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Obgleich die Königin im Jahre 1651 auf Bitten des Volkes ihren Vorsatz, dem Throne zu entsagen, geändert hatte, so war derselbe doch nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Sie hatte damals die Regierung beibehalten, wie sie selbst sagt, weil sie noch nicht Alles gethan hatte, was sie zum Besten des Staates thun wollte. Nachdem dieses geschehen, nahm sie ihren früheren Vorsatz wieder auf und traf alle Vorbereitungen zur Ausführung desselben. Man hat gesagt, sie habe aus Ueberdruß an der Regierung die Krone niedergelegt, allein schon Christina selbst verwahrt sich ausdrücklich gegen diese Anschuldigung; auch konnten die Verhältnisse des Staates sie nicht dazu veranlassen, da ja der Reichskanzler bei dem ersten Versuche der Thronentsagung ihr in dieser Beziehung im Namen des Reichsrathes und der Stände die glänzendsten Versprechungen gemacht hatte. Nicht mit Unrecht sagt daher Whistler, der Gehülfe des englischen Gesandten Whitelocke am schwedischen Hofe: »Die Ursache aber, warum ihr Vorhaben die Staatsverständigen befremdet, ist diese, weil die Regierung ihr nicht zu schwer wird und sie sich auch, den Geldmangel ausgenommen, der alle freigebigen Fürsten zu begleiten pflegt, in keinen verdrießlichen Umständen oder gedrungen findet und keinen abgesagten Feind auf dem Halse hat, sondern vielmehr von ihrem Volke ihrer Mildigkeit, Weisheit und Mäßigung wegen überall hochgeschätzt wird, einen ihrem Geschlechte ungewöhnlichen Muth besitzt und sich in ihrem Senate ein solches Ansehen erworben hat, daß sie ihm in den meisten Stücken überlegen ist.« Christina selbst gibt früher wie jetzt als Ursache ihrer heldenmüthigen Handlung die Wohlfahrt der Unterthanen und die Sicherheit des Staates an, da sie überhaupt der Ansicht war, daß Frauen unmöglich die Pflichten des Thrones würdig erfüllen könnten; ihre Conversion, den eigentlichen Beweggrund ihrer Thronentsagung, durfte sie nicht erwähnen, wenn sie sich nicht den größten Unannehmlichkeiten und Gefahren aussetzen wollte. Indessen finden wir doch schon in dem Briefe an den französischen Gesandten Chanut vom 28. Februar 1654, der sie von der Ausführung ihres Entschlusses abhalten wollte, auffallende und starke Ausdrücke, welche auf die eben erwähnte Ursache hindeuten. Der Brief ist zu merkwürdig, als daß wir ihn hier übergehen könnten. »Ich habe Ihnen bereits ehedem,« sagt sie, »die Ursachen angezeigt, die mich nöthigen, bei meinem Entschlusse, die Regierung aufzugeben, zu beharren. Es ist Ihnen nicht unbekannt, daß ich schon geraume Zeit mit diesem Gedanken umgegangen, und daß ich mich erst nach einer reifen achtjährigen Ueberlegung entschlossen, meinen Vorsatz auszuführen. Es sind wenigstens fünf Jahre, da ich Ihnen diesen meinen Vorsatz eröffnete und ich sah damals, daß nur ihre reine Zuneigung und der Antheil, den Sie an meinem Glücke nahmen, Sie bewogen, mir entgegen zu sein, ungeachtet der Gründe, die