Plautus
Die Zwillinge (Menaechmi)
Plautus

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfter Act.

Erste Scene.

Menächmus II. (der Syrakuser) und die Frau des Menächmus I.

Menächmus II. (für sich)
Recht albern war es, daß ich dem Messenio
Den Beutel samt dem Silber anvertraut. Gewiß
Hat der in einer Kneipe fest sich eingethan.

Die Frau. Ich will doch sehen, wann mein Mann nach Hause kommt.
Da ist er, sieh! Glückauf! Er bringt den Mantel mit.

Menächmus II. Mich wundert, wo Messenio jezt herum sich treibt.

Die Frau. Will hin und ihn empfangen, wie er's heut verdient.
In diesem Aufzug, Frevler, vor mein Angesicht
Zu treten! Hast du keine Scham?

Menächmus II.                                   Was ist denn das?
Was plagt dich, Weib?

Die Frau.                             Du wagst es, Unverschämter, noch
Zu mucksen, redest noch ein einzig Wort mit mir?

Menächmus II. Weib, was verbrach ich, daß ich das nicht wagen soll?

Die Frau. Das fragst du mich? O dreister, unverschämter Mensch!

Menächmus II. Ei, weißt du nicht, warum die Griechen Hecuba
Die Hündin einst benannten?Hecuba (gr. Hekabe), die Gemahlin des trojischen Königs Priamus, die Mutter Hektors, wurde nach der Eroberung Troja's von den Griechen als Gefangene fortgeführt. Dies erbitterte sie so, daß sie die heftigsten Scheltworte gegen die Griechen ausstieß, sich dann in's Meer stürzte, und in einen Hund verwandelt ward.

Die Frau.                                         Nein, das weiß ich nicht.

Menächmus II. Weil Hecuba dasselbe that, was du: sie warf
Jedwedem, der ihr nahe kam, Schimpfworte nach.
Deßwegen ward sie Hündin, und mit Recht, genannt.

Die Frau. Nein, solche Schändlichkeiten übersteh' ich nicht.
Viel lieber will ich Wittwe sein mein Leben lang,Wittwe heißt im alten Sprachgebrauche nicht bloß eine Frau, deren Gatte gestorben ist, sondern auch eine Geschiedene.
Als solchen Schimpf erdulden, wie du mir ihn beutst.

Menächmus II. Was geht es mich an, ob du bei dem Manne bleibst,
Ob dich von ihm willst scheiden? Unterhält man hier
Den kaum gekommenen Fremdling so mit Narrenzeug?

Die Frau. Was? Narrenzeug? Nein, sag' ich, länger will ich nicht
Dein Treiben dulden; lieber will ich Wittwe sein.

Menächmus II. Nun, meinetwegen lebe du als Wittwe nur,
Und wär's, so lange Jupiter die Welt regirt.

Die Frau. Du läugnetest eben, daß du mir den Mantel stahlst:
Jezt hältst du mir ihn vor's Gesicht, und schämst dich nicht?

Menächmus II. Bei Gott, du bist ein freches, bist ein böses Weib.
Du scheust dich nicht zu sagen, daß der Mantel dir
Entwendet worden, welchen mir ein andres Weib,
Zum Sticker ihn zu tragen, übergeben hat?

Die Frau. Bei Castor, nein, jezt ruf' ich meinen Vater her,
Zähl' ihm die Schändlichkeiten auf, die du verübst.
(zu einem Sklaven in's Haus)
Geh, Decio, geh, und suche meinen Vater auf,
Bring' ihn zu mir herüber; sag', es müsse sein.
(zu Menächmus)
Er soll sie hören, deine Schmach.

Menächmus II.                                     Was? Welche Schmach?
Bist du verrückt, Weib?

Die Frau.                               Daß du Gold und Mantel mir
Von Hause wegstiehlst, deiner Frau, und Alles dann
Der Dirne zuträgst. Hab' ich dir's so recht gesagt?

Menächmus II. Frau, weißt du mir ein Tränkchen, ei, so gib mir's an,
Damit ich deinen tollen Quark verdauen kann.
Für welchen Menschen hältst du mich? Ich weiß es nicht.
So wenig, als den ParthaonParthaon (mit langer Mittelsylbe) war Vater des Oeneus, Königs von Aetolien, und Großvater der Dejaneira, der Gemahlin des Hercules. , kenn' ich dein Gesicht.

Die Frau. Ja, spotte du nur meiner; meinen Vater, Mensch,
Der hier herankommt, höhnst du nicht. Nun, sieh dich um!
Ihn kennst du doch?

