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in zwei Gesängen.
Welch' ein Getümmel erschallt auf Edoms sandigen Fluren?
Nächtliche Schatten umhüllen die Erd', und es strömt aus dem Lichtmeer
Zahlloser Stern' ihr nur ein schwachumleuchtender Schimmer,
Heute noch zu: denn weit erhellen den wölbenden Himmel
Lagerfeuer umher; das Wiehern der Ross', und der Krieger
Lautes Geschrei durchfährt die gesonderten Heere mit Schauder.
Doch wie nahet dem wilden Gewirr' umlagernder Gegner
Jetzt in der Stille der Nacht Elisa, der Seher Jehova's?
Als Helias der Erd', im wetternden Feuer entrissen,
Ihm der Prophetenwürd' erlesenes Zeichen, den Mantel,
Gab an dem Jordan, zuvor: da erfüllt' urplötzlich die Brust ihm
Heilige Gluth für Jehova's Ruhm, und er eilte von dannen,
Sein verirretes Volk auf die früheren Pfade des Heiles
Wieder zu führen durch Lehr', und mächtiger Thaten Vollendung.
Drüben zu Jericho gab er zuerst der schädlichen Quelle
Fruchtbarkeit und Geschmack: nur weniges Salz mit dem Wasser
Mengend, und blickend empor mit festem Vertrau'n zu Jehova,
Und erflehte von ihm die Straf' auf die Knaben vor Bethel,
Die mit unbändigem Trotz' ihn verhöhneten: grimmige Bären
Eilten vom Walde heran, und zerrissen Jehova's Verächter:
Freunde des Bilderdienst's, und darum die Feinde des Sehers.
Jetzo gewahrt' er im Feld die Umlagernden. Israels Herrscher,
Joram, einte sein Heer mit Josaphats, Königs von Juda,
Scharen, und Gimals krieg'rischem Volk, der Edom beherrschte,
Daß er, im furchtbarn Bund, zerschmett're die Völker von Moab,
Der König der Moabiter war seit der Regierung des Königs David ein Vasall Israels, und mußte jährlich einen großen Tribut an Vieh entrichten. Die Moabiter stammten von Lot ab, waren also verwandt mit den Hebräern, weßwegen es auch keine eigentliche Erbfeindschaft unter ihnen gab.
Die, von Mesa, dem König', empört, den Tribut von den Heerden
Ihm verweigerten, kühn gesinnt, und zum Kampfe gerüstet.
Erst an des Todten-Meer's von Trauer umhüllten Gestaden,
Zog das verbündete Heer g'en Edom, und eilete rastlos
Vorwärts, bis es, verirrt in den Sandgefilden der Wüsten,
Und verschmachtend vor Durst, nach siebentägiger Wand'rung
Laut um Rettung schrie zu den Königen. Joram, der Herrscher
Israels, rief, verzweifelnd, zuerst mit jammerndem Laut' auf:
»Weh', im furchtbaren Zorn hat uns Jehova verleitet,
Durch die Wüste zu zieh'n, wo wüthende Feinde, vor Rachsucht
Tobend, uns weitumher die Spuren der Quellen zerstörten;
Wo kein Strom sich ergießt, kein Bach im sanften Gemurmel
Netzt, und kühlet den glühenden Sand: daß Menschen und Thieren
Schwinde der Muth und die Kraft, und wir, ein elendes Opfer,
Fallen durch Moabs Schwert im schmachgebärenden Kampf hier!«
»Wie,« so entgegnete Josaphat ihm, »du sprichst von Jehova?
Wer ist zur Hand, der uns im Nahmen des Ewigen künde,
Was er im Geiste vernahm – ein gotterleuchteter Seher?«
Eben brachten in sorglicher Hast edomitische Krieger
Einen Fremdling heran, der fern' an der äußersten Vorhuth,
Schweigend, vorüberging. Ein Späher schien er von Anseh'n,
Von dem Feinde gesandt, in geheim zu erforschen das Lager;
Aber geführt in Jorams Zelt, wo im wichtigen Kriegsrath
Saßen die Fürsten, vereint mit den Feldherrn, sah er die Augen
Aller gewendet nach ihm. Wie er stand, mit den feurigen Blicken:
Klein von Gestalt, ergraut und kahl in der Blüthe des Lebens:
Denn ihm kocht' in den Adern das Blut, und sein Feuer verzehrt' ihn,
Rief, ein Staunender, Josaphat aus: »Ha! seh' ich Elisa,
Saphaths Sohn, vor mir? Dich leitete Gott in das Zelt her.«
Aber Joram begann, voll Hast und Ungeduld, also:
»Sprich, gerühmter Prophet, was hat Jehova beschlossen,
Welchem du dienst? Wird Moabs Volk uns erliegen im Schlachtfeld?
Oder entbrannte sein Zorn, und liefert er jetzo den Feinden
Uns in die Hand? Erforsche den Gott, und verkünde die Wahrheit.«
Finster blickt' Elisa nach ihm, und sagte, voll Unmuths:
»Wie, du fragst, du Abgötter, mich, den Diener Jehova's,
Nicht die Propheten Baals, die schon dein herrschender Vater,
Achab, emsig befragt', und Jesabel nährt' in der Hofburg,
Sie, die Mutter dir ist, und rathersinnende Freundinn?
Stünde nicht Josaphat hier, der, treu dem Schöpfer des Weltalls,
Keine Götzen verehrt, fürwahr, nicht würd' ich dir Antwort
Geben, o Fürst! Nun hört: ich komme, gesandt von Jehova!
Schafft den Harfner herbei, daß er eine die Töne der Saiten
Meinem heil'gen Gesang'. Ich künde Jehova's Gericht' euch.«
Sagt' es, und ließ sich am Zelteingang' auf den wolligen Teppich
Nieder, harrend daselbst des hochgefeierten Harfners,
Der, ein Greis, in den Jahren unendlichen Jammers erblindet,
Schwermuth nährt' in der wunden Brust, und im Haufen des Volkes
So, wie im traulichen Kreis' der Freund', ein Schweigender, weilte:
Denn ihm raffte der Tod die Gattinn und blühende Kinder
Frühe hinweg; er stand, verlassen im einsamen Leben!
Jetzo trat er in's Zelt. Die Schulter des leitenden Knaben
Hielt er fest mit der Linken, und trug die Harfe mit Sorgfalt
Unter dem Arm, gesenkt in die Höhle der zitternden Rechten.
Sitzend dort auf der Bank, durchfuhr er mit prüfenden Fingern,
All' die goldenen Saiten zugleich, und in Milde verkläret
Ward sein Gesicht, da er leis' aufhorchte dem schwebenden Wohllaut.