Sie nicht verwerfen konnten, so viel Mühe Sie sich auch gaben, mir mein Vorhaben zu widerrathen. Ich nahm mit Vergnügen wahr, daß Sie in diesem Gedanken nichts meiner Unwürdiges fanden, Sie wissen, was ich Ihnen das letzte Mal über diesen Gegenstand sagte, als ich das Vergnügen hatte, mich mit Ihnen zu unterhalten. Kein Zufall hat mich in einem so langen Zeitraum auf andere Gedanken bringen können: Ich habe mein ganzes Thun und Lassen auf dieses Ziel gerichtet; ohne auch jetzt zu wanken, da ich im Begriffe bin, meine Rolle auszuspielen und von der Bühne abzutreten. Ich bekümmere mich nicht um das Plaudite. Ich weiß, daß das Schauspiel, welches ich aufgeführt habe, nicht nach den gewöhnlichen Regeln der Schaubühne eingerichtet sein konnte. Was stark, männlich und nachdrucksvoll ist, kann nicht leicht allgemein gefallen. Ein Jeder mag hierüber nach seiner Art urtheilen. Diese Freiheit kann ich Niemanden nehmen und möchte es auch nicht, selbst wenn es in meiner Gewalt stände. Ich weiß, es werden Wenige vortheilhaft davon urtheilen, aber ich weiß auch, daß Sie zu dieser kleinen Anzahl gehören. Die übrigen Menschen wissen meine Gründe nicht, und kennen wenig oder gar nicht meine Gemüthsart, weil ich mich gegen Niemand deutlich erklärt habe, als gegen Sie und einen andern Freund, dessen Seele so schön und edel denkt, daß er so wie Sie davon urtheilt. Sufficit unus, sufficit nullus Einer ist genug, Keiner ist genug.. Die Uebrigen achte ich gar nicht und es wäre zu viel Ehre für Jemand aus dem Haufen, wenn ich ihn lächerlich genug fände, um mich über ihn lustig zu machen. Diejenigen, welche diese Handlung nach den unter den Menschen gewöhnlichen Grundsätzen beurtheilen, werden sie ohne Zweifel tadeln; aber nie werde ich mir die Mühe nehmen, mich zu vertheidigen und bei aller Muße, die ich mir zu verschaffen gedenke, niemals müßig genug sein, mich an solche Leute zu erinnern. Ich werde diese Muße anwenden, mein vergangenes Leben zu prüfen und meine Irrthümer zu verbessern, ohne mich dieselben befremden oder gereuen zu lassen. Welch' eine angenehme Erinnerung wird es sein, den Menschen mit Freuden Gutes gethan und ohne Schonung die bestraft zu haben, welche es verdienten! Ich werde den Trost haben, daß ich Niemand als Verbrecher behandelte, der es nicht war, und daß ich selbst gegen diejenigen, welche es waren, schonend verfuhr; ich habe die Erhaltung des Staates jeder andern Rücksicht vorgezogen; ich habe mit Freuden Alles seinem Interesse aufgeopfert und habe mir bei meiner Regierung nichts vorzuwerfen. Ich habe sie ohne Stolz geführt und lege sie gern und willig nieder. Seien Sie also meinetwegen ohne Sorgen: ich bin in guter Sicherheit. Meine Güter sind dem unbeständigen Glücke nicht unterworfen. Es gehe, wie es wolle, ich werde dennoch glücklich sein.
Sum tamen, o superi, felix nulli potestas,
Hoc auferre Deo
Dennoch, ihr himmlischen Götter, bin ich glücklich, und kein Gott hat die Macht, mir das zu rauben..
