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In ganz Berlin gab es in der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts keinen gröberen Menschen, als den Maurermeister Schmidt. Jeder wußte das und ging dem Grobian so weit wie möglich aus dem Wege, wenn er nicht geschäftlich mit ihm zu tun hatte. Aber oft genug mußte man sich ihm notgedrungen nähern, mit ihm sprechen, überlegen und unterhandeln, denn Schmidt war der beste Maurermeister der Residenz, und wer ein durchaus solides Haus haben wollte, der konnte nur zu Schmidt gehen. Allein es war entsetzlich schwer mit ihm fertig zu werden; er hatte seine ganz bestimmten Ansichten über Fundamentierung, Aufbau und Einrichtung eines Hauses, so daß er anderen Vorschlägen und Wünschen durchaus unzugänglich war, und war nun der Auftraggeber ebenfalls ein hartnäckiger Kopf, der für sein Geld sein Haus auch nach seinem Wunsche gebaut haben wollte, so gab es sofort die heftigsten Auftritte, und mancher, der gekommen war, dem Maurermeister einen Auftrag zu geben, flog schließlich zum Hause hinaus. Man nahm das aber in der guten alten Zeit nicht so genau, und dem Maurermeister erwuchs aus seiner Eigenwilligkeit und Handgreiflichkeit nicht allzu viel Schaden.
Wie mit seinen Auftraggebern verfuhr Schmidt natürlich auch mit seinen Gesellen. Da durfte sich keiner erlauben, einen Stein anders zu setzen, wie er es bestimmt hatte, oder gar an der Anlage etwas zu ändern, und wenn es nur die kleinste Kleinigkeit gewesen wäre. Selbst Vorschläge zu Änderungen oder Verbesserungen wies er gleich zurück, bevor er sie nur angehört hatte, und wusch noch obendrein dem Gesellen, der es gewagt hatte, klüger sein zu wollen als sein Meister, gehörig den Kopf; ja, er ließ sich in der Hitze wohl gar noch zu Schlimmerem hinreißen.
Zu einer solchen Katastrophe kam es schließlich auch eines Tages mit dem Gesellen Franz Eckart, der seit etwa einem Jahre bei dem Meister arbeitete. Bisher war Schmidt mit dem jungen Manne sehr zufrieden gewesen, denn dieser hatte sich sehr anstellig gezeigt und jeden Auftrag aufs beste ausgeführt, neuerdings aber war er wiederholt so keck gewesen, bei Wohnhäuseranlagen einen etwas anderen Aufbau der Schornsteine vorzuschlagen. Meister Schmidt hatte seither die Schornsteine, wie üblich, groß und breit in der Mitte des Hauses aufgeführt, so daß der Himmel auf den Hauptherd der Küche hinabsah; der Geselle wollte nun eine Verengerung des Schornsteins und noch verschiedene andere Änderungen, wodurch, wie er meinte, der Zug verbessert, und das Rauchen bei stürmischer Witterung verhindert werden sollte. Natürlich war auf diese Vorschläge Meister Schmidt nie eingegangen. Jedesmal, wenn der Geselle nur die ersten Worte gesprochen hatte, war der Meister schon dazwischen gefahren und hatte ihm in seiner groben Weise bedeutet, den Mund zu halten. Diese Abfertigungen hatten Eckart natürlich stets sehr verletzt, aber er hatte sich doch immer bezwungen und geschwiegen, um keinen noch schlimmeren Konflikt hervorzurufen, bis endlich denn doch der Bruch erfolgte.