Dann ertöneten hell und gedämpft, vereinet und einzeln,
Von der Linken und Rechten durchwühlt, die Saiten – es pochte
Allen das Herz in der Brust, bis jetzt, wie lieblicher Westwind
Folgt dem brausenden Nord, und melodisch säuselt am Abend,
Immer sanfterentwirrt aus vielverschlungenen Tönen,
Sich auflös'te dem Ohr die Weise des hehren Gesanges.
Erst aufhorchte dem Harfenklang der heilige Seher,
Ruhigen Blicks; doch jetzt entflammt' er sich: glühender Purpur
Färbte sein blasses Gesicht; er hob in schwebender Haltung
Von dem Boden sich auf, und begann in hoher Begeist'rung:
»Groß ist Jehova, der Herr: denn Himmel und Erde verkünden
Seine Macht! Du hörst sie im brausenden Sturm', in des Waldstroms
Lautaufrauschendem Ruf', in des grünenden Waldes Gesäusel;
Sieh'st sie in wogender Saaten Gold', in lieblicher Blumen
Glühendem Schmelz', im Glanz des stern'erhelleten Himmels.
Furchtbar tönt sie im Donnergeroll, und flammt in des Blitzes
Schnellhinzuckendem Flug; doch kündet das pochende Herz dir,
Fühlbarer noch, Jehova's Macht, des ewigen Gottes,
Blickst du, flehend, empor, und hoff'st von ihm Huld und Erbarmen!«
»Höret Jehova's Wort, verbündete Völkerbeherrscher!
Grabt nun Gruben im Thal', und Gruben auf Gruben im Blachfeld:
Denn nicht höret ihr rauschen den Wind;
Im Morgenlande, wo im Sommer die trockene Witterung beständig ist, geht dem Regen stets ein heftiger Wind, oder Sturm vorher, besonders in den Wüsten. – (Siehe
Russel's natural history of Aleppo.) nicht seht ihr den Himmel,
Schwarzumflort vom Gewölk, das dauernden Regen im Schooß tragt:
Dennoch sollt ihr das Thal, und sollet das Lager erfüllet
Seh'n von gewaltiger Fluth, dem Menschen und Thiere zur Labung.
Moab fällt euch besiegt; doch weh', ihr grausamen Sieger!
Ist's nicht genug zu verwüsten die Städt', und zerstören die Vesten?
Soll von eurem geschwungenen Beil noch jeglicher Fruchtbaum
Stürzen gefällt, in den Staub, und sollen die kühligen Brunnen
Voll mit Sande gefüllt, den Wanderer nimmer erquicken?
Wollt ihr, erboßt, auch noch die reichernährenden Felder
Ueberdecken mit Sand und Gestein, und in Wüsten verwandeln?
Also wüthet ihr bald, getrieben von schrecklicher Rachgier.«
Tief verstummte Jehova's Prophet; die tönenden Saiten
Schwiegen: er kehrte zurück – dorthin, wo am Rande des Himmels,
Schimmernd in Wolkenhöh'n, ihm winkte der bläuliche Karmel.
Fern', an des Ostens Thor erhob sich der dämmernde Morgen,
Glühendroth: Verkündiger so des unendlichen Regens,
Oder des erdumbrausenden Wind's. Doch hatte die Nacht durch
Weder gestürmt der Wind, noch schütteten schwangere Wolken
Dort auf die Erd' ersehnete Fluth, und sieh', in des Morgens
Heiliger Opferstunde begrub aufquellendes Wasser,
Klar und kühl, wie Elisa zuvor verhieß von Jehova,
Rings das Gefild', und labte das schmachtende Volk in dem Lager!
Moabs tapferer Fürst entboth die erlesensten Scharen:
Kühn zu begegnen der Macht der drei verbündeten Fürsten.
Zahllos standen umher an den Marken die rüstigen Männer
Moabs; aber auch wankende Greis' und Jünglinge harrten,
Kampfgefaßt, und bereit zum Sieg' und zum Tode, des Feindes.
Als in dem Morgenroth den wachebesorgenden Kriegern
Dort die röthliche Fluth ein See von gährendem Blut schien,
Griffen die Jünglinge, Männer, und Greis', im Lärm und Getümmel
Schnell zu den Waffen, im Wahn: die jüngst verbündeten Scharen
Hätten, entzweit, sich gemordet im Kampf', und drüben das Blachfeld
Also bedeckt mit Blut. Sie rannten heran an das Lager,
Rufend: »Moab, dein ist der Sieg, nun sammle die Beut' ein!«
Aber Juda, vereint mit Israel, brach auf die Gegner
Los mit des Sturmes Gewalt, und so, wie er wüthet im Eichwald,
Zahllos schleudernd herab von der Wurzel die krachenden Stämme:
Also warf das verbündete Heer mit der Schärfe des Erzes
Tausende hin: entsetzlich war der Getödteten Anblick.
D'rauf verfolgten sie mit empörterer Wuth die Verzagten
Rasch durch Moabs Flur; verstopften die rieselnde Quelle;
Deckten den Acker mit Sand und Gestein, und zerhieben des Gartens
Fruchterzeugenden Baum, wie Elisa, der Seher, verkündet.
Kir-Hareseth,
Kir-Hareseth, die Hauptstadt der Moabiter, lag in einer gebirgigen Gegend, und hieß in der Folge bei den Arabern
Carcha. (Abulsedae Syr.) die Königsstadt (unzählige lagen
Schon verwüstet im Schutt) von ragenden Mauern umfangen,
Barg in dem Felsenschooß die Flüchtigen. Mesa, der König,
Both den Schleuderern Trotz, und schlug die stürmenden Scharen
Muthig zurück; doch jetzt, so viele der Gegner auch sanken,
Schwand ihm jegliche Hoffnung dahin. Im nächtlichen Dunkel
Sucht' er mit tapferem Volk, das kühn dem Tode sich weihte,
Durchzubrechen – umsonst! Da trübt' ihm den Geist die Verzweiflung:
Denn nicht dienend dem Herrn, Jehova, dem einigen Gotte,
War das Gesetz ihm fremd des Ewigen. Kostbares Blut nur
Könne die Götter allein, so wähnt' er thöricht, versöhnen:
Nahm den einzigen Sohn, den Erben des Throns, und erwürgt' ihn,
Opfernd, im Angesicht des umlagernden Heer's, auf der Mauer.
Josaphats mildes Herz erbebte dem gräßlichen Anblick;
Gimal schäumte vor Zorn: sich schnell von Israels König,
Der sie entboth zu dem furchtbarn Kampf', und den Jammer herbeirief.
Trennend, zogen sie heim, und Moab athmete freier.
Freudig ging Elis' aus Sunems
Sunem war eine, zwei Stunden vom Berge Tabor südwärts liegende, zum Stamme Isaschar gehörige Stadt. lachenden Fluren
Nach dem Karmel hinauf. Er hatte der Witwe so eben
Rettung verschafft, da zwei holdblühende Söhne der Schuldherr
Ihr entriß, auf dem Markt sie feil zu biethen, entschlossen:
Denn kaum faßten die Krüg' die unendliche Menge des Oehles,
Das, von Jehova erfleht, der Dürftigen schaffte die Lösung.