Ja, ich bin es mehr als irgend Jemand und werde es immer sein: Ich fürchte die Vorsehung nicht, welche Sie mir vorhalten. Omnia sunt propitia Alles ist günstig.. Sie mag es nun über sich nehmen, meine Angelegenheiten zu lenken, so unterwerfe ich mich ihr mit der Ehrfurcht und Unterwerfung, welche ich ihrem Willen schuldig bin; überläßt sie mich meiner eigenen Leitung, so werde ich alle Kräfte des Verstandes und Herzens, die sie mir verliehen hat, anwenden, mich glücklich zu machen. Und ich werde es so lange sein, als ich überzeugt bleibe, daß ich weder von Gott, noch von den Menschen etwas zu befürchten habe. Ich will den übrigen Theil meines Lebens anwenden, mich mit diesen Gedanken vertraut zu machen, meinen Geist zu stärken und aus dem Hafen die Leiden derer zu betrachten, welche noch von den Stürmen des Lebens herumgetrieben werden, weil sie ihren Geist nicht an jene Gedanken gewöhnten. Bin ich nicht in meinem gegenwärtigen Zustande beneidenswürdig? Ohne Zweifel würde ich zu viele Neider haben, wenn mein Glück bekannt wäre; doch Sie lieben mich genug, um es mir nicht zu beneiden, und ich verdiene es, da ich so aufrichtig bin zu gestehen, daß ich einen Theil dieser Gesinnungen Ihnen verdanke: Ich lernte sie in den Unterredungen mit Ihnen, und hoffe sie einst in meiner Muße durch Ihren Umgang zu verstärken. Ich bin überzeugt, daß Sie nicht im Stande sind, Ihr Wort zu brechen, und daß Sie bei dieser Veränderung nicht aufhören werden, mein Freund zu sein, weil ich nichts verlasse, was Ihrer Achtung würdig ist. Ich werde, wie auch immer meine Lage sein mag, Ihre Freundin bleiben, und Sie werden sehen, daß keine Veränderung sich ereignen kann, die den Gesinnungen, in denen ich meine Ehre suche, nachtheilig wäre. Sie wissen das Alles und glauben ohne Zweifel, ich könne Ihnen keine größere Versicherung geben, als die, daß ich immer sein werde u. s. w.«
Offen und unumwunden spricht sich Christina über die Ursache ihrer Thronentsagung aus, nachdem sie Schweden verlassen und zur katholischen Kirche zurückgekehrt ist. »Ich habe der Welt gezeigt,« schreibt sie an den Papst Alexander VII., »daß ich, um Ew. Heiligkeit zu gehorsamen, mit der größten Freudigkeit dasjenige Königreich verlassen habe, in welchem man die Hochachtung für Ew. Heiligkeit für eine unerläßliche Sünde hält, und habe alle menschlichen Betrachtungen bei Seite gesetzt, um zu bezeugen, daß ich die Ehre, Ew. Heiligkeit zu gehorchen, viel höher als den erhabensten Thron achte. Es gelanget demnach an Ew. Heiligkeit meine demüthigste Bitte, mich, sowie ich nunmehro bin, von aller vorigen Hoheit entblößt, mit derjenigen väterlichen Huld, deren Sie mich bisher gewürdigt, auf- und anzunehmen. Da ich weiter nichts mehr habe, das ich zu Ew. Heiligkeit Füßen aufopfern könnte, als meine Person, mein Blut und mein Leben, so biete ich es hiermit Ew. Heiligkeit mit allem dem blinden Gehorsam an, den man Ew. Heiligkeit schuldig ist, und ersuche Sie, von mir solchen Gebrauch zu machen, als es nach Dero Einsicht dem allgemeinen Wohle unserer heiligen Kirche am zuträglichsten sein wird, als welcher, wie nicht weniger Ew. Heiligkeit, als deren einzigem und wahrem Oberhaupte, ich den Ueberrest meines Lebens gewidmet habe, mit inbrünstigem Verlangen, daß es zur Verherrlichung des Namens Gottes angelegt und verwendet werden möge.« Ebenso heißt es in einer am 3. November 1655 zu Innsbruck mit Christina's Wissen veröffentlichten Erklärung: »Endlich entschloß sie sich zu Ausgang des April 1652, katholisch zu werden und ihren Thron zu verlassen; weil sie wohl einsah, daß es ihr unmöglich fallen würde, die katholische Religion jemals in ihren Ländern einzuführen und daß sie ihre Regierung nicht fortsetzen könnte, ohne sich in Gefahr eines Zwanges zu setzen, Vieles wider den wahren Glauben, den sie annehmen wollte, zu begehen.