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Troja! – Welche Erinnerungen, welche Jahrtausende alte Historie knüpfen sich an diesen Namen! Wo ist der gebildete Mensch Europas, aus dessen Jugendstudien nicht jene sagenumgürtete Welt herüberklingt, der götterbevölkerte Olymp, die Peliden: Agamemnon, des Atreus Sohn, der lanzenschwingende, zornige Held; – Ajax der Telamonier; Nestor, ein drittes Geschlecht der Menschen mit seiner Weisheit beherrschend; – Diomedes, den Kampf mit den Göttern nicht scheuend; – Odysseus mit seinen wunderbaren Fahrten, und endlich der schnellfüßige Achill, unwiderstehlich in der Schlacht und furchtlos im Rat, unbändig in seinem Zorn, mit dem er Patroklos, den geliebten Jüngling, rettet, und zärtlich in der Liebe zur schönen Sklavin Briseïs und der göttlichen Mutter der Nereide.
Und dort am meerumgürteten Strande das hohe Ilion selbst, – der mächtige Gipfel des Ida, auf dem Paris die schöne Griechin gewann und Aeneas das Geschlecht der Dardaner beherrschte. Priamos, Hekuba, Kassandra die Unheilverkündende, und der Liebling Apollos, der männerwürgende furchtbare Hektar, wie er in banger Ahnung von Andromache scheidet zum Kampf mit dem Peliden! Doch nicht allein die Erinnerungen des gebildeten Europäers sind es, die diese jetzt öde Stätte bevölkern: Dem ganzen Volke der Hellenen sind die Gesänge seines großen Dichters wohlbekannt, und der niedrigste Grieche der Insel, der Matrose, der auf der Tartane das Meer durchstreift, naht mit Ehrfurcht jener Stelle und fühlt sich in seinem Elend stolz aus die Namen der großen Vorfahren! ...
Die Bucht von Troja – in der Zeitgeschichte bekannt unter dem Namen der Besika-Bai – liegt nordöstlich gegenüber der Insel Tenedos, sich in weitem Bogen in das kleinasiatische Ufer hineinziehend. Die Meerenge zwischen ihr und dem asiatischen Ufer ist an den schmalsten Stellen etwa eine halbe deutsche Meile breit. Ihre Nordostseite wird von einem breiten Landvorsprung gebildet, dessen nördliches Ufer den Eingang der Dardanellen beherrscht. Von der hier gelegenen kleinen, mit starken Festungswerken versehenen Stadt Dardanelli erreicht das Auge noch die Bai.
Alexandria Troas, von den Türken Eski Stambul genannt, liegt südlich an der großen Bucht und bietet noch, zum Teil mit einem Eichwald bedeckt, eine interessante, reiche Trümmerwelt. Hunderte von Säulen sind in allen Richtungen zerstreut um den alten Hafen, eine Reihe davon steht unter Wasser, und schäumend bricht sich die Brandung an ihnen. Ungefähr zweitausend Schritt vom Meere ab erheben sich noch die großartigen Trümmer und schönen Bogen eines Gebäudes, das die Schiffer den Palast des Priamus zu nennen pflegen. Das alte Troja ist nordöstlich von der Bucht landeinwärts gelegen, im Tal des Skamander. Nur wenige Erdwälle und künstliche Hügel geben dem Altertumsforscher hier einen Halt. Das Ufer ist am Meeresstrande flach und sanft aufsteigend. Dann folgen waldige Anhöhen, die, zu einem Amphitheater von Bergen emporsteigend, darunter der schneebedeckte Gipfel des Ida, das Tal des alten Skamander umkreisen.
*
Wiederum lag, von Westen gekommen, eine Kriegsflotte auf den blauen Wellen der Troja-Bai, – nicht jene zwölfhundert Schiffe, die einst von den ionischen und ägäischen Küsten die griechischen Helden hierher geführt, sondern die riesigen hölzernen Rosse Alt-Englands, der Stolz des stolzen Großbritanniens, die kühn emporstrebende Seemacht Frankreichs, die alte Rivalin, zu überflügeln drohend. Kinder eines anderen Jahrtausends, einer neuen Zeit im Schaffen und Denken!
Am 23. Juni erschien die englische Flotte auf die Order des britischen Gesandten in Konstantinopel, Lord Stratford de Redcliffe, unter Vizeadmiral Dundas, am Eingang der Dardanellen und warf in der Besika-Bai Anker: zwei Dreidecker, vier Zweidecker, eine Segelfregatte und vier Dampffregatten, nebst einigen kleinen Schiffen. Bald darauf erschien auch die französische Flotte unter Vizeadmiral La Susse und legte sich im Halbkreis neben die englische: acht Linienschiffe, darunter die prachtvollen, das englische Schiff »Sanspareil« weit überragenden Schraubendampfer »Napoleon« und »Charlemagne«, mit fünf Dampffregatten.
Das Verhältnis zwischen beiden Flotten war damals durchaus kein sehr freundschaftliches und versprach wenig für die vielgepriesene entente cordiale. La Susse war ein bitterer Gegner der Engländer und nur deshalb später auf dem Ankerplatz erschienen, um die englischen Schiffe bei ihrer Ankunft nicht begrüßen zu müssen. Die Schiffe lagen in drei großen Gruppen am Ufer der Bai entlang vor ihren Ankern. Einige Fregatten und kleinere Schiffe kreuzten durch die Bucht, um unter der leichten Brise ein Segelmanöver zu machen.