Aber in Sunem fand der Prophet stets freundliche Herberg'
Bei dem redlichen Paar, das dort Jehova mit Ehrfurcht
Dienete; nur vermißt' es im Glück sich mehrenden Wohlstand's,
Noch den Erben, betrübt. Nun wurde der Wunsch ihm gewahret:
Denn Elisa erbath den überseligen Aeltern
Von Jehova den Sohn, der blühender Schönheit heranwuchs.
Draußen im Aehrenfeld', umgeben von fröhlichen Schnittern,
Saß der Vater im Schatten des Baums, und blickte mit heißem,
Innigem Dank', empor zu dem Ewigen. Goldener Aehren
Fülle wogte vor ihm, und heiter lachte die Zukunft.
Siehe, da lief der muntere Knab' in der Schwüle des Mittags,
Sehnlich, zum Vater hinaus; er drückte die glühenden Wangen
Ihm an die Brust, und der Vater wiegt' ihn mit Lieb' auf den Knieen!
Plötzlich entfuhr: »Weh' mir!« den erblassenden Lippen des Knaben,
Und er sank, wie entseelt im Schooße des Vaters zusammen.
»Trage sogleich,« geboth er dem Knecht', »ihn heim zu der Mutter:
Denn der Knab' erkrankte, vom Strahl der glühenden Sonne
Schwer getroffen am Haupt': er wird in der Kühle gesunden.«
Alsbald eilte der Knecht mit der theuren Last zu der Mutter,
Heim. Dem Bebenden schien: nicht athme das liebliche Kind mehr.
Bleicher, denn ihr verblichener Sohn, und stumm vor Entsetzen,
Hob ihn die Mutter sofort auf den Arm, und mit zitternden Knieen
Stand sie, gefoltert von Angst, die noch die Thränen zurückhielt;
Starrete bald auf das Kind, und bald, um Erbarmen und Rettung
Flehend, empor zum schweigenden Himmel. Die Augen verglommen
Ihr, wie die Stern' im Herbst, die ein fliehender Nebel verhüllet,
Als sie voll Angst dort stand; doch plötzlich flammten sie hell auf.
Ihres Jammers Nacht durchfuhr ein leuchtender Blitzstrahl:
Rufen wollte sie laut, und die bebenden Lippen bewegten
Sich nur leis'. Im Geist' ermuthiget, flog sie die Treppen
Aufwärts nach dem Gemach' im Obergebäude des Hauses,
Das dem Propheten sie einst erbaut', und mit schicklichem Hausrath
Selber versah. Sie legte das Kind mit verwendeten Blicken
Auf sein Lager; verschloß die Thür', ermuthigt, und eilte
Schnell nach dem Aehrenfeld, wo ihr Gatt' in den Reihen der Schnitter
Schaltete. »Heiß' mir den Knecht,« sprach sie mit verhaltenen Thränen,
»Eilig das Saumthier jetzt aufsatteln: denn zum Propheten
Drängt mich ein wichtig' Geschäft; bald kehr' ich wieder von dort heim.«
Jener staunte dem Wort: nur im Neumond, oder am Sabbath,
Ging sie sonst, aus dem Mund des Propheten, die Worte des Heiles
Von Jehova dem Herrn und seinem Gesetze, zu hören;
Winkte dem Knecht', und bald empor den ragenden Karmel
Trabte das Saumthier hin, geleitet vom redlichen Diener
Sorglich am Zaum', und tragend die Frau zur Wohnung Elisa's.
»Siehe, die Sunemitinn kommt,« so sprach zu Ghiesi,
Seinem Knecht, der Prophet, »lauf' ihr entgegen, und frage:
Steht es noch gut mit dir, mit dem Gatten, und gut mit dem Knaben?«
Hurtig nahte der Knecht, und stellte dem Weibe die Fragen;
Doch sie, die erst zuvor den emsigen Führer des Saumthiers
Rastlos fort zum ersehneten Ziel, des frommen Propheten
Wohnung, eilen hieß, vernehmend die schrecklichen Fragen:
»Steht es noch gut mit dir, mit dem Gatten, und gut mit dem Knaben?«
Dachte zu sterben vor Schmerz, und dennoch heftete fester
Sie die Blicke zur Erd', und sprach mit erzwungenem Laut: »Gut.«
Jetzt erreichend die Höh'n, wo im Schatten des säuselnden Ahorns,
Dicht an Felsen gelehnt, die Hütte des frommen Propheten
Ruhete, sprang sie vom Sattel herab, und stürzte, vergebend,
Hin in den Staub; umfaßte die Knie' Elisa's, und schluchzte.
Aber Ghiesi (wie oft die Diener der besten Gebiether,
Hart und grausamgesinnt, vor Flehenden schließen der Großmuth
Milderöffnetes Thor) sprang näher, und wollte mit Unmuth
Sie wegdrängen von ihm. »Laß' sie,« so rief ihm Elisa,
Zürnend, »ihr Mutterherz beschwert unendlicher Jammer.
Zwar enthüllete mir Jehova's heilige Stimme,
Was da gescheh'n, noch nicht; doch Schreckliches kündet ihr Aug' an.«
»Ach!« so jammerte laut die Unglückliche, »hast du den Sohn mir
Selber nur darum erbethen von Gott, daß ich, elende Mutter,
Seiner so frühe beraubt, vergehe vor schrecklichem Herzleid?
Weh', nun liegt er entseelt! Wer rettet vor Angst und Verzweiflung?«
Schweigend ging Elisa von ihr in die trauliche Hütte;
Weilete nicht, und kam, in der Rechten tragend das Stäbchen,
Von Tamariskenzweig geschnitzt, und gedörret mit Vorsicht
Dann an der Gluth, daß es, leicht, aufflog im Hauche des Windes.
Dieses reicht' er dem Knecht', und sprach mit gebiethender Stimme:
»Gürte dich schnell; dann rastlos fort in die Mauern von Sunem!
Wohl ist des Grüßens und Dankens kein End' auf bewanderten Pfaden:
Stets von neuem beginnt der Wanderer, gehet, und kehret
Wieder zurück', und grüßt, und dankt, der Sitte geziemend
Ueber die Sitte der Morgenländer, sich ohne Ende zu grüßen, wenn Bekannte auf dem Wege sich treffen, siehe
Niebuhrs Beschreibung von Arabien S. 49.
Aber nicht wollest du jetzt des Grußes und Dankes gedenken,
Bis du erreichest das Haus der tiefbekümmerten Mutter.
