dem Vermögen seines eigenen individuellen Wesens ausging. Ich machte ihn zuerst darauf aufmerksam, daß Wille, Gedanken, Vorstellungen in ihm seien und fragte ihn dann, ob er diese sehen, hören usw. könne. Da er verneinte, sagte ich ihm, er erkenne daraus, daß es Dinge gebe, die man nicht sehen, hören usw., noch sonst äußerlich wahrnehmen könne. Er gestand es zu und zeigte sich ganz erstaunt und befremdet über die unkörperliche Natur seines inneren Wesens. Ein Wesen, fuhr ich fort, das vorstellen, denken, wollen könne, nenne man Geist. Gott sei eines von den Dingen, die man nicht äußerlich wahrnehmen könne, und verhalte sich zu der Welt, wie sein (Hausers) Denken und Wollen zu seinem Körper. Wie er in seinem Körper durch sein Denken und Wollen Veränderungen hervorbringen, z. B. die Hand bewegen könne, wenn er wolle, so könne es auch Gott in der Welt. Er sei der in allen Dingen, in der ganzen Welt innerlich wirkende Geist, das Leben in allen Dingen.

Ich hieß ihn dann den Arm bewegen und machte ihm bemerklich, daß, indem er seinen Arm bewege, sein Denken und Wollen in seinem Arm wirke und daß er es nicht tun könnte, wenn sein Wille nicht darin wäre. Ich fragte ferner, ob er nicht auch zugleich den andern Arm aufheben und beide Arme miteinander bewegen könne, und als er es tat und bejahte, sagte ich ihm, er sehe daraus, daß sein Denken und Wollen in zweien seiner Glieder zugleich sein könne, und so könne er verstehen, wie Gott an verschiedenen Orten zugleich sein könne und was es heiße, er sei überall oder allgegenwärtig. Häuser bezeigte große Freude, da ihm dies klar geworden war und äußerte, was ich ihm da sage, sei doch etwas »Wirkliches«, dagegen ihm die andern Leute nie etwas Rechtes darüber gesagt hätten. Denkbar und wirklich war ihm also gleichbedeutend. Einen andern Weg, Hausers starrer Verständigkeit beizukommen, als den hier eingeschlagenen, gab es nicht. Am allerwenigsten durfte man ihn so behandeln, wie die Geistlichen taten, welche forderten, daß er in kindlicher Einfalt und Ehrfurcht ihnen nachsprechen solle, was sie ihm vorzusprechen beliebten, und welche sich nicht einmal die Mühe gaben, ihm Ausdrücke zu erklären, die er nie gehört hatte, und die für ihn durchaus sinnlos sein mußten. Als er z. B. einmal in Gegenwart eines Geistlichen auf die Pfarrer schalt und die ihm dargebotene Vorstellung von Gott für etwas Albernes erklärte, sagte dieser zurechtweisend zu ihm: »Ja, Gott ist auch kein Mensch, er ist ein Geist!« Abgesehen davon, daß der Mensch doch auch ein Geist ist, bedachte der Mann nicht, daß das Wort »Geist« für Hauser noch ein sinnloser Laut war.

Seit der Zeit, da ich mit Hauser obigen Versuch angestellt, hörte dessen Widerspenstigkeit gegen die Idee Gottes auf. Als nachher durch die Gewöhnung an animalische Kost Abstumpfung des Geistes und Sinken der Verstandes- und Fassungskraft eintrat, ließ er sich auch die gewöhnlichen religiösen Vorstellungsarten gefallen, und ich hörte ihn nichts mehr hierüber bemerken und einwenden, bis nach dem Mordversuch, der den infolge des Fleischessens eingetretenen Zustand veränderte und Hausers physischen und geistigen Zustand demjenigen, in welchem er sich vor diesem Genusse befunden, wieder sehr nahe brachte. Zwischen der Gewöhnung an animalische Kost und dem Mordversuch war nur eine kurze Zeit lang sein Denkvermögen entfesselter, während ein Arzneimittel auf ihn wirkte. Damals faßte er eigentümliche Gedanken über Dreieinigkeit und Unsterblichkeit, die ihm jedoch, als das Mittel ausgewirkt hatte und neue Störungen des Befindens vorgefallen waren, wieder gänzlich aus dem Sinn kamen. Nach dem Mordversuch nahm er wieder eine sehr verneinende Stellung gegen die gewöhnliche religiöse Vorstellungsart an, wiewohl er der gemeinen Vorstellung von Gott überhaupt keinen Widerspruch entgegensetzte. Ich hörte zu dieser Zeit, wie jemand zu ihm sagte, auch Unglücksfälle könnten zum Besten der Menschen dienen und ihm als Beispiel anfühlte, wie jemand an Besteigung eines Schiffes durch einen Beinbruch gehindert worden, dieses Schiff aber nachher mit seiner Mannschaft untergegangen sei; so habe auch der Beinbruch jenem Menschen zum besten gedient. Hauser aber blieb bloß dabei stehen, daß ein Beinbruch nichts Gutes sei, und daß er auch das Bein nicht brechen möge. In Beziehung darauf, daß Gott ihn vor Ermordung bewahrt habe, sagte er, daran, daß der Mann ihn nicht umgebracht habe, sei der enge Raum und die spanische Wand schuld, wäre diese nicht gewesen, so hätte ihn der Mann niedergehauen und niemand hätte ihn gerettet. Auf die Entgegnung, daß es ja Gott so gefügt haben könne, daß die spanische Wand an den Ort gekommen, sagte er, er selbst habe sie zuvor angenagelt, da ihr Wanken ihm mißfallen habe; deshalb, weil sie angenagelt gewesen, habe sie der Mann nicht wegschieben und sich den gehörigen Raum verschaffen können. Der Bemerkung, Gott habe es ihm vielleicht in den Sinn gegeben, die Wand anzunageln, setzte er zwar keine entschiedene Verneinung entgegen, aber sein Benehmen zeigte, daß ihm diese Vorstellung nicht einging.