Der Leser begleite uns an Bord der englischen Fregatte »Niger« ... Die Mannschaft der Wache war in voller Tätigkeit beim Manövrieren, denn der erste Leutnant verstand sie in Atem zu halten und hatte Augen für jeden Fehler. Während er auf dem Gangweg auf und ab schritt, Takelwerk und Segel im Auge, lehnte Kapitän Warburne, ein alter Offizier, der seine Midshipmanzeit noch im napoleonischen Kriege gedient und langsam durch eigenes Verdienst ohne Empfehlung und Protektion seinen mühsamen Weg gemacht hatte, an der Galerie des Hinterdecks in der Nähe des Steuers mit einem Herrn in feiner Zivilkleidung. Mit dem Ärger eines alten Seemanns schaute er auf die Neuerungen und Verbesserungen, die die Zeit gebracht und die alle seine Gewohnheiten über den Haufen zu werfen drohten. Vor allem waren ihm die Vorzüge des Dampfes ein Gegenstand ewigen Grolls, und die Sicherheit eines Segelschiffes ein Lieblingsthema von ihm. Sein Geist hatte sich sozusagen auf die ganze Mannschaft verbreitet, und kaum konnte es ein eigensinnigeres, gröberes Schiffsvolk in der ganzen Flotte geben, sobald es mit den Mannschaften der Dampfschiffe zusammenkam.
»Sehen Sie die französischen Halunken an,« sagte der Kapitän ärgerlich; »reiten sie nicht auf ihren Ankern, als hätten sie Alt-England schon in der Tasche? Ich begreife das Ministerium nicht, wie man uns hierher schicken kann, um mit diesen Crapauds unnütz in der Sonne zu braten.« – »Sie sind ärgerlich, Warburne, aber Sie tun Unrecht, die französische Flotte zu tadeln. Ich habe mich bei den Bootsfahrten überzeugt, daß sie sich in einem Zustande befindet, wie ich ihn unsern eigenen Schiffen wohl wünschte.« – »Ha, pfeifen Sie auch aus dem Loche, Maubridge?« meinte grämlich der alte Seemann. »Der Teufel hole die Froschfresser mitsamt ihren Kohlenschiffen. Alle Ehre und Reputation auf dem Meere geht zugrunde, seit der verdammte Dampf auf blauem Wasser regiert, wie er sich auf dem Lande mausig macht. Gott verdamm' meine Augen! ich glaubte, ich hätte etwas besseres an Ihnen erzogen, als einen Bewunderer der schwarzen Rauchfänge.«
Maubridge – der Mann in Zivil war der Baronet, dessen Bekanntschaft wir im Landhause zu Burnabat beim Angriff der Räuber gemacht haben – lachte ... »Sie sind und bleiben der Alte, Warburne,« sagte er, »und werden sich nie in die Forderungen der Gegenwart schicken, obgleich Sie deren Nutzen einleuchtend vor Augen sehen. Passen Sie auf! es dauert nicht lange mehr, so wird Ihre alte Fregatte abgetakelt und kommt als Wachtschiff nach Plymouth oder Spithead. Wir sind viel zu weit hinter den Franzosen zurückgeblieben in der langen Friedenszeit, und sie haben uns in Zahl und Einrichtung der Dampfschiffe überflügelt, gerade wie die Amerikaner.« – »Ja, ja, ich seh's, die alten Eichenbalken, die so lange die britische Flagge durch alle Meere zum Siege getragen und gefürchtet gemacht haben, werden auf Halbsold gesetzt. Alles soll Eisen sein, alles mit übermäßiger Geschwindigkeit gehen, – nur die Beförderung eines ehrlichen Mannes geht den Schneckengang. Es ist keine Dankbarkeit mehr in der Welt, und das rächt sich.« – »Ei, Warburne, Sie tun wieder Unrecht. Sehen Sie nicht in mir das Gegenteil? – Hab' ich nicht gleichfalls meinen jüngeren Bruder in Ihre Obhut gegeben, um einen tüchtigen Seemann zu bilden, und bin ich nicht schon seit drei Wochen Ihr Gast und langweile mich mit Ihnen hier, bloß um Ihnen meine alte Anhänglichkeit zu zeigen, nachdem ich in Smyrna schon so viele Zeit verloren habe?«
Der Kapitän schielte ihn von der Seite an ... »Hm! Der alte Adams – den ich wegen der Einkäufe in Smyrna zurückließ – erzählt ganz kuriose Dinge von der Weise, wie Sie Ihre Zeit verloren haben, und daß Sie wohl taten, die Sicherheit eines britischen Kriegsschiffes zu suchen. Hören Sie, Maubridge, ich habe Sie noch immer lieb, weil Sie ein braver Bursche waren, der im Sturme seinen Mann stand; darum warne ich Sie, hüten Sie sich vor den Weiberröcken, sie sind ebenso falsch wie die Franzosen und haben noch keinem Manne Gutes gebracht.« – »Sie sind ein alter Hageprunk, Warburne, und Adams ist ein Schwätzer, der sich von einem Knaben hors de combat setzen ließ. Aber sehen Sie, wie jener französische Dampfer auf uns zukommt! es sieht ganz so aus, als ob der Bursche uns mit seiner Beweglichkeit verhöhnen wollte.«
Warburne schaute nach der Flotte zurück ... Eine der kleineren französischen Dampffregatten hatte ihren Ankerplatz verlassen und strich gleich einem Schwan stattlich hinter ihrem Spiegel durch die Wellen ... »Master Hunter!« – Der erste Leutnant kam nach hinten, mit der Hand am Hute. – »Sir!« – »Lassen Sie gefälligst das Schiff umlegen und nach Tenedos hinüber halten. Wir wollen den französischen Maulaffen da nicht den Spaß machen, uns in ein Wettfahren mit ihm einzulassen.« – »Wohl, Sir!« – Der Leutnant gab Befehl an den Offizier der Wache, und das Schiff nahm seinen veränderten Kurs im rechten Winkel von seinem bisherigen Lauf und schob nach der Insel zu.