Dort auf das schlummernde Kind dann legst du den Stab, und bemerkest:
Ob er, leicht, wie ein schwebender Flaum, auf dem Herzen des Kindes
Steiget, und sinkt, und ob er, vom Hauche des Mundes beweget,
Noch das Zeichen dir gibt vom tiefverborgenen Leben?«
Jener gürtete sich, und ging. Da stürzte die Mutter
Aengstlicher denn noch zuvor, zu den Füßen des Sehers; umschlang ihm,
Weinend, die Knie', und rief: »So wahr Jehova, des Weltalls
Gott, uns siehet, und hört, ich weiche von dir nicht, erwählter,
Machtbegabter Prophet, bis du nicht, erbarmend, mir folgest!«
Rief es, und hob die Augen zu ihm mit erschüttternder Angst auf.
Aber er gürtete sich, und folgte der weinenden Mutter
Schnell nach Sunem hinab. Da kam, unferne dem Stadtthor,
Ihm, unmuthigen Blick's, Ghiesi entgegen, und sagte:
»Siehe, was half mein Laufen herab in die Wohnung des Todes
So, daß der Athem mir stockt', und in Strömen der glühende Schweiß rann?
Was der Stab, auf den Todten gelegt, und all das Erforschen:
Ob er, leicht, wie ein schwebender Flaum, auf dem Herzen des Kindes
Steiget, und sinkt, und ob ihn des Mundes Hauch noch beweget?
Denn da war kein Laut, kein Leben, Gefühl und Empfindung!«
Finster blickte der Seher nach ihm, und eilte die Stufen
Aufwärts, schnell zu der Kammer hin, wo auf wolligen Decken
Lag das verblichene Kind, in todannabender Ohnmacht.
Jetzo verschloß er die Thüre, daß ihn die erschütterte Mutter
Nicht im Gebeth zu Jehova, dem mild Erbarmenden, störe;
Sank auf die Knie', und rief: »Ach, Herr, nicht verschmähe das Flehen
Deines Dieners im Staub! Lass' wiedergenesen das Kindlein,
Liebenden Aeltern zum Trost', und deinen Verehrern zur Stärkung
Hier in dem Glauben an dich, den gütigen Vater im Himmel!«
Rief's, und streckte, wie ihn sein liebender Meister gelehret,
Auf den Knaben sich aus. Er preßte den Mund auf den Mund ihm;
Auf das Auge das Aug', und hielt die erstarreten Händchen,
Mitten im heißen Gebeth' und vertrauendem Muth zu Jehova,
Fest in die Hände gedrückt, bis er dort auf dem Lager erwärmt war.
Siehe, da löste das Band des gehirnumstrickenden Uebels,
Durch Jehova's Huld, zur Wonne des heiligen Sehers,
Plötzlich sich auf: denn siebenmal laut nieste das Kind jetzt;
Oeffnete, lächelnd, die Augen, und sah in der dämmernden Kammer,
Staunend, umher, erhob sich, und saß auf den Knieen Elisa's.
Aber er herzte das Kind, und rief in die Halle: »Ghiesi,
Leite die Sunemitinn herauf in die Wohnung des Lebens!«
Und mit geflügeltem Schritt, von Angst und Hoffnung getrieben,
Stürzte die Mutter herein in die Kammer. Sie schrie, zu dem Himmel
Hebend die zitternden Händ' empor, den jauchzenden Dankruf,
Als den Sohn sie erweckt, im blühenden Leben erblickte;
Drückt' ihn fest an die Brust, und küßt' ihn, und sank zu den Füßen
Seines Erretters hin, und weinete selige Thränen.
D'rauf, der Stimme beraubt vor Wonn', und der Kammer enteilend,
Trug sie ihn auf dem Arm dem kehrenden Vater entgegen.
Hinter dem fernen Gebirg verglomm der freundlichen Sonne
Allbelebender Strahl; der Puls des geschäftigen Lebens
Ruhete; Grau'n der Nacht umhüllte die schweigenden Fluren
Rings, und der hohe Prophet sah lang' aus der einsamen Kammer
Nach den Sternen empor. Ernstweckende Todesgedanken
Regten den Busen ihm auf. Jetzt rief er in wechselnder Stimmung:
»Tag, und Nacht, wie Leben, und Tod. Zur dunkelen Grabsnacht
Sinkt das Leben hinab, und ewige Schauer umhüllen
Seinen schnellverlöschenden Glanz. Doch, ewige Schauer?
Nein! Mein Heiland lebt, ich weiß es: am jüngsten der Tag' einst,
Werd' ich erstehen vom Staub', im hellverkläreten Leib' ihn
Anzuschaun, ihn selbst, auf den ich gehofft, den Erbarmer!
B. Hiob. 19. Cap. 25. Vers.
Wäre das nicht? – wie schrecklich! Noch heut, wie hüpft in den Adern
Mir das kreisende Blut, wie leicht bewegen die Glieder
Sich umher, wie schau' ich so munter hinaus in des Lebens
Buntes Gewirr, wie erfüllet mein Ohr der lieblichste Laut noch;
Aus der Brust so kräftig, so hell erschallet des Wortes
Völkerbewegende Macht, und morgen? ... liegt auf dem Bahrtuch
Starr, und weiß, und erkaltet die Leich', und bald, wie entsetzlich
Anzuschau'n, zerfällt sie in grausenumhüllter Verwesung!«
Nun verstummt' er wieder, und sann; doch endlich begann er:
»Hohes erringet des Menschen Geist auf dem Pfade des Lebens,
Schauend in sich, um sich her, und empor zu dem ewigen Urlicht,
Und es erfüllen sein Herz die Empfindungen heiliger Tugend,
Wenn von jenem erhellt, nach jeglichem Guten und Wahren
Strebt hienieden Vernunft und Wille in würdiger Freiheit ...
Dieses von ihm, dem verwesenden Fleisch, verschiedene Wesen:
Seele, unsterblicher Geist, wohin entflieht es – und kehret
Nimmer, nimmer zurück', uns Sterblichen Kunde zu bringen
Von dem furchtbarn Jenseits, das in Dunkel gehüllt ist?
Einst, o Seligkeit, wird der Erstgeborne der Todten
Offenbar.. 1. Cap. 5. Vers.
Ruh'n drei Tag' in dem Felsengrab', und am dritten erstehen!
Dann erschallt ein Ruf, daß des Erdballs Vesten erzittern!
»Ha, vernichtet im Sieg' ist der Tod, vernichtet auf immer:
Wo ist dein Sieg, o Tod? dein grausamer Stachel, o Tod! wo?«
Brief an die Corinther 15. Cap. 55. Vers.
Schaurig wehte der Morgenwind, als, kehrend, Elisa
Gilgals dunkeles Thor durchwanderte, heute die Schüler
Wiederzuseh'n, ihr stets voll Huld annahender Meister.