Jenes »in den Sinn geben« schob die fragliche Sache aus der Sphäre des Faßlichen in ein Unbestimmtes, Begriffloses hinaus, deshalb wußte er keine bestimmte Antwort darauf, aber daß sein Mißfallen an der Lockerheit der Wand, die in seinem natürlichen Sinn für Ordnung und Zweckmäßigkeit gegründet war,hier nicht etwa schon dunkel jene Ahnung wirkte, von der später die Rede sein wird. Ist dies so, so hat ihn seine halbsomnambule Beschaffenheit vom Tode gerettet. (D.) die Wirkung eines außer ihm existierenden Wesens gewesen sei, konnte ihm nicht glaublich gemacht werden. Als ihm jemand sagte, das Vertrauen auf Gott müsse ihn in Hinsicht der ihm bereiteten Nachstellungen beruhigen und »auch jener Mordversuch sei nicht ohne Gottes Willen vorgefallen«, so sagte er, hiermit habe Gott nichts zu tun, das täten die Menschen. Niemand werde ihn glauben machen, es sei Gottes Wille gewesen, daß der Mordversuch an ihm begangen werde. Der Mann habe dies für sich getan und Gott werde ihn dafür bestrafen. »Das mache ihn zum Narren,« daß er gehört habe, Gott lasse den Menschen ihren freien Willen und strafe sie für ihre bösen Handlungen und doch sollten diese Handlungen auch Veranstaltungen Gottes sein.

Ich hatte bei Hauser in religiöser Hinsicht einen schweren Stand. Ihm eine gedachtere Ansicht von Gott, als die sich durch und durch widersprechende gemeine beizubringen und dieselbe im Unterricht mit Bestimmtheit durchzuführen, war höchst bedenklich und ich hätte mich dadurch großen Vorwürfen und Mißkennungen ausgesetzt, da eine solche Ansicht dem Unverstand leicht atheistisch erscheint oder wenigstens unter dem Namen des Pantheismus gehaßt und verketzert zu werden pflegt. Ich wäre in steten Widerspruch mit den Vorstellungen gekommen, die man Hauser von andern Seiten her beizubringen suchte, und es hätte so, zumal in Beziehung auf den Unterricht, den er in der Folge durch einen Geistlichen erhalten mußte, die heilloseste Verwirrung entstehen können. Ich mußte mich daher jenen Vorstellungen bequemen und ihn bei vielen seiner Fragen mit den schlechten Antworten gewöhnlicher Art abspeisen, wodurch er aber ganz und gar nicht befriedigt ward. Nach dem Mordversuch, da er eingetretener Augenschwäche wegen monatelang nicht arbeiten konnte und man bei der Unmöglichkeit, ihn durch körperliche Bewegungen und Übungen zu beschäftigen, in Hinsicht der Ausfüllung seiner Zeit in großer Verlegenheit war, fragte er mich, ob er von Gott etwas Bestimmtes bitten dürfe und ob er es dann auch wirklich erhalten werde? Ich sagte ihm, zu bitten sei ihm gestattet, doch müsse er es der Weisheit Gottes anheimstellen, ob er ihm seine Bitte gewähren werde oder nicht. Er erwiderte, er wolle von Gott nur die Genesung seiner Augen erbitten, und gegen dieses könne ja Gott nichts haben, denn er wolle den Gebrauch seiner Augen nur deshalb wieder, um arbeiten und in seinen Einsichten fortschreiten zu können und seine Zeit nicht wie so oft in unnützen Gesprächen und Spielereien hinbringen zu müssen. Als ich ihm hierauf die Antwort gab, Gott habe zuweilen seine weisen, aber unerforschlichen Gründe, uns etwas zu versagen, wovon wir glaubten, daß es uns heilsam wäre, er wolle uns zuweilen durch Leiden prüfen, in Geduld und Ergebung in seinen Willen üben, so mußte dies natürlich auf einen Hauser denselben Eindruck machen, den die gleichen Belehrungen der Geistlichen und Frommen machten.

Schon im Oktober des Jahres 1828 hatte er vernommen, daß es verschiedene Religionsparteien gebe. Er äußerte damals in dieser Beziehung: es müsse doch einen geben, der unter allen am meisten wisse und verstehe, und von diesem müßten die andern sich überzeugen und zu einer Ansicht vereinigen lassen. Als man ihm um dieselbe Zeit bemerkte, er werde künftig einmal von einem Gottesgelehrten Unterricht empfangen, sagte er, den werde er recht ausfragen, um zu erfahren, wer recht habe, und zu der Partei, die recht hätte, wolle er sich halten. Es wäre von Interesse, zu wissen, wie sich Hauser benahm, als er später, nachdem er aus meiner Verpflegung gekommen, von einem protestantischen Geistlichen Nürnbergs vollständigen Religionsunterricht erhielt. Was ich aus jener Zeit von ihm vernahm, ist folgendes. Anfangs erzählte er mir, der Lehrer habe die Erklärung über dies und jenes, das er gefragt, auf folgende Lehrstunden verschoben und erwartete vertrauend den versprochenen Aufschluß. Später fing er an zu klagen, daß er keine Aufschlüsse erhalte und überall, wo er begreifen wolle, aufs Glauben verwiesen werde, ja daß man ihm sogar sage, das Forschen über dunkle Gegenstände des Glaubens sei unrecht. Einmal äußerte er, warum denn Gott jetzt nicht mehr, wie in früheren Zeiten, zu den Menschen herabkomme, um sie über so vieles, was dunkel und streitig sei, zu belehren, auf welche Frage, wie auf viele andere Hausers, es in der Tat keine andere Antwort gibt als eine schlechte. Wie es einem Hauser, für den sich die Belehrung auf die allerwesentlichsten Punkte des christlichen Glaubens hätte beschränken sollen, vorkommen mußte, wenn ihm gesagt wurde, es gebe drei Himmel, im Jahre 1836 werde der jüngste Tag kommen und dergleichen, kann man sich denken. Beim Lesen des Alten Testamentes fielen ihm Widersprüche in den Erzählungen auf. Obwohl Hausers Unglaube und Zweifeln von mir, wie bemerkt, ganz und gar nicht gefördert wurde, so war er doch gewohnt, mit mir zu sprechen, wie es ihm ums Herz war, und wenn ich ihn nicht befriedigen konnte, so hörte ich ihn doch ohne Tadel und Ereiferung an, weshalb ich manches von ihm vernahm, was andere nicht zu hören bekamen.

