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1 | Geschaffen hat dich Gott aus Erdenstaub allein, Drum wie die Erde sollst du unterwürfig sein. |
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2 | Sei kein von Gier und Wut entflammtes Ungeheuer, Aus Erde schuf dich Gott, o sei nicht gleich dem Feuer. |
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3 | Als sich das Feu'r gesträubt mit schrecklicher Geberde, Demütigte vorm Herrn in Unmacht sich die Erde; |
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4 | Weil nun den Hochmut es, die Demut sie erkor, So ging aus ihm der Dew, ans ihr der Mensch hervor.[Der Dew, böse Geist.] |
Die schöne Parabel, die in Göthe's Diwan viel schöner. [Anfang des Buches der Parabeln.]
1 | Ein Regentröpfchen fiel aus einer Wolke Schoß, Beschämt war's, als es sah das Meer so weit und groß. |
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2 | »Da wo das Meer ist«, sprach's, »was bin ich an dem Ort? In Wahrheit, wo es ist, ein Nichts nur bin ich dort.« 139 |
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3 | Weil's mit dem Auge der Verachtung selbst sich sah, Nahm eine Muschel es ans Herz und pflegt' es da. |
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4 | Das Schicksal wendete zu solchem Ziel sein Loos, Daß eine Perl' es ward, wert eines Schahes bloß. |
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5 | Sich selbst erniedrigt' es, daß Hoheit es empfing, Pocht' an des Nichtseins Thor, daß es zum Sein einging. |
1 | Ein Jüngling von Verstand und edler Sinnesart Kam nach Rumili einst auf einer Meeresfahrt. |
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2 | Dort, als sie Adel sahn, Demut und Urteilskraft An ihm, gewährten sie ihm Aufnahm' ehrenhaft. |
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3 | Das Haupt der Brüderschaft lud eines Tags ihn ein: Halt unsere Moschee von Staub und Unrat rein. |
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4 | Sobald als dieses Wort dem Pilger zugekommen, Verschwand er, und von ihm ward nichts mehr wahrgenommen. |
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5 | Da schlossen alsofort die Jünger und der Pir, Es fehl' an Rüstigkeit des Dienstes dem Fakir.Pir, persisch soviel wie das arabische Scheich. |
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6 | Der Tempeldiener traf ihn auf der Straßen an Des andern Tags, und sprach: »Du hast nicht wohl gethan. |
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7 | Du hast wol nicht bedacht, selbstsüchtiger Geselle, Daß Männer nur durch Dienst erreichen eine Stelle.« |
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8 | Da hub er an und weint' aus lautrer Herzensglut, Und sprach zu jenem: »Freund voll Güt' und Edelmut! |
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9 | Nicht Staub noch Unrat sah ich an dem Orte dort, Und unrein war allein ich an dem reinen Ort. |
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10 | Deswegen zog ich mich zurück und dacht', es sei Besser der heil'ge Raum von Dorn und Distel frei.« – 140 |
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11 | Ein Derwisch kann nicht gehn auf anderm Ordenswege, Als daß er in den Staub sich selber niederlege. |
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12 | Wenn du Erhöhung willst, erniedre dich; denn weiter Gibt's, um auf den Altan zu steigen, keine Leiter. |
1 | Ich hört', es kam einmal an einem Festtag grade Der heil'ge Bajesid aus einem warmen Bade. |
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2 | Da goß man unversehns herab von einem Haus Voll Aschen eine Schal' ihm übern Scheitel aus. |
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3 | Er rief, Kopfbund und Haar besudelt vom Gestieb, Indem er mit der Hand des Danks sein Antlitz rieb: |
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4 | »O meine Seele, da das Feuer ich verdien', Um etwas Asche dürft' ich mein Gesicht verziehn?« – |
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5 | Die Edlen haben nie den Blick auf sich gerichtet; Selbsichtigkeit hat auf Gottsichtigkeit verzichtet. |
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6 | Wer hoch den Kopf trägt, fällt, daß er den Nacken bricht; Wenn du Erhöhung willst, so such Erhöhung nicht. |
1 | Beim Weltkind suche nicht den Heilsweg der Erbauung, Und nicht bei dem sich selbst Ansehnden Gottbeschauung. |
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2 | Wenn du dich willst erhöhn, so thu' nicht wie die Niedern, Die mit Verachtungsblick begegnen ihren Brüdern. |
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3 | Kann ein Verständiger im Wahn befangen sein, Daß er von Gravität sein Ansehn müsse leihn? |
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4 | Du kannst nicht höhern Rang dir vor dem Volk erbitten, Als daß dich's nennt den Mann von angenehmen Sitten. 141 |
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5 | Wenn Hochmut gegen dich zeigt deines gleichen einer, Mit Augen der Vernunft siehst du darum ihn kleiner; |
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6 | Auch du, wenn Hochmut du feilhalten willst, mein Guter, Erscheinest anderm so, wie dir ein Hochgemuter. |
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7 | Wenn dir vergönnet ist auf Höhen hin zu wallen, So lach, o Weiser, nicht ob jenem, der gefallen. |
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8 | Denn mancher stand wol hoch und ist zu Fall gekommen, Und seinen Platz hat ein Gefallner eingenommen. |
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9 | Gesetzt auch, daß an dir nicht mög' ein Fehler haften, Deswegen schelten mußt du nicht mich fehlerhaften. |
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10 | Der Kaaba Pfortenring mag hier der eine ziehn, Und dort der andre fall' in Schenken trunken hin; |
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11 | Wenn diesen Er beruft, wer will ihn ein nicht lassen? Und treibt Er jenen aus, wer holt ihn von der Straßen? |
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12 | Auf seine Werke kann sich jener nicht berufen, Und nicht vor diesem sind verlegt der Reue Stufen. |
Dies Stück ist eine Umbildung der neutestamentlichen Parabel vom Pharisäer und Zöllner im Tempel, und teilt die Mängel ähnlicher Stücke biblischen Ursprungs im Koran, in welchen die Eigentümlichkeit und Anschaulichkeit eines besondern Zustandes überall erst in ein Allgemeines verschwommen, dann aus diesem ein phantastisches Fratzenhaftes herausgebildet ist. Gleichwol wird man hier nicht verkennen, wie über einen zerstörten alten Stoff eine neue Poesie am Ende glorreich triumphirt.
1 | Die Überlieferer des heil'gen Wortes sagen, Daß (Friede sei mit ihm!) vordem in Jesu Tagen |
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2 | Gelebt ein Mann, von dem das Leben war verloren, Weil er im Pfade ging der Irren und der Thoren; |
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3 | Ein frecher, ein schwarzangeschriebner, herzenshart, Von des Unsauberheit beschämt selbst Iblis ward.Iblis, diabolus. 142 |
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4 | Er hatte seine Tag' unnütz in Wind gestreut, In seinem Leben nie ein Menschenherz erfreut. |
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5 | Sein Kopf leer von Vernunft, und voll von Einbildungen, Sein Bauch von Bissen feist, die frevelnd er verschlungen; |
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6 | Von Unrechtfertigkeit war ihm der Saum beschmitzt, Und seiner Sünden Schmutz den Sein'gen angespritzt. |
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7 | Ihm fehlt' ein Fuß, um grad wie Sehende zu gehn, Ein Ohr, um guten Rat wie Menschen zu verstehn. |
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8 | Die Leute flohn vor ihm alswie vor bösen Zeiten, Einander zeigend wie den Neumond ihn von weiten. |
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9 | Sein Speicher ward verzehrt von Lohen seiner Lust, Und guten Namens war kein Körnchen unterm Wust. |
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10 | Soweit sein Schwelgen trieb er, der sich schwarz anschrieb, Daß schon in seinem Buch kein Raum zu schreiben blieb: |
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11 | Ein Diener seiner Lüst', in Geistesschlaf versunken, Am Tag und in der Nacht im Taumel und betrunken. |
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12 | Ich hörte nun, daß aus der Wüste Jesus kam, An eines Beters Schrein den Weg vorüber nahm. |
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13 | Da stieg der Eremit hernieder aus der Zelle, Und fiel zu Füßen ihm, den Kopf gesenkt zur Schwelle. |
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14 | Von weitem aber stand der glückverlassne Sünder, Geblendet, wie vom Licht ein Schmetterling, nicht minder |
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15 | Sehnsüchtig sah er drein mit der Beschämung Zeichen, Alswie ein Bettler auf die Hand sieht einem Reichen. |
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16 | Vergebung rief er an mit leiser Herzensklage Für die in Geistesschlaf verbrachten Nächt' und Tage. |
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17 | Des Kummers Thräne rann vom Aug' ihm wie ein Bach: »In Geistesschlafe ging dahin mein Leben, ach! |
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18 | Des Lebens baares Geld hab' ich geworfen hin, Und mir zu Handen kam des Gutes kein Gewinn. |
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19 | O möchte so wie ich das Leben Keiner haben, Der so viel besser, als am Leben, ist begraben. 143 |
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20 | Geborgen ist, wer in der Zeit der Kindheit starb, Daß er mit greisem Haupt Beschämung nicht erwarb. |
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21 | Der du erschufst die Welt, die Sünde von mir nimm! Denn wenn sie bei mir bleibt, ist die Gesellschaft schlimm.« |
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22 | So betet' er, das Haupt beschämungsvoll gesenkt, Die Wange von der Flut sehnsücht'ger Reu getränkt. |
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23 | Indes wehklagend hier der alte Sünder stand: »Hilfreicher Hort der Welt, o reiche mir die Hand!«, |
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24 | Erhob der Fromme dort sein Haupt voll Selbstvertrauen, Und wies dem Bösewicht von weitem herbe Brauen: |
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25 | »Was hat den Taugenichts gebracht auf unsre Spur? Der Unglückselige, was will bei uns er nur? |