»Kinder,« so sprach er im traulichen Kreis', »ich finde doch Vorrath?
Kühl ist des Morgens Hauch, den Wanderer quälet der Hunger.«
Traurig entgegneten sie: »Du weißt, erhabener Lehrer,
Daß wir darben im Land der Götzendiener! Versucht uns
Etwa dein Wort? Ein Gericht bereiten wir freilich am Feuer.
Seltsam ist es indeß. Ein Rüstiger brachte vom Saatfeld
Koloquinten uns heim, so viel ihm faßte der Mantel.
Hunger geboth es. Versuch' auch du die dürftige Nahrung.«
Und sie brachten den Topf, und kosteten einigen Aufrufs:
»O der unseligen Frucht voll bitter'n, giftigen Saftes!«
Auf zu Jehova sah, voll Trost und Hoffnung, Elisa;
Nahm des Mehles, so viel er hielt in der segnenden Rechten,
Warf's in den Topf, und sprach: »Nun esset davon, und erquickt euch.«
Sieh', und das Giftgewächs, in köstliche Speise verwandelt.
Labte die hungernde Schar: sie pries die Güte Jehova's!
Aber er saß verkläreten Blick's: aus der heiligen Zukunft
Wies ein hehres Gesicht ihm weit erhabnere Wunder.
»Dort auf den luftigen Höh'n des grasumwucherten Berges
Saß, im traulichen Kreis' zwölf eifernder Schüler, der Meister
(Göttlich zu schau'n) und, rings, an der Zahl viertausend gerechnet,
Hungriges Volk, das ihm, dem Lehrer zu horchen, gefolgt war.
Einer der Schüler enthüllte den Korb, und sagt' ihm bekümmern:
»Nur fünf Brote darinn mit zwei gerösteten Fischen.«
Aber der Göttliche hieß das gesegnete Brot mit den Fischen
Theilen unter die Schar der Hungernden. Sieh', und gesättigt
Wurden sie alle, nach Herzenslust! Zwölf muntere Knaben
Eilten mit Körben umher, und sammelten, was noch erübrigt.«
Siehe
Joh.. IV. Cap. 15. Vers.
Ihm ein Vorbild, sah Elisa, mit Demuth im Herzen,
Jetzt in die Halle hinaus. Der Ruf erscholl in dem Land dort,
Daß er in Gilgals Mauern erschien, die Schüler zu trösten.
Alsbald bracht' in dem Reisesack ein redlicher Landmann,
Aehren herbei, die er erst von den grünenden Halmen geschnitten –
Zwanzig Gerstenbrote zugleich, als Geschenk dem Propheten.
Aus den Straßen der Stadt nachfolgten ihm hundert der Armen,
Bis in die Hall', und harreten; doch der heilige Seher,
Schauend die hungernde Schar, geboth dem Knechte Ghiesi:
»Röste die Aehren mit Oehl' auf der Gluth, nach der Sitte des Landes,
Und vertheile sie gleich mit dem Brot' an das dürftige Volk da.«
Mürrisch sagte darauf der hartgesinnete Diener:
»Herr! wie soll ich das Brot an hundert Menschen vertheilen,
Selbst mit den Aehren, geröstet in Oehl? Kaum reicht es für zeh'n hin.«
»Thue,« so sprach Elisa erzürnt, »wie ich sagte: Jehova's
Stimme geboth's. Gesättiget wird das Volk aus der Halle
Gehen; erübrigen noch des Vorraths, und preisen Jehova.«
Also geschah's: denn sie aßen, erübrigten, priesen Jehova.
Eilenden Schrittes begab sich zur Königsstadt Samaria
Jetzo der Seher hinauf, wo ihm Sulmal, Jehova's Verehrer,
Stets ein freundliches Obdach both. Da scholl auf dem Heerweg,
Dumpf der Wägen Geroll', und des Rosses eiserner Hufschlag
Tönte die drönenden Straßen entlang: denn Hunderte nahten
Heute zum Ehrengefolg dem syrischen Helden, Naeman,
Den der König von Syrien hoch vor jeglichem ehrte,
Weil er Israels Macht gebändiget. Aber sein Leib war,
Lange vom Aussatz
Ueber die verschiedenen Arten des Aussatzes im Morgenlande, ihre schrecklichen Wirkungen, ihre Heilung, und die nöthige Strenge und Vorsicht, welche
Moses III. B. 13. Cap. dabei vorschrieb, siehe
Jahns Bibl. Archäologie. Häusliche Alterth. II. B. §. 213. weiß wie der Schnee, und Syriens Aerzt' all'
Wußten nicht Hülfe, nicht Rath, so viel er des Goldes gespendet.
Sieh', da sprach die Magd, ein israelitisches Mädchen,
Das er gefangen geführt nach Syrien, so zu Naemans
Gattinn: »Ginge mein Herr nur nach Samaria, zum Seher,
Wahrlich, er würde geheilt von der abscheuweckenden Krankheit!«
Solches vernehmend, kam, mit reichlichen Schätzen versehen,
Nach Samaria, der Königsstadt, Naeman gezogen;
Brachte vom König die Schrift dem Könige: daß er vom Aussatz
Heile den Liebling ihm. Da schrie, betroffen, der Herrscher
Israels, sich an der Brust zerreißend das Kleid vor Entsetzen,
Laut auf: »Bin ich denn Gott? – allmächtig über des Menschen
Leben und Tod? Ach, ich ihn heilen vom schrecklichen Aussatz?
Gott vermag es allein! Ihr seht, daß Syriens König,
Sinnend von neuem nur Krieg und Verderben, uns also verhöhne.«
»Mög' er kommen,« so sprach Elisa, den Jammer vernehmend,
»Und erfahren, daß ein Prophet in Israel lebe,
Den Jehova's Huld verherrlichet: sagt es dem König.«
Aber der Feldherr kam, und hielt vor der Wohnung Elisa's:
Hier in dem Land'
unrein, von den Reinen geschieden, durch Satzung.
Sieh III. B. Mos. 13. Cap. 45. Vers.
»Eile hinaus,« so rief der Herr zu Ghiesi, »und sage:
Daß in des Jordans heilige Fluth sich tauche der Fremdling
Siebenmal – er werde genesen vom schrecklichen Aussatz.«
Als Naeman die Worte vernahm, da ergrimmt' er im Herzen:
Schon entrüstet zuvor, weil ihm vor dem Volke der Seher
Nicht, wie er solches gehofft, der allumschmeichelte Günstling,
Huldigte. Jetzt fuhr er mit stolzem Gefolg' aus den Mauern
Von Samaria, der Königsstadt, und erblickend den Jordan,
Hielt er nahe dem Strom', und rief mit empörterem Unmuth:
»Ha, wie war ich ein Thor nach Israels Landen zu ziehen,
Hoffend, der Seher erscheine vor mir, ein mächtiger Helfer;
Lege die Hände mir auf, und dann zugleich zu Jehova
Flehend, zu seinem Gott, mir erwirke die holde Genesung?