XVIII. Träume.

1.

In meinem Hause schlief Hauser zum ersten Male in einem ordentlichen Bette, welches ihm im Gegensatze gegen die Härte seines frühern Lagers ungemein behagte, wiewohl dieses Behagen durch eine gewisse unangenehme Empfindung, die ihm die Federn (dynamisch) verursachten, gestört wurde.Diese Empfindung verlor sich später, aber nach dem Mordversuch, durch welchen er auf seinen früheren Nervenzustand zurückgeführt wurde, machte ihm das Liegen im gewohnten Federbette wieder eine unangenehme Empfindung. (D.) Er hatte in der ersten Nacht, die er in diesem Bette zubrachte, auch seinen ersten Traum, der damit zusammenhing, daß sich in dieser Nacht die Krankheit, in die er damals verfallen war, zur Besserung entschied.v. Tucher erzählt darüber folgendes (S. 123): Merkwürdig war die Wirkung des ersten Traumes. Die Lage, in welcher er sich befand, bevor er zu Daumer kam, war derart, daß er erkrankte, an Kopfschmerz, Mangel an Appetit usw. litt. In diesem Zustand wurde er von Daumer aufgenommen. Eines Morgens aber kam er diesem mit großer Freude entgegen und erzählte ihm, die Frau Bürgermeister – die sich viel mit ihm abgegeben hatte – sei bei ihm gewesen und habe mit der Hand über seine Stirne gestrichen; da sei der Schmerz vergangen und er sei nun gesund. Er ließ sich nicht überzeugen, daß dies eine bloße Traumvorstellung gewesen; er habe sie gewiß gesehen, behauptete er.

Einige Tage darauf träumte er wieder von dieser Dame; da kam er morgens lachend zu D. und sagte ihm: nun wisse er, daß jener Besuch nur ein Traum gewesen; denn diese Nacht sei die Frau Bürgermeister wieder bei ihm gewesen, und er wisse doch, daß sie verreist sei und also nicht habe zu ihm kommen können.

Herrn Bürgermeister Binders Gemahlin, zu der er eine ganz vorzügliche Zuneigung hatte,Die liebevolle Behandlung, die er nach vielen rauhen und rohen Behandlungen in Herrn Bürgermeister Binders Hause erfuhr, hatte einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht. (D.) sei, erzählte er, an sein Bett gekommen und habe ihn gefragt, wie er sich befinde. Auf die Antwort, sein Kopfschmerz sei noch nicht vergangen, habe sie ihm entgegnet, er solle nur Geduld haben, es werde schon besser werden, habe ihm die Hand gereicht, ihn gegrüßt und sich entfernt. Hierauf habe sich etwas vom Kopf herab in die untern Teile seines Körpers gesenkt, der Kopfschmerz sei vergangen und vor Freuden habe er sehr gelacht«.Hiermit ist jenes kindliche Lachen gemeint, wovon früher die Rede gewesen. (D.) Frau Bürgermeisterin, behauptete er nun fest, habe in der Nacht seinen Kopfschmerz mit fortgenommen. Man suchte ihn davon zu überzeugen, daß dieser Vorgang ein Spiel der Einbildungskraft gewesen, aber vergebens; er wisse es gewiß, sagte er, daß Frau Bürgermeisterin bei ihm gewesen, er habe ihr ja die Hand gegeben und sie habe gesagt: Adieu Kaspar. Auch als die Dame selbst erschien und jene Aussagen bestätigte, glaubte er es nicht, drückte sich auch zuweilen mit komischem Widerspruche so aus: er müsse freilich glauben, was ihm Frau Bürgermeisterin und Herr Bürgermeister sagen, aber er wisse es doch gewiß, daß sie bei ihm gewesen. Doch schien er endlich überzeugt. Als aber jene beim Fortgehen fragte, ob er sie heute noch besuchen wolle und nicht etwa noch zu schwach wäre auszugehen, erwiderte er, weil Frau Bürgermeisterin heute Nacht zu ihm gekommen sei, so wolle er auch zu ihr kommen. Erst als er später mehrmals träumte, fing er an einzusehen, welche Bewandtnis es mit dem Träumen habe. An dem Tag, der auf jene wohltätige Nacht folgte, hob sich seine Leibverstopfung und es stellte sich zweimalige Öffnung ein. Der Kopfschmerz war, wie er geträumt hatte, verschwunden. Aber die ungeheuerste Nervenschwäche, schwere Verdauung und harte Öffnung blieben noch lange.

2.

Im Frühling 1829 hatte er folgenden Traum. Eine schöne männliche Gestalt in weißem Gewande trat vor sein Bette und reichte ihm einen Kranz mit dem Bemerken dar, daß er in vierzehn Tagen sterben werde. Hauser sagte zurückweisend, er sei noch nicht lange auf der Welt und möge noch nicht sterben, worauf jener entgegnete, es sei umso besser, wenn er, ohne lange gelebt zu haben, von der Welt scheide.Welche trübe Ansicht vom menschlichen Leben, welche tiefe Schwermut spricht sich in diesen Worten aus! (D.) Hierauf legte der Mann den Kranz auf einen Tisch, Hauser stand auf, ihn zu nehmen, da begann derselbe zu glänzen, und wie er immer heller und heller glänzte, sagte Hauser, ich will sterben und wachte bald nachher auf. Ich hieß ihn den Traum aufzeichnen. Er schrieb folgendes:

»Am 2. April Nachts hatte ich einen Traum, als hätte ich wirklich einen Mann gesehen, er hat ein weißes Tuch um den Leib hängen, seine Hände und Füße waren bloß, und wunderschön hatte er ausgesehen.Das Plusquamperfekt braucht Hauser als Imperfekt. So gleich unten wieder: »hatte er einen herrlichen Glanz bekommen.« (D.) Dann reichte er mir die Hand mit etwas, das einem Kranz gleicht, dann sagte er, ich solle ihn nehmen; dann wollte ich ihn nehmen; dann gab er mir zur Antwort, in vierzehn Tagen mußt du sterben; dann gab ich ihm zur Antwort, ich mag noch nicht sterben, weil ich nicht lange auf der Welt bin, und nahm den Kranz nicht, als er mir zur Antwort giebt: es ist desto besser. Dann stund er eine Zeitlang vor mir, als ich den Kranz nicht nahm, gieng er rückwärts gegen den Tisch zu, legte ihn auf den Tisch; so bald er ihn auf den Tisch gelegt hatte, stund ich auf und als ich näher kam, hatte er einen herrlichen Glanz bekommen. Dann nahm ich ihn und gieng auf mein Bett zu, als ich näher dem Bett zu kam, bekam er immer einen stärkeren Glanz, dann sagte ich: ich will sterben; dann war er fort; ich wollte in das Bett hinein steigen, dann wurde ich wach.«