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26 | Der über Hals und Kopf gestürzt ist in das Feuer, Und der dem Wind der Lust preisgab des Lebens Scheuer; |
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27 | Was hat Verdienstliches seine befleckte Seele, Daß er zum Umgang mich und den Messias wähle? |
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28 | Daß die Beläst'gung er von hinnen nehme nur, Und zu der Hölle fahr' auf seiner Werke Spur! |
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29 | In Unmut macht mich sein unholder Anblick wallen; Ich fürchte, daß auf mich sein Feuer könne fallen. |
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30 | Wo die Erstandenen zu der Versammlung gehn, Laß mich nicht dort, o Gott, mit diesem auferstehn!« – |
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31 | In dieser Stunde kam vom Herrn der Majestät Eröffnung Jesu zu (ihm sei Preis und Gebet): |
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32 | »Wenn der ein Weiser hier, und der dort ist ein Thor, Dem Anruf beider will ich nicht entziehn das Ohr. |
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33 | Der, dem des Lebens Tag in der Verkehrtheit schwand, Geschrien hat er zu mir aus Herzens Weh und Brand. |
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34 | Wer aber zu mir kommt hülflos in seiner Schuld, Will ich nicht werfen von der Schwelle meiner Huld. |
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35 | Erlassen sei ihm was in Werken er verstieß, Durch meine Gnade nehm' ich ihn ins Paradies. 144 |
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36 | Und wenn der fromme Mann desselben sich will schämen, Im ewigen Palast den Sitz bei ihm zu nehmen, |
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37 | Wolan, daß seiner Ehr' es keinen Eintrag thut, Zum Garten bringen soll man jenen, ihn zur Glut.« – |
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38 | Denn dieser stützte sich auf seine Frömmigkeit, Indessen jenem war das Herz voll blut'gem Leid. |
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39 | Nicht wußt' er, daß vorm Thron des allgnugsamen Reichen Hilflosigkeit mehr gilt, als stolzer Selbstsucht Zeichen. |
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40 | Wem rein ist das Gewand, der Wandel ist befleckt, Kein Riegel ist für ihn der Hölle vorgesteckt. |
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41 | An dieser Schwelle sind für dich Armut und Schwächen Besser als frommer Dienst und Selbstsichheiligsprechen. |
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42 | Wenn du für gut dich hältst, bist du ein schlechter Baum; In jener Selbstigkeit ist nicht für Selbstheit Raum. |
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43 | Bist du ein Mann, sprich nicht von deiner Mannheit all! Viel Ritter hat der Schah, nicht jeder schlägt den Ball. |
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44 | Wie Zwiebel lauter Haut fand sich ein Wicht beim Schluß; Wer dacht', es sei in ihm ein Kern wie in der Nuß? |
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45 | Ein solcher Gottesdienst wird dir nicht wohl gedeihen; Geh, bitte du den Herrn, den Fehldienst zu verzeihen! |
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46 | Was ist ein Trunkenbold, der taumelnd irre geht? Was ein sich selber schwer es machender Asket? |
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47 | Askes' und Gottesfurcht und Reinheit übe ja; Nur treib' es weiter nicht als selber Mustafa![Mustafa, Mohammed.] |
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48 | Stell' übermäßig auch das Weiße nicht zur Schau; Denn weiß und schwarz zugleich ist widerwärtig grau: |
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49 | Nicht Nutzen hat vom Dienst der unverständ'ge Knecht, Der gut ist gegen Gott und gegen Menschen schlecht. |
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50 | Von weisen Männern bleibt das Wort zum Angedenken; Von Saadi mögest du nur dieses Wort bedenken: 145 |
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51 | Ein Sünder, der in Furcht sich vor dem Herren neigt, Ist besser als wer fromm im Dienst sich gerne zeigt. |
1 | Ein Rechtsgelehrter, alt von Kleidern, leer von Hand, Saß in der Gäste Reihn beim Kadi längs der Wand. |
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2 | Der Kadi lenkte scharf nach ihm des Blickes Lauf, Und der Aufpasser nahm beim Ärmel ihn: »Steh auf! |
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3 | Ist es dir nicht bekannt? so hoch ist nicht dein Ort; Sitz' unten hin, und willst du dort nicht sein, geh fort! |
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4 | Den Vorsitz führen ist nicht jedermanns Belang; Dem Vorzug wird die Ehr' und dem Verdienst der Rang. |
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5 | Warum soll man dich hier noch ferner sehn und rügen? Diese Beschämung laß als Strafe dir genügen.« – |
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6 | Wer sich den niedern Sitz in Ehren läßt gefallen, Der wird in Schande nicht herab vom höhern fallen. |
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7 | Vor Angesehenen sollst du nicht stolz dich brüsten; Hast du nicht Klau'n, laß dich nicht Leuenart gelüsten. – |
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8 | Da sah der weise Mann in Bettelmannsgewanden, Daß, wo er saß, das Glück von ihm war aufgestanden, |
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9 | Ohnmächtig schnob er Dampf und Rauch wie Feueressen, Und setzte niederer sich hin als er gesessen. |
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10 | Der Rechtsgelehrten Chor begann zu disputiren, In Eifermut von Nie und Nicht zu discutiren. |
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11 | Sie machten unter sich das Thor der Zwiespalt weit, Und steiften strack aus Ja und Nein den Hals im Streit. |
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12 | Sie waren Hähnen gleich kampfmutigen zu schauen, Die sich zu Leibe gehn mit Schnäbeln und mit Klauen. |
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13 | Der war wie außer sich, berauscht von Zorn, und frisch Mit beiden Fäusten schlug ein andrer auf den Tisch. |
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14 | Verwickelt waren sie in Knoten über Knoten, Zu deren Lösung war kein Ausweg dargeboten. 146 |
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15 | Der Mann im alten Kleid, der unterst' in der Reihe, Alswie ein Leu im Forst einbrach er mit Geschreie, |
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16 | Und rief: »Ihr Obersten im Lager des Propheten, Um Offenbarung, Recht und Schule zu vertreten! |
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17 | Beweise bündige sind's, die den Sieg gewannen, Des Halses Sennen nicht, die zum Disput sich spannen. |
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18 | Zum Spiele führ' auch ich den Schlägel und den Ball.« Sie sprachen: »Wenn du weißt das Rechte, sag es all!« |
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19 | Nun richtet' er aufs Knie der Ehre sich empor, Und löste seine Zung', und schloß den Mund dem Chor. |
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20 | Wie er zum Sachbeweis, beredten Griffels, ging, Grub er ihn Herzen ein, wie ein Gepräg dem Ring. |
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21 | Er hob vom Bildlichen das Haupt zum Wesentlichen, Bis die Behauptungen er rings hatt' ausgestrichen. |
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22 | Man rief ihm Heilgruß zu von jedem fernsten Teil: »Heil über deinen Sinn und Geist, vieltausend Heil!« |
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23 | Worauf er weiter noch das Roß der Rede trieb, Daß eselgleich im Kot der Kadi stecken blieb. |
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24 | Den eignen Turban holt' er aus der Kammertruh', Mit Ehr' und Freundlichkeit schickt' er ihn jenem zu: |
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25 | »Ich habe leider erst nicht deinen Wert erkannt, Zu deiner Ankunft nicht den schuld'gen Dank verwandt. |
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26 | Mir thut von Herzen leid, in solchem Hochberufe Dich, wie du bist, zu sehn auf also niedrer Stufe.« |
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27 | Der Diener eilte hin mit herzlichem Verbinden Des Kadi Turban ihm sogleich ums Haupt zu winden. |
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28 | Das wehrt' er ab mit Hand und Munde: »Bleib mir weit! Nicht lege mir ums Haupt den Fußblock Eitelkeit! |
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29 | Ich würde morgen vor altrockigen Gesellen Den Kopf steif halten mit dem Bund von funfzig Ellen.Der Kopfbund; die 50 Ellen wol sprichwörtlich übertrieben. 147 |
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30 | Wenn sie mich Mewlana und Vorsitzführer nennten, Wie leicht dann andre mir verächtlich scheinen könnten! |
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31 | Kommt lauterm Wasser wol ein Unterschied davon, Ob man in Krug' es schöpft von Silber oder Thon? |
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32 | Vernunft ist noth im Haupt des Mannes und Gehirne, Nicht noth ist mir gleich dir ein Turban um die Stirne. |
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33 | Nicht durch Großköpfigkeit wird man zum großen Herrn; Der Kürbis auch ist groß von Kopf und ohne Kern. |
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34 | Stolzire mit dem Bund und mit dem Bart nicht so; Denn nur von Baumwoll' ist dein Bund, dein Bart von Stroh.von Stroh, bildlich: wie Heu, Stoppeln &c. |
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35 | Diejenigen, die sich nur nach dem Bilde zeigen Wie Menschen, besser ist's, wenn sie wie Bilder schweigen. |
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36 | Begründe deinen Wert mit guter Eigenschaft, Und nicht alswie Saturn sei hoch und unglückhaft.Saturn, ein Unglückstern. |
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37 | Das Schilfrohr strecke sich zur Höhe nur empor, Doch in sich selbst bewahrt den Wert das Zuckerrohr. |
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38 | Verstand und Hochsinn schreibt dir niemand zu deswegen, Weil hundert Sklaven dich begleiten auf den Wegen. |
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39 | Wie richtig hat gesagt die Eselsperl' im Lehmen, Die ein Unwissender begierig wollt' aufnehmen:Eselsperle = unechte oder Glaskoralle, womit man Pferde- und Eselsgeschirre schmückt, die also oft in Lehm (Kot) fallen mögen. |