Am Vorderkastell standen in mehreren Gruppen die Matrosen, die zu den abgelösten Wachen gehörten, und schauten über die Brüstungen hinauf auf die manövrierenden Schiffe oder hinauf zu den Segeln, die sich im frischen Landwind blähten. Sie waren fast durchgängig von jener Bullenbeißerfigur, die den Seeleuten Alt-Englands eigen ist. Die Hände in den Hosentaschen, ging die vierschrötige Gestalt des Deckmeisters Adams von einem Gangweg zum anderen, mit forschendem Blick ringsum die Ordnung prüfend ... »Herunter von dem Hühnerkasten, Sir, wenn's beliebt! Master Hunter sieht eben hierher. Warte, Hundesohn! kannst du deine schmutzigen Pfoten nicht wo anders hin tragen?« Ein Hieb mit einem Tauende aus dem Vorrate der weiten Tasche nach einem unglücklichen Schiffsjungen, der mit einem Eimer vorbeihuschte, begleitete die Worte.
Die erste Anrede war jedoch an drei junge Männer gerichtet, die, auf einem der Vorderdeck-Hühnerkasten hockend, über die Hängemattenwandung hinausschauten ... »Sei nicht so bärbeißig, Alter! wir werden deinem Kasten kein Loch in den Rumpf stoßen. Schau', Gosset, wie sie daherkommt! Ist es nicht eine Schande, daß wir in diesem alten, wurmstichigen Segelboot umherkrebsen müssen, wie ein Hummer am Lande?« – »Es ist unverantwortlich von der Krone Großbritanniens, daß eine Tischgesellschaft so gescheiter und stattlicher Midshipmans, wie die ganze Flotte sie nicht zählt, noch immer dazu verdonnert ist, Raaen spleißen, Stagen reffen, Top- und Vortopsegel ansetzen zu lassen, den ganzen Tag einem ersten Leutnant zu Diensten zu sein, je nachdem's ihm einfällt, unter doppelt oder einfach gerefften Linnen zu segeln, kurz auf einem Segelschiff zu dienen. Hol' der Teufel all' die Arbeit!«
Der Deckmeister rollte grimmig das Prüntjen aus einer Backe in die andere und spritzte seinen Groll mit der eklen Flüssigkeit durch die nächste Stückpforte ... »Mit Verlaub, Sir, wollen Sie jetzt von meinem Kasten herunter, oder nicht? Aus Ihnen wird im Leben kein ordentlicher Seemann werden, Master Gosset, sonst würden Sie nicht solches Wischiwaschi über ein Schiff zu Markte bringen, das hundert solche Leute aufwiegt, wie Sie und Master Frank.« Die Midshipmen räumten lachend den Kasten. Es waren drei junge Burschen von 14 bis 17 Jahren, von denen der eine große Ähnlichkeit in den Zügen mit Sir Maubridge auf dem Hinterkastell aufwies. Der zweite, Gosset, war ein ziemlich schmächtiger Knabe von affenartiger Beweglichkeit, während der dritte und älteste eine kräftige Figur mit einem ziemlich gemeinen, stupiden Gesicht zeigte ... »Segel und Dampf ist die schwache Seite von Meister Adams, gerade wie beim Kapitän selbst,« höhnte Gosset. »Ich wette, nur unser erster Leutnant ist meiner Ansicht und verwünscht diesen alten Segelkasten, weil er ihn schon zweimal bei der Beförderung im Stich gelassen hat. Ich quittiere den Dienst, wenn man den »Niger« nicht bald abtakelt.« – »Vorläufig werden Sie hinunter gehen und das Verdeck räumen, Sie junger Halunke,« sagte eine strenge Stimme hinter ihm. Es war der erste Leutnant, der unbemerkt nach vorn gekommen.
Die Midshipmen tauchten eilig durch die Luke, denn Master Hunter verstand keinen Spaß. Auch die Matrosen rings umher drückten sich aus dem Wege oder nahmen irgend eine Beschäftigung vor. Der dritte Leutnant, welcher die Wache hatte, rapportierte vier Glocken. Der erste Leutnant ging nach hinten und tat das nämliche, und der Kapitän befahl, zum Essen zu pfeifen. Der Befehl lief auf gleiche Weise zum Hochbootsmann und der Ruf: »Alle Mann zum Essen!« erscholl durch die Luken.
»Wer ißt heute noch beim Kapitän?« fragte der Zahlmeister den Eilenden – »Der zweite Leutnant, Sir, und Master Duncombe, der Doktor. Auch der junge Maubridge.« – »Schön! Bringen Sie dem Kapitän meinen Empfehl, und ich würde erscheinen.« – An Bord eines Schiffes weigert man sich selten, die Einladung eines Kapitäns anzunehmen.