Der Kranz ist in der Symbolik dieses Traumes offenbar der Tod. Er ist anfänglich glanzlos, d. h. er hat keine Bedeutung für Hauser, der deshalb nicht sterben mag. Allein der Kranz fängt an zu leuchten und wie er immer heller und heller glänzt, erwacht Sehnsucht nach dem Tode und eine höhere Anschauung desselben in Hauser, der nun sterben will. –

Von der wunderbaren Symbolik und Poesie, die in Hausers Träumen vorkam, und die mit dem prosaisch-verständigen Sinne, der in seinem Wachen waltete, sehr kontrastiert, werde ich im folgenden noch mehr Beispiele und noch ausgezeichnetere geben.

XIX. Hausers Besuch bei einer Somnambule.

Im Dezember 1829 wurde Hauser aus gewissen Gründen mit einer Somnambule zusammengebracht, die sich damals mit ihrem Magnetiseur, Herrn Professor Hensler aus München, zu Nürnberg befand. Hauser wurde von der Nähe dieser Person aufs widerwärtigste angegriffen, so wie hinwiederum sie von Hauser eine besonders widrige Wirkung verspürte. Ich bestimmte Hauser, über die Empfindungen, die er hatte, folgendes zu Papier zu geben.

»Als ich an das Zimmer kam und die Thür von der Kranken geöffnet wurde, welche ich nicht kannte, fühlte ich ein plötzliches Ziehen auf beiden Seiten der Brust, als wenn man mich in das Zimmer ziehen wollte, als ich hinein trat, und an der Kranken vorüber ging, wehte mich eine sehr starke Luft an und als ich die Kranke im Rücken hatte, wehte es von hinten und den Zug, welchen ich vorher an der Brust fühlte, fühlte ich nun an den Schultern. Als ich auf das Fenster zuging, folgte mir die Kranke von hinten nach, indem ich Herr v. Tucher fragen wollte, bekam ich ein Zittern im linken Fuß und es wurde mir unwohl, sie gieng wieder zurück und das Zittern verlor sich, sie setzte sich auf das Kanapee und sagte: wollen sich die Herren nicht setzen? darauf sagte Herr Prof. Hensler zu ihr: sie sollte mich ansehen; so wie sie sich mir bis auf zwei Schritte näherte, wurde mir noch unwohler als vorher, und ich bekam an allen Gliedern Schmerzen. Herr Prof. Hensler sagte ihr, daß ich der Mensch sei, der geschlagen wurde,D. h. an dem der Mordversuch begangen worden war. (D.) indem bemerkte sie meine Narbe und deutete darauf hin, da gieng mir die Luft stark an die Stirne und ich bekam Schmerzen daran; auch fing mir der linke Fuß stark an zu zittern. Die Kranke setzte sich auf das Kanapee und sagte, daß ihr übel sei und ich sagte auch, daß mir so unwohl sei, daß ich mich setzen müsse. Ich setzte mich in das andere Zimmer, nun fing auch der andere Fuß an zu zittern. Obgleich mir Herr v. Tucher die Knie hielt, so konnte ich sie doch nicht stille halten. Nun bekam ich starkes Herzklopfen und mir wurde im ganzen Körper heiß; das Herzklopfen ließ nach und ich bekam Zittern im rechten Arm, welches nach einigen Minuten aufhörte, und mir wurde wieder etwas besser. Dieses Befinden blieb sich gleich bis den andern Morgen, da bekam ich wieder Herzklopfen und Zittern in den Gliedern, doch nicht so heftig; nach einer halben Stunde verlor es sich wieder; nachmittags um drei Uhr kam es wieder etwas weniger stark und verlor sich noch früher, ich bekam eine weiche Öffnung und eine halbe Stunde darnach wieder eine, darauf wurde mir wieder ganz wohl.«

Die Somnambule wurde von Hausers Gegenwart sehr angegriffen. Ich hörte sie nachher, da sie in Schlaf gefallen war, noch die Worte sagen: »Das war ein harter Sturz für mich.« Sie fühlte noch den andern Tag ein Unwohlsein davon. Ich selbst konnte es im Zimmer der Somnambule nicht aushalten. Große Angegriffenheit der Augen, die nachließ, wenn ich ins Nebenzimmer trat, sich wieder verstärkte, wenn ich zurückkehrte, und zuletzt Glut im Gesichte nötigte mich zu gänzlicher Entfernung. Als ich mich am andern Tage bewegen ließ, die Somnambule bei der Hand zu fassen, die ich bald zurückziehen mußte, und da mich auf Geheiß derselben der Magnetiseur anblies, geriet ich in einen fieberhaften Zustand und fühlte noch den nächsten Tag die widerwärtigste Gereiztheit.

Man beachte in Hausers Erzählung den Umstand, daß ihm erst nach weichem Stuhlgang wieder ganz wohl wurde. So fand ich sehr oft, daß sich sein Organismus der eingedrungenen feindlichen Wirkung durch Durchfallstuhl entledigte, bei Gerüchen, Genüssen, mineralischen und animalischen Einwirkungen.