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40 | Ein Kluger wird für mich nicht geben einen Deut; Wer mich in Seide faßt, der ist nicht recht gescheut. |
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41 | Meinst du, daß höhern Wert gemeines Gras empfängt, Wenn's in die Mitte sich von Purpurnelken drängt? |
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42 | Kein Vorzug ist durchs Gut dem reichen Mann verliehn; Esel ist Esel, deckst du gleich mit Atlas ihn.« – |
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43 | In dieser Weise wusch mit frischem Redeborn Der redekund'ge Mann aus seiner Brust den Zorn. 148 |
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44 | Ein Herzgekränkter pflegt ein scharfes Wort zu führen; Wo dir ein Gegner liegt, da mußt du rasch dich rühren. |
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45 | Wenn sich die Hand dir beut, schlag' deinen Feind aufs Haupt; Durch die Gelegenheit wird das Gemüt entstaubt. |
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46 | Den Kadi ließ er so getroffen von dem Schlag, Daß er verzweifelnd rief: »Das ist ein Unglückstag!« |
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47 | Er nagte sich die Hand des schlimmen Handels wegen; Wie einen Wunderstern starrt' er ihn an verlegen. |
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48 | Der rüst'ge wendete voll Mut sein Angesicht, Ging weg, und fürder fand man seine Spuren nicht. |
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49 | Die Edlen des Gelags erhuben ein Geschrei: »Der Übermütige, von wo kam er herbei?« |
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50 | Ein Scherge rannt' ihm nach, um rings umher zu spähn: »Wer hat hier einen Mann von solcher Art gesehn?« |
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51 | Und einer sprach: »Uns ist ein Redner so gewandt Nur einer in der Stadt, nur Saadi uns bekannt.« – |
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52 | Ein Heilgruß tausendfach sei dem, was er gesprochen; Die herbe Wahrheit ward nie lieblicher gesprochen. |
1 | Es war ein Fürstensohn vordem in Gendsche's Auen, Ein »Gott behüte dich vor den unheil'gen Klauen«; |
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2 | Er kam in die Moschee betrunken mit Gesang, Den Kopf voll Wein, indes die Hand den Humpen schwang. |
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3 | Doch hatt' im heil'gen Schrein ein Frommer seinen Ort, Sein Herz einfältig, herzgewinnend war sein Wort. |
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4 | Es waren Lernende versammelt um den Lehrer; Kannst du kein Lehrer sein, sei wenigstens ein Hörer. |
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5 | Unehrerbietung ward vom Trotzigen geübt; Den' Ehrenwerten ward dadurch das Herz betrübt. |
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6 | Wo sich in schlechter Sitt' ergehn des Fürsten Schritte, Wer wagt da laut das Wort zu reden guter Sitte? 149 |
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7 | Der Rose fühlen läßt die Übermacht der Lauch, Und vor der Trommel Schall verstummt der Flöte Hauch. |
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8 | Wenn einem Unfug du zu wehren hast die Hand, So sitze nicht wie hand- und fußlos festgebannt. |
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9 | Und wenn dir fehlt die Hand der Thatkraft, nun so sprich; Denn das Gemüte durch Ermahnung reinigt sich. |
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10 | Blieb nicht der Hand und nicht der Zung' ein Spielraum frei, Zeigt durch Gesinnungen ein Mann, daß Mann er sei. – |
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11 | Vorm weisen Manne, der still saß in dem Verschluß, Weint' einer laut, das Haupt tief senkend vor Verdruß: |
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12 | »Sprich einmal ein Gebet ob jenem frechen Mann; Denn wir sind ohne Zung' und ohne Hand im Bann. |
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13 | Ein brünst'ger Odemzug aus einer Brust voll Heil Wirkt siebzigmal soviel als Pfeilwurf oder Beil.« |
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14 | Der welterfahrne Greis erhob darauf die Hände Und sprach: »O Herr der Welt am Anfang und am Ende! |
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15 | Dem jungen Manne geht die Zeit nach Wohlgefallen; Gott, laß ihm alle Zeit in Lust vorüberwallen!« |
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16 | Ein Schüler sprach zu ihm: »O Muster der Gerechten, Warum erbittest du das Gute für den Schlechten? |
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17 | Wenn Heil dem Bösewicht du flehest vom Belohner, Hast Unheil du erfleht für alle Stadtbewohner.« |
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18 | Der Mann mit scharfem Blick des Geistes aber sprach: »Verstehst du nicht das Wort, so schweig und denke nach. |
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19 | Ich bin mit leerem Prunk nicht ins Gelag gegangen; Ich bat, daß er vom Herrn Bekehrung möcht' erlangen. |
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20 | Sobald zurück er kommt von seiner schlimmen Weise, Wird er zu ew'ger Lust eingehn im Paradeise. |
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21 | Die ganze Lust ist hier nur die Fünftagefrist, Die für beständige dort hinzugeben ist.« |
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22 | Die Worte, die der Mann der wohlberedte sprach, Sprach einer jener Zahl beim jungen Fürsten nach. 150 |
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23 | Ins Auge wolkengleich trat ihm der Rührung Thau, Den Strom der Reu ergoß er auf die Wangenau. |
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24 | Der Strahl der Sehnsucht kam mit Glut ihn zu durchzücken, Scham heftete den Blick ihm auf des Fußes Rücken. |
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25 | Zum menschenfreundlichen Weltweisen sendet' er, Pochend ans Thor der Buß': »O komm zum Beistand her! |
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26 | Bemühe deinen Fuß, auf daß mein Haupt ich beuge, An Ungerechtigkeit und Thorheit Reu bezeuge.« – |
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27 | Am Thore war das Heer zweireihig aufgestellt, Als der Beredtsame betrat des Schahes Zelt. |
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28 | Da sah er Zucker, Wein und Seim und Kerzen drin, Das Haus der Lust gebaut, und wüst der Menschen Sinn: |
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29 | Ganz außer sich der ein', und halbberauscht der eine, Ein andrer sang ein Lied und schwang ein Glas mit Weine. |
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30 | Von einer Seit' erhob der Spielmann Tönebraus, Und von der andern rief der Schenke: »Trinket aus!« |
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31 | Hier Zecher, taumelnde, von Weinrubin bethaute, Dort Lautner, deren Haupt vor Schlaf sank gleich der Laute. |
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32 | Da waren allen hochgemuten Trinkgenossen, Nur der Narzisse nicht, die Augen halb geschlossen. |
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33 | Aduff und Laute mit einander stimmten ein In leise klagenden klangvollen Melodein. |
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34 | Der Weise gab Befehl und alles ward zerschlagen, In Hefen ward verkehrt das lautre Lustbehagen. |
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35 | Das Lautenspiel zerbarst, das Saitenspiel zersprang, Und aus dem Kopf verlor der Sänger seinen Sang. |
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36 | Die Tonn' im Schenkgemach vom Wurf des Steins geschröpft, Der Kürbis hingepflanzt und mit dem Schwert geköpft.Der Kürbis, Kürbisflasche oder von der Ähnlichkeit überhaupt Flasche. |
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37 | Getränke floß, darin die Laute köpflings sank, Indes die Ent' im Blut aus ihrem Bauch ertrank.Ente scheint ein Gefäß [Rückert übersetzt nach dem Texte bei Harington]. 151 |
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38 | Das Faß, das mit dem Wein neun Monat schwanger war, Kam ins Gedräng, daß es sein Kindlein fehlgebar. |
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39 | Auf bis zum Nabel ward der Bauch geschlitzt dem Schlauch, Der Becher hatte Blut darob im Thränenaug'. |
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40 | Der Mann ließ das Gestein des Estrichs in dem Saal Aufbrechen und den Ort neu machen allzumal. |
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41 | Denn durch Abwaschen war von rosenfarbnem Wein Die rothe Schminke nicht zu bringen aus dem Stein. |
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42 | Kein Wunder, daß Mißfarb' und Wüstheit ihn befiel: Er hatt' an diesem Tag getrunken gar so viel. |
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43 | Der junge Mann, berauscht von Übermut und Dünkel, Saß wie ein frommer Greis nun in der Andacht Winkel. |
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44 | Der Vater mahnte sonst voll Ernst ihn fort und fort: »Anständig sei dein Thun, und säuberlich dein Wort.« |
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45 | Er trug des Vaters Zorn, Gefängnis, Kerkerhaft; Nichts wirkte so alswie ein gutes Wort voll Kraft. |
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46 | Der milde Redner, hätt' er ihm gesagt mit Strenge: »Räum' aus dem Kopfe flugs Rausch, Jugend und Gesänge«, |
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47 | So hätt' ihm seines Wahns Einbildung eingegeben, Daß er den Derwisch nicht gelassen hätt' am Leben. |
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48 | Den brüllenden Löwen schreckt nicht die geballte Faust, Wie vorm gezückten Schwert der Tiger nicht ergraust. |
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49 | Mit Lindigkeit kann man dem Feind das Fell abziehn; Begegne hart dem Freund, zum Feinde machst du ihn. |
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50 | Mag einer hartgestirnt alswie der Amboß sein, Der Hammer guter Zucht geht seinem Kopf doch ein. |
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51 | Führ auf den Fürsten nicht des Wortes harten Streich; Wenn er dir Starrheit zeigt, erzeige du dich weich. |
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52 | Bequeme du der Art von jedermann dich an, Sei er ein Oberhaupt, sei er ein Unterthan. |