Nein, er sprach: in den Jordan soll ich mich tauchen. Wie thöricht!
Ist Pharphars und Amana's Fluth,
Die beiden beträchtlichen Flüsse:
Pharphar, jetzt
Phege, und
Amana, jetzt
Schamaweis, vereinigen sich unweit Damaskus. Jener entspringt an dem Antilibanon, und dieser am Berge gleiches Nahmens. Einige halten sie für zwei Arme einer und derselben Quelle, die in dem Gebirge Amana entspringt. unferne Damaskus,
Minder heilsam denn sein'? Ach, grausam täuschte die Hoffnung!«
Also rief er, ergrimmt. Da sprach ein redlicher Diener,
Flehend, zu ihm: »Gehorche dem Wink des erhab'nen Propheten;
Steig' in die Fluthen hinab! Wohl Schwereres hätt'st du erduldet,
Wenn sein Mund es geboth, ob freudiger Wiedergenesung.«
Jener besann sich, stieg in den Jordan hinab, und, die Glieder
Siebenmal mit neuerregtem Vertrau'n in die Wellen
Tauchend, ward er rein. Wie die Glieder des blühenden Säuglings
Glänzen, so wurd' er gereint in dem Jordan, und völlig geheilet.
Freudig kehrt' er mit seinem Gefolg zur Wohnung Elisa's;
Naht' ihm thränenden Blick's, und sprach: »Fürwahr, ich erkenne:
Nur Jehova ist Gott, in seiner unendlichen Allmacht,
Dessen Wege du lehrst, und zu dem du Verirrte geleitest!
Nimm dieß Geschenk von deinem Knecht', erhabner Prophet, an!«
Aber so dringend er bath, Elisa nahm das Geschenk nicht.
Sinnend stand Naeman vor ihm, und sagte zum Abschied:
»Gebt mir Erde von hier, der heiligen, daß ich den Altar
Baue Jehova daheim, und auf ihr ihm opfere. Mög' er
Mir nicht zürnen, da ich dem Könige folg' in dem Tempel
Rimmons
Rimon war ein syrischer Götze, von dem die Geschichte sonst nichts weiter erwähnt. auch hinfort, und die Hand ihm biethe, sein Feldherr,
Wann auf das Antlitz geworfen, er dort anbethet den Götzen.«
»Wehe dir,« dacht' Elisa im Geist, »daß unseren Staubes
Du, Jehova zu opfern, bedarfst, und die ehrende Stelle
Wichtiger als sein Ruhm dir ist – noch irrst du im Dunkeln!«
Dacht' es, und wandte sich schnell, und rief, abgehend, ihm laut zu:
»Kehre beglückter heim; dich leite Jehova im Segen!«
Als Naeman jetzt auf dem Heerweg ferne dahinschwand,
Eilte Ghiesi ihm nach. »Mein Herr,« so sprach er für sich hin,
»Nahm die Geschenke Naemans nicht: ich werde sie nehmen.«
Ihn erblickend, sprang aus Ehrfurcht für den Propheten
Syriens Feldherr schnell aus dem Wagen, und fragte betroffen:
»Steht noch Jegliches wohl?« »So steht es,« entgegnete jener,
»Aber von Ephraims rauhem Gebirg' anlangten so eben
Zween, mit Jammer und Noth hartkämpfende Schüler. Elisa
Sendet mich, flehend, zu dir: du mögest für beide, des Silbers
Ein Talent, und zugleich zwei Wechselkleider ihm spenden.«
»Nimm hier doppelt so viel,« begann mit Freude Naeman,
Und geboth alsbald, daß zween der rüstigen Krieger
Trügen vor ihm einher die Geschenke zur Wohnung Elisas;
Aber der Falsch' entließ die rüstigen Männer im Thalweg;
Barg die Geschenk' im Haus', und ging dem Seher zu dienen:
Lügend die heitere Stirn', als sey kein Frevel geschehen.
Aber Elisa's Blick durchdrang die Seele des Heuchlers.
Als er begann: »Wo warst du?« und er: »Ich wo?« mit Erstaunen
Fragt', und that, als sey er daheim gewesen die Zeit her,
Ha, da sprach Elisa zu ihm: »Hab' ich nicht im Geist' erst
Einen geseh'n, der schnell vom Wagen sprang, und entgegen
Eilte dem Knecht? Das also die Zeit, um Gelder und Kleider
Sich zu schaffen durch Trug, und dafür zu erlangen den Hausrath
Dann mit dem Hause zugleich, um den üppigen Lüsten zu fröhnen?
Siehe, weil du Jehova's Ruhm vor den Heiden verhöhnt hast,
Und des Falschen mich ziehst, ein Heuchelnder, sollst du vom Aussatz
Schwellen – die Deinen mit dir: zur Strafe der schändlichen Läst'rung.«
Jener eilte davon, mit dem furchtbar'n Uebel behaftet.
Aber Elisa ging an des Jordans rauschenden Fluthen,
Einsam, nach Dothan
Die Stadt
Dothan lag vier Stunden von Samaria, gegen den Berg Tabor zu. hinab, der Stadt, die auf Felsen erbaut war.
Dort an dem Ufer, im Hain, hinstreckten so eben die Schüler
Schlanke Stämme zum Bau des verfallenen Hauses, und riefen,
Lächelnden Blick's, jetzt auch den nahenden Meister zur Arbeit.
Einer der Schüler hieb mit verstärkter Kraft in des Baumes
Wurzel: da flog das Beil vom Stiel', und sank in das Wasser.
»Wehe,« so rief der Dürftige laut, »das Beil ist verloren,
Das ich geborgt: ich darb', und Ersatz gebühret dem Eigner!«
Schnell erfüllte die Brust des Sehers ein heiliges Mitleid
Wegen des armen: er hob die flehenden Blicke zum Himmel;
Faßte den Wipfel des Baums, entblößt' ihn rings von den Aesten,
Schleudert' ihn tief in den Strom, und, siehe, die wirbelnden Fluthen
Wälzten das Beil von dort nach dem sanftaufsteigenden Ufer!
Aber der Seher ergriff's, und gab es dem jubelnden Schüler:
Immer bedacht, Vertrau'n und innige Liebe zum wahren,
Einigen Gott in der Brust trostdürftiger Menschen zu wecken.
Bald ergoß sich Benhadads Macht, des syrischen Fürsten,
Ueber Israels Reich; doch Joram, der König, empörte
Seine Völker zum Widerstand', und häufiges Blut floß.
Heimlichen Ueberfall geboth im nächtlichen Kriegsrath
Seinen Erwählten der Hort von Syrien. Aber Elisa
Warnte Joram, und sprach: »Bei Dothan werden sie kommen.«
D'rauf von diesem und jenem Ort, wo Gegner Verderben
Brüteten, gab er zuvor errettende Winke dem König.