XX. Ahnung des Mordversuchs.

Über diese merkwürdige Ahnung, die ihn in den dem Mordversuch vorausgehenden Tagen befiel, äußerte sich zwar Hauser erst nach dem Vorfall mit Bestimmtheit, weil er, was seiner großen Zaghaftigkeit wegen nicht selten geschehen war, verlacht zu werden fürchtete und seine Empfindlichkeit gegen Spott und Lächerlichwerden so groß war, daß er aus Furcht vor diesem jede andere Furcht zu unterdrücken oder zu verbergen suchte. Doch ist aus den über Hauser noch vor dem Mordversuch niedergeschriebenen Bemerkungen ersichtlich, daß er in jenen Tagen an einer erhöhten krankhaften Gereiztheit und Empfindlichkeit gelitten habe und in allerlei Unwohlsein herumgeworfen wurde, wogegen die bei ihm sonst immer sehr wirksamen Mittel den gewohnten Erfolg nicht hatten oder, ohne zu nützen, nur mehr aufreizten. Hausers nach dem Mordversuch gemachten bestimmten Angaben zufolge fing die Ahnung am Montag und Dienstag vor dem Sonnabend, an welchem die Tat geschah, sich zu regen an und trat am Mittwoch mit voller Bestimmtheit ein. Es befiel ihn des Morgens Angst und Frostschauder mit der Vorstellung verbunden, es werde jemand kommen und ihn umbringen. Dieses Gefühl hatte er die vier Tage lang bis zur Begebenheit, und wenn es ihn verließ, so kam es doch nach einer halben oder ganzen Stunde wieder. Wenn er allein im Zimmer war, kam es ihm vor, als sei ein (unbestimmter) Mann darin, auf der Straße, als gehe ihm ein Mann nach, nach welchem er sich auch umsah. Am Sonnabend vormittags vor der Tat war das Gefühl am stärksten. Es befiel ihn mitten auf dem Markte unter vielen Menschen mit Frostschauder und Vorstellung von Ermordung, die heute oder morgen an ihm geschehen werde, so daß er seine Begleiterin, eine Person meines Hauses, ohne ihr jedoch einen Grund zu nennen, antrieb, nach Hause zu gehen. Er hatte bestimmt die Vorstellung von Erschlagenwerden (nicht z. B. von Erstochenwerden). Die Vorstellung, daß er in seiner Wohnung ermordet werden solle, hatte er nicht, er fühlte nur im allgemeinen Angst vor Ermordung. Bis zum Sonnabend ward es mit jedem Tage ärger; gleich als er am Sonnabend aufwachte, befiel es ihn mit der größten Stärke, und höchst schmerzhaft wurde ein grabendes Gefühl in der Brust. Nicht lange vor der Begebenheit klagte er mir Unwohlsein und bat um Erlaß einer Lehrstunde, die er außer Hause zu nehmen hatte, dabei sagte er, es sei ihm so heiß, und ich meine ihn noch vor mir stehen zu sehen, wie er mit der Hand nach dem Kopf griff oder deutete. Ich schrieb dies einer anderen Ursache zu; es war wohl die mir unbekannte Ängstigung, die ihm das Blut in den Kopf trieb. Es könne sich niemand vorstellen, erzählte er nachher, wie ihm gewesen sei. Als ich fragte, ob es bis zur Zeit des Mordanfalls an diesem Morgen gleich geblieben oder gestiegen sei, antwortete er: damals habe es nicht ärger werden können. Wahrscheinlich war es die sich aufs höchste spannende Angst, die ihn zu ungewöhnlicher Zeit zu Stuhle trieb,Hauser selbst schrieb diesen Stuhlgang einer Nuß zu, die er ungefähr eine Stunde vorher gekostet hatte und die ihm übel bekommen war. Ist dieses so, so scheint es zu den Erscheinungen der wieder erhöhten Empfindlichkeit zu gehören, von der oben die Rede war, da sich früher seine in den ersten Zeiten allerdings häufig solche Erscheinungen bietende Empfindlichkeit bereits sehr vermindert hatte. (D.) als ihm der Mörder in Erwartung, daß Hauser wie gewöhnlich um diese Stunde ausgehen würde, auflauerte, wodurch es kam, daß die Begebenheit am Abtritt vorfiel. Als er den Unbekannten heranschleichen hörte, hatte er zwar nicht das bestimmte Bewußtsein, daß es der Mörder sei, doch, sagte er, sei es ihm »ganz dumm« geworden. Jenes Angstgefühl scheint bei naherückender Gefahr in eine Art von Betäubung übergegangen zu sein.Mitteil. II 6 führt Daumer aus: »Am 17. Oktober, Sonnabends, ereignete sich der Mordversuch, am Montag zuvor befiel Häuser seiner Angabe zufolge die in diesem Abschnitt beschriebene Ahnung. Es ist gesagt worden, daß Hauser über dieselbe sich vor dem Mordversuche nicht mit Bestimmtheit aussprach; hier aber will ich noch den Umstand bemerken, daß Hauser mir in den jener Woche vorausgehenden Tagen unter den Krankheitsbeschwerden, die, wie damals geglaubt wurde, von einer in Anwendung gebrachten Arzenei herkamen, auch Angstgefühl nannte. Ich erinnerte mich dessen später einmal und fragte ihn, ob er nicht glaube, daß dieses Angstgefühl mit der in der Woche vom 12. bis zum 17. Oktober gefühlten Ahnung im Zusammenhange gestanden sei? Er verneinte es und sagte, jene erste Angst sei eine ganz andere gewesen, als die in der Woche des Mordversuches gefühlte, denn mit jener sei die Vorstellung, es werde ihn jemand umbringen, gar nicht verbunden gewesen. Dem ungeachtet stehen die beiden Erscheinungen höchst wahrscheinlich im Zusammenhang; jene erste Angst, die mir Hauser schon vor der Begebenheit angab, jedoch nur als physisch begründet, war wohl der erste noch ganz unbestimmte Anflug, nachher, als die Vorstellung dazutrat, es werde ihn jemand ermorden, verbarg er seine Gefühle aus Scham und Besorgnis, verlacht zu werden. Nux vomica, welche Arznei Hauser am 4. Oktober erhalten hatte und welcher ich die von Hauser vor dem Mordversuch angegebene Beängstigung damals zuschrieb, ist öfters bei Hauser angewendet worden und hat sonst niemals diese Wirkung gezeigt. (D.)

XXI. Der Mordversuch.

Was ich über diese dunkle Begebenheit infolge von Hausers und der Meinigen Aussagen und meinen eigenen Beobachtungen beibringen kann, ist folgendes. Ich selbst war bei Hausers Verwundung nicht zu Hause, sondern bloß zwei mir verwandte weibliche Personen.