Menächmus II.               Ja, wie den KalchasKalchas, der Sohn des Thestor, der aus Homer bekannte Seher im Heere der Griechen, gehört, wie Parthaon, dem heroischen Zeitalter an. , kenn' ich ihn.
Am gleichen Tage hab' ich ihn und dich geseh'n.

Die Frau. Mich und den Vater läugnest du zu kennen?

Menächmus II.                                                           Traun,
Dasselbe sag' ich, bringst du mir den Großpapa.

Die Frau. Das thust du wahrlich, wie du noch viel Andres thust.

Zweite Scene.

Der alte Vater der Frau. Die Frau. Menächmus II.

Der Vater. So wie's hier geziemt, und so schnell als mein Alter
Es zuläßt, so heb' ich den Schritt, eile vorwärts.
Daß dies gar nicht leicht ist, das weiß ich am besten.
Die Kraft rascher Jugend verließ mich; herein brach
Das Alter; am Leib schlepp' ich schwer; meine Kräfte
Sind hin. Alters Last, ach, wie beugst du den Rücken!
Es bringt, wenn's hereinbricht, so gar vieles Elend;
Und nie würd' ich aufhören, zählt' ich es ganz auf.
Doch das liegt vor Allem mir schwer auf der Seele,
Was hier wohl geschah, daß mein Kind mich so plözlich
Herbeiruft, ich soll' eilig kommen;
Und doch läßt sie nicht sagen, was ihr Begehr sei,
Warum sie mich rufe.
Doch bald wird mir klar werden, denk' ich, was vorgeht;
Gewiß hat es Streit mit dem Ehmann gegeben.
So machen's die Frau'n, die, voll Troz auf die Mitgift,
Nach Herrschaft verlangen: der Mann soll ihr Knecht sein.
Doch ist auch der Mann oft nicht völlig von Schuld frei.
Indeß gibt's ein Maß doch, in das sie sich füge!
Gewiß läßt die Tochter mich nie zu sich rufen,
Wenn's nicht etwa Zank oder sonst was gegeben.
Doch bald werd' ich's wissen; ich sehe sie selbst ja
Vor'm Haus, ihren Mann ganz verdrießlich da drüben.
So hab' ich's vermuthet.
Red' ich sie denn an!

Die Frau.                           Ich tret' ihm nahe. – Vater, sei gegrüßt!

Der Vater. Danke! 'S wird doch Alles gut steh'n? Stand es gut, als du mich riefst?
Was betrübt dich denn? Warum steht der im Zorn seitwärts von dir?
Ganz gewiß hat's wieder ein Scharmüzel unter euch gesezt.
Sag' es kurz: an wem von Beiden liegt die Schuld? Kein lang Gewäsch!

Die Frau. Vater, nichts hab' ich verschuldet: das erklär' ich dir voraus.
Doch ich kann nicht länger hier mehr leben, halt' es nimmer aus.
Darum nimm mich fort.

Der Vater.                           Was soll das?

Die Frau.                                                     Vater, zum Gespötte nur
Bin ich hier.

Der Vater.           Von wem?

Die Frau.                               Dem Manne, welchem du mich anvertraut.

Der Vater. Also wieder eine Fehde! Kind, wie oft ermahnt' ich dich:
Siehe zu, daß euer Keines je zu mir mit Klagen kommt!

Die Frau. Aber wie, mein Vater, kann ich das verhüten?

Der Vater.                                                                       Fragst du mich?

Die Frau. Wenn ich darf.

Der Vater.                       Wie oft gebot ich dir, dem Mann folgsam zu sein,
Nicht ihm allzeit aufzulauern, was er thut, wohin er geht!

Die Frau. Doch er hält sich hier ein Mädchen – in der nächsten Nähe.

Der Vater.                                                                                           Da
Thut er klug, und wenn du deine Spürerei nicht lassen willst,
Rath' ich ihm, und helf' ich selbst ihm, daß er sie noch fester hält.

Die Frau. Ja, er zecht dort.

Der Vater.                         Meinst du, deinethalben soll er's minder thun,
Sei es da, sei's wo's ihm sonst beliebe? Ha, wie unverschämt
Forderst wohl am Ende, daß er nirgendwo zu Gaste geht,
Keinen Fremden bei sich aufnimmt! Willst du, daß dein Gatte dein
Sklave sei? Zulezt verlangst du gar ihm noch ein Tagewerk
Aufzugeben, daß er bei den Mägden sizt und Wolle zupft.