Oben in einem Giebelstübchen des Schmidtschen Hauses wohnte ein anmutiges junges Mädchen, Helene v. Bülow, die Tochter eines ehemaligen Offiziers. Sie hatte ihre beiden Eltern schon früh verloren und sah sich nun, da sie mittellos war, und ihre Verwandten sich auch nicht weiter um sie kümmerten, ganz auf sich selbst angewiesen. Dadurch war aber ihr Lebensmut und ihre Lebensfreudigkeit durchaus nicht beeinträchtigt worden. Da sie sehr geschickt im Nähen und Sticken war und dabei auch einen sehr feinen Geschmack besaß, verlegte sie sich auf das Sticken der langen seidenen Schoßwesten, welche damals die vornehmen Herren trugen, und verdiente damit ein schönes Stück Geld. Bereits seit zwei Jahren wohnte sie in dem Giebelstübchen des Schmidtschen Hauses, imponierte dem Meister gewaltig mit der Pünktlichkeit, mit der sie nach jedem Vierteljahr ihre Miete bezahlte, und machte sich außerdem die Tochter des Hauses, die etwas stille, aber äußerst tüchtige Luise, zur treuen Freundin. Das gefiel dem Meister abermals, denn Helene war auch in vielfacher Hinsicht gebildet, und ihr Umgang mit Luise konnte daher auf diese nur günstig wirken. Er sah es darum auch ganz gerne, wenn Helene hier und da in der Dämmerstunde oder an Sonntagnachmittagen herunter in die Wohnstube kam und hier ein Stündchen plauderte, sei es nun von dem sparsamen und gestrengen Könige Friedrich Wilhelm I., sei es über eine neue Schnurre vom alten Dessauer oder gar nur über das Wetter.
Gelegentlich dieser Plauderstunden hatte auch Eckart Helene kennen gelernt; dann hatten beide sich öfter auf der Treppe getroffen, auch bisweilen auf einem Sonntagnachmittagspaziergange gesehen, und einmal war ihm sogar der Vorzug geworden, eine ganz besonders reichgestickte Weste für den Oberpräsidenten v. Dankelmann bewundern zu dürfen. Luise, die das fertige Kunstwerk gerade in Helenens Zimmer betrachtete, als Eckart, von seiner Bodenkammer kommend, an der Tür vorbeiging, hatte ihn hereingerufen.
Dieser Verkehr mit Helenen hatte in Eckart, der selbst äußerst strebsam war, nach und nach eine große Hochachtung vor dem fleißigen und liebenswürdigen Mädchen hervorgerufen, und schließlich war auch eine tiefe und innige Liebe zu der Hausgenossin in dem Herzen des Gesellen aufgekeimt. Da er aber noch nichts weiter war als ein schlichter Maurer, und auch nichts weiter besaß als einige wenige mühsam ersparte Taler, so hütete er sich wohl, seine Herzensregung zu verraten, dagegen hoffte er, sich einmal herauszuarbeiten, um dann um die Hand der Geliebten werben zu können. Wie sich das einmal machen könne, wußte er freilich noch nicht; vorläufig wollte er aber noch einige Zeit bei Meister Schmidt arbeiten, schon um in Helenens Nähe zu bleiben. Und darum ließ er sich denn auch von dem Meister gar manches gefallen, was er sonst mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen hätte. Das aber hatte die schlimmen Folgen, daß der Meister glaubte, Eckart alles mögliche zumuten und ihn ohne jede Rücksicht behandeln zu können, wie es ihm beliebte, und da kam es doch eines Tages, daß der Geselle schon seiner Ehre wegen ganz energisch gegen die schnöde Behandlung des Meisters protestieren mußte.
Es war an einem Oktobertage. Schon lange war es kalt und regnerisch gewesen, aber trotzdem hatte Meister Schmidt noch mit allem Eifer an einem neuen Hause an der Königsstraße bauen lassen, um es noch zum Winter unter Dach zu bringen. Schließlich hatten sich aber die dicken Wolken so zusammengezogen, und es goß so entsetzlich vom Himmel, daß an ein Fortarbeiten nicht zu denken war. Auch der Meister sah das ein, gebot Schicht und sagte dann noch zu Eckart, er möchte nachher einmal zu ihm herunter in die Wohnstube kommen, da er ihn dort mit einem neuen Bauauftrage bekannt machen wolle.
Das war ja eine Auszeichnung für den Gesellen, und Eckart wußte dieselbe auch durchaus zu würdigen; er zog sich oben in seiner Kammer so schnell wie möglich um und trat bald unten in der Wohnstube ein. Zu seiner angenehmen Überraschung traf er dort auch die beiden Mädchen Luise und Helene in behaglichem Geplauder. Helene hatte bei der Düsterkeit des Tages bei ihrer Stickerei nicht mehr sehen können und war daher auf ein Stündchen zur Freundin heruntergekommen.