Auf dem Hinterdeck trat der erste Leutnant zu seinem Vorgesetzten ... »Der Dampfer hat sich gleichfalls gewendet, Sir, und scheint uns absichtlich folgen zu wollen. Es ist die »Veloce«, Sir.« – »Lassen Sie die Mannschaft ihr Essen nehmen, aber die Mittelwache in Tätigkeit bleiben. Ändern Sie gefälligst von Zeit zu Zeit den Kurs und vermeiden Sie einen Segelstrich mit dem Franzosen. Es ist offenbar, daß der Narr uns seine Schnelligkeit zeigen will.« Der erste Leutnant tippte an den Hut und ging, um das Kommando an den zweiten Leutnant zu übergeben, der die Mittelwache hatte. Kapitän Warburne spazierte mit seinem Gast auf dem Deck weiter umher.
Die »Veloce« schoß unterdessen näher heran, stattlich und leicht, wie ein Schwan durch die Wellen streift: eine jener schönen zierlichen Bauten, die selbst das Auge eines britischen Seemannes entzücken mögen. Dicht unter dem Spiegel des »Niger« wendete der Dampfer und schoß an seinem Backbord vorüber, so daß alle auf den Decks befindlichen Gruppen gegenseitig vollständig gesehen werden konnten. Auf dem Hinter- und Vorderdeck der »Veloce« waren Sonnenzelte ausgespannt, unter deren Schutz Offiziere und Mannschaft in zahlreichen Gruppen versammelt waren. Der Kapitän, ein Mann von einigen dreißig Jahren, unterhielt ein Gespräch mit zwei Fremden, von denen der eine die griechische Kleidung trug ... »Als wir uns in Paris trafen, Doktor,« sagte er lachend und blies den Rauch der Zigarette in die Luft, »hätten wir beide schwerlich geglaubt, daß unser nächstes Wiedersehen am Grabe des Achilles stattfinden werde.« – »Der Kaiser hat uns seitdem tüchtig umhergejagt, und man scheint mir auch hier Adjutantendienste bei der Flotte aufbürden zu wollen. Wäre eine Vakanz auf meinem Schiffe und hätten wir hier nicht einen so lieben alten Freund, der vortrefflich mit unserem inneren und äußeren Menschen umzugehen weiß« – er reichte freundlich dem unfern mit mehreren Offizieren sich unterhaltenden Schiffsarzt die Hand – »so ließe ich Sie wahrhaftig nicht wieder fort, am wenigsten zu dem schlimmen Geschäft, das Sie vorhaben.« – »Der Mensch kommt und geht, Kapitän, Sie wissen das am besten,« sagte Welland, denn er und Caraiskakis waren es, die wir an Bord der »Veloce« wiedertreffen. – »Freilich möchte es schön sein, diese herrlichen Gewässer auf dem Schiffe eines Freundes zu durchstreifen, wenn auch die Freundschaft oder Ihre Güte sich nur aus der Bekanntschaft im Café Carozza herschreibt, das wir beide besuchten, während Sie im Marineministerium antichambrierten.« – » Merci! Ich wünschte, ich könnte meine Freundschaft Ihnen nur energischer beweisen, als durch diese Kreuz- und Querfahrt hinter einem alten englischen Segelschiffe her. Doch wissen Sie bereits, Doktor, die Orders der Admiralität sind sehr streng, und wir müssen alles vermeiden, was irgend Veranlassung geben könnte, die entente cordiale auch im kleinen zu stören.« – »Ich würde unter keinen Umständen weiter Ihren Beistand annehmen, Kapitän Fontain. Sie haben schon mehr als genug getan, indem Sie uns Ihren allgemeinen Schutz gewähren. Ich kann mir nicht denken, daß wir gezwungen werden sollten, uns wirklich um Schutz an die französische Ehrenhaftigkeit zu wenden, worauf ich als Bürger Frankreichs dann nicht ohne Anspruch bin.« – »Auf meine Ehre, Sie sollen ihn finden, und sollt' es mein Patent kosten!« – »Doch da sind wir unterm Spiegel der Fregatte,« fuhr der Kapitän fort; »Monsieur Charleron, haben Sie die Güte, steuerbord wenden zu lassen und an der Fregatte zu stoppen.«
Der zweite Leutnant eilte die Treppe über der Maschine hinauf ... » A droit! – Halt!« – Die Fregatte schob langsam am Steuerbord des »Niger« entlang ... Der französische Kapitän stand mit dem Sprachrohr in der Hand auf den Hängemattengittern ... » Bon jour, Herr Kamerad! Ist's Ihnen gefällig, beizulegen? Ich habe Besuch für Sie an Bord.« – Kapitän Warburne salutierte eben nicht besonders freundlich den Gruß ... »Zu Diensten, Herr Kapitän! Braßt die Segel! Steuer umlegen!«
