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O grünes Revier der Liebe ... einer ist hier des anderen Jäger, einer des anderen Wild. Nirgendwo findet man sich so leicht, als hier in diesem Gewühl und Gedränge. Nirgendwo kann man jemand so leicht und so bequem verlieren. Alle sind hier auf der Suche, und keiner sucht vergebens. Kein Mädchen, dem sich hier nicht irgend ein Mann gesellen würde, kein Mann, dem es nicht gelänge, hier irgend ein Mädchen zu erobern. Ein junges oder ein weniger junges, ein hübsches oder ein weniger hübsches, ein unschuldiges oder eines, das schon Erfahrungen hat. Und wie gelehrig sind sie alle, wie lernen sie alle, eins vom andern. Frauen von den Männern, Männer von den Frauen. Der junge Leutnant, der hier zum Rendezvous kommt, versteht seine Sache schon vortrefflich. Hier, im Wurstelprater, ist er der höchste soziale Rang, hier ist er unbestreitbar der Vornehmste. Hier übt er eine Herablassung. Die Nähmamsell, die er hier trifft, wird halb schon durch seine nobeln Manieren, durch seine Galanterie erobert. Er küßt ihr die Hand wie einer großen Dame. Seiner Frau Generalin könnte er nicht respektvoller die Hand küssen. Und er darf sicher sein: das wirkt.
Der junge Dragoner hier ist nicht so routiniert in Liebesaffairen, ist auch auf dem Exerzierplatz der Galanterie noch ein Rekrut. Aber er hat eine Gefährtin, die schon einige Kenntnisse zu besitzen scheint. Sie wird ihn in die Schule nehmen. Wie sie neben ihm einhergeht, in seinem Arm hängt, merkt man, daß sie von seiner Frische entzückt ist; merkt auch, daß in diesem Liebeshandel alle Führerschaft, alle Initiative und alle Überlegenheit bei ihr sein wird, so lang es eben dauert.
Dauerhaft sind diese Bündnisse nicht, aber das ist auch wahrscheinlich ihr Reiz. Dieser stattlichen Dame dort, die prüfend vor einem Kreis junger Soldaten steht, ist es vielleicht nur um die Unterhaltung eines Abends zu tun. Wir können ihr Gesicht nicht sehen, aber man vermag sichs vorzustellen, wie sie aussieht. Sie ist nicht mehr in der ersten Blüte, dafür aber hat ihr Antlitz wohl den Ausdruck aufmunternder Bereitwilligkeit. Dazu noch eine Kennermiene.
Dort wieder ein Pärchen auf einer Bank. Gibt es eine gefährlichere Kupplerin, als solch eine Bank in einem öffentlichen Park, und gar erst in einer Praterallee? Man braucht sich noch garnicht zu kennen, man braucht nur zufällig nebeneinander auf einer Bank zu sitzen. Und noch ehe man ein Wort miteinander gesprochen hat, ist man doch schon durch das Zusammensitzen vertraut und verbunden. Dies Pärchen sitzt erst eine Viertelstunde hier. Und in der nächsten Viertelstunde ist es wahrscheinlich schon fort, irgendwohin in die Wiesen gegangen. Aber glauben wir nicht alle, daß wir dies Pärchen schon viele Jahre kennen, ihm in vielen Jahren schon ungezählte Male zugeschaut haben? Es ist eine Gruppe von solch typischer Kraft, daß wir sie in der ersten Sekunde verstehen, und nichts weiter zu sagen brauchen. Gehen wir vorüber!