Es würde nun Eckart außerordentlich gefallen haben, wenn auch er sich etwas mit den Mädchen, besonders mit Helene, hätte unterhalten können, allein der Meister hatte hierfür durchaus kein Einsehen, er gönnte dem Gesellen kaum einen freundlichen Gruß für die Mädchen und packte sofort mehrere große Rollen mit Rissen aus, die ihm ein Baumeister für ein an der Klosterstraße zu errichtendes Gebäude übersandt hatte. Er solle sich den Entwurf einmal ansehen, sein fachmännisches Urteil abgeben und dann womöglich schon während des Winters – wenn es das Wetter zulasse – mit dem Graben der Fundamente beginnen.
Es war also ein sehr ehrendes Vertrauen, welches Meister Schmidt in die Fachkenntnisse des Gesellen setzte, indem er ihn mit den Rissen bekannt machte und ihn so gleichsam um seinen Rat fragte. Eckart sah sich denn auch die Zeichnungen sehr genau an und wußte auch auf dies und jenes aufmerksam zu machen, was ihm nicht ganz richtig entworfen zu sein schien. Dabei hatte er das Glück, daß ihm der Meister zustimmte. Das machte ihn mutiger, und er wagte nun auch auf die Schornsteinlage hinzuweisen, an der der Meister bereits mit einem Blaustift herumkorrigiert hatte. Der Schornstein müsse bei einem so hohen Hause bis in den Keller hinabgeführt werden, meinte er, und dürfe auch nicht so breit gehalten sein; zugleich versuchte er, neben die blauen Linien des Meisters noch ein engeres Quadrat zu zeichnen.
Aber noch hatte er kaum den Bleistift angesetzt, als der Meister ihm denselben auch schon aus der Hand riß.
»Was untersteht Er sich«, schrie er und wurde blutrot im Gesicht. »Sieht Er nicht, daß ich den Schornstein bereits zurechtgesetzt habe? Ist Er so dumm, daß Er nicht einsieht, daß das, was ich gemacht habe, ein für allemal richtig ist?«
»Ich weiß wohl,« versetzte Eckart ruhig, »daß Ihr die Schornsteine so konstruiert, Meister, aber ich habe wiederholt ausprobiert, daß –«
»Solch alberne Herumprobiererei«, unterbrach ihn der Meister, »ist bei mir nicht Mode. Ich bleibe bei meiner altbewährten Einrichtung. Das wäre eine schöne Sache, wenn ich mir von jedem hergelaufenen Kerl wollte eine Neuerung aufbinden lassen.«
Über diese wegwerfende Art, mit der der Meister von ihm sprach, mußte Eckart mit Recht entrüstet sein. »Wenn ich auch kein Berliner, sondern ein Zugereister bin,« versetzte er, »so stamme ich doch aus durchaus ehrenwerter Familie. Mein Vater war ein allgemein geachteter Bürger in Bernburg, und ich habe mir auch noch nichts zuschulden kommen lassen. In aller Ehrerbietung muß ich Euch darum bitten, nicht in solchem Tone zu mir zu sprechen.«
Er warf dabei einen flüchtigen Blick zu den Mädchen hinüber, denn gerade derentwegen mußte er ja auf seine Ehre halten. Kaum aber hatte er den letzten Satz vollendet, als der Meister auch schon, außer sich vor Wut, auf ihn zusprang.
»Was untersteht Er sich, Er Lump!« brüllte er. »Vorschriften will Er mir machen, wie ich mit Ihm reden soll?
Er verlangt wohl auch noch, daß ich erst Sammethandschuhe anziehe, ehe ich Ihn 'rausschmeiße!«
Die Mädchen waren weinend aufgesprungen, Luise suchte den Vater von dem Gesellen zurückzudrängen, wurde aber sofort höchst unsanft beiseite geschoben. Schon im nächsten Augenblick fühlte sich Eckart beim Kragen gefaßt, die Stubentür flog auf und dann die Haustür – und der arme Gemißhandelte stolperte – er wußte selbst nicht, wie es so schnell geschah – auf die Straße, in den Regen hinein. Krachend schlug die Haustür hinter ihm zu.
Auf der Straße wäre der Geselle offenbar hingestürzt, einen solch heftigen Stoß hatte ihm der rohe Meister schließlich noch gegeben, allein ein Zufall bewahrte ihn vor dem Fall: er prallte gegen einen Herrn, der eben vorüberging.