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53 | Der übern Kopf das Kleid des Trotzes zieht, geh ihn Mit sanfter Red' an, und er wird den Kopf einziehn. 152 |
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54 | Die süße Zunge führt den Schlägel nach dem Balle; Der Ungestüm nur führt im Mund beständig Galle. |
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55 | Von Saadi mögest du Süßmundigkeit erwerben; Und mag der Sauertopf an seiner Schärfe sterben! |
1 | Ein Zuckerlachender bot Honig zum Verkauf, Von dessen Süße ging Feu'r in den Herzen auf; |
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2 | Ein schlank Gewächs im Gurt alswie ein Zuckerrohr, Und mehr als Fliegen war um ihn ein Käuferchor. |
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3 | Und wär' er meinethalb mit Gift zu Markt gesessen, Sie hätten's aus der Hand wie Honig ihm gegessen. |
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4 | Da warf ein Sauertopf auf ihn den Blick und nahm Es übel, daß so rasch im Schwunge war sein Kram. |
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5 | Am andern Tage fing er an einher zu ziehn Mit Honig auf dem Kopf und Essig in der Mien'. |
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6 | Mit jämmerlichem Schrei'n rannt' er vor und zurücke, Nicht mocht' auf seinen Seim sich setzen eine Mücke. |
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7 | Nachts, als ihm kein Erlös war in die Hand gekommen, Saß er im Winkel hin mit Mienen herzbeklommen: |
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8 | Wie bei Strafpredigten der Sünder Fratzen zieht; Wie des Gefangnen Brau', wenn er den Festmond sieht. |
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9 | Da sprach das Weib mit Scherz zu ihrem Ehgemahle: »Der Honigseim wird herb in eines Mürr'schen Schale.« – |
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10 | Zur Hölle bringt den Mann ein finsteres Gemüte, Denn freundlich Wesen ist des Paradieses Blüte. |
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11 | Geh, und das Wasser trink' lauwarm vom Flußgestade Ehr als vom Mürrischen eiskalte Limonade. |
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12 | Verpönt sei dessen Brot, der, wo er Gäste sieht, Zusammen seine Brau' alswie sein Tischtuch zieht. 153 |
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13 | Mach, guter Freund, dir selbst es schwer nicht in der Welt! Des Übellaun'gen Glück ist auf den Kopf gestellt. |
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14 | Gesetzt auch, daß du hast kein Silber und kein Gold; Warum hast du kein Wort, wie Saadi, süß und hold? |
1 | Ich hört', ein weiser Mann und frommer Gottesknecht, Am Kragen packt' ihn jüngst ein Schlemmer weinbezecht. |
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2 | Vom finstergeistigen bekam der klargemute Manch einen Schlag, doch nicht in Wallung kam der Gute. |
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3 | Zu ihm sprach einer: »Ei, bist du nicht auch ein Mann? Von solchem Wichte das zu leiden geht nicht an.« |
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4 | Dem Worte hörte zu der Mann von reinen Sinnen, Und sprach: »Laß dir nicht mehr ein solches Wort entrinnen! |
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5 | Ein trunkner Thor zerreißt wol eines Mannes Kragen, Der sich mit einem Leu'n des Kampfs getraut zu schlagen; |
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6 | Doch hat's ein nüchterner verständiger verschworen, Zu zucken eine Hand auf einen trunknen Thoren.« |
1 | Ein Hund biß in den Fuß einst einen Bauersmann, So grimmig, daß das Gift ihm von den Zähnen rann. |
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2 | Vorm Schmerz des armen Manns kam Nachts kein Schlaf auf ihn; Da war sein Töchterchen mit bei den Leuten drin; |
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3 | Die schalt den Vater hart: »So ließest du vom Hunde Dich beißen? Hattest du denn nicht auch Zähn' im Munde?« |
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4 | Da, nach dem Weinen, kam dem schwerbedrängten Mann Das Lachen, und er sprach: »Großmütterchen, hör' an![Das Lachen; in Rückert's Manuscript steht hier nochmals »das Weinen«, offenbar nur durch einen Schreibfehler.] 154 |
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5 | Wenn ich ihn auch so gut, wie er mich, konnte packen, So that es doch mir leid um meine Zähn' und Backen. |
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6 | Nicht möglich wär' es mir, sollt' ich des Todes sein, Zu setzen meinen Zahn an eines Hundes Bein.« – |
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7 | Die Bissigkeit mag von Natur der Hund wol haben, Doch einem Menschen stehn nicht wohl an Hundegaben. |
1 | Es war ein Edler einst das Musterbild der Gegend, Bei dem ein Sklave dient', unholde Sitten hegend, |
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2 | Von jenem Kaffernvolk mit Haaren strupp und kraus, Bosheit goß über sein Gesicht Weinessig aus.im Text ein Wort, das man chafrakî lesen kann und das ich nicht anders zu deuten weiß. [Nach den Wörterbüchern ein Schimpfwort.] |
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3 | Wie einen Drachen sah man stets den Mund ihm geifern; Mit allen Häßlichen der Stadt konnt' er wetteifern. |
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4 | Die Backen trieften ihm von einem Auggewüchse, Und stets kam ein Geruch von Zwiebeln aus der Üchse.Üchse = Achselgrube. |
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5 | Von seinem Anblick fiel ein Grausen auf die Glieder; Und that er einen Gang, kam ewig er nicht wieder. |
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6 | Er runzelte die Stirn, wann eben ward gebacken:wann gebacken ward = ehe Essenszeit ist. Das Brot wird zu jeder Mahlzeit frisch gebacken, wie jetzt noch bei den Pflanzern in Arkansas. Und wann gebacken war, saß er dem Herrn im Nacken;im Nacken. Text: am Knie = er drängte sich an ihn (zur Schüssel). |
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7 | Solang zu essen war, würd' er vom Platz nicht weichen: Und stürb' er Durstes, würd' er ihm kein Wasser reichen. |
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8 | Verfangen mocht' an ihm kein Wort und auch kein Schlag; Er brachte in Tumult das Haus bei Nacht und Tag. |
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9 | Er legte Distel bald und Dorn auf Weg' und Tennen, Und trieb ein andermal ins Wasserloch die Hennen. 155 |
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10 | Da sprach zum Herrn ein Freund: »Von diesem Widerwart, Sprich, was erwartest du von guter Sitt' und Art? |
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11 | Des Daseins ist nicht wert der Bursche sonder Huld, Und du erträgst von ihm die Unbild mit Geduld. |
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12 | Ich will dir einen schön und guten Sklaven schaffen, Den aber mag geschwind der Sklavenhändler raffen. |
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13 | Beut er dir einen Deut, nimm, und verschmäh ihn nicht; Denn, wenn du's recht erwägst, gar nichts ist wert der Wicht.« |
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14 | Die Rede hörte so der Mann voll Herzensgüte; Da lächelt' er und sprach: »O Freund voll Adelsblüte! |
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15 | Der Bursch ist freilich schlecht von Sinn' und Art, doch nur Durch ihn wird Gütigkeit mir selber zur Natur. |
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16 | Denn, wenn ich werde viel Geduld mit ihm erst üben, So wird mich Unbill auch von andern nicht betrüben.« – |
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17 | Geduld ist anfangs dir wie Gift, doch bald genug Wird sie wie Honig, wenn in dir sie Wurzel schlug. |
1 | Wer ist es, der den Weg Maruf's von Karch betrat, Der nie aus seiner Brust die Herzensgüte that! |
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2 | Ich hörte, zu ihm kam ein Gast, ein kranker nun, Dem bis zum Tode blieb ein einz'ger Schritt zu thun. |
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3 | Die Farbe vom Gesicht, das Haar vom Kopfe ging, Und seine Seel' im Leib an einem Haar noch hing. |
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4 | Doch macht' er Nachtquartier und legte seinen Pfühl, Worauf er alsobald in Klag' und Schrein verfiel. |
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5 | Nicht einen Augenblick kam Schlaf ihm Nachts ins Aug', Und durch sein Winseln kam Schlaf in kein andres auch. |
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6 | Er hatt' unholden Sinn, Gemütsart ungeschlachte, Ein Mensch, der selbst nie starb und andr' ums Leben brachte. 156 |
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7 | Sein Schrein und ruhloses Aufstehn und Niederlegen Trieb jedermann im Haus zur Flucht auf allen Wegen. |
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8 | Von allen blieb am Ort nicht eines groß noch klein, Der Krank' allein blieb und Maruf bei ihm allein. |
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9 | Ich hörte, daß im Dienst er Nächtelang nicht schlief, Sich schürzte wie ein Mann, und that was jener rief. |
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10 | Einst überkamen ihn des Schlummers Heeresmächte: Wer ist, der ohne Schlaf es lang' aushalten möchte? |
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11 | Doch Augenblicks, wie ihm die Augen nickten ein, Hub an der Reisende sein sinnverwirrtes Schrein: |
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12 | »Verwünscht sei dies Geschlecht, unsauber wie sie sind, Ein Schimmer nur und Schein, ein Heuchelschaum und Wind. |
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13 | Ihr Glaub' ist schmutzig, nur ihr Kleid ist rein genug, Sie bringen Gottesfurcht zu Markt und bergen Trug. |
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14 | Was fragt ein Blähewanst, von Wein und Schlaf betrunken, Nach einem Armen, dem kein Auge zugesunken!« |
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15 | Die schnöde Rede gab er dem gutmüt'gen Mann, Weil einen Augenblick das Aug' er zugethan. |
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16 | Gutmütig schluckte der's und schwieg zu alle dem, Da hörten das Getös die Schönen im Harem. |
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17 | Geheim zum Manne sprach ein Weib aus dem Gemach: »Hast du vernommen, was der freche Bettler sprach? |
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18 | Geh hin, o sag ihm stracks: ›Pack aus und mach dich fort, Plag' uns nicht hier, und stirb an einem andern Ort!‹ |