« Noch deutlicher und entschiedener gibt Christina den Uebertritt zur katholischen Kirche als die Ursache ihrer Thronentsagung in den späteren Jahren an. So ließ sie bei den Verhandlungen über die polnische Krone auf den Vorwurf, daß sie aus einem ketzerischen Hause abstamme, vorstellen: »Die Ketzerei in meinem Geschlechtshause ist ein Flecken, den ich nicht von mir ablehnen kann. Ich habe meine Person davon, so viel als mir möglich gewesen ist, gesäubert: aber ich sehe nicht, daß das Unglück, aus einem ketzerischen Hause geboren zu sein, mich ausschließen könne: da eben dieser Fehler dem Könige Sigismund verziehen ist, welcher noch näher bei der Quelle war, als ich bin, und der keine Krone aufgegeben hat, um katholisch zu werden, wie ich. Im Gegentheil ist er katholisch geworden, um König von Polen zu sein: da mir hingegen, ohne mich zu rühmen, Gott die Gnade verliehen hat, daß ich Alles zu verlassen im Stande gewesen bin, um katholisch zu werden.« Ebenso versichert sie im Jahre 1676 dem Kaiser, sie habe den Thron, auf dem sie geboren, verlassen, um die Freiheit zu haben, aller Welt ihre wunderbare Bekehrung zu verkünden. Dasselbe sagt sie auch in einer handschriftlichen Bemerkung zu einer Schrift über ihre Regierung und behauptet sogar, schon im Jahre 1648 in einer Krankheit das Gelübde gethan zu haben, sie wolle, wenn Gott ihr das Leben schenke, Alles verlassen, um katholisch zu werden. Dem Könige von Frankreich endlich zeigte sie 1655 ihren Uebertritt mit der Aeußerung an, sie habe schon vor acht Jahren den Vorsatz dazu gehabt, auf dem Throne aber wegen der Reichsgesetze nicht ausführen können. Aus diesen Aeußerungen ist ersichtlich, daß Christina's beabsichtigte Conversion schon im Jahre 1651 die Ursache ihrer versuchten Thronentsagung war. Diese Ansicht gewinnt noch dadurch an Gewißheit, daß sie in derselben Zeit, wo sie ihre Thronentsagung ankündigte, den ihr befreundeten Pater Macedo, Beichtvater des portugiesischen Gesandten, nach Rom schickte, um ihre Neigung zum Katholicismus dem Jesuiten-General zu entdecken und zu bewirken, daß zwei Jesuiten verkleidet nach Stockholm kämen. »Die Religion,« sagt daher mit Recht der Protestant Rühs, »war das Hauptmotiv, das sie bewegte, auf die Krone Verzicht zu leisten.« Dasselbe sagt K. A. Menzel: »Sie kam bald zu dem Entschlusse, dieser Neigung (für die katholische Kirche) ihre Krone zum Opfer zu bringen.«
Da Christina's Entschluß, die Regierung an Karl Gustav zu übergeben, feststand, so theilte sie ihn allmählich einigen Vertrauten mit und ließ sämmtliche Reichsräthe auf den 11. Februar 1654 nach Upsala zusammenberufen. Hier erklärte die Königin in den bestimmtesten Ausdrücken, daß sie nun gesonnen sei, die Krone niederzulegen. Sie verlange nicht der Herren Rath, sondern nur ihren Beistand, um die Sache zu Stande zu bringen und Karl Gustav in den Besitz des Thrones einzusetzen. Die Reichsräthe waren sehr bestürzt und suchten sie von diesem Schritte abzuhalten. Der Kanzler überreichte im Namen der Uebrigen ein nachdrückliches Memorial, worin er alle Gründe gegen ihre Abdankung darlegte und der Königin zu verstehen gab, daß sie diesen Schritt einst bereuen könnte. Auch der Thronfolger, den sie kommen ließ, um ihre Einkünfte mit ihm zu verabreden, suchte sie umzustimmen. Christina aber bewies deutlich, daß es ihr mit der Aufgebung ihrer Regierung sehr ernst sei. Daher reiste sie nach Nyköping, um von ihrer Mutter Abschied zu nehmen, und beschied dahin auch Karl Gustav. In seiner und ihres Hofes Gegenwart erklärte sie ihrer Mutter, sie sei gekommen, um ihr Adieu zu sagen; sie bitte die Mutter um Verzeihung, wenn sie ihr nicht alle schuldige Ehrfurcht und Sorgfalt erwiesen; »seien Sie überzeugt, daß nicht Mangel an gutem Willen, sondern gewisse Umstände und Verhältnisse dies veranlaßt haben; künftig werde ich noch weniger Ihnen Beistand zu leisten vermögen, aber Sie werden statt einer Tochter einen Sohn erhalten, der Ihnen alle Liebe erweisen wird«: sie stellte ihr nun den Prinzen vor, welcher in ehrfürchtiger Rede das Gesagte bekräftigte. – Zugleich ließ Christina mit dem Reichsrath über die Einkünfte für ihren künftigen Lebensunterhalt verhandeln. Sie forderte 200,000 Thlr. und zu deren Ertrag gewisse nicht zu veräußernde Landesgebiete mit dem Eigenthums- und Souveränetätsrecht; aber letzteres fand Widerstand. Manche, welche ihr abgeneigt waren, äußerten sogar, Christina wolle außerhalb Landes reisen und katholisch werden; man sollte sie zwingen, ihre Gelder im Lande zu verzehren. Dies beunruhigte sie sehr. Sie versicherte deshalb, sie wolle zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit die Bäder in Spaa gebrauchen und dann sich im Reiche niederlassen.