Die Fregatte hielt in ihrem Lauf, während vom französischen Dampfer bereits ein Boot herunter gelassen wurde ... »Monsieur Bertaudin, Sie werden diese Herren begleiten und mit meinem Boot auf Ihre weiteren Befehle warten. Adieu, Doktor! Ich hoffe, Sie zum Diner wieder an Bord zu sehen.« – Welland und Caraiskakis, von dem Aspiranten geleitet, bestiegen das Boot, während sich der Dampfer durch einige Raddrehungen weiter von dem Engländer zurücklegte. Nach einigen Ruderschlägen waren sie seitlängs der englischen Fregatte und stiegen die Schiffswand empor ... »Sir, ich habe die Ehre, Sie zu begrüßen. Darf ich um Auskunft bitten, ob Baronet Maubridge sich an Bord Ihrer Fregatte befindet?« – »Zu Befehl!« – »Sie würden uns sehr verbinden, Sir, wollten Sie die Güte haben, ihm diese Karte zu schicken und ihm sagen zu lassen, daß wir um eine Unterredung bäten.«
Master Hunter lud die Fremden ein, näher zu treten, und schickte den nächsten Midshipman mit dem Auftrage an den Kapitän ... »Der Besuch gilt Ihnen, Maubridge,« sagte dieser. »Wollen Sie sich meiner Kajüte bedienen, so lassen Sie die Herren dahin führen.« – Der Baronet hatte die Karte des Doktors gesehen ... »Ich kenne den Herrn nicht, – wenn Sie erlauben, empfange ich den Besuch hier.« – »Wie Sie wollen. Führen Sie die Herren hierher.«
Einige Augenblicke darauf betraten Welland und der Grieche das Hinterdeck. Der Kapitän lud sie ein, auf den umherstehenden Schiffsstühlen Platz zu nehmen, und trat an das Bollwerk zurück ... »Darf ich Sie bitten, mein Herr, mir zu sagen, was mir die Ehre verschafft ...?« – »Wir kommen, Sie um einige Auskunft in Angelegenheiten Ihrer Gemahlin, Lady Maubridge, zu bitten,« sagte Welland, laut genug, um von dem Kapitän und den Leuten am Steuer gehört zu werden. – »Meiner Gemahlin, Sir? – Sie irren wohl!« Die Stirn des Baronets färbte sich dunkelrot. – »O nein, Sir; ich meine Lady Diona Maubridge, geborene Grivas!«
Der Baronet suchte gewaltsam seiner Verwirrung Herr zu werden ... »Ich wiederhole Ihnen, daß Sie sich irren; doch bitte ich, mir zu sagen, welches Recht Sie zu der Frage veranlaßt.« – »Sogleich Sir. Mein Auftrag besteht darin, Sie im Namen der Lady Maubridge um die Aushändigung des Ehekontraktes oder einer vidimierten Abschrift zu bitten.« – Der Engländer schwieg einige Augenblicke ... »Ich muß Ihnen wiederholen, daß Sie sich in betreff einer Lady Maubridge täuschen; ich bin nicht verheiratet.«
Der Grieche machte eine heftige Bewegung, doch Welland legte die Hand auf seinen Arm ... »Sie haben mir versprochen, mir die Angelegenheit zu überlassen.« – Er wandte sich wieder zu dem Baronet ... »Wir waren einigermaßen auf diese Antwort gefaßt. Doch erlauben Sie mir eine andere Frage. Sie kannten unzweifelhaft eine junge Dame im Hause des Kaufmanns Andriarchos in Smyrna, Diona Grivas.« – »Jawohl, mein Herr.« – »Was ist aus ihr geworden?« – »Diese Frage ist wirklich seltsam, doch muß ich gestehen, daß Sie mich verbinden würden, wenn Sie mir über ihr Schicksal und ihren Aufenthalt Auskunft geben könnten.« – »Die Dame wurde in der Nacht des 23. Juni aus dem Landhause des englischen Vize-Konsuls in Burnabat und aus Ihrem Schutz entführt, Sir Maubridge.«
»Sie sind sehr gut unterrichtet, mein Herr. Um es kurz zu machen, sind Sie etwa der Sendbote des Banditen, der in meine Wohnung einbrach, und kommen Sie, um irgend ein Lösegeld für das junge Mädchen zu fordern?« – »Für Lady Maubridge, Sir. Diesmal irren Sie; wir waren es selbst, welche die Dame entführten.« – »Wie, Sir?« – »Jawohl. Die Dame befindet sich gegenwärtig unter unserem Schutz, und in ihrer Vertretung kommen wir hierher, um Sie über das Schicksal derselben zu beruhigen und die weiteren Verhandlungen mit Ihnen zu führen.« – »Ich bin nicht gewohnt, mit den Genossen von Dieben und Mördern zu verhandeln. Danken Sie Gott, daß ich Sie nicht auf der Stelle wegen eines Angriffs auf britisches Eigentum und des Mordes britischer Untertanen verhaften lasse. Sie stehen auf diesem Schiff auf britischem Boden.« – »Und unter dem Schutz eines guten Freundes da drüben.«
Der Doktor wies kalt nach dem französischen Dampfer ... »Was das Recht auf die Dame anbetrifft, so hat Sir Maubridge das Beispiel der Entführung gegeben, und mein Freund, Herr Georg Caraiskakis, der Stiefbruder der Dame, konnte damals noch nicht wissen, daß Sie dieselbe bereits zu Ihrer rechtmäßigen Gattin gemacht hatten.« Der Baronet hatte jetzt seine volle Ruhe wieder gewonnen. Um seinen Mund zeigte sich ein kalter hochmütiger Zug, der von Zeit zu Zeit sein sonst so schönes Gesicht entstellte. – »Ah! Also eine der gewöhnlichen Familienpressereien, von denen ich in Smyrna so manches gehört! Nun wohl, meine Herren, ich gestehe, daß ich einen törichten Streich gemacht habe. Ihr Himmel ist heiß, aber dergleichen läßt sich hier leicht in Ordnung bringen.« – »Sir!