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19 | Güt' und Barmherzigkeit am rechten Ort ist recht, Doch gegen schlechtes Volk Gutmütigkeit ist schlecht. |
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20 | Dem Niederträchtigen leg nicht den Kopf aufs Kissen; Dem Leuteplager sei ans Haupt ein Stein geschmissen. |
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21 | Beim Ungeschliffnen ist nicht Artigkeit am Platze; Man streichelt nicht dem Hund den Rücken wie der Katze.Der Hund ist ein unreines verachtetes Thier, die Katze selbst vom Propheten gestreichelt. 157 |
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22 | Nicht mit Eiswasser sollst du einen Tölpel laben; Und thust du's doch, so schreib in Schnee nur dein Guthaben. |
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23 | Nie sah ich solch ein Thun wie des vertrackten Wichts; Thu dem nichtswürdigen nur auch zu Gute nichts.« |
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24 | Als diesen Strafsermon gethan die Frau vom Haus, Stieß der gutmüt'ge Mann erst einen Seufzer aus, |
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25 | Dann lächelt' er und sprach: »O du, des Gatten Licht, Laß dir nicht wirren, was ein Geisteswirrer spricht. |
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26 | Wenn aus unsanfter Lag' er schreit zu mir empor, So nehm' ich sänftlich sein Unsänftliches ins Ohr. |
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27 | Man muß ein hartes Wort von einem solchen Mann Nicht hören, der vor Ungemach nicht schlafen kann.« – |
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28 | Weil an dir selbst du siehst Gesundheit und Behagen, Sollst du aus Dankbarkeit die Leidenden ertragen. |
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29 | Doch wenn du fühllos nur bist wie ein Bild gewesen, So stirbst du und dein Ruhm wird wie dein Leib verwesen. |
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30 | Doch widmest du dem Baum der Milde deine Zucht, So ißest du davon des guten Namens Frucht. |
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31 | Zum Glück der Herrschaft hebt ein Mann das Haupt hinan, Wenn er das Diadem des Stolzes abgethan. |
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32 | Stolz brüstet einer sich auf Hoheit, die vergeht, Und weiß nicht, daß in Huld der Hoheit Stolz besteht. |
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33 | O siehst du nicht? in Karch liegt mancher Mann begraben, Doch Maruf's Grab nur siehst du einen Namen haben.« |
1 | An einen Herzensmann ein Schuft stellt' ein Verlangen, Doch jenem war gerad der Vorrat ausgegangen. |
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2 | Rein ausgeleert war ihm der Gurt sowie die Hand; Sonst hätt' er aufs Gesicht ihm Gold gestreut wie Sand. 158 |
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3 | Weg ging der Gehrende mit tückischem Gelasse, Und jenen fing er an zu schimpfen auf der Gasse: |
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4 | »Bewahre Gott uns vor den stillen Skorpionen, Reißenden Tigern, die im Sufi-Kleide wohnen; |
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5 | Die wie die Katz' ihr Herz auf ihre Kniee schmiegen,eine gewöhnliche Phrase ist: hinter dem Knie der Beschauung (Andacht) sitzen, dann ein Sprichwort: Katzenandacht (vgl. 134, 6). Die persische Unart der Vermischung zweier Bilder ist hier anmutig. Und wenn ein Fang sich zeigt, alswie ein Jagdhund fliegen; |
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6 | Aufschlagend in Moscheen den Laden voll Betrug, Weil ihnen in das Haus nicht Beute kommt genug. |
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7 | Der kühne Räuber hemmt der Karawanen Trab, Sie aber ziehn das Kleid den Leuten leiser ab. |
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8 | Die Kutte stoppeln sie mit Flicken schwarz und weiß, Doch Schätze häufen sie und stapeln Gold mit Fleiß. |
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9 | O über diese Kornvorzeiger, Spreuverkäufer, Weltstreuner, Nachtanschrei'r und Bettelstoppelläufer! |
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10 | Sieh das nicht an, daß sie alt sind und schwach genung Zur Andacht; jung und frisch sind sie zu Tanz und Sprung.Der Derwischtanz der Verzückung ist gemeint, aber als sinnliche Lust angeschlagen. |
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11 | Weswegen halten sie im Sitzen das Gebet, Da ihnen doch der Fuß so flink zum Tanze geht? |
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12 | Sie sind der wirkliche Stab Mosis, diese Fresser,Der Stab Mosis, der die anderen Stäbe fraß. Und wär' ihr Ansehn auch noch magrer und noch blässer. |
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13 | Nicht die Enthaltsamen sind sie und nicht die Weisen; Sie sind so geistlich nur, um weltlich sich zu speisen. |
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14 | Sie ziehn das Tigerfell wie Neger um den Leib, Und drunter haben sie Gewänder wie ein Weib.Das Tigerfell muß ein ascetisches Costüm sein – nämlich auf bloßem Leib; sie aber hingen's nur weichlichem weibischen Kleid über. [Rückert hatte den Text Harington's vor sich.] 159 |
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15 | Und von der Satzung nichts an ihnen haften mag,Die Satzung sunna. Die überlieferte geistliche Lebensordnung nach Weise des Propheten. Als Schlaf vor Mitternacht und Frühstück vor dem Tag. |
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16 | Ihr Wanst ist vollgestopft vom Unterteil ans ober', Siebzigerlei Gericht' in einem Bettlerkober.« – |
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17 | Von solchen Dingen sag' ich nun kein Wörtchen mehr, Denn schwatzen aus der Schul' ist keines Mannes Ehr'.« |
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18 | Er schwatzte so heraus; nie ließ ein solchermaßen Erprobter Schimpfer wol sich hören auf der Gassen. |
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19 | Wenn einer selber oft genug Ehrlosigkeit Begangen hat, so thut nicht Andrer Ehr' ihm leid. |
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20 | Ein Schüler brachte schnell dem Scheich hiervon Bericht; Die Wahrheit zu gestehn, vernünftig war das nicht. |
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21 | Mir hinterm Rücken schimpft ein Wicht, und es verklingt; Die Axt legt an den Stamm der Freund, der mir es bringt. |
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22 | Ein Mann schoß einen Pfeil, der auf den Weg fiel hin, Mein Leben sehrt' er nicht, noch kränkt' er meinen Sinn; |
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23 | Du aber nimmst ihn auf und kommst zu mir in Eil', Und in die Seite hast du mir gebohrt den Pfeil. – |
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24 | Allein es lächelte der Gottesmann und sprach: »Das ist nicht von Belang; sag' er mir Ärgres nach! |
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25 | Von meiner bösen Schrift ist das ein kleines Zeilchen, Von dem, was selbst ich weiß, noch nicht ein Hundertteilchen. |
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26 | Was aus Mutmaßung er von mir hat aufgestellt, Das weiß in Wahrheit ich, daß es sich so verhält. |
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27 | Wenn Böses mir der Feind nachsagen will verstohlen, Komm' er, um das Concept dazu bei mir zu holen. |
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28 | Da wir seit einem Jahr mit ihm bekannt nur waren, Wie kennen sollt' er schon den Fehl von siebzig Jahren? |
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29 | Und niemand auf der Welt kennt besser meine Fehle, Als ich, nur außer Gott, der sieht in meine Seele. 160 |
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30 | Nie sah ich einen so wohlmeinenden wie ihn, Der meint, mein größter Fehl sei das, was ihm so schien. |
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31 | Wenn mir am jüngsten Tag nicht andre Zeugen schaden, So fürcht' ich nicht die Höll', ich bin nicht schwer beladen.« – |
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32 | Auf Gottes Wegen ist ein Pilger der gewesen, Wer von dem Pfeil der Schmach zur Scheibe ward erlesen; |
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33 | Wer auf den Haubenschmuck des Hochmuts hat verzichtet, Und in des Geistes Kron' empor das Haupt gerichtet. |
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34 | Nimm unterwürfig hin, daß sie am Fell dir nagen; Denn von Hochherzigen wird Thorenmut ertragen. |
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35 | Wollt' aus des Guten Staub man machen einen Krug, Kein Wunder, wenn auch den des Tadlers Stein zerschlug. |
1 | Fürst Saleh, Syriens Beherrscher, der gerechte, Ging manchmal morgens aus allein mit einem Knechte, |
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2 | Und streifte so umher auf Märkten und auf Straßen, Nach Arabergebrauch den Schleier vorgelassen.V. 3 ist in der Übersetzung ausgelassen; er enthielt nichts Wesentliches, als das Etymologische des Namens Suleh = gut; wörtlich: denn er war einsichtsvoll und ein Armenfreund; wer das beides ist, ist ein Malik Suleh (guter Fürst). |
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4 | In einem Bethaus fand er zwei Derwische liegen Voll Unbehaglichkeit und voller Mißvergnügen. |
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5 | Es hatt' in kalter Nacht kein Schlaf ihr Aug' gewonnen; Sie warteten erstarrt, Eidechsen gleich, der Sonnen. |
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6 | Und von den beiden sprach zum jüngeren der älter': »Am Auferstehungstag wird doch sein ein Vergelter. |
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7 | Wenn diese Padischa's mit hochgetragnen Hälsen, Die sich in aller Füll' und Lust des Lebens wälzen, |
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8 | Gehn mit den Armen ein zur Paradieseslaube, So heb' ich nicht den Kopf aus meines Grabes Staube. 161 |
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9 | Die Wohnung werden wir im Paradies aufschlagen, Die wir hier um den Fuß des Kummers Bande tragen. |
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10 | Was haben sie dir Guts auf dieser Welt gegeben, Um dir im Wege noch zu stehn in jenem Leben? |
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11 | Ja, käme Saleh dort nur in den Gartenwinkel, Ich schlüge meinen Schuh ihm an das Hirn voll Dünkel.« |
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12 | Als Saleh den Bescheid von jenem hört' erteilen, Schien's ihm geraten nicht, dort länger zu verweilen. |