Indessen rückte der für den Reichstag festgesetzte Tag heran. Der Kanzler Oxenstierna sollte die Versammlung eröffnen, allein er entschuldigte sich, weil dies dem Eide zuwider sei, den er Gustav Adolph geschworen, Alles zu thun, um die Krone auf seiner Tochter Haupt zu erhalten. Daher redete Christina selbst zu den Ständen. Der Gegenstand, sagte sie, weswegen sie die Stände zusammenberufen habe, werde ihnen ohne Zweifel auffallend sein, weil er ohne Beispiele wäre; aber wenn sie auf Alles das sehen wollten, was schon seit langem geschehen wäre, so würden sie wahrnehmen, daß weder von etwas ganz Neuem noch von einem in der Eile gefaßten Entschlusse die Rede sei, sondern von einer Sache, die sie seit langer Zeit vorbereitet und reiflich überdacht hätte. Sie möchten sich nur an das erinnern, was schon vor einigen Jahren in Rücksicht auf die Thronfolge und die Verwaltung des Staates wäre beschlossen worden: und sie thäte diesen Schritt um so lieber, weil sie sähe, daß dem Reiche ein großer Vortheil daraus erwachsen würde; denn da die Stände den Prinzen als ihren Nachfolger anerkannt hätten und von seinen großen Eigenschaften und Fähigkeiten zu einer weisen Regierung überzeugt seien, so zweifle sie keineswegs, Jedermann werde ihn mit der größten Freude auf den Thron steigen sehen. Sie habe jetzt zehn Jahre lang regiert; sie habe dem Interesse der Nation Alles aufgeopfert; sie habe weder Nachtwachen noch Mühe gespart, um ihr die gegenwärtige Ruhe zu verschaffen: durch Gottes Gnade genösse sie dieselbe sowohl im Innern des Reiches als von Außen. Zur Erkenntlichkeit für all' ihre Mühe und Arbeit verlange sie nichts anderes von ihnen, als die Einwilligung zu ihrer Abdankung; eine Einwilligung, auf die sie desto sicherer zähle, da diese Abdankung eine fest beschlossene und so unfehlbare Sache sei, daß keine Rücksicht, keine Gegenvorstellung und keine Macht sie davon abbringen könnten. Sie fügte noch den Wunsch hinzu, daß man für ihren Unterhalt sorge und sagte, sie sei mit dem Prinzen schon übereingekommen, aber sie wollte, daß die Stände ebenfalls ihre Einwilligung geben.