« – »Nun ja, Sie werden doch nicht glauben, daß Sie von einer wirklichen Lady Maubridge sprechen? Ich bin zu jedem Ersatze bereit.« – »Sie leugnen, daß Sie das junge Mädchen unter dem Versprechen der Ehe entführt haben? daß eine Trauung oder eine diese ersetzende Zeremonie stattgefunden hat und Diona Grivas Ihre rechtmäßige Gattin ist?« – »Was vorgefallen, Sir, darüber werde ich Ihnen keine Rechenschaft geben. Das aber mögen Sie und dieser Herr, der wahrscheinlich kein Englisch versteht und daher die Rolle des schweigenden Bruders spielt, wissen, daß ich den Anspruch auf den Namen meiner Gattin zurückweise.« – »Sie weigern also bestimmt die Anerkennung?« – »Ich werde mich nicht so lächerlich machen, darauf weiter einzugehen; haben Sie Beweise, so reichen Sie Ihre Klage bei dem britischen Gesandten ein. Und nun, meine Herren ...« – »Einen Augenblick noch,« sagte der Grieche, indem er auf ihn zutrat. »Sie irrten, wenn Sie glaubten, ich verstände Ihre Sprache nicht. Hoffentlich werden Sie ebenso gut die Sprache eines Mannes von Ehre verstehen, der Ihnen sagt, daß Baronet Maubridge wie ein ehrloser Schurke gegen ein schutzloses Mädchen gehandelt hat!« – »Sir!« – »Die Willkür und das Unrecht, die Ihre Nation dem griechischen Volke antut, müssen wir leider tragen, aber Gott sei Dank, noch ist der einzelne imstande, das angetane Unrecht zu rächen. Ich werde Sie zwingen, meiner Schwester den Namen zu geben, der ihr gebührt.« – »Bah!« – »Bestimmen Sie Zeit und Waffen!« – »Ich schlage mich mit einem griechischen Banditen nur bei einem Angriff und Überfall, Sie wissen das.« – »Wohl, so nehmen Sie dies als Angriff ...« er hob die Hand zum Schlage, doch Maubridge kam ihm zuvor und faßte den Arm ... »Halt da – keine Beleidigung, für die ich Sie totschießen müßte; es sollte mir leid tun. Dieser Herr wird wahrscheinlich Ihr Sekundant sein.« – »Ich bin es.« – »Wohl. Der meine wird Sie noch heute aufsuchen. Wo findet er Sie?« – »Ich werde ihn in Tenedos im griechischen Kaffeehause von der nächsten Stunde ab erwarten.« – »Schön! Auf Wiedersehen.«
Er wandte sich kalt und hochmütig um und trat zu dem Kapitän, der ein stummer Zeuge der ganzen Unterredung gewesen war, indes die beiden Freunde ihr Boot anriefen und sich entfernten ... »Sie sehen, Warburne, es ist Aussicht da, daß Sie auch Ihren zweiten Midshipman zugunsten einer erledigten Baronetschaft verlieren. Lassen Sie uns zu Tische gehen.« – »Sie werden doch nicht toll genug sein, sich mit dem griechischen Landstreicher zu schlagen?« – »Es wird nichts anderes übrig bleiben, da er sich unter den Schutz unserer guten Freunde, der Franzosen, begeben zu haben scheint, und ich diese doch unmöglich sagen lassen kann, auf Ihrem Schiff wären ein paar Pistolenschüsse verweigert worden. Sie werden mir einen Ihrer Offiziere leihen, Warburne, denn ich muß nun schon die Sache zu Ende bringen.« – »Gott verdamm', ich hab' es Ihnen gleich gesagt, es kommt nichts Gescheites heraus, wo ein Weiberrock im Spiel ist. Unter uns gesagt, mein Junge, scheinen Sie in der Geschichte auch nicht besonders viel Recht zu haben.« – »Nicht das geringste,« sagte der Baronet ruhig, »es ist auch sehr leicht möglich, daß ich ganz anders gehandelt hätte, wenn die Narren mir nicht hätten Zwang antun wollen. Die Kleine ist verteufelt hübsch und versteht ihre Sache vortrefflich ... ich hätte ganz sicher Aufsehen mit ihr in London gemacht. – Doch sprechen wir nicht mehr davon. – Die Burschen müssen ihre Lektion haben.«
Der Stewart des Kapitäns meldete zum zweiten Male, daß angerichtet sei.
*
Wo der Skamandar aus dem weiten Bergtal tritt, in dessen Hintergrund der große Hügel liegt, den man das Grab des Achilles nennt, und sich durch die Ebene des Ufers zum Meere schlängelt, während der Hitze des Sommers auch kaum so groß, daß er einen Kahn zu tragen vermag, liegen im Myrtengebüsch einige jener Säulentrümmer, die am südlichen Ende der Bucht sich noch so massenhaft zeigen. Hierher, um nicht so weit von Dardanelli zu sein, hatte der Arzt das Rendezvous für den nächsten Morgen bestimmt ... Als die Freunde in der besprochenen frühen Stunde dort mit ihrer Barke eintrafen, fanden sie bereits den Baronet mit dem zweiten Leutnant des »Niger« vor, der ihm zum Sekundanten diente. Der alte Matrose Adams hatte sie mit einem Genossen hierher gerudert und betrachtete mit Neugier die Kommenden, da Maubridge ihm mitgeteilt, daß sie unter ihren Angreifern in Burnabat gewesen seien.