»Oho«, knurrte der so unerwartet, wenn auch unfreiwillig Angerempelte in tiefem Baß. Gleich darauf gab er aber so etwas wie ein Gelächter von sich und rief: »Aha, hier wohnt ja der grobe Schmidt. Ihr wollt Euch wohl ein neues Haus von dem guten Manne bauen lassen!«
Eckart hatte sich jetzt etwas von seinem Schrecken erholt. »Wenn auch das nicht, so wollte ich doch wenigstens eins mitbauen helfen«, versetzte er. »Aber beim Schornstein kamen wir in Streit.«
»Beim Schornstein?« erwiderte der Fremde. »Ja, zum Henker auch – wer sollte bei dem vermaledeiten Schornstein auch nicht in Zorn kommen. Ewig Rauch! Bin heute schon wieder einmal so in Wut gewesen über diesen Schornstein, daß ich ihn hätte mögen kurz und klein schlagen! Versteht Ihr denn was vom Schornstein?«
»Ich habe mich wenigstens schon viel mit einer Verbesserung der Konstruktion der Schornsteine befaßt«, entgegnete Eckart. »Ich bin nämlich meines Zeichens ein Maurer. Der Hauptfehler der jetzigen Schornsteine besteht nach meiner Ansicht in ihrer zu großen Breite. Natürlich entsteht dann kein ordentlicher Zug, bei unruhigem Wetter schlägt leicht der Wind in den Schornstein und dann gibt's gleich Rauch.«
»Ihr seid mein Mann«, rief jetzt der Fremde, und die helle Freude strahlte ihm aus dem Gesichte. »Schwefel und Pech! Was habe ich schon alles probieren lassen, um den nichtswürdigen Rauch zu vermeiden – heute waren wieder alle Stuben voll, daß ich vor Ärger auf und davongelaufen bin. Jetzt müßt Ihr mit mir kommen, auf der Stelle, und dem Jammer ein Ende machen. Ich bin der Graf v. Truchseß.«
Mit Freuden leistete Eckart dieser Aufforderung Folge, bot sich ihm doch nun endlich einmal Gelegenheit, zu beweisen, daß seine Ansichten über die notwendigen Änderungen der Feueranlagen die richtigen seien. Natürlich konnte er bei dem Grafen nicht gleich den ganzen Schornstein einreißen, er beschränkte sich also zunächst darauf, die Kamine und Öfen umzubauen, Roste in denselben anzulegen, die Feuerstätten zu verengern und die Öfen außerdem mit Zügen zu versehen, durch die er gleichsam den Schornstein verlängerte. Diese Züge waren seine eigene Erfindung, denn bisher kannte man nur Ofen, die innen bloß einen einzigen großen Hohlraum hatten.
Mit Eifer arbeitete er zunächst bis in den späten Abend hinein, dann begann er wieder am anderen Tage am frühen Morgen und hatte infolgedessen gegen Mittag die große Freude, den ersten vollständig ganz nach seinem Wunsche konstruierten Ofen fertig vor sich zu sehen.
Der Graf von Truchseß hatte ihm wiederholt bei seiner Arbeit zugesehen und sich über das geschickte und flinke Hantieren gefreut, und als nun das Feuer in dem Ofen lustig zu prasseln begann und den Kacheln eine wohlige Wärme entströmte, da wußte er des Lobes kein Ende. »Ihr seid ein famoser Kerl!« rief er einmal über das andere und rieb sich vergnügt die Hände.
Natürlich mußte nun Eckart die sämtlichen Ofen und Kamine des Truchseßschen Palastes umbauen und sah sich daher ganz unerwartet wieder einer längeren und auch recht anstrengenden Arbeitszeit gegenüber. Aber das war ihm natürlich im höchsten Grade angenehm, befand er sich doch auch zugleich durchaus in seinem Elemente, und wußte er doch auch außerdem, daß ihm der Graf v. Truchseß für jeden umgebauten Ofen und Kamin ein schönes Stück Geld bezahlte.