Die Frau. Meinem Mann, nicht mir zum Beistand, kamst du her auf meinen Ruf,
Stehst an meiner Seiten, und vertheidigst ihn.»Du stehst an meiner Seiten und vertheidigst ihn.« Die streitenden Parteien standen einander gegenüber; jeder Client hatte seinen Patron neben sich stehen, der seine Sache verfocht. Daher beklagt sich die (vermeinte) Frau des Menächmus II. mit Recht über ihren Vater, daß er zwar bei ihr stehe, aber der Patron, der Sachwalter ihres Mannes zu sein scheine. Danz.

Der Vater.                                                                 Hätt' er in was
Sich verfehlt, dann schält' ich ihn viel ärger, als ich eben schalt.
Wenn er dich mit Puz und Kleidung wohl versieht, für Mägde dir
Und für Vorrath sorgt, da wär' es klüger, Kind, du fügtest dich.

Die Frau. Doch er nimmt mir Gold und Mantel heimlich aus den Schränken fort;
Mich bestiehlt er, trägt den Dirnen heimlich mein Geschmeide zu.

Der Vater. Wenn er's thut, so thut er Unrecht; wenn er's nicht thut, thust du schlecht,
Daß du sonder Schuld ihn anklagst.

Die Frau.                                                 Nein! Er hat den Mantel hier
Bei sich, auch die goldne Spange, Vater, die er ihr gebracht.
Weil ich jezt das Ding erfahren, bringt er Alles hier zurück.

Der Vater. Von ihm selbst will ich's vernehmen, wie das ging. Ich red' ihn an.
Sage mir, ich wüßt' es gern, Menächmus: weßhalb zankt ihr euch?
Was so mürrisch du? Warum steht die so zornig fern von dir?

Menächmus II. Wer du seist und wie du heißest, Greis, die Götter samt dem Zeus
Ruf' ich an als Zeugen –

Der Vater.                             Weßhalb und warum in aller Welt?

Menächmus II. Daß ich nie die Frau beleidigt, die mich zeiht, als hätt' ich ihr
Diesen Mantel aus dem Haus entwendet, ja darauf noch schwört.
Hab' ich jemals in das Haus, worin sie wohnt, den Fuß gesezt,
Dann von allen armen Menschen will ich gleich der ärmste sein.

Der Vater. Bist du toll, dir so zu fluchen, und zu sagen, daß du nie
Mit dem Fuß dies Haus betreten, wo du wohnst, Unsinniger?

Menächmus II. Alter, was behauptest du? Ich wohnte hier in diesem Haus?

Der Vater. Und du läugnest dies?

Menächmus II.                               Ja freilich.

Die Frau.                                                           Ei, du bist doch unverschämt,
Wenn du nicht die lezte Nacht erst ausgezogen!

Der Vater. (beschwichtigend zu der Tochter)               Tritt hieher!
(zu Menächmus)
Sage, bist du ausgezogen?

Menächmus II.                         Ich? Wohin? Weßwegen denn?

Der Vater. Ja, das weiß ich nicht.

Die Frau. Er treibt mit dir nur Scherz.

Der Vater. (zu der Frau)                       So schweige doch!
Jezt, Menächmus, denk' ich, spaßtest du genug. Zur Sache nun!

Menächmus II. Mensch, was hab' ich denn mit dir? Wo bist du her? Was that ich dir
Oder dieser Frau, die mir auf jede Weise lästig fällt?

Die Frau. (zu dem Vater)
Siehst du wohl, wie grün er um die Augen wird, welch grüner Schein
Ihm um Stirn und Schläfe zieht? Wie seine Blicke Funken sprüh'n?

Menächmus II. (für sich)
Weil sie sagen, daß ich toll sei, wird es wohl das Beste sein,
Wenn ich toll mich stelle: dadurch werd' ich diese Leute los.

Die Frau. Wie der Mann sich dehnt und gähnt! Was fang' ich nun, mein Vater, an?

Der Vater. Meine Tochter, tritt hieher, so weit du kannst, hinweg von ihm!

Menächmus II. (stellt sich rasend)
Bromius! Evan!»Evan! Bromius!« Ausrufe der auf den Fluren und in den Wäldern umherschwärmenden Bacchanten. Hei! In welche Wälder rufst du mich zur Jagd?
Wohl vernehm' ich's, aber komme nicht von diesem Orte los.
Also hält mich linker Hand ein tolles Weib als Hündin fest;
Hinter ihr steht dort ein Steinbock, welcher schon manch bravem Mann
Seiner Zeit durch falsches Zeugniß unverdient den Tod gebracht.