Der Baronet, teilnahmslos für die weiteren Verhandlungen, belustigte sich mit Pistolenschießen, wobei der Deckmeister die Aufgabe hatte, die Waffen zu laden. In seinem Charakter lag eine seltsame Mischung von Eigenschaften, wie sie in der britischen Nationalität häufig vorkommen. An und für sich edelherzig und warmfühlend, war er mit jener Vorliebe für das Seltsame, Ungewöhnliche ziemlich reichlich begabt, die seine Landsleute so häufig zu jenen exzentrischen Streichen führt, die ihnen den Ruf abgeschmackter Sonderlinge durch die ganze Welt verschafft haben. Damit verband sich jedoch ein unbändiger Starrsinn, ein Eigenwille, der jede fremde Einwirkung von außen, selbst bei der Erkenntnis des besseren, beharrlich zurückwies, und eine Schrullenhaftigkeit, die, durch Hindernisse wachgerufen, kein Mittel scheute, ihren Zweck durchzusetzen. Zu dem allen gesellte sich jene gewisse Kälte und scheinbare Gleichgültigkeit, die den Briten der höheren Stände durch die Erziehung eingeimpft zu werden pflegt.
Welland trat zu dem Baronet ... »Sir,« sagte er ernst, »erlauben Sie mir noch einmal, Sie daran zu erinnern, daß Ihre Handlungsweise die Ehre einer Familie betrifft, deren Name und Abkunft sich sicher mit der jedes englischen Pairs messen können. Aber sie trifft und bricht auch ein Herz, das in wahrer, uneigennütziger Liebe an Ihnen zu hängen scheint, und das Sie nicht das Opfer einer Handlung werden lassen dürfen, von der wir nicht wissen, ob sie Täuschung, ob sie Wahrheit war. Diona, Ihre Gattin nach göttlichem Recht, hat mir diese Zeilen an Sie gegeben und das Versprechen abgenommen, dieselben in Ihre Hand zu legen. Ich hätte es bereits gestern getan, wenn die Umstände es erlaubt hätten.« – Der Baronet nahm das Blatt, erbrach und las es. Es schien nur wenige Zeilen zu enthalten, die indes einen großen Eindruck auf ihn machten. Seine hohe schöne Stirn färbte sich wieder, wie bei der ersten Begegnung auf dem Schiff, mit fliegender Röte, und er wandte sich hastig zu dem Deutschen: »Wo ist Diona? kann ich sie sehen?« – »Sie werden es erfahren, Sir, sobald Sie meinem Freunde jenes Papier ausgeliefert haben, das im Konsulat von Smyrna unterzeichnet wurde, oder uns die Erklärung abgeben, daß Sie die Rechte Ihrer Gattin anerkennen wollen.«
Der Baronet biß sich in die Lippen ... »Sie täuschen sich in mir und haben selbst Ihr Spiel verdorben. Diona hätte mich besser kennen sollen. Wir wollen die Sache beendigen, wegen der wir uns hierher bemüht haben. Erlauben Sie nur, daß ich das Pistol entlade. Adams, auf!« – Der Deckmeister warf eine Zitrone in die Höhe, und während sie in der Luft schwebte, hob der Baronet blitzschnell das Pistol und schoß. Die Frucht stob auseinander – Welland blickte unwillig auf das prahlerische Spiel, und doch zog sich sein Herz krampfhaft zusammen bei dem Gedanken, daß das Leben des Freundes, der im vollen Recht die Ehre seiner Familie verteidigte, der sicheren Kugel des herzlosen Mannes verfallen sei.
Er wandte sich zu dem Offizier, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen ... Dies war bald geschehen, man wählte ein paar Schiffspistolen und maß die Entfernung, und zwar fünfzehn Schritt. Jeder sollte das Recht haben, nach Belieben zu schießen.
Als Welland den Freund auf seine Stelle geleitete, drückte dieser ihm herzlich die Hand ... »Sollte der Himmel gegen mich sein und mir ein Unglück passieren, so werden Sie Diona nicht verlassen und sofort an meine Brüder nach Athen schreiben. Die Adressen kennen Sie, und nun mit Gott!« – Maubridge fixierte ruhig den Griechen; es war, als wäre er seines Sieges gewiß. Der Leutnant gab das Zeichen. Einige Schritte ging Caraiskakis vor, dann schoß er ... Schiffspistolen sind eine unzuverlässige Waffe. Die wohlgezielte Kugel streifte den linken Ärmel des Baronets, und einige Blutstropfen quollen aus dem Rock. – »Schade um den Schuß!« sagte der Brite spöttisch. »Jetzt ist die Reihe an mir. Doch zuvor hören Sie einige Worte.«
Gregor stand finster vor sich blickend da, er antwortete nicht ... »Wollen Sie mir den Aufenthalt Ihrer Schwester nennen und mich das weitere mit ihr allein verhandeln lassen?« – »Nein!« – »Überlegen Sie wohl! ich lasse mir nicht trotzen und schulde Ihnen die Revanche für Burnabat.« – »Schießen Sie, Sir! Wenn ich zehn Leben hätte, würde ich sie an Ihre Verfolgung setzen und nicht von Ihrer Spur weichen.« – »Dann müssen wir freilich dazu tun, Sie daran zu hindern.« Das Pistol hob sich rasch. Ein Blitz zuckte ... ein Knall, und Caraiskakis drehte sich um sich selbst, ehe er fiel.