Doch das bare Geld war bei weitem noch nicht der wertvollste Lohn, den der Graf seinem neuen Ofenbauer zukommen ließ, weit wichtiger war es noch für diesen, daß Graf Truchseß allerwärts in seinem weiten Bekanntenkreise erzählte, was für einen Tausendkünstler er entdeckt habe, und zwar mitten auf der Straße in ziemlich unsanfter Berührung. Die Folge war, daß nun tagtäglich bei Eckart Anfragen einliefen, ob er nicht da oder dort – in diesem oder jenem Palaste alsbald die Kamine und Ofen umbauen könne, und eines Morgens fuhr gar eine königliche Kutsche vor dem Truchseßschen Hause vor, und ein Kammerherr des Königs forderte Eckart auf, sofort mit ihm nach Kossenblatt, einem nicht weit von Berlin gelegenen Landgute, zu fahren, das der König kürzlich für einen seiner Söhne, den Prinzen Wilhelm, gekauft habe, und wo es in dem Herrenhause in allen Stuben ganz entsetzlich rauche. Der König weile augenblicklich in Kossenblatt und sei über den Zustand ganz entrüstet. Da habe ihm der Graf v. Truchseß, der in der Umgebung des Königs weile, mitgeteilt, daß Eckart dieses Übel auf die schnellste und geschickteste Weise beseitigen könne, und darum habe der König befohlen, ihn schleunigst zur Stelle zu schaffen.
Ein günstigerer Auftrag konnte Eckart gar nicht zuteil werden; eiligst packte er sein Handwerkszeug zusammen, und schon in der nächsten Viertelstunde rollte der königliche Wagen mit ihm dem Gute Kossenblatt zu.
Der König Friedrich Wilhelm empfing den jungen Mann, der sich vermaß, eine Revolution in der Ofenbauerei herbeiführen zu wollen, zunächst mit etwas mißtrauischen Blicken, war er doch auch schon von manchem Beutelschneider hinter das Licht geführt worden. Als er aber bemerkte, wie sicher und geschickt Eckart zu Werke ging und auch schließlich sah, wie glänzend der erste fertige Ofen die Probe bestand, gewann er schnell die Überzeugung, daß hier der richtige Mann bei der Sache stand. Er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und erkundigte sich bei dem lebhaften Interesse, das er jederzeit für alle gewerblichen Einrichtungen hatte, wie Eckart auf seine neuen Ideen gekommen sei. Und Eckart wußte immer die treffendsten und bestimmtesten Antworten zu geben, so daß der König befriedigt nickte und ein sich beständig steigerndes Wohlwollen sich auf seinem Antlitz ausprägte.
Da wagte es denn der Geselle, das Eisen zu schmieden, während es noch warm war, und über den Kreis der bisherigen Unterhaltung etwas hinauszugehen. Er bemerkte dem Könige, daß er auf seiner Wanderschaft auch durch Potsdam gekommen sei und dort auch die große königliche Brauerei gesehen habe. Dabei sei er über die Plumpheit erstaunt gewesen, mit der die Feuerungsanlagen hergestellt worden seien. Bei solchen Anlagen finde eine vollständige Vergeudung des Brennmaterials statt und obendrein werde noch nicht einmal die Hitze erzeugt, die zu einem schnellen und praktischen Brauen wünschenswert sei. Wenn Seine Majestät gestatten wolle, daß er die Kamine der Brauerei nach seinem Sinne umbauen dürfte, so würden nicht nur viele Fuder Holz gespart werden, sondern es würde das Bier auch viel schneller gebraut werden können, und man würde dann auch noch wesentlich mehr Brauperioden im Jahre erzielen, die Einkünfte also erhöhen.
Das war für den sparsamen König, dessen ganzes Sinnen und Trachten danach ging, die traurigen wirtschaftlichen Verhältnisse seines Landes zu heben und die Staatskasse, die er bei seinem Regierungsantritte vollständig leer gefunden hatte, wieder zu füllen, eine hocherfreuliche Aussicht, um so mehr, da er in seinem Lande noch verschiedene andere Brauereien ins Leben gerufen hatte, und die dann ebenfalls die Ersparnisse machen konnten. Er gab also zu dem Umbaue der Kamine der Potsdamer Brauerei sehr gerne seine Einwilligung und befahl außerdem, daß dem Maurer Eckart bei seiner Arbeit von seiten der Potsdamer Baubehörde alle Unterstützung zuteil werde.