Hierauf las der Baron Schering Rosenhane (der Reichskanzler hatte sich dessen geweigert, um nicht in den Verdacht zu kommen, als billige er Christina's Vorhaben) im Namen der Königin eine Schrift vor, welche dasjenige, was sie mündlich vorgetragen, noch ausführlicher enthielt; auch wurde einem jeden der Reichsstände eine Abschrift davon gegeben. Nun traten die Sprecher der einzelnen Stände vor und baten Christina inständig, daß sie den Thron nicht verlassen möge. Am rührendsten sprach der Vertreter des Bauernstandes: »Mein Herr Gott, Fräulein, was wollen Sie thun! Es thut mir leid, zu hören, daß Sie davon sprechen, diejenigen zu verlassen, die Sie so herzlich lieben, wie wir. Können Sie glücklicher sein, als Sie sind? Sie sind Königin von allen diesen Ländern, und wenn Sie dieses große Königreich verlassen, wo werden Sie ein solches wiederbekommen? Wenn Sie es thun (aber ich hoffe, Sie werden es wegen dieses Allen nicht thun), so werden wir beide, Sie und wir, es bereuen, wenn es zu spät ist. Daher bitten meine Brüder und ich Sie, besser darüber zu denken und die Krone auf Ihrem Haupte zu behalten; dann werden Sie Ihre eigene Ehre und unseren Frieden bewahren; wenn Sie aber die Krone niederlegen, so werden Sie Alle in Gefahr bringen. Nein, fahren Sie in Ihrem Geleise fort, gutes Fräulein, und seien Sie das Vor-Roß, so lange Sie leben; und wir wollen Ihnen helfen, so gut wir können, Ihre Bürde zu tragen. Ihr Vater war ein braver Mann und ein guter König und sehr rührig in der Welt; wir gehorchten ihm und liebten ihn, so lange er lebte; und Sie sind sein eigenes Kind und haben uns recht gut regiert und wir lieben Sie mit unserem ganzen Herzen; und der Prinz ist ein braver Herr und wenn seine Zeit kommt, so werden wir gegen ihn unsere Pflicht thun, wie wir gegen Sie thun; aber so lange Sie leben, wollen wir nicht von Ihnen lassen, und daher bitte ich, Fräulein, lassen Sie nicht von uns.« Als er seine Rede geendet, ging er unter Thränen zur Königin hin, nahm sie bei der Hand, schüttelte sie herzlich und küßte sie zwei- bis dreimal; dann wandte er sich um, trocknete sich mit seinem Taschentuche die Thränen ab und ging auf seinen Platz zurück. Da aber die Königin gegen alle Vorstellungen unbeweglich blieb und sogar antwortete: »Wenn man mir noch eine Krone dazu antrüge, so würde ich doch die Regierung nicht über die bestimmte Zeit behalten,« gaben die Stände ihre Einwilligung und am 16. Juni fand die Thronentsagung statt. Früh Morgens um 7 Uhr trat Christina mit dem Prinzen in den Reichsrath und ließ eine am Tage vorher aufgesetzte Abtretungsurkunde verlesen, in der sie zu Gunsten des Prinzen Karl Gustav für immer auf ihr ganzes Recht an die Krone Schwedens Verzicht leistete, sich die Einkünfte (240,000 Thlr.) gewisser Ländereien vorbehielt, sowie das Recht, ganz unabhängig zu leben, ohne Jemanden als Gott wegen ihrer bisherigen und künftigen Handlungen Rechenschaft schuldig zu sein und eine völlige unbeschränkte Gerichtsbarkeit über ihre Beamten und Dienerschaft auszuüben. Dagegen versprach sie ihrerseits, nichts zu unternehmen, was dem Wohle des Staates nachtheilig sein könnte. Nach Verlesung und Unterzeichnung dieser und einer anderen Urkunde, in welcher Karl Gustav der Königin die vorbehaltenen Einkünfte und Rechte zusicherte und ihr versprach, gegen sie lebenslang dankbar zu sein, der Königin-Witwe Schutz und Ehre zu erweisen, legten die obersten Reichsbeamten Christina den königlichen Mantel um und setzten ihr die Krone aufs Haupt; sie nahm in die rechte Hand das Scepter, in die linke den Reichsapfel; zwei Reichsräthe trugen ihr das Schwert und den goldenen Schlüssel voran. So ging der Zug in den großen