Wüthend vor Zorn, erhob Benhadad also die Stimme:
»Wer von den Unseren gibt von allem, was ich beginne,
Sichere Kunde dem Feind'? Ihr kennet den Falschen, und schweiget?«
Da sprach Bertazan, sein Rath: »Ich kenne den Mann wohl:
Alles was du, o König, beginnst, und heimlich beschließest
Im verborg'nen Gemach', enthüllt ein mächtiger Seher
Israels, der Elisa sich nennt, dem feindlichen Feldherrn.«
Aber der König schrie: »So strebt den Mann zu erhaschen:
Sey's durch List, durch off'ne Gewalt, und grause Verheerung.«
D'rauf, vernehmend, daß heut' Elisa g'en Dothan gewandert,
Sandt' er ein mächtiges Heer, Streitwägen, Reiter, und Fußvolk,
Nächtlich dahin, die Stadt umlagernd, den Seher zu fahen.
Als am Morgen erwacht, ringsum verschlossen den Ausgang
Samma, Elisa's Diener, ersah, da kam er, und sagte:
»Weh' uns, Herr, die Stadt umringen unzählige Gegner!«
Alsbald hob Elisa den Blick zum Himmel, und flehte
Leise zu Gott, daß er, milderbarmend, den dunkelen Schleier
Vor den Augen des Knechts aufhüllete so, daß er sehe.
»Wende den Blick, begann er zu ihm, »nach den Höhen des Berges,
Dort sind mehr auf unserer, denn auf der Seite der Gegner!«
Samma wandte sich nun, und sah auf den dämmernden Höhen
Himmlische Scharen steh'n mit feurigen Wägen und Reitern,
Blitzend im Waffenschmuck', und schrecklich den sterblichen Augen.
Furchtlos ging Elisa, entlang die Seite des Feindes
G'en Samaria hinaus. Erst sahen die Scharen dem Fremdling
Staunend nach; dann folgten ihm mehr denn hundert der Krieger:
Ob nicht Elisa's Spur sie erforschten, des mächtigen Sehers?
»Kommt nur,« rief er dem Volk', »ihr schau't den, welchen ihr suchet.«
Und er flehte zu Gott, und sprach in lispelnden Lauten:
»Straf' sie mit Blindheit, Herr, und verwirre die Sinne der Männer,
Daß sie schauen umher, und dennoch den Pfad nicht erkennen!«
Und er führte die blind Nachfolgenden nach Samaria.
Dort in des Volkes Gedräng' und erschütternder Nähe des Königs
Sank die täuschende Nacht von ihren geblendeten Augen:
Denn sie sah'n jetzt hell; doch furchtbar dünkte die Helle.
»Tödtet sie alle!« so stürmte das Volk, und der König begann so:
»Sey nun Mord die Losung, Prophet?« Da sagt' ihm Elisa:
»Denke zurück': auch sonst hast du gefangene Krieger
Heimgeführt – erwürgtest du sie? Schnell reiche den armen
Speis' und Trank, und laß sie heim zu den Ihrigen kehren!«
Also geschah's: denn trefflichbewirthet entließ sie der König.
Doch sie kehrten, Elisa preisend, zurück' in das Lager!
Und nicht strebt' ihm Syriens Fürst dann mehr nach dem Leben.
Aber er kam mit unendlicher Macht, Samaria zu stürmen.
Schauend den tapferen Widerstand, umzog er die Mauern
Rings mit lagerndem Volk, Streitwägen, und trennenden Gräben,
Daß von innen die Noth verschlänge die Menge des Volkes.
Bald gebar die Belagerung dort entsetzlichen Jammer:
Zahllos lagen im Staub verhungerte Thier' und auch Menschen.
Wilde Verzweiflung weckte die Qual, daß unmenschliche Mütter
Gegen ihr eigenes Fleisch frech wütheten. Solches gewahrend.
Jammerte Joram laut; zerriß an der Brust sich die Kleider
Mitten im Volk', und schrie: »Wer hat uns getäuscht: Samaria
Würde trotzen dem Feind', und Jehova schützen die Mauern?
Thorheit war die Hoffnung auf ihn, das Streiten vergebens,
Schrecklich die Strafe der Schuld; doch soll, vor allen Elisa,
Er, der falsche Prophet, mit dem Haupt die Lüge mir büßen.«
Aber ihm trat Elisa, beherzt, entgegen, und sagte:
»Hört, was Jehova, der Herr, euch kündet! Am kommenden Morgen
Soll Samaria der Gerst' und des Weizens so wenig ermangeln,
Daß ihr die Speicher gesammt euch füllt um weniges Silber.«
Und ein Führer des Heer's, auf dessen Rechte der König
Stützte die Linke, der Würde gemäß, rief zweifelnden Herzens:
»Ließe Jehova die Frucht vom Himmel herab, wie den Regen,
Strömen, dennoch geschähe das nicht.« »Du wirst es wohl sehen,«
Sprach Elisa, »doch werden nur dich nicht die Früchte mehr laben.«
Welch ein Wunder erfüllte das Wort des erhabnen Propheten?
Siehe, die Kriegsheerschar der Himmlischen, die zu erblicken,
Samma von Gott gewürdiget ward, stieg, waffengerüstet,
Von den Höhen herab, und zog, im sinkenden Nachtgrau'n,
Wider das syrische Heer! In der Fern' ein Schlachtengetümmel,
Nah', ein Brausen der Luft, und ein Blitzen umher in dem Dunkel,
Sträubte jeglichen Kriegers Haar auf dem Haupt, wie des Igels
Stachel, empor; doch jetzt, als jene die flammenden Waffen
Schüttelten, tönt' es, zugleich vom Süden und Norden auf einmal
Näher, wie Pferdegetrab und Gedröne der eisernen Achsen.
Laut aufschrie'n die Syrer, und floh'n. Sie ließen ihr Alles,
Aufgehäuft zum Genuß', in dem weitumkreisenden Lager.
Wähnend: im furchtbaren Bund mit Aegypten und Kanaans Völkern
Komme Israels König heran, jetzt Rache zu üben,
Floh'n sie eilig davon, und tief verstummte das Lager.
Welch' unglaubliche Schau! Es traten am dämmernden Morgen
Männer zum König' ein, und verkündeten, was da geschehen.
Doch als Jedes erforscht, und erwiesen die schreckliche Flucht war,
Siehe, da drängte das Volk sich hinaus, nach dem feindlichen Lager,
Dorther Silber und Gold, und die Früchte gehäuft in den Zelten,
Heimzubringen zur Stadt – zu erfreuen das Herz am Genusse
Langentbehreten Brot's, und am Glanz des erbeuteten Reichthums!