Eckart beschleunigte infolgedessen das Umsetzen der Ofen in Kossenblatt so sehr er konnte, übertrug dann die weiteren nur noch unbedeutenden Arbeiten im Truchseßschen Palaste einem Gehilfen, den er bereits mittlerweile angelernt hatte, und machte sich dann mit etwas beklommenem Herzen an die große Arbeit in Potsdam. Er wußte sehr wohl, daß ihn, wenn der Umbau mißlang, der Zorn des Königs ganz unfehlbar traf. Zum wenigsten kam er nach Spandau und mußte für die neuen Festungswälle Erde karren. Aber er kannte doch auch die Erfordernisse für ein flottes Brennen und einen tüchtigen Zug allzu gut, und wenn auch bei einer großen gewerblichen Anlage die Verhältnisse etwas anders lagen und schwieriger waren, so hatte er doch den besten Mut und machte sich vertrauensvoll und rüstig an die Arbeit. Einfach war sie allerdings nicht, auch stellten sich manche Hindernisse in den Weg. Die ganze Anlage der Brauerei war derart, daß der unförmliche Schornstein mitsamt den weiten Feuerungsanlagen ein in sich fest verschränktes Ganzes bildete, aus dem ein einzelner Teil schwer herausgerissen werden konnte. Eckart mußte allen Scharfsinn aufbieten, sollte ihm nicht, während er den Schornstein fast ganz herauslöste und vom Keller aus neu aufführte, das Gebäude zusammenstürzen. Der König folgte dem Bau mit dem größten Interesse und hatte eine außerordentliche Freude daran, zu sehen, wie geschickt Eckart der Schwierigkeit Herr wurde, und schließlich sein Werk aufs beste vollendete. Als der neue Kamin in Gegenwart des Königs die Probe glänzend bestanden hatte, war Friedrich Wilhelm so befriedigt, daß er sich an einen Tisch setzte und eigenhändig eine Anweisung für die Staatskasse schrieb, dem Maurer Franz Eckart hundert preußische Taler auszuzahlen.
Dieser Erfolg machte Eckart überglücklich; er fuhr zunächst nach Berlin und ließ sich die hundert Taler – damals eine beträchtliche Summe – auszahlen. Dann drängte es ihn, Helene aufzusuchen. Das liebe Mädchen, wie würde sie den lebhaftesten und herzlichsten Anteil an seinem Erfolg nehmen! In Jubel würde sie gewiß ausbrechen, wenn sie von seinem Glücke erführe!
Aber zu ihr in das Schmidtsche Haus zu gehen, vermochte er nicht, wie leicht konnte er dabei dem Meister begegnen. Er eilte daher in sein Zimmer, das ihm noch im Hinterhause des Truchseßschen Palastes eingeräumt war, und schilderte ihr hier in einem langen Briefe seine Erlebnisse seit der Katastrophe im Schmidtschen Hause. Zugleich ließ er durchblicken, wie treu er die Erinnerung an sie in seinem Herzen trage.
Als er den Brief geschlossen und fortgeschickt hatte, bemerkte er erst, daß während seiner Abwesenheit eine ganze Menge von Briefen bei ihm angekommen war. Schnell durchmusterte er sie; die meisten waren größeren Formats und trugen schnörkelhaft geschriebene Adressen, aber auch ein kleinerer war dabei mit einer zierlichen Aufschrift – eiligst riß er ihn auf, und das Herz klopfte ihm heftiger: Helene sandte ihm ihre innigsten Glückwünsche; sie hatte sich wiederholt bei Freundinnen und in ihrem Kundenkreise nach ihm erkundigt und ganz ausführlich erfahren, wie außergewöhnlich gut es ihm seither gegangen war.
Er jauchzte laut auf vor Glückseligkeit und hätte die ganze Welt umarmen mögen; lange ging er im Zimmer auf und ab, und immer meinte er das Bild des herzigen Mädchens vor sich zu sehen. Erst später ging er daran, auch die übrigen Briefe zu öffnen. Sie stammten alle von vornehmen Herren aus Berlin und der Umgegend und enthielten sämtlich die Bitte, die Ofen in den Wohnungen der Briefschreiber schleunigst umzubauen.