»Sie haben ihn ermordet!« – »Keineswegs, ich müßte denn so schlecht schießen, wie mein Gegner. Richten Sie ihn auf, die Kugel sitzt in der linken Hüfte und wird Ihren Freund wohl zwei Monate von meinem Weg abhalten. Das genügt.« Welland beschäftigte sich mit dem Verwundeten und fand es, wie der Baron in seiner kalten Ruhe gesagt. Er öffnete dem Freunde die Kleider und legte einen vorläufigen Verband an ... Gregor kam dabei wieder zu sich und schaute ihm fragend ins Gesicht ... »Beruhigen Sie sich, ich stehe Ihnen für die Kur mit aller meiner Kunst.«
Maubridge trat heran ... »Es tut mir leid um Sie, aber Sie zwangen mich. Wollen Sie jetzt – wo Sie selbst der Hilfe bedürfen, meine Bitte erfüllen und mir den Aufenthalt Ihrer Schwester nennen?« Caraiskakis machte eine heftige abwehrende Bewegung ... »Sir, stören Sie meinen Freund nicht, der Verband kann leicht aufbrechen, und der neue Blutverlust würde ihm schaden.« – »Kann ich sonst etwas für Sie tun? Mein Boot steht zu Ihrer Disposition.« – Eine abwehrende Bewegung. – »So leben Sie wohl und warnen Sie Ihren Freund, sich nicht in meinen Weg zu drängen. Kommen Sie, Malcolm.« Er verbeugte sich höflich und ging nach seinem Boot, in dem beide den Fluß eine Strecke weit hinabfuhren. Adams, der alte Matrose, ruderte sie mit seinem Gefährten stillschweigend fort.
In Gedanken, den Kopf in die Hand gestützt, saß Maubridge im Boote. Endlich schaute er auf ... »Nun, Alter, du hast nicht einmal ein Wort für mich, daß ich so gut davongekommen? Ist das deine alte Anhänglichkeit? « – Der Seemann schüttelte den Kopf ... »Ich habe Sie gekannt und Sie jedes Tau, jede Spiere am Bord gelehrt, als Sie ein Bürschchen, lange nicht so groß wie Ihr Bruder, waren. Aber schon damals waren Sie ein störrisches Blut. Was haben Sie nun davon, den Bruder niederzuschießen, nachdem Sie die Schwester unglücklich gemacht? Sie wissen selbst, daß er in seinem vollen Rechte war.« – Der Baronet zog die Stirn zusammen und legte seine Hand auf die Schulter des Matrosen ... »Du bist ein Tor und kennst mich ebenso wenig, wie alle anderen. Aber einen Dienst mußt du mir dennoch erzeigen. Rudere hinter jenen Felsenvorsprung und laßt uns dort aussteigen. Wir werden den Weg über das Land zu Fuß machen.«
Das Boot schoß in das Versteck. Als eine Viertelstunde darauf das Kaik vorüberfuhr, das den Verwundeten und seinen besorgten Freund trug, folgte das Boot des Kriegsschiffes ihm unbemerkt in einiger Entfernung die Küste entlang bis nach Dardanelli. Hier hatten die drei im Hause eines griechischen Kaufmanns ein Unterkommen gefunden, der mit der Familie Grivas verwandt war. Diona warf sich wehklagend auf den Bruder und benetzte ihn mit ihren Tränen. Nur schwer vermochte sie Welland durch die Versicherung zu beruhigen, daß keinerlei Gefahr vorhanden sei. Beide teilten sich nun in die Pflege des Bruders, doch war es Welland auffallend, daß die Griechin von Tag zu Tag schwermütiger wurde und, in sich versunken, den Zustand des Kranken wenig beachtete.
Zwei Wochen waren vergangen, als ihm plötzlich ein Fremder, der mit einem Dampfschiff von Konstantinopel gekommen, ein Schreiben brachte. Es enthielt nur wenige Worte, aber mit dem geheimnisvollen Zeichen, dessen Untertan er war. Der Brief befahl ihm, mit dem ersten abgehenden Dampfschiffe in Konstantinopel einzutreffen, und machte ihm Vorwürfe wegen seiner Versäumnis. Welland empfand selbst, daß das längere Verweilen in Dardanelli zwecklos sei, und nachdem er sich mit dem Freunde besprochen und für diesen den Schutz des französischen Konsuls und des Kapitäns der »Veloce« gewonnen hatte, schied er von den Geschwistern ... Drei Tage darauf war Diona spurlos verschwunden. Caraiskakis, noch an das Lager gefesselt, bot vergeblich alles mögliche auf, sie zu entdecken. Selbst das Einschreiten der französischen Offiziere hatte keinen Erfolg, denn Kapitän Warburne wies nach, daß sein Gast bereits lange vor des Doktors Abreise sein Schiff verlassen hatte ... Die Ungeduld, der bittere Ärger verschlimmerten aufs neue den Zustand Gregors und banden ihn ans Krankenlager, so daß er nicht einmal dem Freunde Nachricht zu geben vermochte.