In meine Wohnung führte damals bis zur Treppe, an einer Holzkammer vorbei, ein langer im Winkel laufender Gang; unter der Treppe befindet sich ein Abtritt, vor welchem eine spanische Wand stand. Als sich Hauser vor elf Uhr vormittags in diesem Abtritte befand, hörte er die ungefähr zwanzig Schritte weit entfernte Türe der Holzkammer öffnen, darauf leise die daneben befindliche Hausglocke ertönen. Der Mörder hatte offenbar in der Holzkammer gelauert, wahrscheinlich, um, wenn Hauser um elf Uhr, wie er pflegte, eine Lehrstunde zu besuchen ginge und vor der Holzkammer vorbeikäme, ihm entgegen zu stürzen. Ich aber hatte ihm für diesen Tag jene Lehrstunde erlassen; ein glücklicher Umstand, da sonst Hauser wohl zum Tode getroffen worden wäre. Der Mann scheint nun Hauser auf den Abtritt gehen gehört und darnach seinen Plan geändert zu haben. Wahrscheinlich war er nicht ohne Kunde von den Bewohnern meines Hauses, wußte vielleicht sogar, daß ich damals nicht zu Hause war. Er konnte somit aus Hausers männlichem Tritt vermuten, wer er sei, und die Gewißheit darüber konnte ihm Hausers nachheriges Rufen geben. Er langte, was leicht geschehen konnte, an die Klingel, als er sich schon im Hause befand, um, wie es scheint. Hauser vorzulocken. Hauser meinte, eine Person des Hauses sei in der Holzkammer, und rief ihr zu, sie solle die Haustüre öffnen, da man die Glocke gezogen. Hierauf kam der Mann mit leisen Schritten vorgegangen und Hauser, der ihn durch die spanische Wand hindurch erblickte, glaubte, des schwarzvermummten Gesichtes wegen, es sei der Schornsteinfeger. Jener trat in den engen Raum zwischen die Mauer und die spanische Wand und führte mit einem Hackmesser quer auf Hausers Stirne einen Streich in den Abtritt hinein. Durch eine Zurückbeugung Hausers wurde die Wirkung des Hiebes geschwächt, auch kam der Mann nach Hausers Beschreibung so zu stehen, daß er die Mauer und den Abtritt im Rücken hatte und den Streich rückwärts mit der linken Hand führen mußte, so daß derselbe notwendig in die Quere ging. Der Mann hatte die unbequeme Stellung wohl deshalb gewählt, um keinen Augenblick am freien Umherblicken gehindert zu sein, und wurde vor Vollendung des Mordes vielleicht durch das Geräusch eines auf den Treppen oder auf dem Söller des Hauses oder im anstoßenden Hofe gehenden Menschen hinweggescheucht, in welchen, zweien Wohngebäuden gemeinschaftlichen Hof man von der Stelle aus, wo der Mann den Hieb führend zu stehen kam, sogar durch ein Gitterfenster sehen kann, und in welchen gleich neben diesem Fenster eine damals unverschlossene Türe führt, so daß der Mann von zwei Eingängen her bedroht war. Leicht auch konnte der Mann den schwer verwundeten, mit Blut übergossenen Hauser wirklich zum Tode getroffen zu haben glauben und wer kann überhaupt die psychische Verfassung bestimmen, in der er sich im Augenblicke der Tat oder gleich nach derselben befand? Hausers Verwundung war in Beziehung auf die hohe Reizbarkeit seines Nervensystems so bedeutend, daß sein Wiederaufkommen zweifelhaft war. Nichts war in der Nähe, worauf er etwa fallen und sich selbst auf solche Weise hätte verwunden können. Niedergestürzt muß er, nach dem vielen auf der Stelle vergossenen Blute zu urteilen,Das Blut floß unter einer Tür weg, an welcher Hauser niedergestürzt war, in einen benachbarten Garten und häufte sich hier in einer vertieften Stelle an. (D.)] lange gelegen sein, bis er sich aufraffte und die Treppe hinaufging, um in das Zimmer meiner Mutter zu kommen. Allein die Betäubung, in der er war, machte, daß er statt dessen in sein eigenes Zimmer kam. An einem vor diesem an der Türe stehenden Schranke waren ganz deutlich die Spuren der blutigen Finger zu sehen, mit denen er sich an ihm angehalten hatte. Aus seinem Zimmer heraus geriet er, statt, wie er sollte, eine Treppe höher zu steigen, wieder die untere Treppe hinab und floh endlich von dunkler Angst gejagt in den Keller. Neben diesem Keller eröffnet sich in der Tiefe ein finsteres Gewölbe, dessen Boden mit Wasser überflössen ist. Als Hauser in dieses Wasser trat, kam er wieder zur Besinnung, bemerkte in einem Winkel das einzige trockene Plätzchen des Gewölbes und setzte sich dahin. Nun folgte Erbrechen; er hörte zwölf Uhr schlagen und dachte, »hier werde ihn niemand finden, da werde er sterben müssen«. Dann fiel er in Besinnungslosigkeit und in diesem Zustande wurde er gefunden, da die Blutspuren in das Kellergewölbe geführt hatten. Als man ihn ins Bett getragen hatte, verlangte er zu mir nach Hause gebracht zu werden. Ich war eben nach Hause gekommen und als ich ihm deutlich gemacht hatte, daß ich zugegen sei (seine Augen waren erblindet), erzählte er in abgebrochenen WortenSie lauteten ungefähr folgendermaßen: »Professor erzählen« (d. h. er wolle es mir erzählen), – »Abtritt« – »Mann schlagen« – »schwarzer Mann« – »wie in der Küche« (et war einmal vor einem Schornsteinfeger in der Küche sehr erschrocken) – »ich Mutter sagen« (d. h. er habe es meiner Mutter sagen wollen) – »nicht gefunden« – »in mein Ammer gekommen« – »hinunter« – »in Keller versteckt.« (D.) In dem Abschnitt »Selbstzeugnisse« sind die Worte Hausers genau angegeben. den Hergang der Sache, worauf er bald wieder in Besinnungslosigkeit fiel, die nun zwei Tage lang mit von Zeit zu Zeit ausbrechenden Paroxysmen anhielt, in denen mehrere starke Männer Mühe hatten ihn zu bändigen. Auch wenn die Wunde im geringsten berührt wurde oder ein Lichtschein auf seine Augen fiel, kamen die Anfälle.