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13 | Ein Weilchen ging er noch, bis von der Sonne Bronnen Des Schlummers Duft im Aug' der Schöpfung war zerronnen; |
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14 | Dann sandt' er eilends hin und holte jene bei; Voll Würde setzt' er sich, und ehrenvoll die zwei. |
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15 | Den Regen seiner Füll' er über sie ergoß, Daß aller Staub der Schmach ab ihren Gliedern floß. |
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16 | Nach Mühsal und nach Not, nach Frost und Regennacht, Sie saßen mit des Reichs Heerfürsten nun in Pracht. |
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17 | Die Bettler, die zum Schlaf Nachts hatten kein Gewand, Beräucherten nun ihr Gewand mit Aloebrand. |
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18 | Da sprach zum König hin gewandt der eine leis': »O du, dem dienstbar sei mit Lust der Erdenkreis! |
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19 | Den Angenehmen thut ein König Ehren an; Was von uns Sklaven ward dir angenehm's gethan?« |
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20 | Vor Lust der Schahinschah wie eine Ros' erblühte, Den Bettler lacht' er an und sprach zu ihm voll Güte: |
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21 | Ich bin der Mann nicht, der aus Stolz auf meinen Stand Den Armen hätte je das Antlitz abgewandt; |
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22 | Nun thu auch gegen mich den übeln Mut von dir, Daß du im Paradies mir machest Ungebühr. |
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23 | Heut hab' ich aufgemacht des Friedens Thür für dich, So mache morgen auch die Thür nicht zu für mich.« – |
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24 | Dies ist der Weg, den du zu wandeln hast zum Glücke: Begehrst du Adel, stoß die Niedern nicht zurücke. 162 |
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25 | Dem ist nicht dort die Frucht am Himmelsbaum geraten, Der hier nicht hat gestreut des guten Willens Saaten.Zwei verwandte Bilder vermischt nach persischer Art oder Unart. Wir sagen besser: Des Paradieses Frucht hat keinen dort erfreut, Der guten Willens Korn nicht hier hat ausgestreut. |
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26 | Wem guter Wille fehlt, darf Seligkeit nicht hoffen; Der Schlägel Dienstbarkeit hat Glück, den Ball, getroffen. |
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27 | Wie kämst du gleich dem Docht zu hellem Glanz, o Prasser,. Voll von dir selbst, alswie die Ampel voll von Wasser? |
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28 | Erkoren ist nur der zu der Gesellschaft Leuchte, Des Herz, der Kerze gleich, ganz Glut ist ohne Feuchte. |
1 | In Sternkund' hatt' ein Mann ein Weniges gethan; Darob stieg mächtig ihm der Stolz den Kopf hinan. |
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2 | Zum weisen Koschiar den weiten Weg er machte,Koschiar, ein Weiser in Gilan, angeblich Ibn Sina's (Avicenna's) Lehrer. Und ihm ein Herz voll Lust, ein Haupt voll Hochmut brachte. |
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3 | Der weise Mann alsbald vor ihm sein Aug' verschloß, So daß kein Buchstab von Belehrung zu ihm floß. |
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4 | Doch als er ohne Frucht nun an den Rückweg trat, Da gab der edle Mann zum Abschied ihm den Rat: |
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5 | »Du hast im Flug des Wahns voll Wissens dich gewiegt; Doch wiss', daß ein Gefäß, wenn's voll ist, nicht mehr fliegt. |
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6 | Du bist von Anspruch voll, drum gehst du leer hier aus; Nun werde leer und komm' von Weisheit voll nach Haus!« – |
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7 | Vom Dasein mache dich wie Saadi leer und los, Daß du Erkenntnis-Ernt' einsammelst in den Schoß. 163 |
1 | Ein Sklave war im Zorn entlaufen seinem Herrn; Man sucht' ihn auf, und fand ihn nirgends nah und fern. |
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2 | Doch als er selbst zurück nun kam von seiner Wut, Sprach zum Schwertführenden der Fürst: »Vergeuß sein Blut!« |
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3 | Und der blutdurstige Scharfrichter mitleidleer Zuckte den Speer alswie die Zung' ein Durstiger. |
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4 | Mir ward gesagt, es rief der Mann im Todesmut: »O höchster Gott, geschenkt sei meinem Herrn mein Blut! |
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5 | Denn lange hab' ich mich in Lust und Fröhlichkeit In seiner Herrschaft Glück nach Herzenswunsch erfreut; |
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6 | Fern sei es nun, daß man mein Blut zur Last ihm lege An jenem Tag', und drob sein Feind sich freuen möge.« |
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7 | Doch als der Herr vernahm der Rede sanften Schall, War seines Zornes Topf nicht fernerhin in Wall. |
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8 | Aufs Aug' und auf die Stirn gab er ihm manchen Kuß, Zum Hauptmann macht' er ihn mit Fahn' und Trommelgruß. |
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9 | Ihn führte so das Glück von solcher Schreckenstelle Durch Lindigkeit hinan zu solcher Ehrenschwelle. – |
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10 | Dies ist der Rede Zweck: ein Wörtchen sanft und gut Ist Wasser in des Zornentbrannten Feuerglut. |
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11 | O siehst du nicht, wo man mit Schwert und Lanze kämpft, Wie man der Stöße Wucht durch Seidenpanzer dämpft? |
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12 | Senk unterwürfig, Freund, dem Gegner deinen Rumpf; Denn durch Gelindheit wird des Schwertes Spitze stumpf. |
1 | Von den Gelehrten gab uns mancher den Bericht, Daß taub einst Hatem war; du aber glaub es nicht.Hatem Abu Abderrahman, zubenannt der Taube, weil er sich einmal taub stellte, berühmter Rechts- (und Gottes-)Gelehrter in Balch in Chorassan, gest. 851/2 n. Chr. 164 |
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2 | Ein leises Dröhnen ließ einst eine Flieg' erschallen, Die unversehns ins Netz der Spinne war gefallen. |
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4 | Da blickte hin der Scheich und sprach in Gleichnisweise: »Gefesselte der Gier, o hemme deine Reise! |
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5 | Nicht allwärts, wo du denkst, ist Zucker oder Seim, In manchen Ecken auch ist Band und Netz geheim.« |
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6 | Und einer sprach zu ihm aus der Gelehrten Kreise: »Verwundern muß ich mich, o Mann der Gottesreise, |
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7 | Wie du von einer Flieg' hast das Geräusch vernommen, Das nur mit Schwierigkeit zu Ohren uns gekommen. |
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8 | Da einer Fliege Ton du wußtest zu erkennen, So darf man dich hinfort nicht mehr den Tauben nennen.« |
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9 | Mit Lächeln jener drauf: »O du, der Weisheit Hort, Besser ist taub zu sein als hörend Thorenwort. |
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10 | Die Leute, die mit mir gesellig gehen um, Verhüllen meine Fehl' und singen meinen Ruhm. |
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11 | Wie meine Schwächen nun mir bleiben unbekannt, Werd' ich von Stolz verführt, von Dünkel übermannt. |
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12 | Deswegen stell' ich denn mich an als hör' ich schwer, Und leicht entgeh' ich der Verstellung um so ehr. |
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13 | Wenn man mich gradezu für einen Tauben hält, So spricht man Bös und Gut von mir so wie es fällt. |
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14 | Und will das Böse mir zu hören nicht behagen, So darf das Böse nur zu thun ich mich entschlagen.« – |
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15 | O renne nicht ins Garn der Schmeichelei hinein; Wie Hatem sollst du taub und leisehörend sein. |
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16 | Heil aufzusuchen, Heil zu finden wird nicht glücken Jedwedem, der dem Wort von Saadi kehrt den Rücken. |
1 | Aus des bekutteten Einsiedlers öder Zelle Kam einem Wandernden zu Ohren ein Gebelle. 165 |
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2 | Er sprach bei sich: »Was hat wol hier ein Hund zu thun?« Hinkam er, wo er fand den frommen Derwisch ruhn. |
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3 | Von einem Hunde fand er nirgend eine Spur, Nichts Lebendes daselbst als den Einsiedler nur. |
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4 | Beschämt begann er da den Rückweg einzuschlagen, Er scheute sich, dem Grund des Rätsels nachzufragen. |
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5 | Von drinnen hörete der Fromme seine Tritte, Und rief: »Holla, was stehst du draußen? komm zur Hütte! |
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6 | Und wenn du etwa meinst (wie, Guter, nenn' ich dich?) Es habe hier ein Hund gebellt; der Hund bin ich. |
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7 | Weil ich erkannt, daß Er Ohnmächtigkeit nimmt an, Hab' ich Stolz und Vernunft aus meinem Haupt gethan. |
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8 | Vor seiner Thüre geb' ich Laut gleich einem Hund, Weil mir armseligers nichts als ein Hund ist kund.« – |
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9 | Wenn du zu hoher Stuf' empor verlangst zu dringen, Aus der Erniedrigung wirst du die Höh erschwingen. |
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10 | Vor dieser Majestät erhält die Ehrenstelle, Wer sich am untersten gesetzt hat an die Schwelle. |
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11 | Der Gießbach, wann er kam mit ungestümem Wallen, Ist aus der Höh' alsbald zum Abgrund er gefallen. |
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12 | Doch wenn der arme Thau demütig niederstob, Sieh wie die Sonne drauf ihn zur Capella hob! |
1 | Vor Tebris draußen wohnt' ein Frommer, der bei Nacht Beständig munter war und zum Gebet erwacht. |
|
2 | Einst sah er, wie bei Nacht ein Dieb an einem Ort Strickleitern schlang und warf auf ein Gesims sofort. |
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3 | Den Leuten zeigt' er's an, da hob sich ein Geschrei, Mit Stecken kam das Volk von jeder Seit' herbei. 166 |