Eckart war durch die Masse dieser Aufträge völlig verblüfft, einen solchen Erfolg hatte er denn doch nicht erwartet, und er überlegte nun mit aller Umsicht, wie er den vielen Anforderungen würde entsprechen können. Wenn er sich nicht durch Nachahmer einen Teil des Erfolges wollte wegschnappen lassen, mußte er schnell handeln und unverzüglich die weitesten Vorkehrungen treffen, um dann den an ihn herantretenden Wünschen auch im vollsten Maße entsprechen zu können. Schon am anderen Morgen mietete er ein Gebäude, worin er die passenden Mauersteine für Ofen und Kamine aufschichten, sich eine ordentliche Geschäfts- und Zeichenstube einrichten, hinten im Hofe eine Kalkgrube anlegen, kurz, das ganze Geschäft im großen Stile betreiben konnte. Dann warb er auch eine Anzahl tüchtiger Gesellen an und ging nun flott an die Arbeit, und als sich darauf die Maurermeister sowohl wie Kaminfeger bei der königlichen Regierung beschwerten, daß ein Maurergeselle, der noch kein Meister sei, ihnen ins Handwerk pfusche und auf eigene Rechnung Geschäfte mache, erhielt er einen königlichen Freibrief, »auf daß er«, wie es in demselben hieß, »auch fürderhin für die gequälte Menschheit seine segensreichen Einrichtungen, die die anderen, jetzt so kläglich Schreienden, nicht hätten zustande gebracht, machen und konstruieren könne.«
Das Geschäft Eckarts hob sich nun zusehends von Tag zu Tag; oft wußte er vor Bestellungen nicht aus noch ein, zudem nahm ihn der König auch ferner noch sehr viel in Anspruch; er schickte ihn auf alle königlichen Brauereien in der Provinz und ließ dort von ihm die Kamine umbauen, dann auf alle seine Schlösser bis hinauf nach Königsberg.
Bei diesem Herumreisen im Lande zeigte dann Eckart auch noch nach anderer Seite hin, daß er einen klaren Blick und ein richtiges Verständnis für die Verhältnisse des Lebens hatte. Er beobachtete nämlich, daß in den kleinen Städten die kommunale Verwaltung eine äußerst mangelhafte sei, bei der der Wohlstand sich nur schwer entwickeln könne, und berichtete darüber dem Könige; auch schlug er ihm vor, tüchtige Verwaltungsbeamte aus der Residenz in diese kleineren Städte zu senden und durch diese die Stadtverwaltungen neu einrichten zu lassen.
Dieser Vorschlag fand den lebhaftesten Beifall des Königs, er schickte alsbald nach allen kleineren Städten der Monarchie solche Beamte, und hatte die Freude zu sehen, wie sich diese Städte unter der zweckmäßigeren Verwaltung rasch hoben und – was für ihn immer eine große Hauptsache war – auch steuerkräftiger wurden. Seine Anerkennung Eckart gegenüber äußerte er dadurch, daß er ihm den Titel eines Finanzrates verlieh, der damals ungefähr das bedeutete, was heute der Titel Kommerzienrat ausdrücken will.
Die Verhältnisse Eckarts hatten sich unterdessen in der großartigsten Weise erweitert; in ganz Deutschland verlangte man jetzt von ihm die Besserung der Ofen- und Kaminkonstruktion, und überallhin sandte er daher seine Leute. Und neben der Blüte seines Geschäftes entfaltete sich bei ihm auch das schönste und glücklichste Familienleben. Schon bald führte er seine geliebte Helene heim, die ihm dann die liebevollste und treueste Gattin und seinen Kindern die sorgsamste Mutter wurde.
Nur für einen war das Emporblühen und der Ruhm des Eckartschen Geschäfts eine Quelle des Ärgers, für den groben Maurermeister Schmidt, der immer sofort geneckt und gehänselt wurde, wenn einmal die Rede auf Eckart kam. Denn jeder machte sich dann darüber lustig, daß der Meister neben so vielen anderen in blinder Verkennung auch seinen besten Gesellen zum Hause hinausgeworfen habe. Man sprach dann aber niemals von dem Finanzrat Eckart – dieser Titel wurde dem Volke nie geläufig – sondern mit echtem Berliner Witz und sicherlich auch weit treffender nur von dem Kaminrat Eckart, und als solcher lebt er auch heute noch in der Erinnerung der alten Berliner.