XXII. Einiges, was infolge des Mordversuchs geschah.

Während sich Hauser in diesem besinnungslosen Zustand befand, schickte mir der Arzt (Herr Dr. Preu) ein mit homöopathischer Akonitverdünnung befeuchtetes Streukügelchen, um Hauser daran riechen zu lassen. Ich nahm von dem Gläschen, in welchem das Kügelchen lag, den Stöpsel, setzte nur einen Augenblick lang einen neuen reinen drauf und hielt ihn sodann gegen Hausers Nase.Viele vorausgegangene Erfahrungen bestimmen zu so vorsichtiger Verfahrungsart. (D.) Sogleich fuhr dieser auf, tobte sehr und die Anfälle wiederholten sich schnell nacheinander mit Ungestüm. Dabei stieß er Worte aus, die zeigten, er habe ein Bewußtsein davon, daß etwas mit ihm geschehen sei, z.B. »stinkt, stinkt«, – »warum mir so garstige Sachen geben?«Er sprach in den Paroxysmen in der gebrochenen und mangelhaften Weise früherer Zeit, indem er die Sätze mit Infinitiven bildete. Z.B. »Warum du mich schlagen?« statt: »Warum schlägst du mich?« oder »warum hast du mich geschlagen?« Auch ließ er wieder seinen früheren Dialekt hören: z.B. »Juli weck! nit alles zammareißen!« (er meinte einen Knaben namens Julius, der ihm einst öfters seine Spielsachen zerstört hatte.) Dagegen sprach er nach Rückkehr der Besinnung ungewöhnlich rein und gut (s. unten). (D.) usw. Dann rief er nach mir, daß ich helfen und abwehren solle. In ungefähr zehn Minuten verminderten sich jedoch die Anfälle und er wurde so ruhig, daß die Wärter in ihrer Aufmerksamkeit nachließen und glaubten, es würde nichts mehr geschehen. Plötzlich aber brach er los und riß sich den Verband herab, nach welchem er schon sonst in den Paroxysmen zu greifen versucht hatte. Man hatte nämlich früher einen Umschlag mit Leim gemacht und wahrscheinlich war der hart gewordene Leim, der auf der empfindlichen Stelle einen großen Reiz verursachen mußte und so die Heilwirkung der Arznei vernichtete, die Ursache des neuen Ausbruchs. Ein wiederholter Versuch mit Riechenlassen wurde nicht gemacht.Der hier mitgeteilte homöopathische Fall ist einer der geringsten. (D.)

Als das Bewußtsein zurückkehrte, verlangte er nach mir und erzählte in der reinsten Aussprache und in gewählten, oft fast poetischen Ausdrücken zusammenhängend und periodisch, wie er nie zuvor getan (früher hatte er sich den bayerischen Volksdialekt nie ganz abgewöhnen lassen), das Vorgefallene, indem er scharfsinnige Vermutungen und Erklärungen untermischte. Er war in einem erhöhten Zustande, den mit mir auch Herr Dr. Osterhausen beobachtete. Auch fand sich, daß er gegen Metall, Glas und Animalisches wieder so empfindlich war wie früher.Diese Empfindlichkeit hatte sich, seitdem er an Fleischkost gewöhnt worden war, gänzlich verloren. (D.) Noch im Zustand der Sinnlosigkeit schauderte er zurück, als man einen silbernen Löffel, mit dem man ihm Wasser geben wollte, dem Munde näherte, aus der Schale aber trank er mit solcher Wut, daß er ein Stück davon abbiß und zum Teil verschluckte.

Er war schon auf dem Wege, zu sich zu kommen und erkannte einen Eintretenden, da dieser aber parfümiert war, fühlte er, wie er sich später noch erinnerte, großes Unwohlsein von dem Dufte und fiel wieder in tobendes Phantasieren. Da er mir später klagte, daß er große Schmerzen habe und seine Finger aufgeschwollen seien und ich, die Ursache vermutend, ihm die Ringe, wiewohl mit Mühe, von den Fingern zog, verschwanden jene Beschwerden. Als er noch nicht lange zu sich gekommen war, und jemand, den Mesmerismus anwendend, ihm mit den Händen die Brust herunter zu streichen anfing, bewog ich diesen zwar sogleich, von seinem Vorhaben abzustehen, dennoch klagte der Kranke darauf über Vermehrung der Schmerzen und hatte bald wieder einen Paroxysmus. Bald bot sich mir jedoch eine Gelegenheit dar, den Mesmerismus mit großem Nutzen in Anwendung zu bringen, indem ich unter den zu Wärtern und Wächtern bestellten Männern einen fand, der allem Anschein nach rein (sowohl apsorisch als unvenerisch), gesund und sehr robust, dabei wohlwollend gegen Hauser gesinnt, mir hierzu tauglich schien. Ich ließ ihn die Hände auf die mit einem wollenen Wams bekleideten Arme Hausers legen, worauf Linderung der Schmerzen und allgemeines Wohlseinsgefühl erfolgte. Das zweite Auflegen hatte Einschläferung und den ersten erquickenden Schlummer zur Folge. Den folgenden Abend (20. Oktober), als sich der Mann, der ihm auf mein Ansuchen jetzt für beständig beigegeben wurde, wieder einfand, machte ein kurzes Auflegen, daß er urinieren konnte, was er sonst bei vielem Trinken zu seiner Beschwerde nicht sobald vermochte. Bald darauf fiel er, wie den vorigen Tag, in einen kurzen erquickenden Schlummer, worauf ihm um recht vieles besser war. Der nachher erfolgende Nachtschlaf war gleichfalls sehr gut und lang. Auf der bloßen Hand konnte er des Mannes Hand nicht leiden, auch nicht auf der bekleideten Brust, die jetzt der schmerzlichste Teil des Körpers war, die Auflegung auf den untern Teil der Arme aber zog nach seiner Aussage die Schmerzen von der Brust hinweg, eine später öfters vorkommende Erscheinung. Die Wirkung äußerte sich bei Auflegen der Hände, sobald dadurch Wärme entstand. Als der Mann einmal mit der Hand ein wenig herabrückte, fing Hausers Hand zu zittern an und es entstand Kopfschmerz. Ein erneutes ruhiges Auflegen ließ beides fast sogleich verschwinden. Auch dieses Auflegen jedoch durfte nicht lange und nur nach Wunsch des Kranken geschehen, wenn es ihm wohltätig sein sollte. Verschwinden der Müdigkeit, leichteres Urinieren, Schlaf und Linderung der Schmerzen war fortwährend die Folge dieses Auflegens. Vorzüglich wohltätig war es ihm, dem Mann in die Augen zu schauen, was er oft sehr lange tat. Schon ein kurzes Anblicken verminderte ihm die Lichtscheu der Augen. Am empfindlichsten war er wieder gegen mich. Wenn er mich ansah, taten ihm die Augen weh. Wenn ich mich ihm stark näherte, z. B. mich seinem Ohre, um ihm etwas zu sagen, zuneigte, bekam er Frost. Eine Person, die eine Zeitlang an seinem Bette stand, empfand er sehr übel und bekam dadurch Aufstoßen mit Heraufkommen bittern Wassers aus dem Magen. Von einer Katze empfand er Ziehen, dann unangenehmes Abstoßen. Als er in den Spiegel schaute, empfand er in der Wunde und in den Augen ein starkes Ziehen zum Spiegel hin; es war ihm, als stürze Blut aus der Wunde, und im Körper fühlte er Frost. Das Quecksilber des Spiegels bewirkte dies (Quecksilber wirkte unter den Metallen am stärksten auf Hauser). Als der Arzt einmal bei Behandlung der Wunde ober und unter derselben mit vier Fingern die Stirne drückte, bekam er an den vier gedrückten Stellen schmerzliche Geschwülste. Beim Pulsfühlen fühlte er Schmerzen in allen Gliedern.