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4 | Der Unmensch, als er nahm den Lärm der Menschen wahr, Erachtete nicht gut zu bleiben in der Fahr. |
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5 | Ein Schrecken ward ihm eingejagt vom lauten Chor, Beizeit sich aus dem Staub zu machen zog er vor. |
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6 | Das Mitleid aber schmolz wie Wachs das Herz des Frommen, Daß dieser arme Dieb so leer davongekommen. |
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7 | Im Dunkeln lief er ihm voraus um eine Strecke, Und ihm entgegen trat er dann an einer Ecke: |
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8 | »O Freund, nicht eile so! ich bin dir wohlgesinnt, Es ist der Mannesmut, der dir mein Herz gewinnt. |
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9 | Dergleichen Mannesmut hab' ich noch nie gewahrt. Kriegsführung, wie ich weiß, ist nur zwiefacher Art: |
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10 | Einmal, dem Gegner sich mannhaft entgegen wagen, Dann, aus ungleichem Kampf sein Leben rettend tragen. |
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11 | Um dieses beides nun bewundr' ich dich mit Recht; Wie nennst du dich? daß ich mich nenne deinen Knecht. |
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12 | Wenn du mir folgen willst, will ich zu guten Dingen An einen Ort, der mir bekannt ist, hin dich bringen. |
|
13 | Es ist ein niedres Haus, das Thor ist wohlverschlossen, Ich denke, daß es leer jetzt ist von Hausgenossen. |
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14 | Wir bauen uns davor zwei Mannshoch eine Wand: Des einen Fuß nimmt auf des andern Schulter Stand. |
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15 | Begnüge dich mit dem, was in die Hand dir fällt; Doch besser ist's, als daß du leer gehst aus dem Feld.« |
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16 | So mit vertraulichem und schmeichelhaftem Wort Zog er den Dieb mit sich zum eignen Hause fort. |
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17 | Der tapfre Nachtheld bot alsbald den Rücken hin, Auf seine Schultern stieg der Mann von hohem Sinn. |
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18 | Was er von Vorrat fand, ließ er an einem Stab Im Turban in den Schoß des Wartenden hinab. |
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19 | Gar sehr entschuldigt' er sich noch und sprach: »Geschwind Mach nun, und rette dich davon als wie der Wind.« 167 |
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20 | Zur andern Seite hub er an zu schreien: »Diebe! Zur Hülfe, junges Volk, um Gotteslohn und Liebe!« |
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21 | Doch der verschlagne Dieb war schon dem lauten Schwarm Entflohn mit dem Gepäck des Klausners unterm Arm. |
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22 | Zufriednen Herzens blieb der Gottesmann zurück, Daß ein verkehrter Wicht gekommen sei zu Glück. |
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23 | Ein Unhold, welcher nie erbarmend wen geschont, Mit Güte ward er vom Gutherzigen belohnt. |
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24 | Nicht zu verwundern ist von Weisen solch Betragen, Daß Gutes sie aus Huld dem Bösen nicht versagen. |
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25 | Der Guten Segen bringt den Bösen Leben ein, Wie sehr die Bösen auch der Güt' unwürdig sein. |
1 | Es trug ein Mann ein Herz wie Saadi unbefangen, Das war geraten an ein Lieb mit glatten Wangen. |
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2 | Er trug von Feinden Hohn und grimmen Redeschwall, Vom Keulenschlag des Wehs aufhüpfend wie der Ball. |
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3 | Doch gegen keinen drum verzog er seine Brauen, Und Scherz ließ ihm nicht Zeit, um ernst darein zu schauen. |
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4 | Zu ihm sprach einer einst: »Wirst du denn nie dich schämen? Nie von so manchem Stoß und Steinwurf Kunde nehmen? |
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5 | Nur Niedre lassen sich am eignen Leibe zwacken, Geduldig Feindes Fuß sich setzen auf den Nacken.« |
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6 | Wie trefflich gab er drauf, von Liebestaumel voll, Die Antwort, die in Gold geschrieben werden soll: |
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7 | »In meines Herzens Haus ist Raum nur für den Schatz Der Liebe, für den Haß daneben ist kein Platz.« 168 |
1 | Wie schön hat Behlul einst gesagt erleuchtungsvoll, Als einen frommen Mann er streiten sah mit Groll: |
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2 | »Der Anspruchvolle, hätt' er recht den Freund empfunden, So hätt' er Zeit zum Krieg mit Feinden nicht gefunden. |
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3 | Wär' ihm das wahre Sein des Unerschaffnen klar, So würde des Geschöpfs Nichtsein ihm offenbar.« |
1 | Von Farbe schwärzlich war, so lautet mein Bericht, Der weise Lokman, zart und zierlich war er nicht.[Lokman, der arabische Äsop.] |
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2 | Ihn hielt für seinen Knecht ein Mann in Bagdad, dem Sein Schwarzer war entflohn, und ließ ihn kneten Lehm. |
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3 | An einem Palast baut' er so ein ganzes Jahr; Und niemand unterschied ihn von der Sklavenschar. |
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4 | Als der entlaufne Knecht dem Herrn zurück gekommen, Fühlt' er von Furcht und Scheu vor Lokman sich beklommen. |
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5 | Zu Füßen fiel er ihm, und um Entschuld'gung bat; Doch Lokman lacht' und sprach: »Entschuld'gung kommt zu spat. |
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6 | Ein Jahr lang mußt' ich Gram ins Herz, das wunde, thun; Wie sollt' ich ihn heraus in einer Stunde thun? |
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7 | Doch ich verzeihe dir gleichwol, mein guter Mann, Weil keinen Schaden ich durch deinen Nutz gewann. |
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8 | Indessen der Palast zu Stande dir gekommen, Hab' an Erkenntnis ich und Einsicht zugenommen. |
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9 | Auch einen Sklaven hab' ich unter meinen Leuten, Dem ich zu Hartes wol ansinnen mag zu Zeiten. 169 |
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10 | In Zukunft werd' ich nicht mehr hart begegnen dem, Wenn in den Sinn mir kommt mein hart Geschäft in Lehm.« – |
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11 | Wer von den Großen nie mußt' Ungebühr erdulden, Erbarmen wird er nicht der Kleinen sich in Hulden. |
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12 | Wie schön hat Behramschah gesprochen zum Wesir: Die Untergebenen zu schonen rat' ich dir. |
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13 | Wenn vom Gebieter hier dich kränkt ein hartes Wort, Behandle du nicht hart die Untergebnen dort! |
1 | In San'a's Wüste fand einst einen Hund Dschuneid, Dem stumpf geworden war der Zahn vom Jagdgewaid, |
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2 | Gelähmt der Fänge Kraft zu packen Leu und Luchs, Herabgekommen schwach alswie ein alter Fuchs; |
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3 | Statt daß er sonst im Lauf dem Rehe nachgesetzt, Kriegt' er Fußtritte von des Pferches Schafen jetzt. |
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4 | Wie er so elend ihn und kraftlos sah und wund, Gab er von seiner Kost ein halbes Teil dem Hund. |
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5 | Ich hörte, daß er sprach und weinte Blutnaß heißes: »Wer von uns beiden hier der bessre sei, wer weiß es? |
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6 | Wol als der bessere bin ich jetzt anzusehn; Doch was läßt das Geschick einst übers Haupt mir gehn? |
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7 | Wenn mir des Glaubens Fuß nicht gleitet aus im Pfade, So setz' ich auf das Haupt den Kranz von Gottes Gnade. |
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8 | Wenn aber mir das Kleid der Einsicht um die Brust Nicht bleibt, dann gegen ihn bin ich sehr im Verlust. |
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9 | Denn einen Hund, wie auch er üblen Ruf erwarb, Zur Hölle wird man ihn nicht bringen, wann er starb.« – |
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10 | Das ist die Bahn des Heils, daß, die auf dieser Bahn, O Saadi, gingen, auf sich selbst mit Stolz nicht sahn. 170 |
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11 | Dadurch geschah es, daß sie Engelswürd' erhielten, Daß sie nicht besser selbst als einen Hund sich hielten. |
1 | Es ging ein Trunkner, der die Laut' im Arme trug, Die einem frommen Mann er Nachts am Kopf zerschlug. |
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2 | Am andern Tage kam der Gute sonder Groll, Dem Wüstling bracht' er dar die Hand von Silber voll: |
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3 | »Du warst berauscht von Wein gestern, und ich von Stolz: Zerschlagen ward mein Kopf und dir der Laute Holz. |
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4 | Die Wunde ward mir heil, und Brennholz auch zu Teil; Doch außer Silber ist für dich kein ander Heil.« – |
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5 | Drum ist ein Gottesmann zum Haupt der Welt erhoben, Um Streiche von der Welt an seinem Haupt zu proben. |
1 | Mir ist berichtet, daß in Wachsch ein Edler sich Zurückgezogen hielt im Winkel tugendlich, |
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2 | Im Geist der Wahrheit nackt, kein Frömmling im Gewand, Der nach dem Gut der Welt hervorstreckt seine Hand. |
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3 | Ihm hatte Seligkeit still eine Pfort' erschlossen, Und er zu sich der Welt die Pforte streng verschlossen. |
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4 | Ein Zungenheld voll Unverstandes durft' es wagen Dem guten Manne frech viel Böses nachzusagen: |
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5 | »Habt Acht vor solchem Trug, vor solchen falschen Listen, Bei frommer Einfalt sich als Teufel einzunisten! |
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6 | Sie waschen ihr Gesicht von Zeit zu Zeit wie Katzen, Um nach der armen Maus zu strecken ihre Tatzen. 171 |
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7 | Aus Ruhmsucht fleißen sie sich der Enthaltsamkeit; Denn man vernimmt den Klang der hohlen Trommel weit.« |
