Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Eilftes Kapitel.

Ueber Klosterbeicht, und Klostersegen.

Es ist zwar ein Lehrsatz der Kirche, daß Menschen vor Menschen hinknien, und der sündige Bruder dem andern sündigen Bruder, der an Gottes Statt da sitzt, die innersten Gebrechen seines Herzens aufdecke; allein die Kirche, die eine gute Mutter ist, hat dieses an sich so strenge Gesetz dadurch zu mildern gesucht, daß sie diesen Akt der Demuth nur einmal im Jahr unter einer Sünde befahl, und dabey jedem die Auswahl des Beichtvaters freystellte.

Wir haben schon aus den wenigen Gemälden dieser Galerie gesehen, daß die Mönche wahre Gesetzverdreher sind, und so ist leicht zu vermuthen, daß sie auch im Punkt der Beicht der Vorschrift der Kirche nicht werden getreu geblieben seyn.

Es gehört wirklich schon ein hoher Grad von Selbstverläugnung dazu, einem Mann, den ich nicht kenne, und der mich nicht kennt, die Schwachheiten meines Herzens zu entdecken; aber müßte man nicht alles Schamgefühl aus der Seele verbannen, um einem Vorgesetzten, der täglich um uns ist, und der uns nützen und schaden kann, alle die Fehltritte zu bekennen, die wir uns selbst kaum ohne Schamröthe eingestehen dürfen?

Und doch muß jeder Noviz seinem vorgesetzten Novizenmeister, und das nicht nur etwan einmal im Jahr, sondern wohl zwey- und dreymal die Woche seine Sünden beichten; aber vielleicht liegt gerade in dieser Gewissenstiranney der Grund, daß es so viele Heuchler unter den Mönchen giebt. Wer wird auch in Hinkunft mehr so offenherzig seine 91 Wunden herweisen, wenn er fühlt, daß man ihm so schmerzende Pflaster auflegt, und ihn seiner Fehler wegen entweder heimlich neckt, oder wohl gar öffentlich durchzieht?

Es giebt Klöster und wohl auch Prälaturen, wo sich selbst die Patres diesem Joche unterziehen, und den von ihren Obern eigends ernannten Konventbeichtvätern beichten müssen.

Diese Konventbeichtväter sind aber fast immer alte, bigotische, und unwissende Patres, die das Vertrauen ihrer Mitbrüder noch schändlicher misbrauchen können, als der Novizenmeister. Sie brechen zwar das Siegel der Beicht eigentlich nicht, aber die Obern machen aus sehr vielen Sünden einen casum reservatum. Kömmt nun ein Pater mit so einem casus reservatus angestochen, so absolvirt ihn der Konventbeichtvater nur bedingnißweise, und hinterbringt dann die Sünde dem Prälaten oder Obern.

Den Sünder darf er zwar nicht nennen; inzwischen kann es dem Vorgesetzten, der seine Leute kennt, und weiß, welche diesem Pater beichten, nicht allzuschwer werden, ihn zu errathen.

Dadurch kann es nun leicht geschehen, daß viele in ihre Beichtväter ein Mistrauen setzen, und manches verschweigen.

Wenn wir nun als ächte Katholiken annehmen, daß jede vorsetzliche Verschweigung eines Hauptverbrechens die Beicht ungiltig mache, und eine schwere Sünde sey, so muß man über diese Einrichtung erschrecken, welche das Seelenheil der Mönche so grossen Gefahren aussetzt. Allein man muß auf Abwege gerathen, sobald man sich vom Geiste der Kirche entfernt.

Schon das zu häufige Beichtgehen ist ein sträflicher Misbrauch, und eine Profanirung des Sakraments; aber es ist 92 mehr als Tiranney, jemanden einen Seelenarzt vorschreiben, zu dem man kein Vertrauen hat.Auf Reisen müssen die Mönche sogar dem Bruder beichten, den sie bey sich haben, wenn sie auch wie Hund und Katze zusammen leben.

Ein Misbrauch, der weniger schädlich, aber um so komischer ist, sind die vielen Segnungen in den Klöstern.

Jeder vernünftige Mensch weiß, daß ein Mensch den andern aus eigner Kraft nicht segnen könne, und daß das Segnen ein blosser frommer Akt sey, durch den wir den Himmel bitten, seinen Segen über den oder die, die wir gern gesegnet sähen, auszugiessen. Alles kömmt hier auf das Herz des Segnenden an. Wenn also der zärtliche Vater seinen geliebten Sohn, der vielleicht den Feinden des Vaterlandes entgegen zieht, mit thränenden zum Schöpfer emporgerichteten Augen segnet, so möchte sein Segen wohl bald so wirksam seyn, als der Segen irgend eines Pabsts, der eine ganze Nation segnet, die er nicht kennt.

Aber wie sollte bey den häufigen Klostersegnungen ein wahrer Segen seyn, da das Herz des Segnenden und des Gesegneten so wenig daran Theil nimmt, und auch nicht nehmen kann.

Daß die Prioren und Guardianen ihre Untergebne segnen, wenn sie ausgehen, ist nicht nur löblich, sondern nothwendig. Wir wissen, wie sehr der böse Feind den Klosterleuten nachstelle; sie bedürfen also, um seinen Schlingen zu entgehen, reichlichen Segen von oben; aber man kann sich des Lachens nicht enthalten, wenn man ihre übrigen Segen betrachtet.

Da giebt es einen Segen, wenn der Mönch nach Haus kömmt, wenn er auch gleich den Johannessegen mitbringt; Segen, wenn er irgend wohin einen Brief schicket, und Segen, wenn er einen erhält; Segen, wenn er ein gutes Werk verrichten will, und Segen, wenn er eines 93 verrichtet hat; Segen, ehe er in einer öffentlichen Disputation zanken will; Segen, wenn er zum Schmaus geht, Segen, wenn man ihm eine Rarität (Extraspeischen) aufsetzt; und Segen, wenn er sich statt seines Tischweins Bier oder WasserDen ökonomischen Prälaten und Prioren ist diese Segenausspendung noch am ersten zu verzeihen; denn ein Religios, der statt des Tischweins Wasser trinkt, verdient allerdings ihren Segen. einschenken läßt; Segen, wenn ihm ein Freund oder Anverwandte ein kleines Geschenk macht; Segen, vorn Schlafengehn, und Segen beym Erwachen; und also (wie der liebenswürdige Verfasser der Briefe über die Benediktinerbriefe sich ausdrückt) Segen mündlich, Segen schriftlich; Segen hinten, Segen vorne; Segen allezeit; und in der Hauptsache doch keinen wahren ernstlichen wirksamen Segen; denn mit aller der täglich tausendmal wiederholten Segensausspendung gewöhnet man sich endlich so sehr daran, daß sich weder der, welcher den Segen giebt, noch die ihn empfangen, nur mit einem Gedanken erinnern, was da eigentlich gegeben und begehret werde.

Doch vielleicht liegt den Obern nicht einmal daran, ihre Untergebene im Ernst zu segnen; vielleicht ist diese Segenertheilung ein blosser Kunstgriff, von jedem Schritt und jeder Handlung ihrer Religiosen genau Nachricht zu haben; dann können wir aber nichts darauf sagen, als daß es abscheulich sey, sich zum Spioniren so einer frommen Handlung zu bedienen, und noch abscheulicher, durch die casus reservatos ihre Untergebene in die unglückliche Lage zu setzen, das Sakrament der Buße unwürdig zu empfangen.

Doch es ist und bleibt ja eine ewige Wahrheit: Die Mönche scheuen nichts, wenn sie nur zu ihrem Zweck gelangen. 94

 


 


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