Seit seiner Verwundung hatte er am 22. Oktober noch keine Öffnung gehabt. Da jetzt ein Individuum gefunden war, welches wohltätig auf Hauser zu wirken vermochte, so verfiel ich darauf, einen Versuch mit magnetisiertem Wasser zu machen. Wasser auf gewöhnliche Weise magnetisieren und ihn trinken zu lassen, war nicht zu wagen; ich durfte zur Probe nur höchst behutsam anfangen. Ich ließ den erwähnten Mann die Hand ein paar Augenblicke lang über eine mit Wasser gefüllte Tasse halten und Hauser an diesem Wasser riechen. Er rieche nichts, sagte er. Nun ließ ich des Mannes Hand über dem Wasser ein wenig zurückstreichen. Da Hauser hierauf ein paarmal gerochen hatte, sagte er, das sei sonderbar, er rieche nichts und doch werde ihm im Kopfe besser,Gleich beim ersten Riechen, wie er mir nachher sagte, ward ihm im Kopfe leichter, und es war ihm, als ziehe sich etwas den Kopf herab bis zum Magen, wo eine drehende Empfindung begann. Bei Wiederholung des Riechens wurden diese Empfindungen stärker. (D.) er war nämlich gewohnt, bei Arzneiwirkungen eine bestimmte Geruchsempfindung zu haben, und eine solche erregten ihm auch die feinsten für gewöhnliche Menschen geruchlosen homöopathischen Arzneigaben. Zugleich fing er an, in seinem Leibe eine Bewegung zu spüren. Er bekam nun Begierde, das wohltuende Wasser zu trinken, was ich nicht zuließ. Ich leerte, bevor ich aus dem Zimmer ging, so daß er es zufällig nicht bemerkte, die Tasse rein aus und füllte sie mit frischem Wasser, damit kein Mißbrauch damit getrieben werden könne. Als ich hinausgegangen, trank Hauser die Tasse aus und verwunderte sich, keine weitere Wirkung darauf zu verspüren. In etwa einer Viertelstunde kam abends reichliche Öffnung, doch mit schmerzlicher Anstrengung; eine nochmalige in den ersten Nachmittagstunden des folgenden Tages. Jedesmal kam nach der Öffnung Aufstoßen, was sonst nie der Fall gewesen war. Ich hatte ihm nicht gesagt, daß ich durch jenes Wasser Öffnung bewirken wollte, er aber hatte das bestimmte Gefühl, daß dies die Ursache derselben gewesen seiAuch kann ich versichern, daß das Zustuhlgehen nicht bloßes Vorgeben war. (D.) Das Befinden wurde nachher um sehr vieles besser, er verließ ein paarmal auf kurze Zeit das Bett und versuchte frei zu gehen. Die Brust ward freier, die Empfindlichkeit nahm sehr ab. Am 23. Oktober konnte er auf seiner bloßen Hand die jenes Mannes eine kleine Zeitlang mit bestem Erfolge leiden.

Von nicht weniger leiberöffnender Folge war es später einmal, als ich ein kleines Arzneigläschen mit frischem Wasser füllte, jenen Mann dasselbe etwa eine Minute lang in der Hand halten und Hauser daran riechen ließ. Auf einmaliges Riechen stieg ihm die Wirkung in den Kopf, dann senkte sie sich herab, es entstand eine Bewegung im Unterleibe und in ein paar Minuten erfolgte Stuhlgang (18. November). Als ich einmal ein solches mit Wasser gefülltes Gläschen, das der Mann in der Hand gehalten, mit Kork verschlossen im Zimmer hatte stehen lassen, um gelegentlich zu sehen, ob es späterhin noch eine Wirkung zeige, nahm Hauser, dem das Riechen wohltat, das Gläschen, das schon mehrere Stunden gestanden hatte und hielt es sich unnötigerweise geöffnet an die Nase. Die nächste Wirkung war dieselbe, es erfolgte Stuhlgang darauf, aber Verschlimmerung des Befindens. In der Erstwirkung war Hauser dieses Wasser wohltuend wie ein Potenziermittel, daher die Lust dazu; es steige ihm, sagte er, wie Weinduft in den Kopf, aber die Wirkung des letzteren gehe schneller vorüber und bringe keine Bewegung im Leibe hervor. Sowohl im Kopfe als im Unterleibe sei ihm die Wirkung des Wassers äußerst angenehm, er wisse gar nicht, was ihm wohler tue.


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