Der Vater. Geh zum Geier!

Menächmus II.                   Phöbus, sieh, gebeut mir durch Orakelspruch,
Jener dort die Augen auszubrennen mit der Fackeln Brand.

Die Frau. Vater, ach! Weh mir! Die Augen auszubrennen droht er mir.

Menächmus II. (bei Seite)
Ha, sie sagen, daß ich toll sei, und sie selbst sind völlig toll.

Der Vater. Tochter, ha!

Die Frau.                       Was thun wir?

Der Vater.                                             Knechte ruf' ich ungesäumt herbei,
Gehe, hole Leute mir, die binden ihn im Hause fest,
Eh er uns noch größern Wirrwarr macht.

Menächmus II. (bei Seite)                               Der Henker! Wenn ich jezt
Nicht auf eine List bedacht bin, schleppen die mich fort in's Haus.
(laut)
Ihr Gesicht mit meinen Fäusten zu verschonen wehrst du mir.
Wenn sie nicht aus meinen Augen sich sofort zum Geier packt,
Thu' ich, was du willst, Apollo!

Der Vater. (zu der Frau)                   Flieh' in's Haus, so schnell du kannst,
Daß er dich nicht schlägt.

Die Frau.                                 Ich fliehe, Vater; doch hab' Acht auf ihn,
Daß er nicht wegläuft. Ich Arme, daß ich das erleben muß!
(ab.)

Menächmus II. (bei Seite)
Diese schafft' ich glücklich fort. Jezt aber noch (laut)
                                                                            dem schmuzigen
Zitterkopf, Großbart Tithonus, dessen Vater Cygnus war,Tithonus, der Sohn des Laomedon und der Bruder des Priamus, der Gemahl der Aurora, erlangte zwar die Unsterblichkeit; aber das Alter ward ihm dabei zur Last, und endlich ward er zur Heuschrecke.

»Dessen Vater Cygnus war.« Non iste (Tithonus) quidem Cygno prognatus patre, quem Aurora adamavit, sed sic homo non pro sano loquitur. Cum enim insaniam simulet, ea dicit de industria, quae insani hominis sunt. Salmasius.


Dem, befiehlst du, soll ich alle Glieder, Knochen und Gebein
Mit dem Stab, an dem er geht, zerschlagen!

Der Vater.                                                           Schlecht bekommt es dir,
Wenn du mich nur wenig anrührst, oder nur mir nahe trittst!

Menächmus II. Wie du willst, Herr, also thu' ich! Mit dem Holzbeil hack' ich gleich
Spahn um Spahn das Eingeweide dem bis auf die Knochen aus.

Der Vater. Nun, da muß ich wohl mich vorseh'n, muß in rechter Sorge sein.
Traun, ich fürchte, daß der Arge, wie er droht, mir Arges thut.

Menächmus II. Viel gebeutst du mir, Apollo, willst, ich soll ein Viergespann,
Zügellose Rosse, nehmen, auf den Wagen steigen dann,
Und den alten Leu'n zermalmen, ihn, den zahnlos stinkenden.
Schon im Wagen steh' ich, halte Riem und Stachel in der Hand.
Auf, voran, ihr Rosse, laßt in schnellem Lauf der Hufe Klang
Hell erdröhnen, rührt die Füße rasch in sausendem Galopp!

Der Vater. Mir mit einem Viergespann zu droh'n!

Menächmus II.                                                       Apollo, noch einmal
Willst du, daß ich wider den anstürme, den erlege hier!
Halt! Wer ist es, der mich bei den Haaren faßt, vom Wagen reißt,
Der, Apollo, dein Geheiß und deinen Spruch zu hemmen wagt?

Der Vater. Ha! Welche harte, schlimme Krankheit! Götter, helft!
Und wie gesund war kaum noch, der jezt also rast!
Wie kam so plözlich über ihn das schwere Leid!
Ich muß den Arzt herrufen, so geschwind ich kann.
(ab.)

Dritte Scene.

Menächmus II. allein.

Menächmus II. So sind sie denn aus meinen Augen wirklich fort,
Die toll zu sein mich zwingen bei gesundem Geist.
Nun schnell hinab zum Schiffe, weil's noch möglich ist!
(zu den Zuschauern)
Euch alle bitt' ich, wenn der Alte wiederkommt,
Verrathet's nicht, wohin ich fortgelaufen bin.
(ab.)


 << zurück weiter >>