Aber es fiel der Feldherr jetzt im Gedränge des Volkes
Unter dem dunkeln Thor': er wurde zertreten, und starb dort.
Sah's, und labte sich nicht an der Frucht, nach den Worten Elisa's.
Jahre entfloh'n. Durch ihn gesalbt zum Könige, tilgte
Jehu Achabs verfluchtes Geschlecht aus der Mitte des Volkes;
Hieß vom Fenster herab die Jesabel stürzen, im Zwinger
Jesreels, wo an der Wand, von des Rosses zermalmenden Hufen,
Klebt' ihr Blut, und die gierigen Hunde dem Grab sie entrissen:
Also verkündete dort Jehova's Gerichte Helias.
Aber es lag Elisa, der Greis (er zählete nun schon
Hundert der Jahr') auf dem Bett' in vollendender Todesermattung.
Joas, Israels König trat in die dunkele Kammer;
Sah den sterbenden Greis, und beugte sich über ihn, weinend;
Preßt' auf den eisigen Mund und die thauende Stirn' ihm die Lippen;
Hob die sonst gewaltige Recht', erstarrt in dem Tod jetzt,
Jammernden Laut's an die Brust, und rief mit gebrochener Stimme:
»Vater, du scheidest von uns, der du bewährt, wie Helias,
Israels Wagen und reisiges Volk, sein erlesenstes Kriegsheer
Aufwogst, mächtig und stark, von Jehova durch Zeichen verherrlicht?
Wehe, du scheidest von uns, da Israel unter des Syrers
Eisernem Joche gebeugt, umsonst nach Rettung umherschaut.
Und die Hülf' uns schwindet im Grau'n des nahen Verderbens!«
Jetzt erhob sich der Greis mit kehrender Kraft, auf dem Lager;
Flammen sprühte sein Aug': er sah dem weinenden König
In das Gesicht, und sprach: »Du weinest, und jammerst nach Rettung
Wider Israels Feind'? Auf Jehova vertraue vor allem.
Nimm jetzt Bogen und Pfeile zur Hand:
Nimm Bogen und Pfeile, hieß, ohne Bild, so viel: Rüste dich zum Kriege. Das Abschießen des Pfeiles gegen Morgen deutete dem König an: daß er die dorthin gelegenen israelitischen Besitzungen den Händen der Feinde zuerst entreißen solle, und war als prophetisches Sinnbild um so sprechender, da die Alten bei einer Kriegserklärung einen Wurfspieß in das feindliche Lager schleuderten. (
Justin.. II. Buch.
Aeneis. IX. Gesang. 47. Vers.) als Zeichen der Zukunft!«
Joas machte sich auf, und ergriff die Pfeil' und den Bogen.
»Spanne den Bogen,« so rief der Greis. Er spannte den Bogen.
Jener bethete still; dann legt' er die Hand auf die Scheitel
Joas, des Königs, und sprach: »Jetzt öffne das Fenster g'en Morgen;
Schieße den Pfeil in die Luft!« Er schoß, und Elisa begann so:
»Siehe den Siegespfeil, im Vertrau'n auf Jehova gesendet!
Recht nach Kriegesgebrauch, ge'n Syriens Gränzen in Osten,
Hast du geschnellt das Geschoß, zum Zeichen des muthigen Angriff's.
Bald erschallet die Kriegsdromet', und unzählige Gegner
Werden bei Aphek
Aphek war eine Stadt, die eine Tagreise von Tiberias nordwärts gegen Damaskus lag. dir unferne Damaskus, erliegen.
Aber ich frage dich noch, hast du Vertrau'n auf Jehova?
Sage, wie oft erkühnst du dich wohl, die Feinde zu schlagen?
Nimm die Pfeile zur Hand, und schlage damit auf den Boden,
Mir zum Zeichen!« Er schlug mit den festgebundenen Pfeilen
Dreimal laut auf den Boden, und sah den Propheten vergnügt an.
Aber er schüttelte, zürnend, das Haupt, und sagte dem König:
»Muthiger wähnt' ich dich. Nur dreimal hoffst du, zu siegen?
Also gescheh's! Auch fünf- und sechsmal wäre der Sieg dir
Worden – Vernichtung dem Feind', im Vertrau'n auf die Rechte Jehova's!«
Sagt' es; er sank auf das Lager zurück', und hauchte den Geist aus.
Draußen im Felsengrab
Das Grab des Propheten Elisa befand sich, nach dem Zeugnisse des h.
Hieronymus (in epithaphio Paulae), in der Nähe der Stadt Samaria. – (
Brentano II. B. der
Könige 13. Cap. Anmerkung zum 20. Vers.) lag schon des hohen Propheten
Sterbliche Hüll', ein Jahr, als hin leidtragende Männer
Brachten die Bahre des jüngstverstorbenen, redlichen Bürgers
Von Samaria. Auch Micha, der gotterleuchtete Seher,
Folgte dem Zug. Da stürzten aus Moabs rauhen Gebirgen
Räuber heran. Die Trauernden stellten die Bahre mit Vorsicht
Nieder, und wälzten den Stein von dem Grab; dann warfen den Todten
Sie auf Elisa's Gebein', und ergriffen die Flucht vor den Räubern.
Sieh', und kaum berührte die Leich', in die Höhle geworfen,
Dort des Sehers Gebein', so kehrte die Seele, von neuem,
Durch Jehova's Macht und Huld in die Leiche des Mannes.
Glühend erpochte sein Herz, und goß in die starrenden Glieder
Leben. Jetzt aufschlug er das Aug'; er blickte zum Himmel,
Eilte heraus, und ging, lobpreisend Gott, in die Stadt heim.
Micha stand auf dem Fels; er sah, verkläreten Blickes,
Nach der sinkenden Sonne hinab, und rief ihr, entzückt, nach:
»Fahre dahin zur Ruh': am kommenden Morgen erhebst du
Wieder dein strahlendes Antlitz, zur Lust der verjüngeten Schöpfung!
Also sah ich zuvor aus modernder Leichen Behausung
Kommen den Todten, erweckt von Jehova's allmächtiger Rechten,
Uns zum erhebenden Trost' unsterblichen, ewigen Lebens.«
Preis't, o Völker, den Herrn! Nach wechselnden Tagen und Nächten
Schwebt der schönere Morgen herauf, dem nimmer des Abends
Grau'n, nicht Dunkel der Nacht mehr folgt, und hüllt vor den Augen
Unsers verkläreten Leib's die Wohnung des ewigen Glück's auf,
Welch' uns Er, der Eins mit dem Vater und Heiligen-Geist ist,
Liebend bereitet. O, er kommt, nach seiner Verheißung,
Wieder, und hebt uns dann, erbarmend, empor zu dem Lichtreich,
Wo uns
Unsterblichkeit wird in ewiger Wonne des Anschau'ns!