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Deutschland ist keins von den fruchtbarsten Ländern von Europa. Schon Cäsar hat hervorgehoben, daß Deutschland sich an Güte des Bodens nicht mit Gallien messen könne. Seine tiefgelegnen Landschaften gehören der Nordhälfte an, während im Süden rauhere Höhen vorwalten. Die Gesteine des deutschen Bodens sind nicht immer die dem Ackerbau erwünschtesten. Das gilt besonders von den weit verbreiteten Kalksteinen des Zechsteins und Muschelkalks, von der Grauwacke, von schwer zersetzlichen vulkanischen Gesteinen, von den Sanden und den Mooren. Das dem Wein, Mais und seinem Obst günstige Klima mit sieben Monaten von mehr als zehn Grad Wärme kommt nur im Rhein-, Main- und Moseltal vor. Unser regenreicher Sommer ist dem Getreidebau nicht so günstig wie der des trocknern Südostens. Aber wenn Deutschland oft schlechte Ernten hat, sind so starke allgemeine Mißernten, wie sie dort dürre Jahre bringen, in unserm Lande nicht möglich. Nicht umsonst ist der Wald in Deutschland weiter verbreitet als in den westlichen Nachbarländern. Der Wald ist für manchen deutschen Boden noch die einzige mögliche Kultur, und darum prangt auch mancher Gebirgshang und mancher Sandrücken bei uns im Waldkleid, der anderswo nackt und kahl liegt. Rund die Hälfte unsers Bodens ist Acker- und Gartenland, ein Viertel Wald, ein Sechstel Wiese und Weide.
Der Teil der deutschen Bevölkerung, der sich der Landwirtschaft widmet, ist im Begriff, auf ein Drittel der Gesamtbevölkerung herabzusinken. Die Bevölkerungszunahme kommt fast ganz der Industrie zugute. Fast alles, was Feld und Garten bei uns hegt, ist eingewandert. Mitteleuropa scheint arm an Pflanzen gewesen zu sein, die sich der Kultur bequemten. Die meisten sind aus Osten zu uns gekommen. Auch wo einheimische Pflanzen dem Menschen auf deutschem Boden gedient haben, wie Holzäpfel und Holzbirnen, die die Pfahlbauern aßen, sind dann später in der Kultur fortgeschrittnere Abarten bei uns eingebürgert worden. Ebenso ging es mit den Haustieren, unter denen Pferd, Rind und Schwein mit Formen gekreuzt worden sein dürften, die einst wild auf deutschem Boden lebten.
Der bezeichnendste Zug in der deutschen Kulturlandschaft ist das Getreidefeld. Ein germanischer Sprachgebrauch nennt »Korn« das Hauptgetreide, das Brotkorn. In Skandinavien trägt die Gerste, in Norddeutschland der Roggen, in Süddeutschland der Weizen oder Spelz diesen Namen. In Deutschland ist der Anbau des Roggens und mehr noch dessen Verbrauch in geschichtlicher Zeit sehr stark durch den Weizen zurückgedrängt worden. Danzig war im siebzehnten Jahrhundert der Hauptmarkt für den Roggen gewesen, so wie es im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts für Weizen wurde, was heute Odessa ist. Das Verhältnis ist heute so, daß Weizen in ganz Deutschland weit verbreitet ist, neben ihm aber im Norden der Roggen mehr vorwiegt als im Süden, während dafür der Mais südlich vom fünfzigsten Grad nördlicher Breite eine wichtige Getreidegattung geworden ist. Immerhin ist bei uns noch immer eine dreimal so große Fläche mit Roggen als mit Weizen und eine zweimal so große mit Hafer bedeckt. Seitdem Deutschlands Volkszahl über sechzig Millionen hinausgewachsen ist, stieg die Getreideeinfuhr und hat in den letzten Jahren durchschnittlich das Drei- bis Fünffache der Ausfuhr betragen. Dabei ist allerdings zu erwägen, daß die Kartoffel ein Hauptnahrungsmittel geworden ist, und daß Hopfen, Zuckerrüben und Tabak weite Flächen dem Getreidebau entzogen haben. Kartoffelbranntwein, Rübenzucker und Hopfen gehören zu den wichtigsten Dingen, die Deutschland auf den Weltmarkt bringt. Der deutschen Landschaft gereichte dieser Wechsel nicht zum Vorteil, denn so wie das wogende, golden heranreifende Getreidefeld legt sich nichts, was auf Kulturland wächst, ans Herz. Fast ganz ausgefallen ist aus unsrer Landschaft das Flachsfeld mit seinem dem Hafer ähnlichen, graulichen Grün und den zarten, blaßblauen, an tiefe Bergseen erinnernden Blüten.