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8 | So schwatzt' er, und viel Volk war um ihn her erschienen, Und Männer weideten und Weiber sich an ihnen. |
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9 | Dem einen mochte das Geschwätz zum Lachen scheinen, Dem andern die Geduld des frommen Manns zum Weinen. |
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10 | Mir ist berichtet, daß von Wachsch der Weise dann Mit Weinen sprach: »O Gott, belehre diesen Mann! |
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11 | Doch sagt die Wahrheit er, o Heiliger, ich flehe, Bekehre mich, auf daß ich nicht verloren gehe!« – |
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12 | Von einem Schelter ist die Gunst mir widerfahren, Daß ich die eigenen Unarten hab' erfahren. |
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13 | Bist du, wie man dich schilt, so laß dich's nicht verletzen: Und wenn du so nicht bist, laß in den Wind ihn schwätzen. |
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14 | Wenn zu dir sagt ein Thor: »Dein Moschus ist Gestank«, Zeig du dich lobenswert, und seine Red' ist krank. |
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15 | Doch wenn man dieses Wort von deiner Zwiebel spricht, So gib es zu, und sei faulhirnig selber nicht. |
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16 | Es kauft kein weiser Mann, kein von Gemüt vornehmer, Ein Mundschloß für den Feind bei einem Budenkrämer. |
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17 | Es will sich mit dem Sinn der Weisen nicht vertragen, Leichtfertigem Geschwätz der Thoren nachzufragen. |
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18 | Wer sich mit stillem Fleiß bei seiner Arbeit regt, Des Feindes böse Zung' hat er in Band gelegt. |
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19 | Sei nur dein Wandel gut, damit, wer Böses sinne, Anlaß zum Schaden dir zu reden nicht gewinne. |
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20 | Wenn schwer dir fällt das, was von dir ein Gegner spricht, Sieh was er schilt an dir, und thu dasselbe nicht. |
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21 | Wie sollte jener nicht zu meinem Besten sprechen, Der so zur Einsicht mir verhilft in mein Gebrechen? |
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22 | Die Stolzvergoldeten mag man ins Feuer thun; Ob Messing oder Gold sie seien, zeigt sich nun. 172 |
1 | Dem Ali vorgelegt ward eine schwier'ge Frage, Damit befriedigend er deren Antwort sage. |
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2 | Der Fürst der Gläubigen, der Feinde schlägt in Band, Und Länder aufschließt, gab die Antwort voll Verstand. |
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3 | Mir ist berichtet, daß zugegen war ein Mann, Der sprach: »So ist es nicht, o Vater des Hassan!« |
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4 | Darob kam nicht in Zorn der kriegsberühmte Leu; »Wenn du es besser weißt«, sprach er, »sag's ohne Scheu.« |
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5 | Er sagte, was er wußt', und sagt' es klar und hell; Verstopfen kann man nicht mit Lehm den Sonnenquell. |
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6 | Sein Wort hieß gut der Fürst vom menschlichen Geschlechte: »Im Fehler war ich selbst, er aber ist im Rechte. |
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7 | Er wußte mehr als ich; allwissend ist nur Einer, Ob dessen Weisheit ist mit seiner Weisheit keiner.« – |
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8 | Wenn heute wär' ein Fürst mit solcher Macht betraut, Er hätte gar aus Stolz den Mann nicht angeschaut. |
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9 | Der Kämmerer hätt' ihn zur Thür hinausgeschafft, Niedergeschlagen hätt' ihn einer bengelhaft: |
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10 | »Begeh nicht solcherlei Schamlosigkeit hinfort! Vor großen Herren führt man nicht das große Wort.« – |
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11 | O laß, wo voll ein Kopf ist von des Dünkels Chören, Dich nicht bedünken, daß er werde Wahrheit hören. |
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12 | Die Lehr' ist ärgerlich, die Predigt ungelegen; Blutnelken sprießen nicht aus hartem Stein vom Regen. |
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13 | Wenn du vom Weisheitmeer hast Perlenüberfluß, Geh gieße sie mit Rat dem Derwisch vor den Fuß. |
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14 | Sahst du nicht einen Dorn, der im demüt'gen Staube Schlug Wurzel, Rosen trug und blüht' als Frühlingslaube? |
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15 | Vergieß, o Weiser, nicht den Ärmel voll Juwele, Wo du voll von sich selbst siehst eine Herrenseele. 173 |
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16 | In Mancher Augen wird nie Eingang einer finden, Der seine Größe selbst sie läßt zu sehr empfinden. |
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17 | Du rede nicht, eh man dir's danket tausendfach; Und redest du von selbst, erwarte nichts hernach. |
1 | Es war ein Bettler, wie man mir berichtet hat, Dem Omar auf den Fuß einst im Gedränge trat. |
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2 | Und ihn erkannte nicht sogleich der arme Wicht; Wem weh es thut, der kennt den Freund vom Feinde nicht. |
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3 | In Zorn geriet der Mann und rief: »Du bist wol blind.« Doch Antwort gab darauf Omar der Fürst gelind: |
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4 | »Ich bin nicht blind, es ist ein Fehltritt nur geschehn; Ich wußt' es nicht; darum verzeih mir das Versehn.« – |
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5 | Des Glaubens Helden, o wie waren sie bescheiden, Die ihren Unterthan so pflegten zu bescheiden! |
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6 | Erlesne Weise sind demütiger Geberde, Ein fruchtbeladner Zweig neigt mit dem Haupt zur Erde. |
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7 | Wer hier demütig ist, hat nicht an jenem Tage Zu fürchten, daß vor Scham gesenktes Haupt er trage. |
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8 | Fürchtest du dort den Tag, wo du wirst Rede stehn, So schenk' hier denen, die dich fürchten, ihr Vergehn. |
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9 | O richte schonungslos die Untergebnen nicht; Denn über deinem ist ein anderes Gericht. |
1 | Von gutem Wandel war ein Mann und holdem Mut, Der von den Schlechten selbst zu reden pflegte gut. 174 |
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2 | Den sah ein Mann im Traum, nachdem er war geschieden, Und fragt': »Erzähl' einmal, was dort dir ist beschieden?« |
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3 | Er that der Rose gleich mit Lachen auf den Mund, That gleich der Nachtigall in süßem Ton sich kund: |
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4 | »Sie haben's nicht zu streng genommen dort mit mir, Weil gegen Niemand ich verfuhr mit Strenge hier.« |
1 | Gelesen hab' ich, daß der Wasserträger Nil Dem Land in einem Jahr nicht zutrug Wasser viel. |
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2 | Und eine Menge Volks lief dem Gebirg entgegen, Und flehte mit Geschrei den Himmel an um Regen. |
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3 | Sie weinten und es ward ein Strom ihr Thränenguß, Vielleicht daß kommen mag des Himmels Thrän' in Fluß. |
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4 | Von ihrer einem ward zu dem Dhulnun gebracht[Dhulnun, berühmter Theologe, Jurist und Mystiker. Er war nubischer Abkunft, lebte in Ägypten und starb im Jahre 859 n. Chr.] Die Kunde, daß das Volk erliegt des Wehes Macht. |
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5 | »Thu ein Gebet für sie, die Armen, die verzagen! Dem Angenehmen wird man nicht Gehör versagen.« |
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6 | Mir ist berichtet, daß Dhulnun nach Midian wich; Nicht lange währt' es und einstellte Regen sich. |
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7 | In zwanzig Tagen ward gesagt auf Midian's Au: »Der Wolke schwarzes Herz gab ihnen Thränenthau.« |
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8 | Zum Rückweg machte schnell der alte Mann sich auf, Nachdem der Fruhlingsguß gefüllt des Stromes Lauf. |
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9 | Der Frommen einer fragt' ihn insgeheim hernach: »Was war der Sinn davon, daß du entflohst?« Er sprach: 175 |
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10 | »Mir war das Wort bekannt, daß Vogel, Wurm und Thier Durch Menschensündigkeit den Unterhalt verlier'. |
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11 | In diesem Lande sah ich weit und breit umher, Und keinen sah ich als mich selber sündiger. |
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12 | Darum entwich ich, daß nicht wegen meiner Schuld Für die Geschöpfe sei gesperrt das Thor der Huld.« – |
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13 | Wenn Größe du begehrst, zeig Demut! jene Großen Sahn auf der Welt sich selbst für schlecht an und verstoßen. |
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14 | Erscheinen wirst du vor den Menschen wert alsdann, Wenn deinen eignen Wert für nichts du schlugest an. |
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15 | Ein Hoher, der sich selbst hat für gering erachtet, Der hat das Höchste hier und dort zugleich ertrachtet. |
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16 | Vom Erdenstaub erhob der Geist sich reinbefiedert, Der sich zum Füßestaub des Niedrigsten erniedert. – |
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17 | O der du magst den Schritt ob meinem Staub hinlenken, Bei aller Edlen Staub! vergiß nicht, mein zu denken. |
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18 | Wenn Saadi ward zu Staub, wie sollt' es leid ihm sein, Da er im Leben auch gewesen Staub allein! |
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19 | Ohnmächtig gab er hin den Leib dem Staub der Gruft, Nachdem er rings die Welt durchzogen gleich der Luft. |
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20 | Nicht lange steht es an, so nimmt die Luft den Staub Und führt zum andernmal ihn durch die Welt als Raub. |
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21 | Sieh, seit der Rosenhain der Phantasie entsprungen, Hat keine Nachtigall so süß darin gesungen. |
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22 | Ein Wunder wär' es, wo solch eine Nachtigall Verschied, entblühte nicht dem Grab ein Rosenwall. 176 |