Saal, wo die Stände, die fremden Gesandten und der ganze Hofstaat versammelt war. Die Königin setzte sich auf einen silbernen Thron. Darauf verlas Schering Rosenhane die Abdankungsschrift und gab sie dem Thronfolger, dann dessen Versicherungsurkunde für die Königin und händigte sie dieser ein. Auf ein Zeichen Christina's traten nun die höchsten Reichsbeamten zum Throne und entkleideten sie von den königlichen Insignien: Graf Brahe als Reichsdroste sollte ihr die Krone vom Haupte nehmen, aber er weigerte sich, zum Zeichen, daß ihre Entsagung gegen seinen Willen sei, und sie mußte sie selbst abnehmen. Der königliche Mantel wurde von den Höflingen in Stücke gerissen, da jeder ein Andenken an die Königin haben wollte. In einem einfachen weißen Kleide, »schön wie ein Engel«, trat sie darauf an den Rand der Thronerhöhung und hielt mit großer Beredsamkeit und Geistesgegenwart eine halbstündige Rede, welche den tiefsten Eindruck machte und Viele zu Thränen rührte: sie gab kurz einen Abriß von allem dem, was seit ihrer Regierung in Schweden vorgefallen war; sie hob hervor, wie sie stets für das Wohl Schwedens bedacht und ihre eigene Ruhe dabei aufgeopfert habe, so daß ihr Gewissen ihr nichts vorwerfen könne; sie rühmte die großen Verdienste ihres Vaters und die Tugenden des Thronfolgers und ersuchte die Stände, ihm denselben Gehorsam und dieselbe Treue zu leisten, die sie ihr bewiesen und wovon sie dieselben hiermit entbände. Im Namen der Stände sprach dann Schering Rosenhane den großen Schmerz aus, den sie empfänden, daß Christina den Thron und das Volk verlassen wolle. Als er geendet, stieg die Königin vom Throne und reichte den vier Ersten der Stände die Hand zum Kusse. Darauf ging sie auf den Prinzen zu und sprach mit noch größerer Beredsamkeit. Sie sagte zu ihm, er besteige jetzt einen Thron, auf welchem große Könige gesessen hätten, sie hoffe, daß er ihn würdig bekleiden würde; nicht so sehr die Verwandtschaft, als das Verdienst hätte sie bewogen, ihn zu ihrem Nachfolger zu erwählen. Sie hinterließe ihm einen Staatsrath, der ganz mit weisen Räthen besetzt sei, und statt aller Erkenntlichkeit für das Scepter, das er von ihr empfinge, bäte sie ihn, für die Königin, ihre Mutter, Sorge zu tragen und die Einkünfte derselben vielmehr zu vermehren als zu vermindern. Hierauf zog sich Christina in ihre Gemächer zurück, wohin sie der Prinz unter den größten Höflichkeiten geleitete. Bei der Krönung des Königs, die an demselben Tage erfolgte, war sie nicht zugegen; sie speiste aber später mit ihm in Gegenwart der Reichsräthe und Kronbeamten und nahm dann von jedem Einzelnen Abschied. Karl Gustav schenkte ihr 50,000 Thlr. und eine Haarnadel für 38,000 Thlr. Alle Versuche, Christina's Freiheit zu beschränken, wies er zurück. Zum Andenken an diese Feierlichkeiten waren goldene und silberne Denkmünzen geprägt worden; die des Königs trugen auf der einen Seite sein Bildniß mit seinem Namen, auf der anderen um eine Krone die Inschrift: » A Deo et Christina«; die der Königin zeigten ihr Bildniß und auf der Rückseite um eine Krone die Worte: » Et sine te, auch ohne Krone bin ich, was ich bin.« Am Tage nach der Krönung des Königs reiste Christina bald nach Mitternacht von Upsala nach Stockholm, begleitet von dem Könige und den Reichsräthen.
So stieg die Tochter Gustav Adolph's in der Blüthe ihrer Jahre freiwillig von einem glanzumstrahlten Throne, dessen sie nie würdiger zu sein schien, als gerade jetzt, geliebt vom Volke und geachtet von den Reichsständen, welche ihr das ehrende Zeugniß gaben, daß »ihre Regierung überall Ruhe, Frieden und Freundschaft hergestellt und den einzelnen Ständen und Personen vielfache Wohlthaten erzeigt habe.«