Der Weinstock ist die Charakterpflanze des südwestlichen Deutschlands. Deutschland hat bei Naumburg, Meißen und Grünberg die nördlichsten Weinberge Europas, aber der mitteldeutsche Weinbau ist im Rückgang. Das Reichsland, Baden, Württemberg, die Rheinpfalz, Rheinhessen, der Mittelrhein bis Bonn, Unterfranken, das Mosel- und Saartal sind die eigentlichen deutschen Weinländer. In ihnen bedecken Reben alle sonnigen Hänge, besonders in Flußtälern. An Pfählen oder Drahtgittern gezogen bieten sie nicht die schönen Bilder der Weinguirlanden Italiens oder der Weinlauben (Pergeln) Tirols. Die deutschen Weingärten (Wingart) tragen schon im Namen den Unterschied von den Weinfeldern Südfrankreichs, die sich in den fahlen Ebenen der Provence und des Languedoc endlos hinziehen, ebenso unmalerisch im Äußern wie reich an Früchten. Bei uns ist der Weinstock zwar noch sehr begünstigt, wie seine Verbreitung und mehr noch sein Erträgnis zeigt, aber doch immer ein Fremdling, der sich angewöhnt hat und sich nur an geschützten Stellen vollkommen wohl fühlt. Er braucht eine Sommertemperatur von fünfzehn bis sechzehn Grad und erfriert bei dreißig Grad Celsius. Höher als 250 Meter steigt er auch in guten Lagen des Rheintals nicht an. Jenseits dieser Höhen folgen noch Kornfelder, und dann bildet am Rhein häufig das buschige Wachstum der Eichenlohschläge den Übergang zum magern Wald der Hochebene. Die besten Weine gedeihen auf den Hügeln am Südrand des Schiefergebirges (Johannisberg, Geisenheim). Die Grenze des Weinbaues, die die Maas bei 51° schneidet, liegt am Rhein bei Bonn, zieht durch Niederhessen über die nördliche Werra, die Mittelelbe (Meißen), durch die südliche Mark (Senftenberg) und verläßt das Odertal (Grünberg) bei 52°, um dann rasch bis an das Schwarze Meer zu fallen. In Mitteldeutschland hat man manche Weinberge in den letzten Jahren in Erdbeerpflanzungen verwandelt.
Wo Wein gedeiht, da reift auch edles Obst. Die blaßroten Blüten der Mandeln leuchten in milden Jahren im März von den Weinbergen her. Im Südwesten gehören auch die laubreichen Wälder der Edelkastanien zur Kulturlandschaft. Dieser Baum gedeiht in Süddeutschland in denselben Lagen wie der Wein, geht aber auch höher hinauf, wo er Schutz gegen die Nordostwinde des Frühlings findet. In der Ebene um Frankfurt gedeiht die Edelkastanie nicht, wogegen sie in den nach Süden geöffneten Taunustälern ihre Früchte in Menge reift und am Donnersberg bis 460 Meter ansteigt. In den Wäldern an der Hardt, an der Nahe, bei Trier und Metz ist sie vielfach verwildert. Bei Limburg an der Lahn, bei Blankenburg am Harz, bei Dresden liegen Nordpunkte ihrer Verbreitung. Der Obstbaumbau auf freiem Felde ist in ganz Deutschland noch möglich und bringt eine Fülle landschaftlich bedeutsamer Züge, die zu denen gehören, die uns ganz besonders anheimeln: die obstbaumbedeckten Wiesen, die Obstbaumhaine, in denen Dörfer versteckt liegen, die Obstbäume an den Landstraßen. Es sind zugleich Züge des sozialen Bildes, denn sie gehen zusammen mit den kleinen, oft gartenartig gepflegten Äckern der Gebiete des zerteilten Grundbesitzes. Die unabsehbaren Weizenebenen und die breiten, mit einer und derselben: Kartoffel, Lupine oder Rübe bebauten Felder der Gebiete des Großgrundbesitzes sind landschaftlich viel einförmiger und erzählen überhaupt ganz andre Geschichten.
Die Deutschen lieben Blumen, wie sie den Gesang lieben. Selten fehlen der Galerie des oberdeutschen Bauernhauses die Nelken, deren brennendrote, an den schwanken Zweigen gleichsam herabströmende Blütenfülle das tiefe Braun des alten Holzes aufhellt. Andre Blumen von lebhafter Farbe: Geranien, Päonien, Buschnelken, Fuchsien, Verbenen, Aurikeln zieren überall die Bauerngärten, wo sie, ähnlich wie die Trachten, an den einfachern und standhaftern Geschmack unsrer Großeltern erinnern. An ihre Stelle sind in den städtischen Gärten die rasch aufeinanderfolgenden Modeblumen getreten. Auch an den Fenstern dumpfer Großstadtstuben sieht man häufig Blumenstöcke. Diese Blumenliebe hat aus der umgebenden Natur in unsre Gärten Veilchen und Stiefmütterchen, Maßliebchen, Maiblume, Nachtviolen, Vergißmeinnicht, Schlüsselblume, Leberblume ( Hepatica), Grasnelke, Schneeball, Weißdorn, aus den Alpen Weihnachtsblume ( Helleborus), Alpenveilchen, Aurikel versetzt.
Im Deutschen Reich zählte man 1905 4,2 Millionen Pferde, 19,3 Millionen Stück Rindvieh, 18,9 Millionen Schweine und gegen 7,9 Millionen Schafe. Der Vergleich mit frühern Jahren zeigt eine starke Zunahme der Rinder, eine sehr starke Zunahme der Schweine, eine mäßige Zunahme der Pferde, wogegen die Schafe fast auf ein Drittel der Zahl zusammengeschmolzen sind, die sie anfangs der sechziger Jahre betragen hatten. Die steigende Einfuhr von Wolle, Pferden, Rindern, Geflügel, Häuten, Fleisch, Schmalz, Eiern läßt erkennen, daß auch diese Zweige der Landwirtschaft dem Bedarf der anwachsenden Bevölkerung bei weitem nicht mehr genügen.
In den Marschen und Voralpen beleben frei weidende Rinder die Landschaft; ihr Fehlen entbehrt der Freund idyllischer Landschaft oft sehr in den stillen Flußauen Mitteldeutschlands. Das friedliche Bild der weidenden Schafherde ist mit der Abnahme der Schafzucht besonders in Süd- und Westdeutschland seltner geworden. Die Bienenstände gehören zum deutschen Dorfe und sind am verbreitetsten, wo die honigreichen Blüten des Heidekrauts, der Linden und des Klees häufig sind.